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Molekularbiologie der Mastozytosen
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Sotlar
Universitätsinstitut für Pathologie<br> Uniklinik Salzburg, Landeskrankenhaus<br> E-Mail: k.sotlar@salk.at
30
Min. Lesezeit
02.03.2017
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<p class="article-intro">Mastozytosen sind eine pathomorphologisch und klinisch heterogene Gruppe von Erkrankungen der hämatopoietischen Stammzelle mit lokaler oder systemischer Ausbreitung. Sie sind charakterisiert durch eine pathologische Akkumulation von Mastzellen (MC) in unterschiedlichen Organen mit den Folgen einer gesteigerten MC-Mediator-Freisetzung und möglicher Organschädigung. Molekulargenetisch sind Mastozytosen durch Mutationen im KIT-Gen charakterisiert. Die Therapie der systemischen Mastozytosen besteht in der Behandlung der MC-Mediator-Symptomatik, als Ultima Ratio ist die Knochenmarkstransplantation anzusehen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Klinisches Erscheinungsbild, Klassifikation und Diagnostik</h2> <p>Mastozytosen sind charakterisiert durch eine pathologische Akkumulation neoplastischer Mastzellen (MC) in unterschiedlichen Geweben, insbesondere Knochenmark (KM), Haut, Intestinaltrakt, Lymphknoten und viszeralen Organen.<sup>1</sup> Bei Kindern ist die Erkrankung als kutane Mastozytose (CM) zumeist auf die Haut begrenzt und verläuft oft selbstlimitierend bis zur Pubertät. Im Erwachsenenalter ist die systemische Mastozytose (SM) die Regel; sie verläuft chronisch-persistierend. Fast immer ist hier das KM mitbetroffen und stellt daher das Zielorgan für den definitiven Nachweis oder Ausschluss einer SM dar.<sup>2</sup> Die WHO-Klassifikation der Mastozytosen berücksichtigt das Ausmaß der Organinfiltration und die klinischen Zeichen der Organschädigung.<sup>3</sup> Bei der SM werden in der aktuell zur Publikation anstehenden neuen WHO-Klassifikation fünf Varianten der SM unterschieden (Tab. 1):<sup>4</sup> Die indolente SM (ISM) mit im Vordergrund stehender Mediator-Symptomatik, häufigem Mitbefall der Haut, fehlender Organschädigung und annähernd normaler Lebenserwartung ist die mit Abstand häufigste Variante. Die „smouldering SM“ (SSM) ist durch eine deutlich gesteigerte Mastzelllast ohne Zeichen einer Organschädigung („B-findings“) gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu zeigen die „fortgeschrittenen“ („advanced“) Formen der SM (advSM), aggressive SM (ASM), Mastzellenleukämie (MCL) und SM mit assoziierter hämatologischer Neoplasie (SMAHN), eine „maligne“ MC-Expansion mit klinischen Zeichen einer Schädigung der betroffenen Organe („C-findings“). Die Diagnose einer SM basiert auf dem Nachweis WHO-definierter Haupt- und Nebenkriterien (Tab. 2). Die Pathologie, speziell die Hämatopathologie, steht im Zentrum der Diagnostik bei Verdacht auf SM. Für die histomorphologische Diagnostik im KM und in allen extramedullären Organen ist zur eindeutigen Identifikation einer Infiltration durch neoplastische MC und deren differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber einer reaktiven MC-Vermehrung einerseits und einer nicht mastozytären myeloischen Neoplasie andererseits in der Immunhistochemie die Anwendung eines Antikörperpanels unter Einschluss von Anti-Tryptase, Anti-CD117 (KIT) und Anti-CD25 (IL2-R) zwingend notwendig.