Metastasiertes Pankreaskarzinom: sinnvolle operative Konzepte bei Leber- oder Lungenmetastasen
Swiss Hepato-Pancreato-Biliary Center<br>Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie<br>Zertifiziertes Leber- und Pankreastumorzentrum der Deutschen Krebsgesellschaft<br>Comprehensive Cancer Center Zürich<br>E-Mail: henrik.petrowsky@usz.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Der Bauchspeicheldrüsenkrebs gehört zu den aggressivsten soliden Tumoren und stellt weltweit die vierthäufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern und Frauen dar.1 Nach wie vor ist die Chirurgie zusammen mit einer adjuvanten Chemotherapie der Goldstandard und die einzige potenziell kurative Behandlung. Die Gesamtüberlebenszeit hat sich in den letzten Jahren dank des Einsatzes des neuen chemotherapeutischen Regimes FOLFIRINOX deutlich verbessert. Im adjuvanten Setting liegt das mediane Überleben bei resektablen Pankreastumoren mit dem modifizierten FOLFIRINOX-Schema aktuell bei 54,4 Monaten.2
Keypoints
-
Patienten mit einem metastasierten Pankreaskarzinom müssen interdisziplinär unter Einbezug einer möglichen chirurgischen Therapiestrategie an einem zertifizierten Krebszentrum besprochen werden.
-
Eine Resektion von synchronen bzw. metachronen Metastasen beim Pankreaskarzinom ist nach wie vor eine individuelle Therapieentscheidung.
-
Die Behandlungsstrategie sollte vor geplanter Chirurgie ein neoadjuvantes Konzept beinhalten und damit die Tumorerkrankung gut kontrolliert sein.
-
Bei hochselektionierten Patienten kann die Metastasenresektion beim Pankreaskarzinom zu einem Langzeitüberleben führen.
Aber auch für die Behandlung von Patienten mit metastasierendem Bauchspeicheldrüsenkrebs und gutem Performance Status (ECOG 0/1) zeigt die systemische Therapie mit FOLFIRINOX eine deutlich bessere Gesamtüberlebenszeit von 11,1 Monaten verglichen zu den 6,8 Monaten unter Therapie mit Gemcitabin.3 Die überwiegende Mehrheit der Patienten (80–90%) weist jedoch bei Diagnosestellung eine Metastasierung in der Leber- und/oder Lunge auf oder hat einen lokal fortgeschrittenen inoperablen Tumor. In diesem Patientenkollektiv ist die Prognose nach wie vor deletär mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von unter 10%.4Bei ca. 80% der Patienten entwickelt sich zudem ein Erkrankungsrezidiv im Verlauf nach der Operation, wovon 30% Lokalrezidiven entsprechen. Lange Zeit galt die Chirurgie in diesen Patientenkollektiven als obsolet. Eine chirurgische Resektion bei Vorhandensein von Metastasen wurde meist als Kontraindikation angesehen. Operative Konzepte beim metastasierten Pankreaskarzinom bleiben auch heute ein kontroverses Thema, können aber im Einzelfall sinnvoll sein und dem Patienten einen deutlichen Überlebensvorteil bieten. In diesem Artikel möchten wir die neuesten Daten und Entwicklungen operativer Konzepte für das metastasierte Pankreaskarzinom erläutern.
Wichtige Aspekte bei der chirurgischen Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms
Bei der individuellen Beurteilung einer chirurgischen Therapieoption beim metastasierten Pankreaskarzinom sollten folgende drei Aspekte berücksichtigt werden (Abb. 1):
Zeitliches Auftreten der Metastasen (synchron versus metachron)
Ausmass der Erkrankung (limitierte versus diffuse/extensive Metastasierung)
Organbefall (singulär versus mehrere Organe)
Abb. 1: Wichtige Aspekte bei der chirurgischen Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms
Chirurgie bei synchronem Auftreten der Metastasen?
