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Krankheitsmodifizierendes Potenzial von IFN bei Polycythaemia vera und Myelofibrose
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Klaus Geissler
Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Onkologie<br> Krankenhaus Hietzing der Stadt Wien<br> E-Mail: klaus.geissler@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
01.03.2018
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<p class="article-intro">Das ASH-Meeting 2017 war im Bereich der myeloproliferativen Neoplasien (MPN) geprägt von klinischen Studien, die den Stellenwert von Interferon (IFN) als „diseasemodifying drug“ hervorhoben. Durch die zunehmende und umfassende molekulare Charakterisierung myeloischer klonaler Erkrankungen ist es immer besser möglich, die Pathophysiologie und die phänotypische Heterogenität dieser Erkrankungen zu verstehen und individuelle Krankheitsverläufe besser einzuschätzen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2><em>BCR-ABL</em>-negative MPN</h2> <p>In der Kategorie BCR-ABL-negative MPN präsentierte Univ.-Prof. Dr. Heinz Gisslinger die 2-Jahres-Ergebnisse der PROUD-PV-Studie.<sup>1</sup> Es handelt sich dabei um eine prospektive, randomisierte Studie, bei der Ropeginterferon Alfa-2b (AOP2014; PegIFN) mit Hydroxyurea (HU) bei Patienten mit Polycythaemia vera (PV) verglichen wird. In die Studie wurden 254 behandlungsnaive Patienten oder mit HU vorbehandelte, aber nicht HU-resistente Patienten eingeschlossen. Nach 24 Monaten lag die Rate der Patienten mit einer kompletten hämatologischen Remission (CHR) im PegIFN-Arm bei 70,5 % und im HU/BAT(beste verfügbare Behandlung)-Arm bei 49,3 % . Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Ein mit CHR + Symptomverbesserung definierter zusammengesetzter Endpunkt wurde nach 24 Monaten im PegIFN-Arm bei 49,5 % und im HU/BAT-Arm bei 36,6 % (p=0,1183) erreicht.<br /> Besonders bemerkenswert war der Unterschied in beiden Armen in Bezug auf das molekulare Ansprechen. Eine partielle molekulare Response betreffend JAK2- V617F-Allellast wurde bei 69,6 % der mit PegIFN behandelten Patienten, aber nur bei 28,6 % im Kontrollarm beobachtet (p=0,0046) (Abb. 1). Toxizitäten im Sinne von Leukopenie, Anämie und Thrombopenie waren häufiger im Kontrollarm und Anstiege der GGT häufiger im PegIFNArm zu verzeichnen. Die Ergebnisse dieser Studie belegen erstmals in einer randomisierten Studie das krankheitsmodifizierende Potenzial von IFN bei PV.<br /> Die Langzeiteffekte von PegIFN bei Patienten mit MPN-assoziierter Myelofibrose (MF) wurden von einer französischen Arbeitsgruppe vorgestellt.<sup>2</sup> 62 MF-Patienten, die PegIFN erhielten, wurden zwischen 2006 und 2011 in diese Observanzstudie eingebracht, an der 17 Zentren der FIM-Gruppe teilnahmen. Das mediane Follow-up dieser Studie war 58 Monate nach Beginn der Therapie mit PegIFN. Das mediane Überleben ab dem Diagnosezeitpunkt betrug 7,4 Jahre, wobei es in der Gruppe der CALR-mutierten Patienten bei 13,5 Jahren und bei JAK2-mutierten Patienten bei 7 Jahren lag. Eine sequenzielle Quantifizierung der JAK2-Allellast wurde bei 27 Patienten vorgenommen und ein Abfall um mehr als 50 % bei 10 Patienten (37 % ) festgestellt. Interessanterweise war das Vorliegen von Hochrisiko-Begleitmutationen wie ASXL1, EZH2, SRSF2 und IDH1/2 in dieser Kohorte nicht mit einem kürzeren Überleben assoziiert.<br /> Die klinischen Studien von PegIFN bei BCR-ABL-negativen MPN wurden schließlich noch durch eine Präsentation des „Myeloproliferative Disorders Research Consortium“ ergänzt, in der über die Ergebnisse einer globalen Phase-II-Studie bei Patienten mit Hochrisiko-PV oder essenzieller Thrombozythämie (ET) mit Hochrisiko berichtet wurde.