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Neue Entwicklungen in der Lymphomtherapie
Leading Opinions
Autor:
Prof. Dr. med. Christoph Renner
Onkozentrum Zürich & Hirslanden<br> E-Mail: christoph.renner@hirslanden.ch
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
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<p class="article-intro">Am diesjährigen ASCO-Kongress wurden auf dem Gebiet der Lymphombehandlung keine neuen Therapiestandards definiert. Die präsentierten Daten unterstützen die derzeit gängigen Therapiekonzepte in der Behandlung indolenter und aggressiver Lymphome und deuten an, welches Potenzial insbesondere neue zellbasierte Ansätze in Zukunft bieten könnten.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ibrutinib ist in der Therapie von vorbehandelten CLL-Patienten und CLL-Patienten mit ungünstiger Zytogenetik effektiv und führt bei längerer Therapiedauer zu einem Rückgang der meisten Nebenwirkungen.</li> <li>Rituximab/Bendamustin kann weiterhin als präferierte Option in der Erstlinientherapie indolenter B-Zell-Lymphome angesehen werden. Besonderes Augenmerk sollte im Verlauf auf das Auftreten von Zweitmalignomen gelegt werden.</li> <li>Eine Rituximab-Erhaltungstherapie nach Rituximab/Bendamustin- Induktion ist bei indolenten Lymphomen weiterhin kein Standard und beruht auf einem individuellen Entscheid.</li> <li>Umprogrammierte T-Zellen (CAR-T-Zellen) sind ein hoffnungsvoller Ansatz in der Behandlung des rezidivierten bzw. refraktären DLBCL.</li> </ul> </div> <h2>Therapie indolenter Lymphome</h2> <p>In der CLL-Behandlung gibt es mit dem Einsatz molekular gezielt wirkender Medikamente wie BTK oder PI3K-Inhibitoren neue Therapieoptionen. Insbesondere der BTK-Inhibitor Ibrutinib weist eine hohe Wirksamkeit auch bei Vorliegen einer ungünstigen genetischen Konstellation (del 11q–, del 17p) auf.<br /> Aktuell wurden die Langzeitdaten bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Ibrutinib bei vorbehandelten CLLPatienten aus der RESONATE-Studie vorgestellt (Abstract #272).<sup>1</sup> In dieser Studie wurde in dem entsprechenden Kollektiv der Einsatz von Ibrutinib versus Ofatumumab getestet. Bereits in der Originalpublikation konnte eine signifikante Überlegenheit sowohl bezogen auf das progressionsfreie Überleben (PFS) als auch auf das Gesamtüberleben (OS) gezeigt werden. Die nun präsentierten Langzeitdaten bestätigen die Wirksamkeit mit einer 3-Jahres-OS-Rate von 74 % und einer Gesamtansprechrate (ORR) von 91 % unter Ibrutinib.<br /> Für den klinischen Alltag erfreulich ist die Beobachtung, dass Nebenwirkungen, insbesondere Neutropenien, Pneumonien und Infektionen, im ersten Jahr am stärksten ausgeprägt waren und über die Beobachtungszeit (4 Jahre) sukzessive abnahmen. Lediglich die arterielle Hypertonie und das neu aufgetretene Vorhofflimmern bleiben über die Zeit konstant. Insgesamt zeigten sich keine neuen Nebenwirkungen. Damit ist Ibrutinib in der genannten Indikation weiterhin eine sehr wertvolle Substanz.</p> <h2>Langzeitergebnisse aus BRIGHT und STiL</h2> <p>Bei den indolenten Lymphomen wurden die Langzeitdaten zweier gut bekannter Studien, der BRIGHT- (5-Jahres-Follow- up)<sup>2</sup> und der STiL-Studie (9-Jahres- Follow-up),<sup>3</sup> vorgestellt. In beiden wurde der Einsatz von Rituximab plus Bendamustin (R-Benda) im Vergleich zu R-CHOP respektive R-CVP in der Erstlinientherapie getestet.