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Myeloproliferative Neoplasien

Krankheitsmodifizierendes Potenzial von IFN bei Polycythaemia vera und Myelofibrose

<p class="article-intro">Das ASH-Meeting 2017 war im Bereich der myeloproliferativen Neoplasien (MPN) geprägt von klinischen Studien, die den Stellenwert von Interferon (IFN) als „diseasemodifying drug“ hervorhoben. Durch die zunehmende und umfassende molekulare Charakterisierung myeloischer klonaler Erkrankungen ist es immer besser möglich, die Pathophysiologie und die phänotypische Heterogenität dieser Erkrankungen zu verstehen und individuelle Krankheitsverläufe besser einzuschätzen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2><em>BCR-ABL</em>-negative MPN</h2> <p>In der Kategorie BCR-ABL-negative MPN pr&auml;sentierte Univ.-Prof. Dr. Heinz Gisslinger die 2-Jahres-Ergebnisse der PROUD-PV-Studie.<sup>1</sup> Es handelt sich dabei um eine prospektive, randomisierte Studie, bei der Ropeginterferon Alfa-2b (AOP2014; PegIFN) mit Hydroxyurea (HU) bei Patienten mit Polycythaemia vera (PV) verglichen wird. In die Studie wurden 254 behandlungsnaive Patienten oder mit HU vorbehandelte, aber nicht HU-resistente Patienten eingeschlossen. Nach 24 Monaten lag die Rate der Patienten mit einer kompletten h&auml;matologischen Remission (CHR) im PegIFN-Arm bei 70,5 % und im HU/BAT(beste verf&uuml;gbare Behandlung)-Arm bei 49,3 % . Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Ein mit CHR + Symptomverbesserung definierter zusammengesetzter Endpunkt wurde nach 24 Monaten im PegIFN-Arm bei 49,5 % und im HU/BAT-Arm bei 36,6 % (p=0,1183) erreicht.<br /> Besonders bemerkenswert war der Unterschied in beiden Armen in Bezug auf das molekulare Ansprechen. Eine partielle molekulare Response betreffend JAK2- V617F-Allellast wurde bei 69,6 % der mit PegIFN behandelten Patienten, aber nur bei 28,6 % im Kontrollarm beobachtet (p=0,0046) (Abb. 1). Toxizit&auml;ten im Sinne von Leukopenie, An&auml;mie und Thrombopenie waren h&auml;ufiger im Kontrollarm und Anstiege der GGT h&auml;ufiger im PegIFNArm zu verzeichnen. Die Ergebnisse dieser Studie belegen erstmals in einer randomisierten Studie das krankheitsmodifizierende Potenzial von IFN bei PV.<br /> Die Langzeiteffekte von PegIFN bei Patienten mit MPN-assoziierter Myelofibrose (MF) wurden von einer franz&ouml;sischen Arbeitsgruppe vorgestellt.<sup>2</sup> 62 MF-Patienten, die PegIFN erhielten, wurden zwischen 2006 und 2011 in diese Observanzstudie eingebracht, an der 17 Zentren der FIM-Gruppe teilnahmen. Das mediane Follow-up dieser Studie war 58 Monate nach Beginn der Therapie mit PegIFN. Das mediane &Uuml;berleben ab dem Diagnosezeitpunkt betrug 7,4 Jahre, wobei es in der Gruppe der CALR-mutierten Patienten bei 13,5 Jahren und bei JAK2-mutierten Patienten bei 7 Jahren lag. Eine sequenzielle Quantifizierung der JAK2-Allellast wurde bei 27 Patienten vorgenommen und ein Abfall um mehr als 50 % bei 10 Patienten (37 % ) festgestellt. Interessanterweise war das Vorliegen von Hochrisiko-Begleitmutationen wie ASXL1, EZH2, SRSF2 und IDH1/2 in dieser Kohorte nicht mit einem k&uuml;rzeren &Uuml;berleben assoziiert.<br /> Die klinischen Studien von PegIFN bei BCR-ABL-negativen MPN wurden schlie&szlig;lich noch durch eine Pr&auml;sentation des &bdquo;Myeloproliferative Disorders Research Consortium&ldquo; erg&auml;nzt, in der &uuml;ber die Ergebnisse einer globalen Phase-II-Studie bei Patienten mit Hochrisiko-PV oder essenzieller Thrombozyth&auml;mie (ET) mit Hochrisiko berichtet wurde.<sup>3</sup> Im Rahmen dieser einarmigen Studie wurden insgesamt 115 Patienten mit PegIFN behandelt. Die initiale Dosis von 45&mu;g pro Woche wurde Response-basiert auf bis zu 180&mu;g/ Woche gesteigert. Die CR/ PR(ORR=CR+PR)-Rate nach 12 Monaten betrug 43,1%/26,2 % (69,2 % ) bei Patienten mit ET und 22%/38 % (60 % ) bei Patienten mit PV. Patienten mit einer Erkrankungsdauer von weniger als 42,3 Monaten hatten ein Gesamtansprechen von 71,4 % und jene mit einer Erkrankungsdauer von mehr als 42,3 Monaten eine ORR von 57 % . H&ouml;here IFN-Dosen waren nicht mit einem besseren Ansprechen assoziiert.