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Neuerungen in der WHO-Klassifikation der Lymphome

<p class="article-intro">Seit der letzten Ausgabe der WHO-Klassifikation hämatologischer Neoplasien 2008<sup>1</sup> haben sich durch den bedeutenden technischen und molekularbiologischen Fortschritt zahlreiche neue Erkenntnisse sowohl bezüglich der Pathogenese als auch hinsichtlich der Klassifikation von Lymphomen und ihrer therapeutischen Relevanz ergeben. Die Quintessenz dieser Studien ist nun die neue bzw. aktualisierte WHO-Klassifikation 2017.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Neue Definition von klinisch aggressiven &laquo;High Grade B-Zell- Lymphomen&raquo;: Morphologie (Burkitt- &auml;hnlich) oder durch Nachweis von Translokationen von MYC und BCL2 und/oder BCL6 (&laquo;double/triple hit Lymphome&raquo;)</li> <li>COO-Klassifikation und Double- Expressor Score bei diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphomen, NOS</li> <li>Spezifische Genmutationen bei Haarzellleuk&auml;mien (BRAF) und lymphoplasmozytischen Lymphomen (MYD88) f&uuml;r die Diagnose und die Verlaufskontrolle</li> </ul> </div> <p>Durch neue technische M&ouml;glichkeiten der molekularen Analysen wie z. B. das &laquo;High Throughput Sequencing/Next Generation Sequencing&raquo; (NGS), aber auch zahlreiche klinisch-pathologische Studien haben sich bei vielen Lymphomentit&auml;ten bedeutende neue Erkenntnisse ergeben, sowohl was die Klassifikation und Unterscheidung verschiedener Lymphomsubtypen als auch was neue zielgerichtete Therapieans&auml;tze und ein besseres Verst&auml;ndnis der Lymphomentstehung anbelangt. In der folgenden &Uuml;bersicht fassen wir die wichtigsten klassifikatorischen und klinischtherapeutisch relevanten Neuerungen zusammen, die wichtigsten &Auml;nderungen sind auch in Tabelle 1 aufgef&uuml;hrt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1902_Weblinks_lo_onko_1902_s40_tab1.jpg" alt="" width="550" height="700" /></p> <h2>B-Zell-Lymphome</h2> <p>Bei den sogenannten &laquo;niedrigmalignen&raquo; B-Zell-Lymphomen konnten beim <strong>lymphoplasmozytischen Lymphom</strong> (LPL) und der <strong>Haarzellleuk&auml;mie</strong> (HCL) jeweils sehr sensitive und spezifische Genmutationen (<em>MYD88</em> beim LPL und <em>BRAF<sup>V600E</sup></em> bei der HCL) nachgewiesen werden, die sowohl auf die Diagnosesicherung und die Remissionsbeurteilung inklusive MRD-Bestimmung als auch potenziell auf die Therapie (BRAF) einen grossen Einfluss haben. Beim <strong>Mantelzelllymphom</strong> (MCL) konnte die leuk&auml;mische, nicht nodal verlaufende Form vom klassischen MCL abgegrenzt werden, die einen wesentlich indolenteren Verlauf hat. Sie ist durch eine Negativit&auml;t f&uuml;r den Marker SOX11 gekennzeichnet.<br /> Die wichtigsten &Auml;nderungen der neuen WHO-Klassifikation ergaben sich aber bei den aggressiven B-Zell-Lymphomen. Bei <strong>diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphomen</strong>,<strong> &laquo;not otherwise specified&raquo;</strong>, (DLBCL, NOS) muss nun obligat die sogenannte Ursprungszellklassifikation (&laquo;cell of origin &raquo;, COO) angegeben werden.