<sup>3</sup> Im Rahmen dieser einarmigen Studie wurden insgesamt 115 Patienten mit PegIFN behandelt. Die initiale Dosis von 45μg pro Woche wurde Response-basiert auf bis zu 180μg/ Woche gesteigert. Die CR/ PR(ORR=CR+PR)-Rate nach 12 Monaten betrug 43,1%/26,2 % (69,2 % ) bei Patienten mit ET und 22%/38 % (60 % ) bei Patienten mit PV. Patienten mit einer Erkrankungsdauer von weniger als 42,3 Monaten hatten ein Gesamtansprechen von 71,4 % und jene mit einer Erkrankungsdauer von mehr als 42,3 Monaten eine ORR von 57 % . Höhere IFN-Dosen waren nicht mit einem besseren Ansprechen assoziiert.<br /> Bei 107 Patienten wurden bei Studienbeginn molekulare Analysen vorgenommen. Die Erfolgsrate bei CALR-mutierten Patienten lag signifikant höher (56,3 % vs. 28,6 % ; p=0,02), keiner von 5 Patienten mit einer p53-Mutation und nur 3/10 Patienten mit einer ASXL1-Mutation erreichten eine CR.<br /> Die klinische Relevanz molekularer Untersuchungen bei Patienten mit MPN wurde durch eine italienische Arbeitsgruppe um A. Vannucchi untermauert, die ein Mutations-ergänztes Prognosesystem für Patienten mit primärer MF im transplantationsfähigen Alter präsentierte.<sup>4</sup> MIPSS70 wurde zunächst anhand einer Trainingskohorte von 490 Patienten <70 Jahren aus insgesamt 6 italienischen Zentren entwickelt und anschließend mithilfe einer externen, 223 Patienten umfassenden Kohorte der Mayo-Klinik validiert. Wie Abbildung 2 zeigt, können mit diesem neuen Risikoscore sehr klar Patientengruppen mit unterschiedlichem Risiko diskriminiert werden, und er kann damit als wichtige Entscheidungshilfe bei Patienten herangezogen werden, bei denen die Durchführung einer allogenen Stammzelltransplantation überlegt wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1801_Weblinks_s31_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="968" /></p> <h2>CML</h2> <p>Klinisch relevante Highlights waren beim ASH 2017 in den CML-Sitzungen nur selten zu hören. Am ehesten sind hier 2 Absetzstudien zu erwähnen, die für Entscheidungen in der täglichen Routine hilfreich sein könnten. Nach den bisherigen Absetzstudien bei einer TKI-Therapie mit Imatinib oder Nilotinib lieferte die DASFREE- Studie Ergebnisse, die jetzt auch ein Absetzen von Dasatinib bei geeigneten Patienten rechtfertigt.<sup>5</sup> In diese einarmige, offene Phase-II-Studie wurden CMLPatienten in der chronischen Phase eingeschlossen, die Dasatinib für mindestens 2 Jahre als First-Line- oder Folgetherapie erhielten und die für mindestens 1 Jahr eine Dasatinib-induzierte MR<sup>4,5</sup> erreicht haben mussten. Insgesamt wurden 84 Patienten eingeschlossen, die mediane Dasatinib-Dosis lag bei 100mg/Tag (Range 20–150). Wie in den Studien mit den beiden anderen TKI verlor etwa die Hälfte der Patienten (51 % ) die MMR („major molecular remission“) im Median nach 4 Monaten (Range 1–10). Bei 41/43 Patienten mit molekularem Rezidiv führte die Wiederaufnahme der Dasatinib-Therapie zu einem Wiedererreichen einer MMR (bei einem Patienten gibt es kein Follow-up, ein anderer Patient hat bisher noch kein ausreichendes Follow-up).<br /> In die EURO-SKI-Studie wurden 821 Patienten eingeschlossen, die einen TKI für mindestens 3 Jahre erhielten und eine MR<sup>4</sup> für mindestens 3 Jahre vor Beendigung der TKI-Therapie erreicht haben mussten.<sup>6</sup> Ziel der Studie war es, mithilfe eines prognostischen Modells die optimalen Voraussetzungen für einen Therapiestopp zu definieren. Für eine Behandlung mit Imatinib wurde der beste Cut-off-Wert bei einer dreijährigen MR<sup>4</sup>-Dauer und einer sechsjährigen Gesamtbehandlungsdauer mit Imatinib ermittelt.<br /> Die Präsentation der 10-Jahres-Langzeitdaten der deutschen CML-Studie durch Hehlmann bestätigt, dass für den CMLStandardpatienten Imatinib im letzten Jahrzehnt das Maß aller Dinge war und auch in der heutigen Zeit bleibt.