<br /> Bei 107 Patienten wurden bei Studienbeginn molekulare Analysen vorgenommen. Die Erfolgsrate bei CALR-mutierten Patienten lag signifikant h&ouml;her (56,3 % vs. 28,6 % ; p=0,02), keiner von 5 Patienten mit einer p53-Mutation und nur 3/10 Patienten mit einer ASXL1-Mutation erreichten eine CR.<br /> Die klinische Relevanz molekularer Untersuchungen bei Patienten mit MPN wurde durch eine italienische Arbeitsgruppe um A. Vannucchi untermauert, die ein Mutations-erg&auml;nztes Prognosesystem f&uuml;r Patienten mit prim&auml;rer MF im transplantationsf&auml;higen Alter pr&auml;sentierte.<sup>4</sup> MIPSS70 wurde zun&auml;chst anhand einer Trainingskohorte von 490 Patienten &lt;70 Jahren aus insgesamt 6 italienischen Zentren entwickelt und anschlie&szlig;end mithilfe einer externen, 223 Patienten umfassenden Kohorte der Mayo-Klinik validiert. Wie Abbildung 2 zeigt, k&ouml;nnen mit diesem neuen Risikoscore sehr klar Patientengruppen mit unterschiedlichem Risiko diskriminiert werden, und er kann damit als wichtige Entscheidungshilfe bei Patienten herangezogen werden, bei denen die Durchf&uuml;hrung einer allogenen Stammzelltransplantation &uuml;berlegt wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1801_Weblinks_s31_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="968" /></p> <h2>CML</h2> <p>Klinisch relevante Highlights waren beim ASH 2017 in den CML-Sitzungen nur selten zu h&ouml;ren. Am ehesten sind hier 2 Absetzstudien zu erw&auml;hnen, die f&uuml;r Entscheidungen in der t&auml;glichen Routine hilfreich sein k&ouml;nnten. Nach den bisherigen Absetzstudien bei einer TKI-Therapie mit Imatinib oder Nilotinib lieferte die DASFREE- Studie Ergebnisse, die jetzt auch ein Absetzen von Dasatinib bei geeigneten Patienten rechtfertigt.<sup>5</sup> In diese einarmige, offene Phase-II-Studie wurden CMLPatienten in der chronischen Phase eingeschlossen, die Dasatinib f&uuml;r mindestens 2 Jahre als First-Line- oder Folgetherapie erhielten und die f&uuml;r mindestens 1 Jahr eine Dasatinib-induzierte MR<sup>4,5</sup> erreicht haben mussten. Insgesamt wurden 84 Patienten eingeschlossen, die mediane Dasatinib-Dosis lag bei 100mg/Tag (Range 20&ndash;150). Wie in den Studien mit den beiden anderen TKI verlor etwa die H&auml;lfte der Patienten (51 % ) die MMR (&bdquo;major molecular remission&ldquo;) im Median nach 4 Monaten (Range 1&ndash;10). Bei 41/43 Patienten mit molekularem Rezidiv f&uuml;hrte die Wiederaufnahme der Dasatinib-Therapie zu einem Wiedererreichen einer MMR (bei einem Patienten gibt es kein Follow-up, ein anderer Patient hat bisher noch kein ausreichendes Follow-up).<br /> In die EURO-SKI-Studie wurden 821 Patienten eingeschlossen, die einen TKI f&uuml;r mindestens 3 Jahre erhielten und eine MR<sup>4</sup> f&uuml;r mindestens 3 Jahre vor Beendigung der TKI-Therapie erreicht haben mussten.<sup>6</sup> Ziel der Studie war es, mithilfe eines prognostischen Modells die optimalen Voraussetzungen f&uuml;r einen Therapiestopp zu definieren. F&uuml;r eine Behandlung mit Imatinib wurde der beste Cut-off-Wert bei einer dreij&auml;hrigen MR<sup>4</sup>-Dauer und einer sechsj&auml;hrigen Gesamtbehandlungsdauer mit Imatinib ermittelt.<br /> Die Pr&auml;sentation der 10-Jahres-Langzeitdaten der deutschen CML-Studie durch Hehlmann best&auml;tigt, dass f&uuml;r den CMLStandardpatienten Imatinib im letzten Jahrzehnt das Ma&szlig; aller Dinge war und auch in der heutigen Zeit bleibt.