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Homöopathie in der Krebstherapie
Jatros
Autor:
Dr. Ilse Fleck-Václavik
Ärztin für Allgemeinmedizin, Perchtoldsdorf<br> E-Mail: ordination@kraftdesheilens.at
30
Min. Lesezeit
22.11.2018
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<p class="article-intro">Wenn homöopathische Medizin und konventionelle Chemo- und Strahlentherapie kombiniert werden, lindert dies nicht nur die Nebenwirkungen der Therapie, sondern es zeigen sich auch positive Auswirkungen auf die Lebensqualität und psychische Verfassung der Patienten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Betroffene und ihre Angehörigen wissen es nur zu gut – die Diagnose „Krebs“ bedeutet sowohl einen psychischen als auch körperlichen Ausnahmezustand. Viele Patienten, die gestern noch ihrer Arbeit und ihren Hobbys nachgegangen sind, erleben morgen bereits heftige Nebenwirkungen ihrer Therapien im Kampf gegen die Erkrankung. Vieles hat sich in den letzten Jahren geändert, die Begleittherapien zur Eindämmung der bekannten Nebenwirkungen sowohl der Strahlen- als auch der Chemotherapie sind noch besser geworden, die Behandlungen immer individueller auf den Betroffenen und seinen Befund zugeschnitten. Trotz all dieser Fortschritte kämpfen die Patienten mit einer Vielzahl an Begleiterscheinungen der konventionellen Behandlungen, und nicht alle sind gut in den Griff zu bekommen.</p> <h2>Homöopathische Begleitung zeigt Effekte bei körperlichen und psychischen Problemen</h2> <p>Neben der Abhilfe bei körperlichen Beschwerden kann die homöopathische Medizin eine wertvolle Unterstützung bei psychischen Beschwerden sein. Eine im AKH Wien von Univ.-Prof. M. Frass durchgeführte Studie zeigte eine verbesserte Lebensqualität und ein erhöhtes allgemeines Wohlbefinden unter homöopathischer Behandlung.<sup>1</sup> Im Rahmen der randomisierten kontrollierten Studie wurden mehr als 400 Patienten, die sich einer konventionellen Therapie unterzogen, zusätzlich mit homöopathischen Arzneien behandelt, die Kontrollgruppe erhielt nur die antineoplastische Behandlung. Die Arbeit zeigt nicht nur den Benefit der supportiv angewendeten Homöopathie, sondern auch, dass diese sicher und nebenwirkungsfrei angewendet werden kann.<br /> Erfahrungsgemäß kann die homöopathische Medizin bei Übelkeit/Erbrechen, Durchfall und Obstipation und auch bei der für die Patienten sehr belastenden Stomatitis gute Unterstützung leisten. Ebenso sind die in den letzten Jahren vermehrt auftretenden Probleme wie Parästhesien, Ekzeme im Rahmen diverser Antikörpertherapien sowie klimakterische Beschwerden mithilfe individuell gewählter Arzneien gut zu lindern.<br /> Mit Unterstützung durch homöopathische Arzneien können verschiedene Nebenwirkungen nachhaltig gelindert werden – ohne dass durch die Behandlung selbst wiederum Probleme verursacht werden. Als Beispiel seien hier die Antiemetika in der konventionellen Begleittherapie genannt, die meist gute Erfolge zeigen. Aber als Nebeneffekt kämpfen die Patienten häufig mit Obstipation, die sich mitunter als hartnäckig erweist. Wird mittels homöopathischer Arzneien unterstützt, muss ein Patient nicht in Kauf nehmen, sich weiteren Beschwerden auszusetzen. Denn der wichtigste Faktor beim Einsatz der homöopathischen Medizin ist die Erfassung der Tumorpatienten in ihrer Individualität. Der homöopathische Arzt erhebt die Gesamtheit der Symptome, wobei auch die psychische Verfassung von Bedeutung ist. Bei der Begleitung der Patienten auf homöopathischer Ebene macht es für die Arzneiwahl einen großen Unterschied, ob jemand z.B. auf seine Übelkeit eher weinerlich und verzweifelt reagiert oder ob er zornig und gereizt durch diese Phase geht.<br /> So ist z.B. Pulsatilla (Kuhschelle) eher geeignet für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen, wenn fettige und deftige Speisen nicht vertragen werden und die Patienten weinerlich und anhänglich sind.<br /> Bei Patienten, die Nux vomica (Brechnuss) benötigen, ist das Gefühl von „Alles ist zu viel“ im Vordergrund. Die Therapie, die vielen Termine und Blutabnahmen, die große Anzahl an Medikamenten – alles erscheint als schwer zu überwindende Hürde. Abseits der onkologischen Anwendung ist Nux vomica als „Katerarznei“ bekannt. Zu viel an Alkohol, fetten, gehaltvollen Speisen, Nikotin und auch im übertragenen Sinn ein Zuviel an Aufgaben und Pflichten lassen den typischen Patienten in eine überaus reizbare Stimmung abgleiten, vor der man sich besser in Sicherheit bringt. Hintergrund an diesem nach außen oft als „Raubbau“ an der Gesundheit empfundenen Verhalten ist der verzweifelte Versuch, sich leistungsfähig und arbeitsfähig zu erhalten.