<sup>7</sup> In dieser Studie, in der mehrere Therapiearme verglichen wurden, zeigte sich, dass das Überleben der Patienten stärker durch Krankheits- und/oder Patienten-assoziierte Faktoren determiniert wird als durch die initiale Behandlungsselektion. Patienten, die auf eine Monotherapie mit 400mg ansprechen, haben demnach eine annähernd normale Lebenserwartung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1801_Weblinks_s31_abb2.jpg" alt="" width="1454" height="833" /></p> <h2>MDS/MPN</h2> <p>In der Kategorie MDS/MPN ist eine Phase-I/II-Studie von Padron erwähnenswert, in der Ruxolitinib bei Patienten mit chronischer myelomonozytärer Leukämie (CMML) untersucht wurde.<sup>8</sup><br /> Anekdotische Berichte über ein Ansprechen von CMML-Patienten auf Ruxolitinib gibt es bereits in der Literatur.<sup>9</sup> Insgesamt wurden bei der kombinierten Auswertung einer vorangegangenen Phase-I- und der nachfolgenden Phase-II-Studie 49 Patienten im Hinblick auf ein Ansprechen analysiert. In der Phase-II-Studie hatten 56 % der Patienten einen proliferativen Subtyp. Bei 6/13 Patienten mit Splenomegalie (46 % ) reduzierte sich die Milzgröße gemäß physikalischer Untersuchung um mehr als 50 % . Bei Kombination der Ansprechkriterien nach IWG 2006 und Milzansprechen ergab sich ein Gesamtansprechen von 46 % (11/24). Bei Anwendung des „Myeloproliferative Symptom Assessment“-Formulars konnte eine gleichzeitige Verbesserung der Symptomatik dokumentiert werden. Das mediane Überleben der mit Ruxolitinib behandelten CMML-Patienten betrug 69 Monate, jenes eines historischen Kontrollkollektivs 31 Monate (p=0,03). Die Studienautoren folgern, dass Ruxolitinib bei CMML eine vielversprechende Aktivität hat, mit speziellem Benefit bei Patienten mit Myeloproliferations- assoziierter Symptomatik. Weitere klinische Studien sind aber erforderlich, um eine mögliche krankheitsmodifizierende Aktivität von Ruxolitinib bei dieser Erkrankung zu evaluieren.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Gisslinger H et al.: Ropeginterferon alfa-2b induces high rates of clinical, hematological and molecular responses in polycythemia vera: two-year results from the first prospective randomized controlled trial. ASH 2017; Abstr. #320 <strong>2</strong> Ianotto JC et al.: Long-term outcome of patients with MPN-associated myelofibrosis treated with peginterferon- α2a, a French Intergroup of Myeloproliferative Neoplasms (FIM) Study. ASH 2017; Abstr. #323 <strong>3</strong> Yacoub A et al.: Single-arm salvage therapy with pegylated interferon alfa-2a for patients with high-risk polycythemia vera or high-risk essential thrombocythemia who are either hydroxyurea-resistant or intolerant: final results of the Myeloproliferative Disorders-Research Consortium (MPDRC) Protocol 111 Global Phase II Trial. ASH 2017; Abstr. #321 <strong>4</strong> Vannucchi AM et al.: MIPSS70: mutation-enhanced prognostic system for transplant age patients with primary myelofibrosis. ASH 2017; Abstr. #200 <strong>5</strong> Shah NP et al.: Dasatinib discontinuation in patients (pts) with chronic- phase chronic myeloid leukemia (CML-CP) and stable deep molecular response (DASFREE). ASH 2017; Abstr. #314 <strong>6</strong> Saussele S et al.: "Duration of deep molecular response" has most impact on the success of cessation of tyrosine kinase inhibitor treatment in chronic myeloid leukemia - results from the EURO-SKI trial. ASH 2017; Abstr. #313 <strong>7</strong> Hehlmann R et al.: Final evaluation of randomized CML study IV: 10-year survival and evolution of terminal phase. ASH 2017; Abstr. #897 <strong>8</strong> Padron E et al.: Promising results of a phase 1/2 clinical trial of ruxolitinib in patients with chronic myelomonocytic leukemia. ASH 2017; Abstr. #162 <strong>9</strong> Geissler K et al.: In vitro and in vivo effects of JAK2 inhibition in chronic myelomonocytic leukemia. Eur J Haematol 2016; 97(6): 562-67</p>
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