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Standards in brusterhaltender und onkoplastischer Chirurgie
Autoren:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Florian Fitzal, MBA FEBS
Viktoriia Tsygankova
Luca Gambone
Abteilung für Chirurgie
und
Comprehensive Cancer Center
Medizinische Universität Wien
Korrespondenz:
E-Mail: florian.fitzal@meduniwien.ac.at
Brustchirurgie ist ein Balanceakt zwischen bestmöglichem onkologischem Ergebnis und optimaler Lebensqualität. Jede achte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs und die moderne Brustchirurgie hat daher einen besonderen medizinischen und gesellschaftlichen Stellenwert. In dem folgenden Artikel werden aktuell diskutierte Themen aus diesem Bereich beleuchtet.
Keypoints
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Eine vermehrte Anwendung der „breast conservation turn-over rate“ (BECTOR) nach NACT als primärer Studienendpunkt ist erforderlich.
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Es notwendig, BECTOR in künftigen klinischen Studien korrekt abzubilden, da derzeit noch nicht bewiesen ist, dass moderne Therapien BECTOR direkt erhöhen.
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OBC reduziert sowohl die Reexzisionsrate als auch die Mastektomierate, ist onkologisch sicher und ermöglicht den Brusterhalt bei besonders großen Tumoren.
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Im Stadium IV gibt es einzelne Patientinnen, die von einer Operation des Primärtumors profitieren könnten, insgesamt zeigen die prospektiven Studien aber keinen Überlebensvorteil für eine Operation.
Brusterhaltende Therapie nach neoadjuvanter Chemotherapie
Die neoadjuvante Chemotherapie (NACT) führt im Idealfall zu einem „down-staging“ der Tumoren. Dadurch kann einem Viertel der Frauen, für die initial eine Mastektomie geplant war, eine brusterhaltende Therapie (BCT) ermöglicht werden.1
In aktuellen klinischen Studien, in denen die Wirksamkeit von modernen zielgerichteten Medikamenten in Kombination mit Chemotherapie erforscht wurde, konnte eine Erhöhung des pathologischen Komplettansprechens („pathological complete response“; pCR) bei Patientinnen mit HER2-postivem Brustkrebs beobachtet werden. Allerdings ist die Rate an durchgeführten BCT trotz eines guten Therapieansprechens nur minimal gestiegen.2–5
Um dies in Zukunft zu verbessern, ist es neben einer Erhöhung des BCT-Turn-overs auch notwendig, diese Rate klar zu definieren und in zukünftigen klinischen Studien dementsprechend zu melden. Ein gutes Beispiel für eine genaue, ausführliche Meldung des BCT-Turn-overs ist die Studie von Golschan et al.6
Jede Konversionsrate von BCT-ungeeignet auf BCT-geeignet, Patientenentscheidungen für oder gegen BCT und Erfolgsraten von durchgeführten BCT wurden in dieser Arbeit genau dokumentiert und dementsprechend gemeldet.
Resektionsränder nach einer NACT
Der Goldstandard für eine R0-Resektion ist die Regel „no ink on tumor“. Lange Zeit konnte die Frage der R0-Definition nach einer NACT und der Operationssicherheit in den neuen Tumorgrenzen nicht beantwortet werden, da nicht alle Tumoren konzentrisch schrumpfen und es theoretisch möglich ist, dass beim Operieren in neuen Tumorrändern verstreute Satellitentumoren in situ bleiben. Die Studien von Wimmer und Bolliger sowie von Choi haben diese Fragestellung genau untersucht.7,8 Die Ergebnisse dieser Studien konnten die onkologische Sicherheit der R0-Resektion mittels BCT in neuen Tumorgrenzen mit nachfolgender Radiotherapie beweisen.
Onkoplastische brusterhaltende Chirurgie (OBC)
Von Brustkrebs betroffene Frauen werden bei schlechten postoperativen Ergebnissen tagtäglich an ihr Schicksal erinnert. Wenn sich die Patientinnen unbekleidet im Spiegel sehen, können immer wieder alte Erinnerungen und Gefühle aufkommen, auch wenn die Operationen schon einige Jahre zurückliegen. Eine höhere Lebensqualität und bessere ästhetische Ergebnisse können durch onkoplastische Operationen erreicht werden. Bei onkoplastischen Operationstechniken werden ästhetische Reduktionstechniken und lokale Lappen verwendet, um den entstandenen Gewebsdefekt abzudecken und zu verschließen. Die OBC kann eingeteilt werden in kleinereResektionen, Clough Level I/Tübingen 3,4 (OBCI) und größere Resektionenvon mehr als 20% des Brustgewebes, Clough Level II/Tübingen 5,6 (OBCII).