<sup>5</sup> Dieses Vorgehen erlaubt den Nachweis kompakter MC-Infiltrate (diagnostisches Hauptkriterium), die Identifikation eines atypischen spindelzelligen MC-Phänotyps und die aberrante CD25- Expression in MC (jeweils diagnostische Nebenkriterien). Auch der Nachweis einer KIT-Codon-816-Mutation stellt ein diagnostisches Nebenkriterium dar und ist mit geeigneten sensitiven Methoden ebenfalls problemlos und auch retrospektiv am Beckenkammtrepanat möglich.</p> <h2>KIT und die KIT-Signalkaskade</h2> <p>KIT (CD117) ist eine Typ-III-Tyrosinkinase und der transmembranöse Rezeptor für den „stem cell factor“ (SCF), den wesentlichen Wachstumsfaktor für MC.<sup>6</sup> Das c-Kit-Gen enthält 21 Exons und ist auf Chromosom 4q12 lokalisiert.<sup>7</sup> Der Rezeptor besteht aus einer extrazellulären, einer transmembranösen, einer juxtamembranösen und Tyrosinkinase-Domäne. Beim Menschen wird KIT physiologisch auf MC, hämatopoietischen Progenitorzellen, Keimzellen, Melanozyten und Cajal-Zellen exprimiert.<sup>8</sup> Mutationen im c-Kit-Gen führen in der Regel zu einer ligandenunabhängigen konstitutiven Phosphorylierung und Aktivierung von KIT und nachgeschalteter Pathways und können in neoplastischen MC zu einer verminderten Apoptose und/oder Zellzyklusalterationen führen. Wesentliche hierbei involvierte intrazelluläre Pathways und Signaltransduktionsmoleküle sind PI3-K, AKT, NF-?B, STAT5, RAS, LYN/BTK und andere.<sup>8, 9</sup> Sie stellen zum Teil attraktive Targets für zielgerichtete Therapien dar. Typischerweise werden KIT-Mutationen in >90 % bei SM gefunden, wobei die Frequenz des Mutationsnachweises stark zwischen den verschiedenen Varianten schwankt.<sup>6</sup></p> <h2>KIT-Mutationen bei Mastozytosen</h2> <p>In Fällen pädiatrischer CM werden KITMutationen in 75 % der Fälle in entsprechenden Hautbiopsien gefunden, hauptsächlich in Exons, welche für die transmembranösen Rezeptordomänen kodieren. KIT D816V dagegen ist nur in einem Drittel dieser Fälle nachweisbar.10 In Patienten mit SM werden KIT D816V oder andere Codon- 816-Mutationen in >80 % der Fälle gefunden. Die Frequenz des Mutationsnachweises schwankt allerdings stark in Abhängigkeit der SM-Variante. Die Nachweisrate von KIT-Mutationen schwankt außerdem in Abhängigkeit von dem eingesetzten Testverfahren und dem untersuchten Material. Gemessen mit sensitiven aktuellen Mutationsassays liegt die Nachweisrate bei typischen Fällen von ISM bei >95 % , bei Patienten mit MCL jedoch nur bei ca. 60 % .<sup>6</sup> Neben dem Einsatz als diagnostisches Kriterium hat der Nachweis (oder Ausschluss) von Mutationen in der Tyrosinkinase-Domäne von KIT, also insbesondere KIT D816V, auch eine wichtige therapeutische Bedeutung, denn die Mutation führt über eine Konformitätsänderung der enzymatischen Tasche zu einer Resistenz gegenüber Imatinib. Für die Behandlung von Patienten mit KIT D816V-positiven advSM wurden daher nicht zielgerichtete Therapien mit Cladribin (2CdA) oder Interferon-a eingesetzt und kürzlich auch klinische Studien mit KIT D816V-sensitiven Tyrosinkinase- Inhibitoren wie PKC412 (Midostaurin) durchgeführt.<sup>6, 11–13</sup></p> <h2>Assays für Nachweis von KIT D816V</h2> <p>Als Konsequenz aus dem zuvor Gesagten ergibt sich die dringende Empfehlung, zur differenzialdiagnostischen Abklärung bei Verdacht auf eine SM nur entsprechend sensitive molekulare Assays mit einer Nachweisgrenze <1 % mutierter Allele anzuwenden und für die Analysen möglichst Gewebe/Untersuchungsmaterial zu verwenden, in welchem die höchste Dichte an (neoplastischen) MC zu erwarten ist, also in Fällen von SM das Knochenmark oder andere Gewebe mit histomorphologisch nachgewiesener SMInfiltration. Als ausreichend sensitive Verfahren wurden in einem internationalen Expertenkonsens kürzlich die RT-PCR plus RFLP („restriction fragment length polymorphism“), „nested-RT-PCR“ plus D-HPLC („denaturing high-performance liquid chromatography“), PCR-Clamping mit HRMP („high resolution melting point analysis“) und die allelspezifische quantitative PCR (ASO-qPCR) empfohlen.