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Myeloproliferative Neoplasie
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Nathan Cantoni
Oberarzt mbF Hämatologie, Medizinische Universitätsklinik<br> Leiter Klinische Forschung, Onkologiezentrum Mittelland<br> Kantonsspital Aarau<br> E-Mail: nathan.cantoni@ksa.ch
30
Min. Lesezeit
08.03.2018
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<p class="article-intro">Diesmal nahmen die myeloproliferativen Neoplasien (MPN) am ASH-Meeting 2017 einen vergleichsweise bescheidenen Platz ein. In Atlanta wurden hauptsächlich neue therapeutische Möglichkeiten in der Behandlung von MPN, die Endresultate der PT1-Studie sowie ein Update der Zulassungsstudie von Ruxolitinib (RESPONSE) in der Behandlung der Polycythaemia vera (PV) vorgestellt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Am ASH 2017 stand mit der Mastozytose eine seltene Entität im Vordergrund, die jedoch seit dem Update der WHO-Klassifikation 2017 nicht mehr zu den myeloproliferativen Neoplasien gezählt wird. Die Therapie der Mastozytose hat sich dank Midostaurin verbessert. Avapritinib konnte das Ansprechen nochmals deutlich verbessern.</p> <h2>Behandlung der Mastozytose mit Avapritinib</h2> <p>Blu-285 (Avapritinib) ist ein oraler Inhibitor der mutierten Form von KIT (D816V), welche typischerweise bei 95 % der Patienten mit einer therapiebedürftigen Mastzellerkrankung vorkommt. Letztes Jahr konnte bereits in einer Dosisfindungsstudie mit Avapritinib bei 10 von 12 Patienten ein gutes und anhaltendes Ansprechen gefunden werden. In der Plenary Session am ASH-Meeting 2017 wurde nun der Verlauf von 18 Patienten (7 mit einer «advanced» Mastozytose [ASM], 8 mit systemischer Mastozytose und begleitender hämatologischer Erkrankung [SM-AHN] und 3 mit Mastzellleukämie [MCL]) gezeigt) (Abstract #2). Trotz kleiner Fallzahlen fand sich ein erfreuliches Ansprechen (Ansprechrate von 86 % bei ASM, 63 % bei SM-AHN, 67 % bei MCL). 17 der 18 Patienten stehen weiterhin unter Behandlung und zeigen eine deutliche Regredienz der Tryptase, der Mastzellinfiltration und der Splenomegalie. Als Nebenwirkungen konnten hauptsächlich periorbitale und periphere Ödeme (59 % bzw. 34 % ), Müdigkeit (41 % ) und gastrointestinale Beschwerden (Nausea 28 % , Diarrhö 22 % ) dokumentiert werden, jedoch fast immer vom Grad <3. An hämatologischen Nebenwirkungen traten Anämie (28 % , 9 % Grad >2), Thrombozytopenie (28 % , 6 % Grad >2) und Neutropenie (13 % , alle Grad >2) auf.</p> <h2>Lebensqualität bei MPN-Patienten</h2> <p>Bei Patienten mit einer MPN, einschliesslich Myelofibrose (MF), PV und essenzieller Thrombozythämie (ET), stehen alltägliche störende Beschwerden klar im Vordergrund. Bei den multiplen Belastungen, die mit einer solchen Erkrankung verbunden sind, besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines depressiven Zustandsbildes. Eine Arbeit zeigte, dass dieses Risiko kurz nach der Diagnose am höchsten ist und depressive Symptome bei knapp einem Viertel der Patienten gefunden werden können (Abstract #2161). Aus Sicht des Arztes richtet sich die Therapie aber mehrheitlich nach den Blutwerten, mit dem Ziel, einen Hämatokrit von unter 45 % zu erreichen. Nur knapp die Hälfte der Patienten erreichte jedoch den Zielwert. Gleichzeitig führte dies nicht zu einer Linderung der Alltagssymptome (Abstract #2924 und #1633).</p> <h2>PT1 International Trial</h2> <p>Anna Godfrey stellte die Endresultate des PT1 International Trial vor (Abstract #319). Aus dem bereits publizierten MRC PT1 Trial ist bekannt, dass bei Patienten mit Hochrisiko-ET eine zytoreduktive Behandlung mit Hydroxyurea (HU) das Risiko für die Entwicklung von kardiovaskulären Ereignissen signifikant reduziert. Zusätzlich konnte die gleiche Studie zeigen, dass HU im Vergleich zu Anagrelid in der Prävention von kardiovaskulären Ereignissen besser war. Bei Patienten mit einer ET ohne Hochrisikosituation fehlen aber diese Daten. Das PT1 International Trial, eine randomisierte «open-label» Studie, wurde dementsprechend konzipiert, um den Effekt von HU in Kombination mit Aspirin vs. Aspirin ohne HU bei Patienten mit einer ET ohne Hochrisikosituation zu untersuchen. Die Studie rekrutierte zwischen 1997 und 2012 382 Patienten. Die Endresultate zeigen, dass eine zusätzliche Zytoreduktion mit HU bezüglich des primären Endpunkts, definiert als kardiovaskuläre Ereignisse (venös und arteriell) sowie relevante Blutungen, aber auch sekundärer Endpunkte (Transformation zu AML, MF oder MDS, Tod) zu keiner Besserung führt (Abb. 1).