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Molekularbiologie der Mastozytosen

<p class="article-intro">Mastozytosen sind eine pathomorphologisch und klinisch heterogene Gruppe von Erkrankungen der hämatopoietischen Stammzelle mit lokaler oder systemischer Ausbreitung. Sie sind charakterisiert durch eine pathologische Akkumulation von Mastzellen (MC) in unterschiedlichen Organen mit den Folgen einer gesteigerten MC-Mediator-Freisetzung und möglicher Organschädigung. Molekulargenetisch sind Mastozytosen durch Mutationen im KIT-Gen charakterisiert. Die Therapie der systemischen Mastozytosen besteht in der Behandlung der MC-Mediator-Symptomatik, als Ultima Ratio ist die Knochenmarkstransplantation anzusehen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Klinisches Erscheinungsbild, Klassifikation und Diagnostik</h2> <p>Mastozytosen sind charakterisiert durch eine pathologische Akkumulation neoplastischer Mastzellen (MC) in unterschiedlichen Geweben, insbesondere Knochenmark (KM), Haut, Intestinaltrakt, Lymphknoten und viszeralen Organen.<sup>1</sup> Bei Kindern ist die Erkrankung als kutane Mastozytose (CM) zumeist auf die Haut begrenzt und verl&auml;uft oft selbstlimitierend bis zur Pubert&auml;t. Im Erwachsenenalter ist die systemische Mastozytose (SM) die Regel; sie verl&auml;uft chronisch-persistierend. Fast immer ist hier das KM mitbetroffen und stellt daher das Zielorgan f&uuml;r den definitiven Nachweis oder Ausschluss einer SM dar.<sup>2</sup> Die WHO-Klassifikation der Mastozytosen ber&uuml;cksichtigt das Ausma&szlig; der Organinfiltration und die klinischen Zeichen der Organsch&auml;digung.<sup>3</sup> Bei der SM werden in der aktuell zur Publikation anstehenden neuen WHO-Klassifikation f&uuml;nf Varianten der SM unterschieden (Tab. 1):<sup>4</sup> Die indolente SM (ISM) mit im Vordergrund stehender Mediator-Symptomatik, h&auml;ufigem Mitbefall der Haut, fehlender Organsch&auml;digung und ann&auml;hernd normaler Lebenserwartung ist die mit Abstand h&auml;ufigste Variante. Die &bdquo;smouldering SM&ldquo; (SSM) ist durch eine deutlich gesteigerte Mastzelllast ohne Zeichen einer Organsch&auml;digung (&bdquo;B-findings&ldquo;) gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu zeigen die &bdquo;fortgeschrittenen&ldquo; (&bdquo;advanced&ldquo;) Formen der SM (advSM), aggressive SM (ASM), Mastzellenleuk&auml;mie (MCL) und SM mit assoziierter h&auml;matologischer Neoplasie (SMAHN), eine &bdquo;maligne&ldquo; MC-Expansion mit klinischen Zeichen einer Sch&auml;digung der betroffenen Organe (&bdquo;C-findings&ldquo;). Die Diagnose einer SM basiert auf dem Nachweis WHO-definierter Haupt- und Nebenkriterien (Tab. 2). Die Pathologie, speziell die H&auml;matopathologie, steht im Zentrum der Diagnostik bei Verdacht auf SM. F&uuml;r die histomorphologische Diagnostik im KM und in allen extramedull&auml;ren Organen ist zur eindeutigen Identifikation einer Infiltration durch neoplastische MC und deren differenzialdiagnostische Abgrenzung gegen&uuml;ber einer reaktiven MC-Vermehrung einerseits und einer nicht mastozyt&auml;ren myeloischen Neoplasie andererseits in der Immunhistochemie die Anwendung eines Antik&ouml;rperpanels unter Einschluss von Anti-Tryptase, Anti-CD117 (KIT) und Anti-CD25 (IL2-R) zwingend notwendig.<sup>5</sup> Dieses Vorgehen erlaubt den Nachweis kompakter MC-Infiltrate (diagnostisches Hauptkriterium), die Identifikation eines atypischen spindelzelligen MC-Ph&auml;notyps und die aberrante CD25- Expression in MC (jeweils diagnostische Nebenkriterien). Auch der Nachweis einer KIT-Codon-816-Mutation stellt ein diagnostisches Nebenkriterium dar und ist mit geeigneten sensitiven Methoden ebenfalls problemlos und auch retrospektiv am Beckenkammtrepanat m&ouml;glich.