<br /> Die homöopathische Potenzierung der Brechnuss ist auch angezeigt, wenn Patienten Obstipation entwickeln. Die Betroffenen beklagen häufigen, jedoch oft erfolglosen Stuhldrang. Selbst wenn das Absetzen von Stuhl gelingt, sind es meist nur kleine Portionen und die Erkrankten haben das Gefühl, nicht „fertig zu sein“, oder die Empfindung, dass Stuhl im Rektum zurückbleibt. Hämorrhoidalbeschwerden können bei diesem Zustandsbild hinzukommen; diese jucken und können sich nach dem Stuhlgang überaus schmerzhaft bemerkbar machen.<br /> Wenn der Stuhldrang völlig fehlt, ist Brechnuss nicht die richtige Wahl. Dann ist eher an Opium (Schlafmohn) zu denken. In diesen Fällen besteht eine hartnäckige Verstopfung ohne jedes Verlangen, die Toilette aufzusuchen. Der Stuhl besteht aus runden, harten, schwarzen Kotbällen, heftiger Schmerz im Rektum ist nicht selten Begleitsymptom. Manche Patienten beklagen auch, dass es ihnen unter größten Mühen zwar gelingt, Faeces abzusetzen, diese aber immer wieder zurückschlüpfen.<sup>2, 3</sup> Für Patienten ebenfalls sehr belastend sind die durch die Verabreichung „neuerer“ Therapieansätze in der Onkologie verursachten Hauterscheinungen. Antikörpertherapien verursachen in vielen Fällen Ekzeme, unter einer Cetuximab- Therapie beispielsweise bei circa 80 % aller Patienten, wobei das Ansprechen von Cetuximab mit dem Auftreten der Akne korreliert.<sup>4</sup> Die im Rahmen der homöopathischen Anamnese erhobenen vollständigen Lokalsymptome ermöglichen auch in diesen Fällen eine oftmals rasche Besserung der Hauterscheinungen, was auch der psychischen Verfassung der Patienten sehr entgegenkommt.</p> <h2>Engmaschige Betreuung ermöglicht die besten Ergebnisse</h2> <p>Die homöopathische Begleitung von Patienten während Chemo- und Strahlentherapie ist häufig sowohl für den Arzt als auch den Patienten eine Herausforderung, treten doch die oben genannten Nebenwirkungen meist nicht isoliert, sondern in den unterschiedlichsten Kombinationen auf. Dann das „Simile“ zu finden, das allen Beschwerden gleichermaßen gerecht wird, braucht viel Erfahrung des homöopathischen Arztes. Da das Beschwerdebild mitunter rasch wechselt, ist ein enger Kontakt zwischen Arzt und Patient notwendig, um den besten Erfolg zu erzielen. Auch die Potenzwahl ist mitunter nicht einfach, weshalb in einigen Fällen von den verordnenden Homöopathen auf spezielle Potenzen wie LM- bzw. Q-Potenzen zurückgegriffen wird. Die Praxis zeigt auch, dass mitunter wesentlich mehr Arzneigaben bei diesen Begleittherapien nötig sind, als sie sonst im Rahmen homöopathischer Verordnungen gegeben werden.</p> <h2>Integrativer Therapieansatz erhöht Compliance und verbessert Outcome</h2> <p>Wegen der Intensität der Nebenwirkungen der onkologischen Therapien geraten Patienten mitunter an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, sowohl körperlich als auch psychisch. Erfahrungsgemäß seltener im kurativen als im palliativen Setting kommen manche Patienten an den Punkt, über die Fortsetzung ihrer Behandlung nachzudenken und einen Therapieabbruch in Erwägung zu ziehen. Die Praxis zeigt, dass die Motivation, die Behandlung fortzusetzen, sofort ansteigt, wenn es gelingt, die den Patienten so belastenden Nebenwirkungen zu reduzieren. Im Sinne des integrativen Therapieansatzes ist die vermehrte Miteinbeziehung der Homöopathie – wie sie an manchen Krankenhäusern bereits praktiziert wird – sowohl hilfreich für den Patienten als auch unterstützend, damit die notwendige schulmedizinische Therapie fortgeführt werden kann. Dies gilt auch für den Fall, dass aufgrund der Nebenwirkungen Dosisreduktionen bzw. eine Verschiebung der vorgesehenen Therapie in Betracht gezogen werden müssen. Je präziser die geplanten Zyklen und Dosen eingehalten werden können, umso besser wird auch das Outcome für den Patienten sein.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Frass M et al.: Influence of adjunctive classical homeopathy on global health status and subjective wellbeing in cancer patients — a pragmatic randomized controlled trial. Complement Ther Med 2015; 23: 309-17 <strong>2</strong> Boericke W: Handbuch der homöopathischen Arzneimittellehre. 8. Aufl. Kandern: Narayana Verlag, 2018 <strong>3</strong> Phatak SR: Homöopathische Arzneimittellehre. Burgdorf, 1998 <strong>4</strong> Müller-Tidow C et al.: Deutsch Arztebl 2007; 104(19): 1312-9</p>
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