Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren beim fortgeschrittenen Zervixkarzinom
Autor:
Dr. Thomas Bartl, MA
Universitätsklinik für Frauenheilkunde
Klinische Abteilung für Allgemeine Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: thomas.bartl@meduniwien.ac.at
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Der anhaltende Siegeszug der Immuncheckpoint-Inhibitoren (CPI) in der klinischen Onkologie hat auch vor gynäkologischen Malignomen nicht haltgemacht. Neben der Zulassung von Dostarlimab (04/21) und Pembrolizumab (in Kombination mit Lenvatinib, 11/21) für das Endometriumkarzinom durch die European Medicines Agency (EMA) liegt seit April 2022 erstmals auch eine Zulassung für den Einsatz von Pembrolizumab in Kombination mit taxanbasierter Chemotherapie fürdas primär metastasierte oder rezidivierte PD-L1-positive Zervixkarzinom vor.
Keypoints
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Seit April 2022 liegt eine EMA-Zulassung für den Einsatz des Immuncheckpoint-Inhibitors Pembrolizumab in Kombination mit einer taxanbasierten Chemotherapie für primär metastasierte oder rezidivierte PD-L1-positive Zervixkarzinome vor.
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Der Zusatz von Pembrolizumab zu Cis-/Carboplatin und Paclitaxel (+/– Bevacizumab) bewirkt bei Patientinnen mit PD-L1-positiven Tumoren ein signifikant längeres PFS und OS bei guter Verträglichkeit und hoher Lebensqualität.
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Die Kombination Cis-/Carboplatin + Paclitaxel + Pembrolizumab +/– Bevacizumab (KEYNOTE-826) ist neuer therapeutischer Standard und ersetzt die vormalige Therapiekombination Cis-/Carboplatin + Paclitaxel +/– Bevacizumab (GOG-240).
Hintergrund und therapeutische Rationale
CPI sind parenteral verabreichte monoklonale Antikörper, die an die Proteine „programmed cell death protein 1“ (PD-1) oder dessen Liganden (PD-L1) an der Schnittstelle der Interaktion zwischen zytotoxischer T-Zelle und Tumorzelle binden. PD-L1 ist ein im menschlichen Körper annähernd ubiquitäres Protein, das im Rahmen einer „Freund-Feind-Erkennung“ einer T-Zelle das Vorliegen körpereigenen Gewebes signalisiert, wodurch Autoimmunreaktionen verhindert werden sollen.
Exprimieren Tumorzellen PD-L1, können sie sich als physiologisches Gewebe tarnen und werden nicht durch T-Zellen erkannt. Somit können sie sich auch einer Reaktion des adaptiven Immunsystems entziehen. Durch Applikation des PD-1-Inhibitors Pembrolizumab wird die PD-1- PDL-1-Interaktion aufgebrochen und das inhibitorische Signal unterbrochen, sodass T-Zellen Tumorzellen erneut erkennen können. CPI verfügen somit über keine direkte zytotoxische Wirksamkeit, sondern überstimulieren das körpereigene Immunsystem gegen Tumorgewebe.
Im Fall des Zervixkarzinoms stellt die HPV-assoziierte Tumorgenese eine starke therapeutische Rationale dar, da HPV in infiziertem Gewebe eine Immunsuppression, unter anderem durch Überexpression von PD-L1, bewirkt.1 Der erste Nachweis klinischer Wirksamkeit entstammt der KEYNOTE-158 Studie:2Diese berichtete in einer Kohorte von 82 Patientinnen mit rezidivierten, PD-L1-positiven Zervixkarzinomen unter Monotherapie mit Pembrolizumab über moderate Ansprechraten von 14,6%, jedoch – im Fall eines Ansprechens – von anhaltenden klinischen Remissionen.
Neuer therapeutischer Standard
Wissenschaftliche Grundlage für die Zulassung von Pembrolizumab ist die multizentrische, randomisierte, placebokontrollierte Phase-III-Studie KEYNOTE-8263, die einen Gesamtüberlebensvorteil für die Zugabe von Pembrolizumab zu taxanbasierter Chemotherapie+/–Bevacizumab aufzeigen konnte.
Es wurden 617 Patientinnen mit primär metastasierten oder rezidivierten Zervixkarzinomen ohne vorangegangene systemische Therapie (außer Radio- bzw. Radiochemotherapie) 1:1 randomisiert zu Pembrolizumab (200mg „fixed dose“) versus Placebo; jeweils zusätzlich zu Cis-/Carboplatin + Paclitaxel und, nach Wahl der Untersucher*innen, +/– Bevacizumab (15mg/kg KG) q3w.