</p> <h2>KIT und die KIT-Signalkaskade</h2> <p>KIT (CD117) ist eine Typ-III-Tyrosinkinase und der transmembran&ouml;se Rezeptor f&uuml;r den &bdquo;stem cell factor&ldquo; (SCF), den wesentlichen Wachstumsfaktor f&uuml;r MC.<sup>6</sup> Das c-Kit-Gen enth&auml;lt 21 Exons und ist auf Chromosom 4q12 lokalisiert.<sup>7</sup> Der Rezeptor besteht aus einer extrazellul&auml;ren, einer transmembran&ouml;sen, einer juxtamembran&ouml;sen und Tyrosinkinase-Dom&auml;ne. Beim Menschen wird KIT physiologisch auf MC, h&auml;matopoietischen Progenitorzellen, Keimzellen, Melanozyten und Cajal-Zellen exprimiert.<sup>8</sup> Mutationen im c-Kit-Gen f&uuml;hren in der Regel zu einer ligandenunabh&auml;ngigen konstitutiven Phosphorylierung und Aktivierung von KIT und nachgeschalteter Pathways und k&ouml;nnen in neoplastischen MC zu einer verminderten Apoptose und/oder Zellzyklusalterationen f&uuml;hren. Wesentliche hierbei involvierte intrazellul&auml;re Pathways und Signaltransduktionsmolek&uuml;le sind PI3-K, AKT, NF-?B, STAT5, RAS, LYN/BTK und andere.<sup>8, 9</sup> Sie stellen zum Teil attraktive Targets f&uuml;r zielgerichtete Therapien dar. Typischerweise werden KIT-Mutationen in &gt;90 % bei SM gefunden, wobei die Frequenz des Mutationsnachweises stark zwischen den verschiedenen Varianten schwankt.<sup>6</sup></p> <h2>KIT-Mutationen bei Mastozytosen</h2> <p>In F&auml;llen p&auml;diatrischer CM werden KITMutationen in 75 % der F&auml;lle in entsprechenden Hautbiopsien gefunden, haupts&auml;chlich in Exons, welche f&uuml;r die transmembran&ouml;sen Rezeptordom&auml;nen kodieren. KIT D816V dagegen ist nur in einem Drittel dieser F&auml;lle nachweisbar.10 In Patienten mit SM werden KIT D816V oder andere Codon- 816-Mutationen in &gt;80 % der F&auml;lle gefunden. Die Frequenz des Mutationsnachweises schwankt allerdings stark in Abh&auml;ngigkeit der SM-Variante. Die Nachweisrate von KIT-Mutationen schwankt au&szlig;erdem in Abh&auml;ngigkeit von dem eingesetzten Testverfahren und dem untersuchten Material. Gemessen mit sensitiven aktuellen Mutationsassays liegt die Nachweisrate bei typischen F&auml;llen von ISM bei &gt;95 % , bei Patienten mit MCL jedoch nur bei ca. 60 % .<sup>6</sup> Neben dem Einsatz als diagnostisches Kriterium hat der Nachweis (oder Ausschluss) von Mutationen in der Tyrosinkinase-Dom&auml;ne von KIT, also insbesondere KIT D816V, auch eine wichtige therapeutische Bedeutung, denn die Mutation f&uuml;hrt &uuml;ber eine Konformit&auml;ts&auml;nderung der enzymatischen Tasche zu einer Resistenz gegen&uuml;ber Imatinib. F&uuml;r die Behandlung von Patienten mit KIT D816V-positiven advSM wurden daher nicht zielgerichtete Therapien mit Cladribin (2CdA) oder Interferon-a eingesetzt und k&uuml;rzlich auch klinische Studien mit KIT D816V-sensitiven Tyrosinkinase- Inhibitoren wie PKC412 (Midostaurin) durchgef&uuml;hrt.<sup>6, 11&ndash;13</sup></p> <h2>Assays f&uuml;r Nachweis von KIT D816V</h2> <p>Als Konsequenz aus dem zuvor Gesagten ergibt sich die dringende Empfehlung, zur differenzialdiagnostischen Abkl&auml;rung bei Verdacht auf eine SM nur entsprechend sensitive molekulare Assays mit einer Nachweisgrenze &lt;1 % mutierter Allele anzuwenden und f&uuml;r die Analysen m&ouml;glichst Gewebe/Untersuchungsmaterial zu verwenden, in welchem die h&ouml;chste Dichte an (neoplastischen) MC zu erwarten ist, also in F&auml;llen von SM das Knochenmark oder andere Gewebe mit histomorphologisch nachgewiesener SMInfiltration. Als ausreichend sensitive Verfahren wurden in einem internationalen Expertenkonsens k&uuml;rzlich die RT-PCR plus RFLP (&bdquo;restriction fragment length polymorphism&ldquo;), &bdquo;nested-RT-PCR&ldquo; plus D-HPLC (&bdquo;denaturing high-performance liquid chromatography&ldquo;), PCR-Clamping mit HRMP (&bdquo;high resolution melting point analysis&ldquo;) und die allelspezifische quantitative PCR (ASO-qPCR) empfohlen.