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Getty Images/iStockphoto
Neuerungen in der WHO-Klassifikation der Lymphome
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Thomas Menter
Autor:
Prof. Dr. med. Stefan Dirnhofer
Institut für medizinische Genetik und Pathologie<br> Universitätsspital Basel<br> E-Mail: stefan.dirnhofer@usb.ch
30
Min. Lesezeit
11.04.2019
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<p class="article-intro">Seit der letzten Ausgabe der WHO-Klassifikation hämatologischer Neoplasien 2008<sup>1</sup> haben sich durch den bedeutenden technischen und molekularbiologischen Fortschritt zahlreiche neue Erkenntnisse sowohl bezüglich der Pathogenese als auch hinsichtlich der Klassifikation von Lymphomen und ihrer therapeutischen Relevanz ergeben. Die Quintessenz dieser Studien ist nun die neue bzw. aktualisierte WHO-Klassifikation 2017.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Neue Definition von klinisch aggressiven «High Grade B-Zell- Lymphomen»: Morphologie (Burkitt- ähnlich) oder durch Nachweis von Translokationen von MYC und BCL2 und/oder BCL6 («double/triple hit Lymphome»)</li> <li>COO-Klassifikation und Double- Expressor Score bei diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphomen, NOS</li> <li>Spezifische Genmutationen bei Haarzellleukämien (BRAF) und lymphoplasmozytischen Lymphomen (MYD88) für die Diagnose und die Verlaufskontrolle</li> </ul> </div> <p>Durch neue technische Möglichkeiten der molekularen Analysen wie z. B. das «High Throughput Sequencing/Next Generation Sequencing» (NGS), aber auch zahlreiche klinisch-pathologische Studien haben sich bei vielen Lymphomentitäten bedeutende neue Erkenntnisse ergeben, sowohl was die Klassifikation und Unterscheidung verschiedener Lymphomsubtypen als auch was neue zielgerichtete Therapieansätze und ein besseres Verständnis der Lymphomentstehung anbelangt. In der folgenden Übersicht fassen wir die wichtigsten klassifikatorischen und klinischtherapeutisch relevanten Neuerungen zusammen, die wichtigsten Änderungen sind auch in Tabelle 1 aufgeführt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1902_Weblinks_lo_onko_1902_s40_tab1.jpg" alt="" width="550" height="700" /></p> <h2>B-Zell-Lymphome</h2> <p>Bei den sogenannten «niedrigmalignen» B-Zell-Lymphomen konnten beim <strong>lymphoplasmozytischen Lymphom</strong> (LPL) und der <strong>Haarzellleukämie</strong> (HCL) jeweils sehr sensitive und spezifische Genmutationen (<em>MYD88</em> beim LPL und <em>BRAF<sup>V600E</sup></em> bei der HCL) nachgewiesen werden, die sowohl auf die Diagnosesicherung und die Remissionsbeurteilung inklusive MRD-Bestimmung als auch potenziell auf die Therapie (BRAF) einen grossen Einfluss haben. Beim <strong>Mantelzelllymphom</strong> (MCL) konnte die leukämische, nicht nodal verlaufende Form vom klassischen MCL abgegrenzt werden, die einen wesentlich indolenteren Verlauf hat. Sie ist durch eine Negativität für den Marker SOX11 gekennzeichnet.<br /> Die wichtigsten Änderungen der neuen WHO-Klassifikation ergaben sich aber bei den aggressiven B-Zell-Lymphomen. Bei <strong>diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphomen</strong>,<strong> «not otherwise specified»</strong>, (DLBCL, NOS) muss nun obligat die sogenannte Ursprungszellklassifikation («cell of origin », COO) angegeben werden.