Abb. 1: Der Immuncheckpoint-Inhibitor Pembrolizumab bricht durch Bindung an PD-1 die PD-1-PD-L1-Interaktion zwischen zytotoxischer T-Zelle und Tumorzelle auf. Hierdurch wird das inhibitorische Signal an die T-Zelle unterbrochen, die T-Zelle kann die Tumorzelle wieder-„erkennen“ und eine adaptive Immunantwort einleiten. Modifiziert nach NCI10
Während jene Patientinnen mit PD-L1-negativen Tumoren hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS) keinen Vorteil durch Zugabe von Pembrolizumab erfuhren (HR: 0,94; 95% CI: 0,52–1,70), zeigte sich in der Gruppe der PD-L1-positiven Patientinnen nach 24 Monaten ein signifikant längeres PFS (medianes PFS 10,4 vs. 8,2 Monate, HR: 0,62, 95%CI: 0,50–0,77, p<0,001). Dies bestätigte sich für das Gesamtüberleben (OS; 2-Jahres-OS-Rate: 53,0% vs. 41,7%; medianes OS noch nicht erreicht).
In der Subgruppenanalyse zeigte sich der Überlebensvorteil nach Pembrolizumab sowohl in Kombination mit Bevacizumab wie auch ohne Bevacizumab. Für die alleinige Zugabe von Bevacizumab zur taxanbasierten Chemotherapie ist ein Überlebensvorteil belegt (Studie GOG-240)4; der Effekt der Kombination von Bevacizumab mit Pembrolizumab scheint jedoch nicht synergistisch zu sein, sondern im Sinn eines „1+1=2“-Effekts. Daraus ist ableitbar, dass Pembrolizumab im Fall PD-L1-positiver Tumoren unabhängig von einer Bevacizumab-Therapie angewendet werden sollte. Die neuen Daten verändern den Einsatz von Bevacizumab in dieser Indikation somit nicht, erlauben mit Pembrolizumab aber die Zugabe einer zusätzlichen Substanz.
Hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils zeigt sich die Vierfachtherapie mit Pembrolizumab gut verträglich, substanztypische immunassoziierte Nebenwirkungen sind bei Zugabe von Pembrolizumab zumeist ambulant gut behandelbar. Häufigste zusätzliche Nebenwirkungen waren meist milde Thyreopathien (29,3% in der Therapiekohorte vs. 12,3% in der Placebokohorte), Hautreaktionen (4,6% vs. 0,3%) und Colitiden (5,2% vs. 1,6%). Höhergradige Nebenwirkungen, die eine Cortisontherapie oder eine Therapieunterbrechung erforderlich machten, waren selten. Bemerkenswert ist, dass im Fall der Zugabe von Pembrolizumab eine höhere Lebensqualität beobachtet werden konnte als in der Placebokohorte. Dieser Effekt ist vermutlich dem selteneren bzw. späteren Auftreten von Rezidiven zuzuschreiben und unterstreicht die exzellente Verträglichkeit der Vierfachkombination.3
Weiterer Ausblick in die Studienlandschaft
Abseits der Zulassung aufgrund der Ergebnisse der KEYNOTE-826-Studie ist kurz- und mittelfristig keine weitere neue Indikation für den Einsatz von CPI für Patientinnen mit Zervixkarzinomen zu erwarten, wenngleich derzeit vielversprechende Daten klinischer Studien vorliegen bzw. Studien noch rekrutieren.
Für das klinisch schwer behandelbare Kollektiv von Patientinnen nach Progress unter Rezidivchemotherapie stehen abseits von Monochemotherapien derzeit kaum Therapieoptionen zur Verfügung. Obwohl Phase-II-Daten zur Monotherapie mit Pembrolizumab vorliegen (vgl. oben, KEYNOTE-158)2 und Ansprechraten mit jenen einer Monochemotherapie vergleichbar scheinen, existiert derzeit zwar eine FDA-Zulassung, jedoch kein EMA-Label. Somit erfolgt in der Regel keine Kostenübernahme seitens der Versicherungsträger.
Abb. 2: Gesamtüberleben der Patientinnen in der KEYNOTE-826-Studie bei Zugabe von Pembrolizumab versus Placebo. Nach 24 Monaten sind in der Studienkohorte noch 53,0% Patientinnen am Leben versus 41,7% in der Kontrollkohorte (p<0,001). Modifiziert nach Colombo N et al.3
Im selben Patientinnenkollektiv konnte kürzliche die randomisierte, multizentrische Phase-III-Studie EMPOWERCervical 1/GOG-3016/ENGOT-cx9 für den PD-1-Inhibitor Cemiplimab bei 608 Patientinnen mit primär metastasiertem oder rezidiviertem Zervixkarzinom nach Progress unter Chemotherapie einen Überlebensvorteil für Cemiplimab gegen eine Monochemotherapie nach Wahl der Untersucher*innen belegen (medianes OS 12 vs. 8,5 Monate, HR: 0,69; 95% CI: [0,56–0,84], p<0,001).5 Ein FDA-Zulassungsantrag wurde seitens des Herstellers trotz positiver Daten zurückgezogen.6 Ein EMA-Zulassungsantrag liegt derzeit leider nicht vor.