<sup>7</sup> In dieser Studie, in der mehrere Therapiearme verglichen wurden, zeigte sich, dass das &Uuml;berleben der Patienten st&auml;rker durch Krankheits- und/oder Patienten-assoziierte Faktoren determiniert wird als durch die initiale Behandlungsselektion. Patienten, die auf eine Monotherapie mit 400mg ansprechen, haben demnach eine ann&auml;hernd normale Lebenserwartung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1801_Weblinks_s31_abb2.jpg" alt="" width="1454" height="833" /></p> <h2>MDS/MPN</h2> <p>In der Kategorie MDS/MPN ist eine Phase-I/II-Studie von Padron erw&auml;hnenswert, in der Ruxolitinib bei Patienten mit chronischer myelomonozyt&auml;rer Leuk&auml;mie (CMML) untersucht wurde.<sup>8</sup><br /> Anekdotische Berichte &uuml;ber ein Ansprechen von CMML-Patienten auf Ruxolitinib gibt es bereits in der Literatur.<sup>9</sup> Insgesamt wurden bei der kombinierten Auswertung einer vorangegangenen Phase-I- und der nachfolgenden Phase-II-Studie 49 Patienten im Hinblick auf ein Ansprechen analysiert. In der Phase-II-Studie hatten 56 % der Patienten einen proliferativen Subtyp. Bei 6/13 Patienten mit Splenomegalie (46 % ) reduzierte sich die Milzgr&ouml;&szlig;e gem&auml;&szlig; physikalischer Untersuchung um mehr als 50 % . Bei Kombination der Ansprechkriterien nach IWG 2006 und Milzansprechen ergab sich ein Gesamtansprechen von 46 % (11/24). Bei Anwendung des &bdquo;Myeloproliferative Symptom Assessment&ldquo;-Formulars konnte eine gleichzeitige Verbesserung der Symptomatik dokumentiert werden. Das mediane &Uuml;berleben der mit Ruxolitinib behandelten CMML-Patienten betrug 69 Monate, jenes eines historischen Kontrollkollektivs 31 Monate (p=0,03). Die Studienautoren folgern, dass Ruxolitinib bei CMML eine vielversprechende Aktivit&auml;t hat, mit speziellem Benefit bei Patienten mit Myeloproliferations- assoziierter Symptomatik. Weitere klinische Studien sind aber erforderlich, um eine m&ouml;gliche krankheitsmodifizierende Aktivit&auml;t von Ruxolitinib bei dieser Erkrankung zu evaluieren.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Gisslinger H et al.: Ropeginterferon alfa-2b induces high rates of clinical, hematological and molecular responses in polycythemia vera: two-year results from the first prospective randomized controlled trial. ASH 2017; Abstr. #320 <strong>2</strong> Ianotto JC et al.: Long-term outcome of patients with MPN-associated myelofibrosis treated with peginterferon- &alpha;2a, a French Intergroup of Myeloproliferative Neoplasms (FIM) Study. ASH 2017; Abstr. #323 <strong>3</strong> Yacoub A et al.: Single-arm salvage therapy with pegylated interferon alfa-2a for patients with high-risk polycythemia vera or high-risk essential thrombocythemia who are either hydroxyurea-resistant or intolerant: final results of the Myeloproliferative Disorders-Research Consortium (MPDRC) Protocol 111 Global Phase II Trial. ASH 2017; Abstr. #321 <strong>4</strong> Vannucchi AM et al.: MIPSS70: mutation-enhanced prognostic system for transplant age patients with primary myelofibrosis. ASH 2017; Abstr. #200 <strong>5</strong> Shah NP et al.: Dasatinib discontinuation in patients (pts) with chronic- phase chronic myeloid leukemia (CML-CP) and stable deep molecular response (DASFREE). ASH 2017; Abstr. #314 <strong>6</strong> Saussele S et al.: "Duration of deep molecular response" has most impact on the success of cessation of tyrosine kinase inhibitor treatment in chronic myeloid leukemia - results from the EURO-SKI trial. ASH 2017; Abstr. #313 <strong>7</strong> Hehlmann R et al.: Final evaluation of randomized CML study IV: 10-year survival and evolution of terminal phase. ASH 2017; Abstr. #897 <strong>8</strong> Padron E et al.: Promising results of a phase 1/2 clinical trial of ruxolitinib in patients with chronic myelomonocytic leukemia. ASH 2017; Abstr. #162 <strong>9</strong> Geissler K et al.: In vitro and in vivo effects of JAK2 inhibition in chronic myelomonocytic leukemia. Eur J Haematol 2016; 97(6): 562-67</p> </div> </p>
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