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Kombinationstherapien mit CD38-Antikörpern beim multiplen Myelom
Leading Opinions
Autor:
Prof. Dr. med. Christoph Renner
Onkozentrum Zürich und Hirslanden<br> Zürich<br> E-Mail: christoph.renner@hirslanden.ch
30
Min. Lesezeit
08.09.2016
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<p class="article-intro">In der Behandlung des multiplen Myeloms werden derzeit grosse Fortschritte erzielt. Dies ist zum grossen Teil neuen Medikamenten aus der Gruppe der Immunmodulatoren, Proteasominhibitoren, aber auch monoklonalen Antikörpern zuzuschreiben. Durch die Kombination dieser unterschiedlich agierenden Wirkstoffgruppen können bisher unerreichte Ansprechraten bei guter Lebensqualität erzielt werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation gehört bisher immer noch in das Erstlinientherapiekonzept für fittere Myelompatienten.</li> <li>CD38-spezifische monoklonale Antikörper haben als Monosubstanzen, aber auch in Kombination mit bewährten Myelommedikamenten eine hohe Wirksamkeit.</li> <li>PD-1-spezifische Antikörper können in Kombination mit Immunmodulatoren eine Myelom-spezifische Immunantwort induzieren bzw. verstärken.</li> </ul> </div> <h2>Erstlinientherapie des multiplen Myeloms</h2> <p><strong>Bedeutung der Hochdosistherapie mit autologem Stammzellersatz</strong><br /> Die Erstlinientherapie bei «fitten» Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (ndMM) beinhaltete bisher nach Applikation einer Induktionstherapie eine Melphalan-basierte Hochdosistherapie (HDT) mit nachfolgendem autologem Stammzellersatz (ASCT). Verschiedene Studiengruppen, so auch die europäische (EMN-Studiengruppe) versuchen derzeit die Frage zu beantworten, ob durch den Einsatz neuerer Medikamente die HDT + ASCT obsolet wird. In der prospektiv randomisierten Phase-III-EMN02-Studie erhielten die Patienten 3–4 Zyklen Bortezomib, Cyclophosphamid, Dexamethason (VCD) gefolgt von einer Stammzellsammlung. Patienten im konventionellen Arm erhielten dann 1–2 HDT + ASCT.<sup>1</sup> Im experimentellen Arm wurden 4 Zyklen Bortezomib, Melphalan, Prednisolon (VMP) als Ersatz für HDT + ASCT appliziert. In einer zweiten Fragestellung wurde die Konsolidationstherapie mit Bortezomib, Lenalidomid und Dexamethason versus keine Konsolidation gefolgt von einer Revlimid-Erhaltungstherapie bis Progression oder Auftreten einer Toxizität verglichen. In der aktuell vorgestellten Analyse an 1503 Patienten wurde die erste Fragestellung und damit die Frage nach der Bedeutung einer HDT + ASCT beantwortet. Es zeigte sich mit einer medianen Beobachtungszeit von 24 Monaten für alle Subgruppen (u.a. Zytogenetik und ISS-Stadium) eine signifikant höhere Ansprechrate (≥VGPR) mit 84 % vs. 74 % für den Transplantationsarm. Das progressionsfreie 3-Jahres-Überleben (PFS) war im Transplantationsarm mit 66 % im Vergleich zu 57,5 % im experimentellen Arm (p=0,003) signifikant überlegen. Somit bestätigt auch diese Studie den bisherigen Standard aus HDT + ASCT als Erstlinientherapie fitter Patienten.<br /> <br /><strong> Stellenwert einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie</strong><br /> Die Bedeutung und Dauer einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie nach erfolgreicher Induktionstherapie werden weiterhin kontrovers diskutiert. Sämtliche zu diesem Thema durchgeführten prospektiven Phase-III-Studien konnten eine signifikante PFS-Verlängerung zeigen. Bezogen auf das Gesamtüberleben (OS) respektive die Rate an sekundären Neoplasien waren die Ergebnisse aber nicht einheitlich, sodass auch in der Schweiz bisher keine Zulassung für diese Indikation vorliegt und damit auf individueller Basis Kostengutsprachen gestellt werden müssen. Die französische IFM-Studiengruppe hat daher unter Beteiligung der amerikanischen (CALGB) und der italienischen Studiengruppe (GIMEMA) eine Metaanalyse zu dieser Frage durchgeführt.