<p class="article-intro">Die medizinische Forschung wird immer besser. Menschen leben länger. Chronische Erkrankungen nehmen zu. Ebenso die Zahl der Neuerkrankungen. Behandlungen werden immer teurer. Die Nachfrage nach Pflegefachkräften steigt. eSMART ist die weltweit größte randomisierte kontrollierte Studie zum Symptom-Management Chemotherapie-bedingter Nebenwirkungen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Lasst Daten und nicht Patienten reisen.</li> <li>Personalisierte und individuelle Unterstützung durch modernste eHealth Technologie</li> <li>„Predictive risk models“: Nicht mehr nur therapieren, sondern auch verhindern.</li> <li>Erste virtuelle Ambulanz an der Medizinischen Universität Wien</li> </ul> </div> <p>Das EU-Grant-Projekt eSMART wurde im Zeitraum 2014 bis 2019 an 13 Kliniken in fünf europäischen Ländern (Österreich, Griechenland, Irland, Norwegen, Vereinigtes Königreich [UK]) durchgeführt. Die dabei verwendete Software wurde gemeinsam mit onkologischen Patienten und Professionals im UK entwickelt und mehr als zehn Jahre lang getestet. Dort findet sie bereits in der klinischen Routine ihre Anwendung. Wir am Standort der Medizinischen Universität Wien befinden uns derzeit in den Vorbereitungen der ersten virtuellen Ambulanz.</p> <h2>Studiendesign von eSMART</h2> <p>Zu Beginn der Studie entscheidet das Zufallsprinzip über die Zugehörigkeit des Patienten zur Studiengruppe A oder B. In beiden Fällen erhalten die Patienten die herkömmliche und bewährte Standardbehandlung. Ebenso füllen alle Studienteilnehmer beider Gruppen die ePROMS („electronic patient-reported outcome measure“) aus. Dies ist eine Zusammenfassung von acht Fragebögen und die Beantwortung findet via Tablet oder PC statt. Behandelt werden die Themen Depressivität, Ängstlichkeit, Unterstützungsbedarf, Sexualität, Arbeitsfähigkeit, Lebensqualität, körperliche Symptome, Aufsuchverhalten der Notaufnahme und Ambulanzen. Diese Fragebogenerhebung findet für beide Studiengruppen zu denselben Zeitpunkten statt: Zu Beginn der Therapie, zum Start jedes Chemotherapiezyklus sowie nach Beendigung der Chemotherapie ein Jahr lang alle drei Monate.<br /> Der einzige Unterschied zwischen den beiden Studiengruppen: Gruppe A erhält ein Smartphone-basiertes Handgerät mit nach Hause. Auf diesem Handgerät befindet sich die ASyMS-Software („advanced symptom management system“), die vier Funktionen zur Verfügung stellt:</p> <ul> <li>einen Symptomfragebogen, bestehend aus 10 Fragen hinsichtlich Übelkeit, Fatigue, Fieber, körperliche Schmerzen, Durchfall, Verstopfung. Die Beantwortung dauert unter fünf Minuten.</li> <li>eine Bibliothek evidenzbasierter Informationen zur Krebserkrankung (Was ist Krebs? Was ist Chemotherapie?) sowie allgemeine Aufklärung zur Behandlung (Warum fallen die Haare aus? Was kann ich bei Fatigue/Durchfall/Verstopfung tun?)</li> <li>tägliche Eingabe der Nebenwirkungen ab Tag 1 der Chemotherapie; damit besteht die Möglichkeit, sich grafisch dessen Symptomverlauf darstellen zu lassen. Dies erleichtert nicht nur den Klinikalltag und das Arztgespräch, sondern fördert auch die Compliance zwischen Patient und Ärzte-/Pflegeteam.</li> <li>Das Klinik-Team kann Nachrichten auf das Handgerät des Patienten schicken (z.B. „Haben Sie heute schon Ihre Medikamente genommen?“, „Sie haben heute den Fragebogen noch nicht ausgefüllt, wie geht es Ihnen?“).</li> </ul> <p><br /> Die Daten des täglichen Symptomfragebogens werden in Echtzeit Datenschutzkonform vom Handgerät auf einen Server übertragen. Im Anschluss an die Beantwortung erstellt das Handgerät individuelle und personalisierte Ratschläge zur direkten Selbsthilfe, bis sich das Klinik- Team mit dem Patienten telefonisch in Verbindung setzt.<br /> Zwischenzeitlich werden die Daten des Patienten mittels Algorithmus dem Ampelsystem entsprechend auf das Kliniker-Handgerät geschickt, ebenfalls in Echtzeit. Grün bedeutet, dass es dem Patienten gut geht und derzeit keine weitere Unterstützung seitens des Klinik-Teams benötigt wird. Bei einem gelben Alarm hat das Team innerhalb der nächsten acht Stunden Zeit, den Patienten telefonisch zu kontaktieren. Ein roter Alarm bedeutet, das der Patient unter ernst zu nehmenden bis hin zu lebensbedrohlichen Symptomen innerhalb seines Chemotherapiezyklus leidet. Hier muss das Team innerhalb der nächsten 30 Minuten reagieren und den Patienten kontaktieren.<br /> Auf dem Kliniker-Handgerät werden anonymisiert die Initialen des Patienten angezeigt, um welche Alarmstufe es sich handelt, wie viel Zeit verbleibt, um den Alarm zu behandeln, und welche Symptome derzeit beim Patienten vorliegen. Bevor der Patient nun telefonisch kontaktiert wird, loggen sich Pflegepersonal und Ärzte auf unserer Studienwebsite ein. Dort ist jeder Patient hinterlegt und folgende Daten sind einsehbar: Therapieart, Therapiezyklus, Medikation, grafischer Symptomverlauf seit Beginn der Chemotherapie. Ebenso ist dort ein Fragebogen hinterlegt, speziell auf die aktuell bestehende Symptomatik des Patienten angepasst, um diesen am Telefon gemeinsam mit dem Patienten durchzusprechen. Im Anschluss an das Gespräch kann der Kliniker Notizen hinterlegen, z.B. welche Medikamente und Ratschläge empfohlen wurden. So ist eine transparente Dokumentation der Behandlung gewährleistet.</p> <h2>Ziele von eSMART</h2> <p>Studienziele der telemedizinischen eSMART- Studie sind somit: Früherkennung und Reduktion Chemotherapie-bedingter Nebenwirkungen, Steigerung der Lebensqualität sowie Steigerung der Überlebensrate, eine Reduktion von Ängstlichkeit, Depressivität und Unterstützungsbedarf, eine Reduktion der Arbeitseinschränkung, Senkung der Kosten des Gesundheitswesens (v.a. hinsichtlich Ambulanzen, Notaufnahmen) sowie positive Auswirkungen (Entlastung) auf den klinischen Alltag. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass alle Studienziele signifikant erreicht wurden. Ein weiteres wesentliches Studienziel war die Entwicklung vorhersagbarer Risikomodelle (PRM: „predictive risk models“), um zukünftig noch gezielter intervenieren und agieren zu können.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2001_Weblinks_jat_onko_2001_s88_abb1_lubowitzki.jpg" alt="" width="550" height="387" /></p></p>
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