Aktuelle Studien zeigen, dass der Abfall der Mastektomierate mit einer Zunahme der durchgeführten OBC einhergeht. Somit kann angenommen werden, dass durch eine breitere Anwendung der onkoplastischen Operationstechniken die Mastektomierate gesenkt wird.9,10
Die onkologische Sicherheit von OBC wurde in der Arbeit von De Lorenzi gezeigt. Es konnte kein Unterschied im krankheitsfreien Überleben (DFS), Gesamtüberleben (OS) sowie im Lokalrezidivrisiko zwischen OBC- und Mastektomie(MX)-Kohorten nachgewiesen werden.11
Eine weitere Studie zum Vergleich von onkoplastischen und konventionellen brusterhaltenden Operationen wurde von André et al. durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten ebenfalls onkologische Sicherheit und keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Lokalrezidivrate (LBCR).12 Weiters ermöglicht die onkoplastische Chirurgie, größere Tumoren auszuschneiden, die Rate an R1-Resektionen zu verringern und gute ästhetische Ergebnisse zu erzielen, ohne dabei die adjuvante Therapie zu verzögern.
In der OPBC-01/iTOP2-Studie wurden Patientinnen, die eine CBC(„conventional breast conservation“)/OBCI-Therapie erhielten, mit denjenigen verglichen, die mit OBCII behandelt wurden.13 Diese Studie wurde bei der 17. St. Gallen International Breast Cancer Conference zum ersten Mal vorgestellt. Hierbei zeigten Patientinnen mit CBC/OBCI verglichen mit der OBCII-Gruppe eine höhere Rate an Resektionsrändern <1mm (17% vs. 6%, p<0,001). Dies spiegelte sich in der Anzahl der Nachresektionen wider, die in der Gruppe mit CBC/OBCI ebenfalls deutlich höher lag (11% vs. 7%, p=0,0499). Dennoch zeigte sich beim Follow-up nach median 74,5 Monaten („interquartile range“: 60,32–89,56) kein Unterschied im Lokalrezidiv-freien Überleben.
Implantatbasierte Sofortrekonstruktion (IBR)
Grundsätzlich ist die Lebensqualität von Patientinnen nach implantatbasierter Rekonstruktion (IBR) vergleichbar mit der von Patientinnen nach BCT (gemessen mittels Breast-QTM).14
Über die ideale Positionierung des Implantats, ob nun prä- oder retropektoral, wird weiter stark debattiert. Ein wesentlicher Unterschied bei postoperativen Schmerzen und Lebensqualität zwischen den beiden Gruppen konnte in einer kleinen Studie von Barker nicht nachgewiesen werden, die Aussagekraft ist jedoch aufgrund des kurzen Follow-ups limitiert.15
Mögliche Vorteile der präpektoralen IBR sind die Schonung der Muskulatur sowie die Vermeidung von „animation deformities“. Als Nachteile werden laut Sinnott et al. nach präpektoraler IBR und Strahlentherapie eine erhöhte Inzidenz von Kapselkontrakturen im Vergleich zu retropektoraler IBR beschrieben.16
Da diese Studien tendenziell mit kleinen Kohorten und retrospektiv durchgeführt wurden, startete das „oncoplastic breast consortium“ (OPBC) die prospektive randomisierte klinische Studie PREPEC, in der Breast-QTM-Werte bei prä- und retropektoraler IBC miteinander verglichen werden.17
„Breast implant associated anaplastic large cell lymphoma“ (BIA-ALCL)
Bisher wurden fast 1000 Fälle von BIA-ALCL histologisch bewiesen und gemeldet, die genaue Inzidenz ist jedoch noch nicht bekannt. Aus einer Studie von Nelson et al. kann ableitet werden, dass die Inzidenz höher zu sein scheint als bisher angenommen. Vermutlich entwickelt 1 von 1000 Patientinnen innerhalb von acht Jahren ein BIA-ALCL. Eine kausale Rolle der texturierten Implantate in der Entwicklung von BIA-ALCL kann aufgrund der Fallzahlen der BIA-ALCL in dieser Patientinnengruppe vermutet werden.18
Operationen bei Brustkrebs im Stadium IV
Mittels der vier prospektiven Studien ABSCG2819, MF70720, TATA21 und E210822 wurde die Effektivität der chirurgischen Therapie im Stadium IV untersucht. Es konnte kein Vorteil der chirurgischen Therapie beobachtet werden.19,21,22 In einer nicht geplanten Post-hoc-Analyse der MF707-Studie wurde jedoch eine Verlängerung des medianen Überlebens bei Patientinnen, die eine lokoregionale Behandlung bekommen hatten, sowie bei Frauen mit einer singulären Knochenmetastase (Oligometastasierung) festgestellt.20
Zusammen mit den Ergebnissen des prospektiven Registers BOMET23 könnte man bei Oligometastasierung durchaus daran denken, nach gutem Therapieansprechen eine operative Behandlung durchzuführen. Basierend auf der Subtyp-Analyse von ABCSG28 und MF707 könnte insbesondere bei luminalen Tumoren ein Vorteil für die Operation sogar zu Beginn der Therapie gegeben sein.19,20
Danksagung:
Wir bedanken uns bei Dr. Michael Bolliger für das Korrekturlesen dieses Artikels.