<sup>6</sup> Letztere stellt das bisher sensitivste Verfahren mit einer Nachweisgrenze von 0,01 % mutierter Zellen dar und erlaubte den Nachweis der KIT D816V-Mutation in 94 % der untersuchten Patienten mit SM, sodass die Methode auch als initialer Screening-Test empfohlen wurde.<sup>6, 14, 15</sup> Einzige Einschr&auml;nkung dieses sensitiven Verfahrens ist die Beschr&auml;nkung auf die Mutation KIT D816V. Abschlie&szlig;end muss darauf hingewiesen werden, dass die KIT D816V-Mutation nicht pathognomonisch f&uuml;r Mastozytosen ist, sondern auch in bestimmten F&auml;llen akuter myeloischer Leuk&auml;mien und auch in einem Teil testikul&auml;rer Keimzelltumoren nachweisbar ist.</p> <h2>Bedeutung der KIT-D816V-Allellast</h2> <p>&Uuml;ber den reinen diagnostischen Nachweis der KIT-Mutation D816V hinausgehend konnte gezeigt werde, dass die Bestimmung der Allellast eine differenzialdiagnostische und vor allem prognostische Bedeutung haben kann sowie auch zum Krankheitsmonitoring unter Therapie im Sinne der Messung einer &bdquo;minimal residual disease&ldquo; dienen kann. Patienten mit einer h&ouml;heren KIT D816V-Allellast zeigen in der Regel h&ouml;here Serumtryptasespiegel und Erkrankungen aus der Gruppe der advSM.<sup>16, 17</sup> Eine hohe Allellast deutet au&szlig;erdem auf eine Entstehung der Mutation in einem fr&uuml;hen h&auml;matopoietischen Progenitor im Sinne einer Stammzellerkrankung hin und ist nicht selten mit einer parallel bestehenden myeloischen Zweitneoplasie im Sinne einer SM-AHN assoziiert.<sup>18</sup> Der Nachweis der KIT D816V-Mutation im Blut erwachsener Patienten sollte daher immer eine Beckenkammtrepanation mit histomorphologischer und zytologischer Untersuchung des Knochenmarks nach sich ziehen.</p> <h2>Bedeutung des Nachweises von Mutationen in anderen Genen</h2> <p>K&uuml;rzlich konnte mittels NGS (&bdquo;next generation sequencing&ldquo;) gezeigt werden, dass F&auml;lle mit advSM typischerweise neben KIT D816V weitere von anderen myeloischen Neoplasien bekannte Mutationen in weiteren Genen aufweisen, sodass auch dieser Befund als differenzialdiagnostisches Kriterium bei der Bestimmung des SM-Subtyps herangezogen werden kann.<sup>19</sup> Dar&uuml;ber hinaus wurde von denselben Arbeitsgruppen gezeigt, dass der Nachweis bestimmter weiterer Mutationen (SRSF2, ASXL1, RUNX1) alleine oder in Kombination eine dramatische prognostische Bedeutung hat.<sup>20</sup></p> <h2>Differenzialdiagnose</h2> <p>Die Differenzialdiagnose der Mastozytose umfasst eine Reihe von reaktiven, aber auch neoplastischen Erkrankungen. Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) ist ein klinisches Syndrom und durch einen signifikanten tempor&auml;ren Anstieg der Serumtryptase und typische klinische (Mastzellmediator-getriggerte) Symptome gekennzeichnet. Es kann sowohl bei Mastozytose als auch bei Patienten ohne nachweisbare Mastozytose diagnostiziert werden. Der Nachweis der Punktmutation KIT D816V spricht hier f&uuml;r ein prim&auml;res (klonales) MCAS und ist hochgradig verd&auml;chtig auf eine SM.<sup>21</sup> Morphologisch ist die Mastozytose oft ein &bdquo;Cham&auml;leon&ldquo;, vor allem wenn diagnostisch entscheidende immunhistochemische Analysen nicht durchgef&uuml;hrt werden. Atypische MC kommen nicht nur bei Mastozytosen, sondern selten auch bei anderen neoplastischen und auch bei nicht neoplastischen Erkrankungen des Knochenmarks vor. Entscheidend ist hierbei, dass nur bei SM die in der WHO-Klassifikation definierten diagnostischen SM-Kriterien erf&uuml;llt sind. Bei myeloischen/ lymphatischen Neoplasien mit Anomalien im PDGFR-Gen etwa stellt die lockere Vermehrung spindeliger CD25- exprimierender MC sogar einen diagnostisch richtungsweisenden Befund dar.