<br /> Für beide Studien konnte bisher eine Äquivalenz bzw. Überlegenheit von RBenda bezogen auf das PFS gegenüber RCHOP/ R-CVP gezeigt werden. Die Langzeitdaten unterstützen diese Aussage sowohl für die STiL- als auch für die BRIGHT-Studie, auch wenn in Letzterer der PFS-Unterschied deutlich geringer ausfällt. Als Erklärung wurde angeführt, dass knapp 50 % aller Patienten in dieser Studie eine nicht im Studienprotokoll vorgesehene Rituximab-Erhaltungstherapie bekommen hatten. In beiden Studien konnte bisher kein Unterschied im OS zwischen den Behandlungsarmen gefunden werden (BRIGHT-Studie: 5-Jahres-OS für R-Benda 81,6 % vs. 85 % ).<br /> Neu war die Beobachtung, dass in der BRIGHT-Studie Zweitmalignome im RBenda- Arm häufiger auftraten (42 [19 % ] vs. 19 [11 % ] Patienten; p=0,022). Dies betraf insbesondere kutane Malignome, d.h. Basalzell- oder Plattenepithelkarzinome der Haut. Es ist spekulativ, zu sagen, dass die Kombination aus einem Purinnukleotidanalogum und Rituximab-Erhaltungstherapie (und damit eine funktionelle Beeinflussung von T- und B-Zellen über einen längeren Zeitraum) dafür verantwortlich ist.<br /> Als Schlussfolgerung aus beiden Studien ergibt sich, dass aufgrund der Wirksamkeit (vornehmlich in Bezug auf das PFS) R-Benda weiterhin als leicht überlegenes Regime anzusehen ist. Aufgrund des in der BRIGHT-Studie gesehenen häufigeren Auftretens an Zweitmalignomen sollte jedoch eine engmaschige Kontrolle der Patienten erfolgen. Der Stellenwert einer Rituximab-Erhaltungstherapie nach R-Benda-Induktion ist insgesamt betrachtet weiterhin nicht belegt und beruht damit auf einer individuellen Entscheidung.</p> <h2>Therapie aggressiver Lymphome</h2> <p>Bei den aggressiven Lymphomen ging die deutsche DSHNL-Studiengruppe der Frage nach, ob DLBCL-Patienten im Alter über 60 Jahre mit Bulk-Manifestation bei Diagnosestellung von einer konsolidierenden Bestrahlung nach Beendigung der Immunchemotherapie und bei PET-Negativität des initialen Bulks profitieren.<sup>4</sup> Es handelt sich jedoch nicht um eine prospektiv randomisierte Fragestellung, sondern um eine geplante Interimsanalyse im Rahmen der OPTIMAL>60-Studie. Das analysierte Patientenkollektiv wurde mit einem historischen Kollektiv der RICOVER- 60-Studie verglichen. In einer vorangegangenen DSHNL-Studie hatte die Arbeitsgruppe gezeigt, dass ein komplettes Weglassen der konsolidierenden Strahlentherapie bei initialer Bulk-Situation (grösster Befall >7,5cm) mit einem deutlich kürzeren PFS und OS einhergeht.<br /> Bei der nun gewählten Strategie wurde bei Patienten mit PET-negativem Befund nach Ende der Immunchemotherapie die Bestrahlung weggelassen und damit eine Reduktion der Zahl der zu bestrahlenden Patienten um 42 % erreicht. In dem bereits erwähnten Vergleich mit dem historischen Kollektiv zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der 2-Jahres-PFS-Rate (79 % zu 75 % ) und der 2-Jahres-OS-Rate (88 % zu 78 % ).<br /> Basierend auf dieser Studie kann nun darüber diskutiert werden, ob bei einzelnen Patienten bei Erreichen einer PETNegativität zum Therapieende die konsolidierende Radiotherapie eines initial vorhandenen Bulks weggelassen werden kann. Aufgrund der methodischen Schwäche der Studie (z.B. Vergleich mit einem historischen Kollektiv, kein zentraler PETReview) kann daraus sicherlich keine generelle Empfehlung abgeleitet werden. Zudem sollte beachtet werden, dass die DSHNHL-Gruppe in ihren Studien weiterhin R-CHOP-14 und nicht das geläufigere R-CHOP-21 verwendet. Damit ist die Übertragung auf die Situation bei RCHOP- 21-Therapien und deutlich grösserem zeitlichem Abstand zwischen dem Beginn der Therapie und der einsetzenden Strahlentherapie schwierig.