<sup>6</sup> Letztere stellt das bisher sensitivste Verfahren mit einer Nachweisgrenze von 0,01 % mutierter Zellen dar und erlaubte den Nachweis der KIT D816V-Mutation in 94 % der untersuchten Patienten mit SM, sodass die Methode auch als initialer Screening-Test empfohlen wurde.<sup>6, 14, 15</sup> Einzige Einschränkung dieses sensitiven Verfahrens ist die Beschränkung auf die Mutation KIT D816V. Abschließend muss darauf hingewiesen werden, dass die KIT D816V-Mutation nicht pathognomonisch für Mastozytosen ist, sondern auch in bestimmten Fällen akuter myeloischer Leukämien und auch in einem Teil testikulärer Keimzelltumoren nachweisbar ist.</p> <h2>Bedeutung der KIT-D816V-Allellast</h2> <p>Über den reinen diagnostischen Nachweis der KIT-Mutation D816V hinausgehend konnte gezeigt werde, dass die Bestimmung der Allellast eine differenzialdiagnostische und vor allem prognostische Bedeutung haben kann sowie auch zum Krankheitsmonitoring unter Therapie im Sinne der Messung einer „minimal residual disease“ dienen kann. Patienten mit einer höheren KIT D816V-Allellast zeigen in der Regel höhere Serumtryptasespiegel und Erkrankungen aus der Gruppe der advSM.<sup>16, 17</sup> Eine hohe Allellast deutet außerdem auf eine Entstehung der Mutation in einem frühen hämatopoietischen Progenitor im Sinne einer Stammzellerkrankung hin und ist nicht selten mit einer parallel bestehenden myeloischen Zweitneoplasie im Sinne einer SM-AHN assoziiert.<sup>18</sup> Der Nachweis der KIT D816V-Mutation im Blut erwachsener Patienten sollte daher immer eine Beckenkammtrepanation mit histomorphologischer und zytologischer Untersuchung des Knochenmarks nach sich ziehen.</p> <h2>Bedeutung des Nachweises von Mutationen in anderen Genen</h2> <p>Kürzlich konnte mittels NGS („next generation sequencing“) gezeigt werden, dass Fälle mit advSM typischerweise neben KIT D816V weitere von anderen myeloischen Neoplasien bekannte Mutationen in weiteren Genen aufweisen, sodass auch dieser Befund als differenzialdiagnostisches Kriterium bei der Bestimmung des SM-Subtyps herangezogen werden kann.<sup>19</sup> Darüber hinaus wurde von denselben Arbeitsgruppen gezeigt, dass der Nachweis bestimmter weiterer Mutationen (SRSF2, ASXL1, RUNX1) alleine oder in Kombination eine dramatische prognostische Bedeutung hat.<sup>20</sup></p> <h2>Differenzialdiagnose</h2> <p>Die Differenzialdiagnose der Mastozytose umfasst eine Reihe von reaktiven, aber auch neoplastischen Erkrankungen. Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) ist ein klinisches Syndrom und durch einen signifikanten temporären Anstieg der Serumtryptase und typische klinische (Mastzellmediator-getriggerte) Symptome gekennzeichnet. Es kann sowohl bei Mastozytose als auch bei Patienten ohne nachweisbare Mastozytose diagnostiziert werden. Der Nachweis der Punktmutation KIT D816V spricht hier für ein primäres (klonales) MCAS und ist hochgradig verdächtig auf eine SM.<sup>21</sup> Morphologisch ist die Mastozytose oft ein „Chamäleon“, vor allem wenn diagnostisch entscheidende immunhistochemische Analysen nicht durchgeführt werden. Atypische MC kommen nicht nur bei Mastozytosen, sondern selten auch bei anderen neoplastischen und auch bei nicht neoplastischen Erkrankungen des Knochenmarks vor. Entscheidend ist hierbei, dass nur bei SM die in der WHO-Klassifikation definierten diagnostischen SM-Kriterien erfüllt sind. Bei myeloischen/ lymphatischen Neoplasien mit Anomalien im PDGFR-Gen etwa stellt die lockere Vermehrung spindeliger CD25- exprimierender MC sogar einen diagnostisch richtungsweisenden Befund dar.