<br /> Transformierte Mastzellen k&ouml;nnen in einem kleineren Teil der F&auml;lle ein helles, optisch fast leeres Zytoplasma aufweisen, sodass initial auch an eine Histiozytose, Monozytenleuk&auml;mie oder Haarzellenleuk&auml;mie gedacht werden kann. Zudem kann die f&uuml;r myeloische bzw. h&auml;matopoietische Zellen ungew&ouml;hnlich breite immunph&auml;notypische Variabilit&auml;t der MC erhebliche diagnostische Probleme bereiten.<sup>22</sup></p> <h2>Res&uuml;mee</h2> <p>Es ist zu erwarten, dass die H&auml;ufigkeit der Mastozytose weiter zunehmen bzw. diese h&auml;ufiger erkannt und damit h&auml;ufiger diagnostiziert werden wird. Die Mastozytose mit all ihren Unterformen ist beispielsweise in der Gesamtbev&ouml;lkerung h&auml;ufiger anzutreffen als die sehr viel &bdquo;bekanntere&ldquo; chronische myeloische Leuk&auml;mie. In Anbetracht der gelegentlich t&ouml;dlichen anaphylaktischen Komplikationen und der M&ouml;glichkeiten einer Therapie des f&uuml;r die Patienten oft ungeheuer belastenden Mediator-Syndroms muss die klinische Frage nach einer Mastozytose vom Pathologen klar beantwortet werden. Die eigenen Erfahrungen aus der konsiliarischen T&auml;tigkeit an einem Referenzzentrum zeigen, dass ein Teil der F&auml;lle entweder falsch negativ oder falsch positiv, vielfach aber inkorrekt unter Missachtung der Terminologie beurteilt wurden. F&uuml;r den H&auml;matopathologen entscheidend ist, an die M&ouml;glichkeit einer Mastozytose zu denken und dabei auch jeden klinischen Hinweis ernst zu nehmen. Der Nachweis oder Ausschluss einer Mastozytose ist nach sorgf&auml;ltiger Adressierung aller diagnostischen Kriterien zumeist sicher m&ouml;glich.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Horny HP et al: World Health Organization (WHO) Classification of Tumours. Pathology &amp; Genetics. Tumours of Haematopoietic and Lymphoid Tissues. Lyon, Frankreich: IARC Press, 2008 <strong>2</strong> Berezowska S et al: Mod Pathol 2014; 27: 19-29 <strong>3</strong> Valent P et al: Leuk Res 2001; 25: 603-25 <strong>4</strong> Arber DA et al: Blood 2016; 127: 2391-2405 <strong>5</strong> Horny HP et al: Pathobiology 2010; 77: 169-80 <strong>6</strong> Arock M et al: Leukemia 2015; 29: 1223-32 <strong>7</strong> Giebel LB et al: Oncogene 1992; 7: 2207-17 <strong>8</strong> Orfao A et al: Br J Haematol 2007; 138: 12-30 <strong>9</strong> Ustun C et al: Haematologica 2016; 101: 1133-43 <strong>10</strong> Bodemer C et al: J Invest Dermatol 2010; 130: 804-15 <strong>11</strong> Kluin-Neelemanns HC et al: Blood 2003; 102: 4270-6 <strong>12</strong> Hauswirth AW et al: Leuk Res 2004; 28: 249-57 <strong>13</strong> Gotlib J et al: NEJM 2016; 374: 2530-41 <strong>14</strong> Kristensen T et al: J Mol Diagn 2011; 13: 180-8 <strong>15</strong> Kristensen T et al: Am J Hematol 2014; 89: 493-8 <strong>16</strong> Erben P et al: Ann Hematol 2014; 93: 81-8 <strong>17</strong> Hoermann G et al: Allergy 2014; 69: 810-3 <strong>18</strong> Escribano L et al: J Allerg Clin Immunol 2009; 124: 514- 21 <strong>19</strong> Schwaab J et al: Blood 2013; 122: 2460-6 <strong>20</strong> Jawhar M et al: Leukemia 2016; 30: 136-43 <strong>21</strong> Valent P et al: Int Arch Allergy Immunol 2012; 157: 215-25 <strong>22</strong> Horny HP et al: Immunol Allergy Clin North Am 2014; 34: 315-21</p> </div> </p>
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