</p> <h2>Neue Therapiemodalitäten mit adoptivem T-Zell-Transfer</h2> <p>Zuletzt möchte ich noch kurz auf Neuentwicklungen eingehen. Hier ist sicherlich wie auch schon in den vorhergehenden Jahren die Immuntherapie als neuer Therapiepfeiler zu nennen. Neben dem Einsatz sog. Checkpoint-Blockade-Inhibitoren wird die Anwendung umprogrammierter T-Zellen (CAR-T-Zellen) in den nächsten Jahren Einzug in den klinischen Alltag finden.<br /> Die drei grossen amerikanischen Studiengruppen haben daher ihre aktualisierten Daten am Kongress vorgestellt. Vielleicht am weitesten fortgeschritten ist die ZUMA-1-Studie.<sup>5</sup> In dieser Studie wurden vornehmlich Patienten mit rezidiviertem respektive refraktärem DLBCL eingeschlossen. Unter den inzwischen mehr als 110 behandelten Patienten liegt die Gesamtansprechrate bei 82 % . 54 % aller Patienten erreichen eine komplette Remission (CR). Die mediane Dauer des Ansprechens (DOR) beträgt 8,1 Monate und ist im CR-Arm noch nicht erreicht. Wie bereits bei den vorhergegangenen Präsentationen zeigt sich, dass Patienten, die länger als 6 Monate auf die Therapie ansprechen, eine grosse Chance haben, langfristig in Remission zu bleiben. Die Nebenwirkungen (Grad =3) waren hauptsächlich hämatologischer Natur (Neutropenie 66 % , Leukopenie 44 % , Anämie 43 % , febrile Neutropenie 31 % und Thrombozytopenie 24 % ), auch traten transiente Enzephalopathien auf (21 % ). Neue unerwünschte Nebenwirkungen sind bisher nicht gemeldet worden.<br /> Als zweiter wichtiger Punkt ist zu nennen, dass bei mehr als 90 % der Patienten in einem Zeitfenster von 17 Tagen ein TZell- Produkt hergestellt und auch verabreicht werden konnte. Damit nähert sich diese Technik dem Routineeinsatz in der Klinik und wird hoffentlich für unsere Patienten mit rezidivierter respektive refraktärer DLBCL-Erkrankung eine relevante Behandlungsoption darstellen.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Byrd JC et al.: Long-term efficacy and safety with ibrutinib (ibr) in previously treated chronic lymphocytic leukemia (CLL): up to four years follow-up of the RESONATE study. ASCO Annual Meeting 2017, Abstract 7510 <strong>2</strong> Flinn I et al.: First-line treatment of iNHL or MCL patients with BR or R-CHOP/R-CVP: results of the BRIGHT 5-year follow-up study. ASCO Annual Meeting 2017, Abstract 7500 <strong>3</strong> Rummel MJ et al.: Bendamustine plus rituximab (B-R) versus CHOP plus rituximab (CHOP-R) as first-line treatment in patients with indolent lymphomas: nine-year updated results from the StiL NHL1 study. ASCO Annual Meeting 2017, Abstract 7501 <strong>4</strong> Pfreundschuh M et al.: Radiotherapy to bulky disease PET-negative after immunochemotherapy in elderly DLBCL patients: Results of a planned interim analysis of the first 187 patients with bulky disease treated in the OPTIMAL>60 study of the DSHNHL. ASCO Annual Meeting 2017, Abstract 7506 <strong>5</strong> Locke FL et al.: Clinical and biologic covariates of outcomes in ZUMA-1: a pivotal trial of axicabtagene ciloleucel (axi-cel; KTE-C19) in patients with refractory aggressive non-Hodgkin lymphoma (r-NHL). ASCO Annual Meeting 2017, Abstract 7512</p>
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