<sup>2</sup> Somit lassen sich die DLBCL in den Keimzentrums- Phänotyp (GC-Typ) und den Phänotyp der aktivierten B-Zelle (ABC-Typ) unterscheiden, daneben gibt es noch (wenige) unklassifizierbare Fälle. Diese Unterteilung wurde primär an Genexpressionsprofilanalysen erstellt, sie kann jedoch auch mittels immunhistochemischer Algorithmen, z. B. durch den Hans-Algorithmus,<sup>3</sup> erfolgen. Allerdings lässt sich durch die Immunhistochemie nur die Unterscheidung GC-Typ/Nicht-GC-Typ fällen, da zwischen dem ABC-Typ und den unklassifizierbaren Fällen nicht unterschieden werden kann. Eine weitere – fakultative – Ergänzung der DLBCL-Diagnostik ist der sogenannte «double expressor score», der die (immunhistochemisch bestimmte) Proteinexpression von c-MYC und BCL2 angibt. Dieser hat in mehreren Studien eine der COO-Klassifikation überlegene prognostische Bedeutung.<sup>4</sup><br /> Zudem ergaben sich nomenklatorische Änderungen beim Epstein-Barr-Virus( EBV)-positiven DLBCL älterer Patienten, das in <strong>EBV-positives DLBCL</strong>, <strong>NOS</strong> («not otherwise specified») umbenannt wurde, da sich zeigte, dass es auch bei jüngeren Patienten vorkommt und sich zudem die initial schlechte Prognose in grösseren Fallserien nicht bestätigt hat. Eine neue provisorische Entität EBV-assoziierter lymphoproliferativer Erkrankungen ist das <strong>EBV-positive mukokutane Ulkus</strong>.<sup>5</sup> Hierbei handelt es sich um einen lokalen, primär konservativ/chirurgisch zu behandelnden Prozess, der daher zwingend vom EBV-positiven DLBCL, NOS abgegrenzt werden muss.<br /> Eine weitere bedeutsame Neuerung ist die Elimination der «Grauzonenlymphome mit Merkmalen eines DLBCLs und eines Burkitt-Lymphoms». Diese wurden durch die Kategorie der <strong>«high grade» B-Zell- Lymphome</strong> (HGBL) ersetzt. Dieser Terminus soll nahelegen, dass bei dieser Lymphomgruppe die klassischen DLBCL-Therapieschemata nicht ausreichen und die Patienten aufgrund der Aggressivität der Lymphome einer intensiveren Therapie bedürfen. Die HGBL sind auf zweierlei Arten definiert: einerseits durch die Morphologie mit Ähnlichkeiten zum Burkitt-Lymphom, ohne jedoch alle Kriterien für ein Burkitt-Lymphom zu erfüllen (HGBLNOS); und anderseits durch simultane Translokationen von <em>MYC</em> und <em>BCL2</em> und/ oder <em>BCL6</em>. Diese Kategorie wird auch «Double/Triple-Hit-Lymphome» (HGBLDH/ TH) genannt und definiert sich allein durch den zytogenetischen Nachweis der Translokationen. HGBL-DH/TH unterscheiden sich rein morphologisch und immunhistochemisch nicht vom klassischen DLBCL. Da auch allfällige immunhistochemische Algorithmen zur Fallselektionierung einige dieser aggressiven Lymphome verpassen, wird empfohlen, alle DLBCL, NOS auf eine <em>MYC</em>-Translokation hin zu untersuchen und bei einem allfälligen positiven Nachweis weitere FISH-Untersuchungen zum Nachweis einer <em>BCL2</em>- und/ oder <em>BCL6</em>-Translokation durchzuführen.<sup>6</sup><br /> Bei den klassischen Hodgkin-Lymphomen ergaben sich keine Änderungen in der neuen WHO-Klassifikation, bei der Sonderform des <strong>nodulären Lymphozyten- prädominanten Hodgkinlymphoms</strong> soll nun das Wachstumsmuster nach Fan et al. angegeben werden, da dies eine prognostische Relevanz hat.