<sup>2</sup> Dabei zeigte sich neben den zu erwartenden höheren Ansprechraten und längeren PFS-Zeiten auch eine robuste und signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens unter der Lenalidomid-Erhaltungstherapie. Dies betraf sämtliche analysierten Subgruppen. Es bestätigte sich auch eine leichte Erhöhung der Zahl der sekundären Neoplasien unter der Kombination aus Lenalidomid bei vorangegangener Melphalan-Therapie. Dabei nimmt die Inzidenz sowohl hämatologischer als auch solider Tumoren leicht zu. Das Risiko für die Entwicklung einer sekundären Neoplasie ist jedoch deutlich geringer als das Risiko, an einer Krankheitsprogression zu sterben. Damit unterstützt diese Metaanalyse den Einsatz einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie. Die Dauer dieser Therapie ist weiterhin unklar und sollte meines Erachtens ein Zeitfenster von 12–24 Monaten bei gegebener Verträglichkeit umfassen.</p> <h2>Rezidivtherapie des multiplen Myeloms</h2> <p>Ein Vortrag zum Myelom hat es dieses Jahr in die Plenary Session des ASCO-Kongresses geschafft. Es handelt sich dabei um die prospektive, randomisierte Phase-III-Studie zum Einsatz von Daratumumab in Kombination mit Bortezomib und Dexamethason (DVd) versus Bortezomib und Dexamethason (Vd) alleine in Patienten mit rezidiviertem respektive refraktärem multiplem Myelom (rrMM).<sup>3</sup> Daratumumab ist der erste klinisch verfügbare und zugelassene (in den USA und der EU) CD38-spezifische Antikörper. Er besitzt als Monosubstanz bei Patienten mit fortgeschrittenem MM eine sog. «Single agent»-Aktivität von ca. 30 % . Die nun vorgestellte Studie analysierte die Kombination mit Bortezomib plus Dexamethason im Rezidiv. Daratumumab wurde in den ersten 3 Zyklen (9 Wochen) wöchentlich, anschliessend alle 3 und zuletzt alle 4 Wochen appliziert. Bortezomib (Velcade) wurde in der Standarddosierung von 1,3mg/m² subkutan an den Tagen 1, 4, 8 und 11 subkutan (Wiederholung alle 3 Wochen) und Dexamethason 20mg p.o. an den Tagen 1+2, 4+5, 8+9 sowie 11+12 appliziert. Für diese beiden Medikamente galt eine maximale Behandlungsdauer von insgesamt 8 Zyklen. In die Studie eingeschlossen wurden 498 Patienten mit median 2 vorhergehenden Therapielinien. Eine Vortherapie mit Bortezomib war kein Ausschlusskriterium. Bereits nach einem kurzen medianen Follow-up von 7,4 Monaten zeigte sich eine signifikante Verlängerung des PFS im DVd-Arm. Das projizierte 1-Jahres-PFS liegt bei 27 % im Vd- und 60,7 % im DVd-Arm (Abb. 1). Betrachtet man nur die Patienten mit einer vorhergehenden Therapielinie, so zeigt sich ein 1-Jahres-PFS von 29,4 % für Vd und 77,5 % für DVd. DVd führte insgesamt zu einer höheren Ansprechrate (ORR 83 % vs. 63 % ) und einer deutlichen Zunahme der MRD-Negativität (14 % vs. 3 % ). Die Verträglichkeit der Kombination war sehr gut und es ergaben sich keine additiven oder synergistischen Toxizitäten. Nimmt man noch die Schwesterstudie POLLUX hinzu, so kann auch für die in dieser Studie getestete Kombination aus Daratumumab, Lenalidomid (Revlimid) plus Dexamethason (DRd) eine sehr hohe Aktivität mit signifikanter Verlängerung des medianen PFS gezeigt werden.<sup>4</sup> Beide Studien zusammen belegen die hohe Wirksamkeit CD38-spezifischer Antikörper und beweisen, dass eine Kombination mit etablierten Medikamenten ohne zusätzliche Toxizität möglich ist. Damit werden sich CD38-spezifische Antikörper rasch in der Rezidivsituation etablieren und im Rahmen laufender Studienkonzepte rasch in die Erstlinientherapie Einzug halten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1604_Weblinks_Seite63.