Die Resektion von Metastasen beim Pankreaskarzinom macht derzeit nur Sinn, wenn es sich um eine Oligometastasierung handelt. Obwohl es keine standardisierte Definition von Oligometastasen gibt, versteht man unter dem Begriff im Allgemeinen limitierte, langsam wachsende Metastasen. In einer aktuellen Publikation, welche im letzten Jahr erschienen ist, wurde der Begriff Oligometastasierung speziell für das Pankreaskarzinom definiert.5 Die Kriterien waren ein guter Performance Status (ECOG 0/1), eine limitierte Metastasierung mit ausschliesslichem Befall der Leber oder Lunge, einem Tumormarker CA 19–9 von unter 1000U/ml sowie ein Ansprechen der Chemotherapie oder eine stabile Erkrankung.5 Patienten, welche diese Kriterien der oligometastatischen Erkrankung erfüllten, hatten ein signifikant längeres medianes Überleben verglichen mit Patienten, welche diese Kriterien nicht erfüllten (19,4 versus 7,2 Monate).5
Eine in diesem Jahr publizierte Analyse aus der SEER-Datenbank (Surveillance, Epidemiology, and End Results program database) hat speziell das Szenario einer Metastasenresektion beim metastasierten Pankreaskarzinom untersucht. Insgesamt wurden 11541 Fälle mit synchroner Fernmetastasierung über einen Zeitraum von 4Jahren (2010–2014) analysiert.6 Von diesem Kollektiv lagen bei circa der Hälfte ausreichende Datensätze vor,um das Überleben mit und ohne Resektion zu vergleichen. Am meisten traten Metastasen in der Leber auf (54%), gefolgt von Lungenmetastasen (6,4%) und weniger häufig im Knochen (1,3%) und Gehirn (0,1%). Die Mehrheit des Patientenkollektivs wurde nie einer Operation zugeführt. Das mediane Überleben bei Metastasierung eines einzelnen Organs war besser als bei Metastasierung mehrerer Organe (ein Organ 4,0 Monate, zwei Organe 3,0 Monate, drei/vier Organe 2,0 Monate; p<0,0001). Bei singulären Metastasen in der Lunge war die mediane Überlebenszeit im Vergleich zu Metastasen in der Leber oder Knochen länger (Lunge 6,0±0,32 Monate, HR: 0,87, 95% CI: 0,78–0,97; p=0,013).6 Die Resektion des Primärtumors war mit einem längeren Überleben bei synchroner Einzelorganmetastasierung der Lunge im Vergleich zu keiner Resektion assoziiert (14,0±1,93 Monate vs. 6,0±0,31 Monate, p<0,0001). Bei synchronen singulären Leber- bzw. Lungenmetastasen zeigt sich ein Überlebensvorteil der Patienten, bei denen die Resektion des Primärtumors mit oder ohne Metastasenresektion erfolgte, verglichen mit der Kohorte, die nicht operiert wurde, wenn auch die Anzahl der operierten Patienten gering ist (Tab. 1).6Insbesondere im synchronen Szenario ist auf eine komplikationsfreie kombinierte Primärtumor- und Metastasenresektion zu achten, da sonst bei Auftreten von signifikanten postoperativen Komplikationen eine notwendige Systemtherapie entweder verzögert ist oder sogar nicht zum Einsatz kommen kann.
Tab. 1: Übersicht der publizierten Fallserien einer Metastasenresektion beim metastasierten Pankreaskarzinom der letzten 5 Jahre
Chirurgie bei metachronem Auftreten der Metastasen?