<sup>7</sup></p> <h2>T-Zell-Lymphome</h2> <p>Die wichtigsten Änderungen bei den TZell- Lymphomen sind im Bereich der <strong>peripheren T-Zell-Lymphome</strong>, NOS (PTCL) zu finden. Auch bei dieser Kategorie gelang eine weitere Aufschlüsselung, ein Teil der PTCL, NOS zeigt einen T-follikulären- Helfer (TFH)-Zell-Phänotyp und wird neu somit provisorisch als nodales peripheres T-Zell-Lymphom mit TFH-Phänotyp klassifiziert, das den angioimmunoblastischen T-Zell-Lymphomen nahesteht. Durch die Expression von GATA3, TBX21 und zytotoxischen Markern können die restlichen PTCL, NOS in drei prognostisch relevante Gruppen unterteilt werden.<sup>8</sup><br /> ALK-negative anaplastische grosszellige T-Zell Lymphome (ALCL, ALK–) werden nun, ebenso wie das Brustimplantat (BI)- assoziierte ALCL, in der WHO als eigene Entität aufgeführt.<br /> <strong>Die Enteropathie-assoziierten T-Zell- Lymphome </strong>(EATL) werden in zwei separate Entitäten aufgeteilt.<sup>9</sup> Das frühere EATL Typ II, das keine Assoziation zu einer Zöliakie aufweist, wird in <strong>monomorphes epitheliotropes intestinales T-Zell- Lymphom</strong> (MEATL) umbenannt, um zu zeigen, dass es sich hierbei um eine eigene Entität handelt, die auch eine deutlich schlechtere Prognose aufweist.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neue WHO-Klassifikation einen deutlichen Fortschritt bei der genetischen und molekularen Pathogenese verschiedener Lymphomentitäten beinhaltet und diese Ergebnisse aus der Forschung in den täglichen Alltag überführt. Diese Erkenntnisse helfen, die Kontur der verschiedenen Entitäten, insbesondere der DLBCL, der HGBL und auch der PTCL, zu schärfen, um so die Voraussetzung für gezielte Therapien zu schaffen, wenn auch das Konzept der HGBL seine Praxistauglichkeit erst erweisen muss.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Swerdlow S et al.: WHO classification of tumours of haematopoietic and lymphoid tissues. Lyon: IARC; 2008 <strong>2</strong> Alizadeh AA et al.: Distinct types of diffuse large B-cell lymphoma identified by gene expression profiling. Nature 2000; 403(6769): 503-11 <strong>3</strong> Hans CP et al.: Confirmation of the molecular classification of diffuse large B-cell lymphoma by immunohistochemistry using a tissue microarray. Blood 2004; 103(1): 275-82 <strong>4</strong> Staiger AM et al.: Clinical impact of the cell-of-origin classification and the MYC/ BCL2 dual expresser status in diffuse large B-cell lymphoma treated within prospective clinical trials of the German High- Grade Non-Hodgkin's Lymphoma Study Group. J Clin Oncol 2017; 35(22): 2515-26 <strong>5</strong> Dojcinov SD et al.: EBV positive mucocutaneous ulcer – a study of 26 cases associated with various sources of immunosuppression. Am J Surg Pathol 2010; 34(3): 405-17 <strong>6</strong> Klapper W et al.: Aggressive B-ell lymphomas: recommendations from the German Panel of Reference Pathologists in the Competence Network on Malignant Lymphomas on diagnostic procedures according to the current WHO classification, update 2017. Der Pathologe 2018 <strong>7</strong> Fan Z et al.: Characterization of variant patterns of nodular lymphocyte predominant hodgkin lymphoma with immunohistologic and clinical correlation. Am J Surg Pathol 2003; 27(10): 1346-56 <strong>8</strong> Iqbal J et al.: Gene expression signatures delineate biological and prognostic subgroups in peripheral T-cell lymphoma. Blood 2014; 123(19): 2915-23 <strong>9</strong> Swerdlow SH et al.: Cytotoxic T-cell and NK-cell lymphomas: current questions and controversies. Am J Surg Pathol 2014; 38(10): e60-71</p>
</div>
</p>
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