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Neue Medikamente und Behandlungskonzepte</h2> <p>Auch in der MM-Behandlung werden die sog. Checkpoint-Blockade-Inhibitoren – und hier vornehmlich PD-1-spezifische Antikörper – Einzug halten. Die spanische Arbeitsgruppe stellte die aktualisierten Daten des PD-1-Antikörpers Pembrolizumab in Kombination mit Lenalidomid und niedrig dosiertem Dexamethason für rrMM-Patienten vor.<sup>5</sup> Der erste Teil der Studie beinhaltete eine Dosisfindung und in der Expansionskohorte wurden 34 Patienten mit 200mg Pembrolizumab alle 2 Wochen in Kombination mit der üblichen Lenalidomid-Dosierung von 25mg über 3 Wochen und 1 Woche Pause sowie mit Dexamethason 40mg wöchentlich kombiniert behandelt. Es zeigten sich keine neuen Toxizitäten durch die Kombination. Bezogen auf die Wirksamkeit ergab sich eine Gesamtansprechrate von 50 % für die gesamte Kohorte und von 38 % für die Lenalidomid-refraktäre Kohorte. 88 % der Patienten wiesen einen Abfall des Paraproteins auf und die mediane Dauer des Ansprechens betrug 11,3 Monate, sodass nun eine laufende prospektive Phase-III-Studie mit dieser Kombinationstherapie im Kollektiv der rrMM-Patienten durchgeführt wird.<br /> Ein weiterer interessanter Ansatz könnte die Behandlung mit Bcl2-Inhibitoren werden. Bcl2 als antiapoptotisches Protein ist in Myelomzellen überexprimiert und fördert damit Zellproliferation und -überleben. Mit dem Bcl2-Inhibitor Venetoclax (VEN) steht nun erstmals klinisch ein entsprechender Inhibitor zur Verfügung, er wurde im Rahmen einer Phase-Ib-Studie mit Bortezomib (B) und Dexamethason (D) bei rrMM-Patienten geprüft. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass Patienten mit 1–3 Vortherapien (n=18) höhere Ansprechraten (ORR) erreichten als Patienten (n=13) mit 4–6 Vortherapien (83,3 % vs. 38,5 % ). VEN + BD weist ein akzeptables Sicherheitsprofil auf und hat Antitumoraktivität bei rrMM-Patienten. Man kann daher auf weitere Studien mit grösseren Fallzahlen gespannt sein.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Cavo M et al: Upfront autologous stem cell transplantation (ASCT) versus novel agent-based therapy for multiple myeloma (MM): A randomized phase 3 study of the European Myeloma Network (EMN02/HO95 MM trial). 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract #8000<br /><strong>2</strong> Attal M et al: Lenalidomide (LEN) maintenance (MNTC) after high-dose melphalan and autologous stem cell transplant (ASCT) in multiple myeloma (MM): a meta-analysis (MA) of overall survival (OS). 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract #8001<br /><strong>3</strong> Palumbo A et al: Phase III randomized controlled study of daratumumab, bortezomib, and dexamethasone (DVd) versus bortezomib and dexamethasone (Vd) in patients (pts) with relapsed or refractory multiple myeloma (RRMM): CASTOR study. 2016 ASCO Annual Meeting, Plenary Session, Abstract #LBA4<br /><strong>4</strong> Dimopoulos MA et al: An open-label, randomized phase 3 study of daratumumab, lenalidomide and dexamethasone (DRD) versus lenalidomide and dexamethasone (RD) in relapsed or refractory multiple myeloma (RRMM): POLLUX. EHA 2016, Presidential Symposium, Abstract #LB2238<br /><strong>5</strong> Mateos MV et al: Pembrolizumab in combination with lenalidomide and low-dose dexamethasone for relapsed/refractory multiple myeloma (RRMM): final efficacy and safety analysis. 2016 ASCO Annual Meeting, Clinical Science Symposium, Abstract #8010<br /><br /></p>
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