Als vielversprechend könnte sich auch das neue Antikörper-Chemotherapie-Wirkstoffkonjugat Tisotumab-Vedotin zeigen, das in einer Phase-II-Studie in 101 Patientinnen mit Progress nach Chemotherapie eine Ansprechrate von 24% und eine Ansprechdauer von median 8,3 Monaten erbrachte.7 Eine Phase-III-Studie (40 InnovaTV 301/ENGOT-cx12/GOG-3057) befindet sich derzeit in Rekrutierung.8
Die MK-3475-A18/KEYNOTE-A18/ENGOT-cx11/GOG-3047-Studie prüft derzeit in einem randomisierten, placebokontrollierten multizentrischen Phase-III-Setting die Zugabe von Pembrolizumab zur primären Radiochemotherapie für lokal fortgeschrittene Zervixkarzinome.9 Positive Ergebnisse könnten Pembrolizumab erstmals in die Erstlinienbehandlung bringen und die bereits ausgezeichnete Prognose für dieses Patientinnenkollektiv weiter verbessern.
Schlussbemerkung
Mit Pembrolizumab steht für das fortgeschrittene oder metastasierte PD-L1-positive Zervixkarzinom der erste Checkpoint-Inhibitor zur Verfügung, der als Kombinationszusatz zur taxanbasierten Chemotherapie +/– Bevacizumab (KEYNOTE-826) das Gesamtüberleben betroffener Patientinnen signifikant verlängert und somit anstelle der „alten“ Kombination aus taxanbasierter Chemotherapie +/– Bevacizumab (GOG-240) den neuen therapeutischen Standard darstellt.
Eine Zulassung von Checkpoint-Inhibitoren ist für weitere Indikationen im Augenblick nicht absehbar, vielversprechende Studien lassen aber erwarten, dass diese Substanzklasse die Therapie des Zervixkarzinoms auch in Zukunft weiter revolutionieren wird. Für die schwierig behandelbare Gruppe von Patientinnen mit Progress nach Rezidivchemotherapie ist derzeit eine Zuweisung an Schwerpunktzentren zur weiteren Therapieevaluierung im Rahmen klinischer Studien empfehlenswert.
Literatur:
1 Shamseddine AA et al.: Tumor immunity and immunotherapy for HPV-related cancers. Cancer Discov 2021; 11(8): 1896-912 2 Chung HC et al.: Efficacy and safety of pembrolizumab in previously treated advanced cervical cancer: results from the phase II KEYNOTE-158 study. JClin Oncol 2019; 37(17): 1470-78 3 Colombo N et al.: Pembrolizumab for persistent, recurrent, or metastatic cervical cancer. N Engl J Med 2021; 385(20): 1856-67 4 Tewari KS et al.: Bevacizumab for advanced cervical cancer: final overall survival and adverse event analysis of a randomised, controlled, open-label, phase 3 trial (Gynecologic Oncology Group 240). Lancet 2017; 390(10103): 1654-1663 5 Tewari KS et al.: Survival with cemiplimab in recurrent cervical cancer. N Engl J Med 2022; 386(6): 544-55 6 Pressemitteilung zum FDA- Zulassungsantrag betreffend Cemiplimab: Sanofi and Regeneron provide regulatory update on Libtayo® (cemiplimab-rwlc) in advanced cervical cancer. Press releases January 28, 2022. Abgerufen unter https://www.sanofi.com/en/media-room/press-releases/2022/2022-01-28-12-00-00-2374983 , 18.10.22 7 Coleman RL et al.: Efficacy and safety of tisotumab vedotin in previously treated recurrent or metastatic cervical cancer (innovaTV 204/GOG-3023/ENGOT-cx6): a multicentre, open-label, single-arm, phase 2 study. Lancet Oncol 2021; 22(5): 609-19 8 Vergote I et al.: 40 InnovaTV 301/ENGOT-cx12/GOG-3057: tisotumab vedotin vs investigator’s choice chemo in second- or third-line recurrent or metastatic cervical cancer. Int J Gynecol Cancer 2021; 31: A1 9 Lorusso D et al.: 261 ENGOT-cx11/GOG 3047/KEYNOTE-A18: phase 3 randomized study of pembrolizumab + chemoradiotherapy for high-risk locally advanced cervical cancer. Int J Gynecol Cancer 2021; 31: A19-A20 10 NCI (National Cancer Insitute): Immune Checkpoint Inhibitors. Online unter: https://www.cancer.gov/about-cancer/treatment/types/immunotherapy/checkpoint-inhibitors#how-do-immune-checkpoint-inhibitors-work-against-cancer
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