<br /> Transformierte Mastzellen können in einem kleineren Teil der Fälle ein helles, optisch fast leeres Zytoplasma aufweisen, sodass initial auch an eine Histiozytose, Monozytenleukämie oder Haarzellenleukämie gedacht werden kann. Zudem kann die für myeloische bzw. hämatopoietische Zellen ungewöhnlich breite immunphänotypische Variabilität der MC erhebliche diagnostische Probleme bereiten.<sup>22</sup></p> <h2>Resümee</h2> <p>Es ist zu erwarten, dass die Häufigkeit der Mastozytose weiter zunehmen bzw. diese häufiger erkannt und damit häufiger diagnostiziert werden wird. Die Mastozytose mit all ihren Unterformen ist beispielsweise in der Gesamtbevölkerung häufiger anzutreffen als die sehr viel „bekanntere“ chronische myeloische Leukämie. In Anbetracht der gelegentlich tödlichen anaphylaktischen Komplikationen und der Möglichkeiten einer Therapie des für die Patienten oft ungeheuer belastenden Mediator-Syndroms muss die klinische Frage nach einer Mastozytose vom Pathologen klar beantwortet werden. Die eigenen Erfahrungen aus der konsiliarischen Tätigkeit an einem Referenzzentrum zeigen, dass ein Teil der Fälle entweder falsch negativ oder falsch positiv, vielfach aber inkorrekt unter Missachtung der Terminologie beurteilt wurden. Für den Hämatopathologen entscheidend ist, an die Möglichkeit einer Mastozytose zu denken und dabei auch jeden klinischen Hinweis ernst zu nehmen. Der Nachweis oder Ausschluss einer Mastozytose ist nach sorgfältiger Adressierung aller diagnostischen Kriterien zumeist sicher möglich.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Horny HP et al: World Health Organization (WHO) Classification of Tumours. Pathology & Genetics. Tumours of Haematopoietic and Lymphoid Tissues. Lyon, Frankreich: IARC Press, 2008 <strong>2</strong> Berezowska S et al: Mod Pathol 2014; 27: 19-29 <strong>3</strong> Valent P et al: Leuk Res 2001; 25: 603-25 <strong>4</strong> Arber DA et al: Blood 2016; 127: 2391-2405 <strong>5</strong> Horny HP et al: Pathobiology 2010; 77: 169-80 <strong>6</strong> Arock M et al: Leukemia 2015; 29: 1223-32 <strong>7</strong> Giebel LB et al: Oncogene 1992; 7: 2207-17 <strong>8</strong> Orfao A et al: Br J Haematol 2007; 138: 12-30 <strong>9</strong> Ustun C et al: Haematologica 2016; 101: 1133-43 <strong>10</strong> Bodemer C et al: J Invest Dermatol 2010; 130: 804-15 <strong>11</strong> Kluin-Neelemanns HC et al: Blood 2003; 102: 4270-6 <strong>12</strong> Hauswirth AW et al: Leuk Res 2004; 28: 249-57 <strong>13</strong> Gotlib J et al: NEJM 2016; 374: 2530-41 <strong>14</strong> Kristensen T et al: J Mol Diagn 2011; 13: 180-8 <strong>15</strong> Kristensen T et al: Am J Hematol 2014; 89: 493-8 <strong>16</strong> Erben P et al: Ann Hematol 2014; 93: 81-8 <strong>17</strong> Hoermann G et al: Allergy 2014; 69: 810-3 <strong>18</strong> Escribano L et al: J Allerg Clin Immunol 2009; 124: 514- 21 <strong>19</strong> Schwaab J et al: Blood 2013; 122: 2460-6 <strong>20</strong> Jawhar M et al: Leukemia 2016; 30: 136-43 <strong>21</strong> Valent P et al: Int Arch Allergy Immunol 2012; 157: 215-25 <strong>22</strong> Horny HP et al: Immunol Allergy Clin North Am 2014; 34: 315-21</p>
</div>
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