Eine Operation bei metachronen Lebermetastasen wurde in einer ganz aktuellen Studie untersucht.7 Dabei zeigte sich in der Kaplan-Meier-Analyse ein signifikanter Überlebensvorteil des Patientenkollektivs, bei welchem eine Metastasenresektion in der Leber erfolgte, verglichen mit jenen Patienten, bei denen keine Resektion durchgeführt wurde.7 Kritisch muss erwähnt werden, dass es sich bei dem nicht operierten Patientenkollektiv um lediglich 8 Patienten handelt, weshalb ein Selektionsbias sicherlich auch nicht auszuschliessen ist. Eine weitere Studie aus Korea untersuchte die perkutane Radiofrequenzablation bei metachronen Lebermetastasen nach kurativer Resektion eines Pankreaskarzinoms.8 Eingeschlossen wurden Patienten, welche weniger als fünf Lebermetastasen mit einem maximalen Durchmesser von bis zu 5cm aufwiesenund eine stabile Tumorerkrankung hatten. Aus der Kohorte von 1565 Patienten, welche kurativ reseziert wurden, entwickelten 548 Patienten (35%) metachrone Lebermetastasen. Nach Ausschlusskriterien wurden 60 Patienten einer Radiofrequenzablation (RFA) der Metastasen zugeführt und mit 65 Patienten ohne RFA verglichen, welche eine systemische Chemotherapie erhalten hatten. Das Gesamtüberleben sowie das progressionsfreie Überleben zeigte in der Gruppe der RFA-Patienten mittelfristig eine bessere Tumorkontrolle,aber auch einen leichten Überlebensvorteil. Das Langzeitüberleben beider Gruppen war identisch.8
Die Datenlage bei der Resektion von metachronen Lungenmetastasen kann am besten anhand zweier Studien dargelegt werden, welche im letzten Jahr publiziert wurden.9,10
In der ersten Studie war die Resektion von metachronen Lebermetastasen mit einem Überleben von knapp über 2 Jahren (26 Monate) assoziiert,9 wobei das 5-Jahres-Überleben nicht berichtet wurde. In der zweiten Studie wurde das Überleben bei metachronen Lungenmetastasen zwischen drei Behandlungsmodalitäten verglichen. Dabei zeigte sich, dass das Patientenkollektiv, welches eine chirurgische Metastasenresektion erhalten hatte, ein deutlich längeres medianes Überleben erreichte als das Patientenkollektiv, welches mittels systemischer Chemotherapie oder palliativer Unterstützung therapiert wurde.10 Auch zu dieser Studie muss kritisch angemerkt werde, dass es sich um hochselektionierte Patientengruppen mit geringen Fallzahlen handelt. Ein niedrigeres TNM-Staging, ein längeres Intervall bis zur Metastasierung und eine einzelne metastasierende Läsion korrelierten mit einem längeren Überleben (Tab. 1).6
Eine der grössten Studien untersuchte 128 Patienten, welche sich über einen Zeitraum von 12 Jahren einer Primärtumor- als auch einer Metastasenresektion (Leber n=85 oder entfernte interaortokavale Lymphknoten n=43) unterzogen.11 Die Patienten wurden hinsichtlich der Resektion syn- oder metachroner Metastasen stratifiziert. Die chirurgische Morbidität und 30-Tages-Mortalität nach synchroner Resektion von M1-Tumoren betrug 45% bzw. 2,9%. Das mediane Gesamtüberleben nach M1-Resektion betrug in beiden Gruppen 12,3 Monate. Das Langzeitergebnis zeigte eine 5-Jahres-Überlebensrate von 8,1% nach der Operation für beide Lebermetastasen und 10,1% nach interaortocavaler Lymphknotenresektion.11 Zum Vergleich zeigt die Chemotherapie in einer solchen Kohorte eine durchschnittliche Überlebenszeit von 11 Monaten (Tab. 1).12
Exemplarische Falldemonstration
Exemplarisch für die Therapie bei metachronen oligometastasiertem Pankreaskarzinom möchten wir den Fall einer 62-jährigen Patientin, welche sich bei uns in Behandlung befindet, vorstellen (Abb.2). Bei dieser Patientin erfolgte vor 9 Jahren eine Whipple-Operation bei Adenokarzinom des Pankreaskopfes. Die Histologie zeigte ein StadiumpT3, pN1, cM0, L1, V0 Pn1, G3 (Abb. 2A/B). Postoperativ erfolgte eine adjuvante Behandlung, damals mit Gemcitabin. Vier Jahre nach primärer Resektion zeigte sich bei der Patientin ein Lokalrezidiv, welches mittels einer Radiochemotherapie behandelt wurde. Der weitere Verlauf war rezidivfrei mit anhaltender Remission seit 2017. In diesem Jahr entwickelte die Patientin eine pulmonale Metastase, welche durch eine thorakoskopische Wedge-Resektion komplikationslos reseziert wurde (Abb. 2D). Die multidisziplinäre Therapie und der Einsatz von verschiedenen Interventionen einschliesslich der Bestrahlung und Resektion von Metastasen zeigt in diesem Fall eindrücklich, dass auch ein Langzeitüberleben in selektionierten Patientengruppen möglich ist.