<sup>2</sup> Somit lassen sich die DLBCL in den Keimzentrums- Ph&auml;notyp (GC-Typ) und den Ph&auml;notyp der aktivierten B-Zelle (ABC-Typ) unterscheiden, daneben gibt es noch (wenige) unklassifizierbare F&auml;lle. Diese Unterteilung wurde prim&auml;r an Genexpressionsprofilanalysen erstellt, sie kann jedoch auch mittels immunhistochemischer Algorithmen, z. B. durch den Hans-Algorithmus,<sup>3</sup> erfolgen. Allerdings l&auml;sst sich durch die Immunhistochemie nur die Unterscheidung GC-Typ/Nicht-GC-Typ f&auml;llen, da zwischen dem ABC-Typ und den unklassifizierbaren F&auml;llen nicht unterschieden werden kann. Eine weitere &ndash; fakultative &ndash; Erg&auml;nzung der DLBCL-Diagnostik ist der sogenannte &laquo;double expressor score&raquo;, der die (immunhistochemisch bestimmte) Proteinexpression von c-MYC und BCL2 angibt. Dieser hat in mehreren Studien eine der COO-Klassifikation &uuml;berlegene prognostische Bedeutung.<sup>4</sup><br /> Zudem ergaben sich nomenklatorische &Auml;nderungen beim Epstein-Barr-Virus( EBV)-positiven DLBCL &auml;lterer Patienten, das in <strong>EBV-positives DLBCL</strong>, <strong>NOS</strong> (&laquo;not otherwise specified&raquo;) umbenannt wurde, da sich zeigte, dass es auch bei j&uuml;ngeren Patienten vorkommt und sich zudem die initial schlechte Prognose in gr&ouml;sseren Fallserien nicht best&auml;tigt hat. Eine neue provisorische Entit&auml;t EBV-assoziierter lymphoproliferativer Erkrankungen ist das <strong>EBV-positive mukokutane Ulkus</strong>.<sup>5</sup> Hierbei handelt es sich um einen lokalen, prim&auml;r konservativ/chirurgisch zu behandelnden Prozess, der daher zwingend vom EBV-positiven DLBCL, NOS abgegrenzt werden muss.<br /> Eine weitere bedeutsame Neuerung ist die Elimination der &laquo;Grauzonenlymphome mit Merkmalen eines DLBCLs und eines Burkitt-Lymphoms&raquo;. Diese wurden durch die Kategorie der <strong>&laquo;high grade&raquo; B-Zell- Lymphome</strong> (HGBL) ersetzt. Dieser Terminus soll nahelegen, dass bei dieser Lymphomgruppe die klassischen DLBCL-Therapieschemata nicht ausreichen und die Patienten aufgrund der Aggressivit&auml;t der Lymphome einer intensiveren Therapie bed&uuml;rfen. Die HGBL sind auf zweierlei Arten definiert: einerseits durch die Morphologie mit &Auml;hnlichkeiten zum Burkitt-Lymphom, ohne jedoch alle Kriterien f&uuml;r ein Burkitt-Lymphom zu erf&uuml;llen (HGBLNOS); und anderseits durch simultane Translokationen von <em>MYC</em> und <em>BCL2</em> und/ oder <em>BCL6</em>. Diese Kategorie wird auch &laquo;Double/Triple-Hit-Lymphome&raquo; (HGBLDH/ TH) genannt und definiert sich allein durch den zytogenetischen Nachweis der Translokationen. HGBL-DH/TH unterscheiden sich rein morphologisch und immunhistochemisch nicht vom klassischen DLBCL. Da auch allf&auml;llige immunhistochemische Algorithmen zur Fallselektionierung einige dieser aggressiven Lymphome verpassen, wird empfohlen, alle DLBCL, NOS auf eine <em>MYC</em>-Translokation hin zu untersuchen und bei einem allf&auml;lligen positiven Nachweis weitere FISH-Untersuchungen zum Nachweis einer <em>BCL2</em>- und/ oder <em>BCL6</em>-Translokation durchzuf&uuml;hren.<sup>6</sup><br /> Bei den klassischen Hodgkin-Lymphomen ergaben sich keine &Auml;nderungen in der neuen WHO-Klassifikation, bei der Sonderform des <strong>nodul&auml;ren Lymphozyten- pr&auml;dominanten Hodgkinlymphoms</strong> soll nun das Wachstumsmuster nach Fan et al. angegeben werden, da dies eine prognostische Relevanz hat.