<br /> Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei Patienten mit ET ohne Hochrisikosituation eine zusätzliche Zytoreduktion mit HU weiterhin nicht indiziert ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1801_Weblinks_lo_onko_1801_s12_abb1.jpg" alt="" width="2189" height="1705" /></p> <h2>Ruxolitinib in der Behandlung der PV</h2> <p>In der Schweiz ist Ruxolitinib unter anderem bei PV-Patienten mit HU-Intoleranz oder -Resistenz bereits zugelassen. Prof. J. J. Kiladjian präsentierte in Atlanta ein Update der RESPONSE-Studie, eine «openlabel » randomisierte Phase-III-Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von Ruxolitinib (RUX) in der Behandlung von Patienten mit PV mit Splenomegalie sowie Intoleranz oder Resistenz gegen HU (Abstract #322). Diese Studie bestätigt die langfristige Wirksamkeit von RUX in der Behandlung der PV bezüglich Kontrolle des Hämatokrits und Reduktion der Splenomegalie. Nach einem Follow-up von 4 Jahren waren 37 % der Patienten in der interventionellen Gruppe weiterhin unter RUX, 88 % der Patienten in der BATGruppe wurden auf RUX umgestellt (Cross-over). Unter RUX zeigten sich häufiger Hauttumoren: Eine regelmässige Kontrolle der Haut ist daher nicht nur bei HU-behandelten Patienten wichtig. Infekte der oberen Luftwege und des Urogenitaltraktes waren unter RUX ebenfalls häufiger. Ansonsten waren die beobachteten Nebenwirkungen ähnlich wie in den früheren Studien mit RUX. Die RESPONSEStudie bestätigt somit die Wirksamkeit der Zweitlinientherapie einer PV mit RUX.</p> <h2>Ropeginterferon alfa-2b</h2> <p>In der Studie Proud- & Continuation- PV wurden 171 Patienten mit Polycythaemia vera zu einer Behandlung mit Hydroxyurea (Standardbehandlung) oder Ropeginterferon alfa-2b randomisiert (Abstract #320). Ropeginterferon alfa-2b ist ein neues lang wirkendes monopegyliertes Interferon, welches alle 2 Wochen gespritzt werden muss. Durch diese neue Applikationsform wird eine bessere Verträglichkeit und dementsprechend eine bessere Adhärenz erwartet. Die Daten des Ansprechens, welche eine «non inferiority » von Ropeginterferon alfa-2b gegenüber Hydroxyurea zeigten (komplette hämatologische Remission unter Ropeginterferon alfa-2b 43,1 % vs. Hydroxyurea 45,6 % ; p=0,0028), wurden bereits im Dezember 2016 am ASH-Meeting 2016 gezeigt.<br /> Nach einem Follow-up von 24 Monaten konnte am aktuellen ASH-Meeting ein besseres Ansprechen unter Ropeginterferon alfa-2b im Vergleich zu HU gezeigt werden (komplette hämatologische Remission unter Ropeginterferon alfa-2b 71 % vs. Hydroxyurea 49 % ; p=0,01; Abb. 2). Im Verlauf der Behandlung konnte nach 24 Monaten in der interventionellen Gruppe ebenfalls eine deutliche Reduktion der JAK2-V617F-Allellast gezeigt werden (molekulares Ansprechen unter Ropeginterferon alfa-2b 68 % , in der HUGruppe 35 % ; p=0,0002; Abb. 3). Die Verträglichkeit war im Verlauf der Behandlung gut. Zu Therapiebeginn wurden etwas mehr thrombotische Ereignisse beobachtet (nicht statistisch signifikant). Diese Daten bestätigen, dass langfristig Ropeginterferon alfa-2b neben einem hämatologischen noch ein molekulargenetisches Ansprechen mit Reduktion der JAK2-V617F-Allellast erzeugen kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1801_Weblinks_lo_onko_1801_s12_abb2+3.jpg" alt="" width="1455" height="1765" /></p> <h2>Sotatercept bei MF-Patienten</h2> <p>Anämie wird bei MPN-assoziierter MF regelhaft beobachtet, dennoch gibt es keine zufriedenstellenden Therapieoptionen. Häufig verschlechtert sich die Anämie unter Ruxolitinib-Therapie sogar noch, wodurch es dann zum Absetzen von Ruxolitinib oder zu Dosisreduktionen kommen kann. Sotatercept (ACE-011), ein Aktivin-Antagonist, wurde in einer Phase-II-Studie bei 33 Patienten als Monotherapie oder in Kombination mit Ruxolitinib untersucht.<br /> Als Monosubstanz erwies sich Sotatercept als effektiv in der Behandlung der Anämie bei MPN-assoziierter MF. Auch der Einsatz gemeinsam mit Ruxolitinib könnte effektiv sein, allerdings sind die Ergebnisse mit bisher 9 eingeschlossenen Patienten nicht robust für konkrete Aussagen.</p></p>
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