Abb. 2: Exemplarische Falldemonstration
(A) 2011: Whipple-Operation bei resektablem Pankreaskarzinom, Double Duct Sign: * dilatierter Ductus Wirsungianus, ** dilatierter Ductus choledochus
(B)Pankreatikoduodenektomie-Resektat
(C) 2015: Lokalrezidiv am Pankreasabsetzungsrand
(D) 2020: Lungenmetastase Oberlappen links und thorakoskopische Wedge-Resektion
Wichtige Aspekte, welche für ein mögliches Behandlungsmanagement für Patienten mit einer oligometastatischen Erkrankung bei Pankreaskarzinom zu berücksichtigen sind, sind in der Abbildung 1 übersichtlich dargestellt. Dabei wird von den Autoren zunächst zwischen einem synchronen und einem metachronen Auftreten der Metastasen unterschieden. Die Einfachheit oder Komplexität der notwendigen Operation zur Metastasenresektion wird in einem zweiten Schritt als Entscheidungskriterium genommen, ob eine Chirurgie als sinnvoll erachtet wird oder nicht.
Fazit
Abschliessend muss festgehalten werden, dass das Konzept der Resektion von Metastasen beim Pankreaskarzinom aktuell nicht etabliert ist und weiterhin kontrovers diskutiert wird. Die Resektion von singulären oder limitierten Oligometastasen scheint den hochselektionierten Patientengruppen einen Überlebensvorteil zu bieten. Die Chirurgie sollte aber nur bei Oligometastasen in Betracht gezogen werden, welche gut mittels Systemtherapie kontrolliert sind. Die limitierten Fallzahlen der aktuell verfügbaren Studien erfordern weitere zukünftige grössere Kohortenstudien, um den Benefit einer Metastasenresektion beim Pankreaskarzinom besser darzustellen. Ob eine chirurgische Resektion von Metastasen ein sinnvolles Therapiekonzept darstellt, muss aktuell auf individueller Basis unter Einbezug des Patienten und interdisziplinärer Diskussion erwogen werden. Wir sind aber überzeugt, dass die greifbare Entwicklung wirksamer individueller Immuntherapien als Systemtherapie zur Tumorbekämpfung die Chirurgie bei metastasiertem Tumorleiden in naher Zukunft weiter in den Vordergrund stellen wird.
Literatur:
1 Siegel RL et al.: Colorectal cancer statistics. CA Cancer J Clin 2020; 70: 145-64 2 Conroy T et al.: FOLFIRINOX or Gemcitabine as Adjuvant Therapy for Pancreatic Cancer. NEngl J Med 2018; 379: 2395-406 3 Conroy T et al.: FOLFIRINOX versus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer. N Engl J Med 2011; 364: 1817-25 4 American Cancer Society: Survival Rates for Pancreatic Cancer 2020 5 Damanakis AI et al.: Proposal for a definition of «Oligometastatic disease in pancreatic cancer». BMC Cancer 2019; 19: 1261 6 Liu Q et al.: Surgery for synchronous and metachronous single-organ metastasis of pancreatic cancer: a SEER database analysis and systematic literature review. Sci Rep 2020; 10: 4444 7 Schwarz C et al.: Metachronous hepatic resection for liver only pancreatic metastases. Surg Oncol 2020; 35: 169-73 8 Lee SJ et al.: Percutaneous radiofrequency ablation for metachronous hepatic metastases after curative resection of pancreatic adenocarcinoma. Korean J Radiol 2020; 21: 316-24 9 Ilmer M et al.: Oligometastatic pulmonary metastasis in pancreatic cancer patients: safety and outcome of resection. Surg Oncol 2019; 31: 16-21 10 Groot VP et al.: Isolated pulmonary recurrence after resection of pancreatic cancer: the effect of patient factors and treatment modalities on survival. HPB (Oxford) 2019; 21: 998-1008 11 Hackert T et al.: Radical surgery of oligometastatic pancreatic cancer. Eur J Surg Oncol 2017; 43: 358-63 12 Gourgou-Bourgade S et al.:Impact of FOLFIRINOX compared with gemcitabine on quality of life in patients with metastatic pancreatic cancer: results from the PRODIGE 4/ACCORD 11 randomized trial. J Clin Oncol 2013; 31: 23-9
Das könnte Sie auch interessieren:
Erhaltungstherapie mit Atezolizumab nach adjuvanter Chemotherapie
Die zusätzliche adjuvante Gabe von Atezolizumab nach kompletter Resektion und adjuvanter Chemotherapie führte in der IMpower010-Studie zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...