<sup>7</sup></p> <h2>T-Zell-Lymphome</h2> <p>Die wichtigsten &Auml;nderungen bei den TZell- Lymphomen sind im Bereich der <strong>peripheren T-Zell-Lymphome</strong>, NOS (PTCL) zu finden. Auch bei dieser Kategorie gelang eine weitere Aufschl&uuml;sselung, ein Teil der PTCL, NOS zeigt einen T-follikul&auml;ren- Helfer (TFH)-Zell-Ph&auml;notyp und wird neu somit provisorisch als nodales peripheres T-Zell-Lymphom mit TFH-Ph&auml;notyp klassifiziert, das den angioimmunoblastischen T-Zell-Lymphomen nahesteht. Durch die Expression von GATA3, TBX21 und zytotoxischen Markern k&ouml;nnen die restlichen PTCL, NOS in drei prognostisch relevante Gruppen unterteilt werden.<sup>8</sup><br /> ALK-negative anaplastische grosszellige T-Zell Lymphome (ALCL, ALK&ndash;) werden nun, ebenso wie das Brustimplantat (BI)- assoziierte ALCL, in der WHO als eigene Entit&auml;t aufgef&uuml;hrt.<br /> <strong>Die Enteropathie-assoziierten T-Zell- Lymphome </strong>(EATL) werden in zwei separate Entit&auml;ten aufgeteilt.<sup>9</sup> Das fr&uuml;here EATL Typ II, das keine Assoziation zu einer Z&ouml;liakie aufweist, wird in <strong>monomorphes epitheliotropes intestinales T-Zell- Lymphom</strong> (MEATL) umbenannt, um zu zeigen, dass es sich hierbei um eine eigene Entit&auml;t handelt, die auch eine deutlich schlechtere Prognose aufweist.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend l&auml;sst sich sagen, dass die neue WHO-Klassifikation einen deutlichen Fortschritt bei der genetischen und molekularen Pathogenese verschiedener Lymphomentit&auml;ten beinhaltet und diese Ergebnisse aus der Forschung in den t&auml;glichen Alltag &uuml;berf&uuml;hrt. Diese Erkenntnisse helfen, die Kontur der verschiedenen Entit&auml;ten, insbesondere der DLBCL, der HGBL und auch der PTCL, zu sch&auml;rfen, um so die Voraussetzung f&uuml;r gezielte Therapien zu schaffen, wenn auch das Konzept der HGBL seine Praxistauglichkeit erst erweisen muss.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Swerdlow S et al.: WHO classification of tumours of haematopoietic and lymphoid tissues. Lyon: IARC; 2008 <strong>2</strong> Alizadeh AA et al.: Distinct types of diffuse large B-cell lymphoma identified by gene expression profiling. Nature 2000; 403(6769): 503-11 <strong>3</strong> Hans CP et al.: Confirmation of the molecular classification of diffuse large B-cell lymphoma by immunohistochemistry using a tissue microarray. Blood 2004; 103(1): 275-82 <strong>4</strong> Staiger AM et al.: Clinical impact of the cell-of-origin classification and the MYC/ BCL2 dual expresser status in diffuse large B-cell lymphoma treated within prospective clinical trials of the German High- Grade Non-Hodgkin's Lymphoma Study Group. J Clin Oncol 2017; 35(22): 2515-26 <strong>5</strong> Dojcinov SD et al.: EBV positive mucocutaneous ulcer &ndash; a study of 26 cases associated with various sources of immunosuppression. Am J Surg Pathol 2010; 34(3): 405-17 <strong>6</strong> Klapper W et al.: Aggressive B-ell lymphomas: recommendations from the German Panel of Reference Pathologists in the Competence Network on Malignant Lymphomas on diagnostic procedures according to the current WHO classification, update 2017. Der Pathologe 2018 <strong>7</strong> Fan Z et al.: Characterization of variant patterns of nodular lymphocyte predominant hodgkin lymphoma with immunohistologic and clinical correlation. Am J Surg Pathol 2003; 27(10): 1346-56 <strong>8</strong> Iqbal J et al.: Gene expression signatures delineate biological and prognostic subgroups in peripheral T-cell lymphoma. Blood 2014; 123(19): 2915-23 <strong>9</strong> Swerdlow SH et al.: Cytotoxic T-cell and NK-cell lymphomas: current questions and controversies. Am J Surg Pathol 2014; 38(10): e60-71</p> </div> </p>
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