Literatur:
1 Van der Hage JA et al.: Preoperative chemotherapy in primary operable breast cancer: results from the European Organization for Research and Treatment of Cancer Trial 10902. J Clin Oncol 2001; 19(22): 4224-37 2 Baselga J et al.: Lapatinib with trastuzumab for HER2-positive early breast cancer (NeoALTTO): a randomised, open-label, multicentre, phase 3 trial. Lancet 2012; 379(9816): 633-40 3 Huober J et al.: Survival outcomes of the NeoALTTO study (BIG 1–06): updated results of a randomised multicenter phase III neoadjuvant clinical trial in patients with HER2-positive primary breast cancer. Eur J Cancer 2019; 118: 169-77 4 Guarneri V et al.: Preoperative chemotherapy plus trastuzumab, lapatinib, or both in human epidermal growth factor receptor 2-positive operable breast cancer: results of the randomized phase II CHER-LOB study. J Clin Oncol 2012; 30(16): 1989-95 5 Waks AG, Winer EP: Breast cancer treatment: a review. JAMA 2019; 321(3): 288-300 6 Golshan M et al.: Impact of neoadjuvant chemotherapy in stage II-III triple negative breast cancer on eligibility for breast-conserving surgery and breast conservation rates: surgical results from CALGB 40603 (Alliance). Ann Surg 2015; 262(3): 434-9 7 Wimmer K et al.: Impact of surgical margins in breast cancer after preoperative systemic chemotherapy on local recurrence and survival. Ann Surg Oncol 2020; 27(5): 1700-7 8 Choi J et al.: Margins in breast-conserving surgery after neoadjuvant therapy. Ann Surg Oncol 2018; 25(12): 3541-7 9 Shaitelman SF et al.: Oncoplastic surgery in the management of breast cancer. J Clin Oncol 2020; 38(20): 2246-53 10 Jonczyk MM et al.: Surgical trends in breast cancer: a rise in novel operative treatment options over a 12 year analysis. Breast Cancer Res Treat 2019; 173(2): 267-74 11 De Lorenzi F et al.: Oncoplastic breast-conserving surgery for tumors larger than 2 centimeters: is it oncologically safe? A matched-cohort analysis. Ann Surg Oncol 2016; 23(6): 1852-9 12 André C et al.: Recurrence and survival after standard versus oncoplastic breast-conserving surgery for breast cancer. BJS Open 2021; 5(1): zraa013 13 Fitzal F et al.: Retrospective multicenter analysis comparing conventional with oncoplastic breast conservation: oncologic and surgical outcome in women with high-risk breast cancer from the OPBC-01 / iTOP2 study. St. Gallen BCC 2021: Abstr. #P134 14 Dominici LS et al.: Local therapy and quality of life outcomes in young women with breast cancer. SABCS 2018, Abstr. #GS6-06 15 Baker BG et al.: A prospective comparison of short-term outcomes of subpectoral and prepectoral strattice-based immediate breast reconstruction. Plast Reconstr Surg 2018; 141(5): 1077-84 16 Sinnott CJ et al.: Impact of postmastectomy radiation therapy in prepectoral versus subpectoral implant-based breast reconstruction. Ann Surg Oncol 2018; 25(10): 2899-908 17 Weber W et al.: Pre- versus sub-pectoral implant-based breast reconstruction after skin-sparing mastectomy or nipple-sparing mastectomy OPBC-02PREPEC. Online unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04293146 18 Nelson J et al.: Breast implant-associated anaplastic large cell lymphoma incidence: determining an accurate risk. Ann Surg 2020; 272(3): 403-9 19 Fitzal F et al.: Impact of breast surgery in primary metastasized breast cancer: outcomes of the prospective randomized phase III ABCSG-28 POSYTIVE Trial. Ann Surg 2019; 269(6): 1163-9 20 Soran A et al.: Randomized trial comparing resection of primary tumor with no surgery in stage IV breast cancer at presentation: protocol MF07-01. Ann Surg Oncol 2018; 25(11): 3141-9 21 Badwe R et al.: Locoregional treatment versus no treatment of the primary tumour in metastatic breast cancer: an open-label randomised controlled trial. Lancet Oncol 2015; 16(13): 1380-8 22 ASCO Plenary Features E2108 Results – ECOG-ACRIN: Surgery and radiation do not extend survival in newly diagnosed metastatic breast cancer. Online unter: https://ecog-acrin.org/news-and-info/press-releases/surgery-and-radiation-did-not-extend-survival-in-newly-diagnosed-metastatic-breast-cancer 23 Soran A et al.: The effect of primary surgery in patients with de novo stage IV breast cancer with bone metastasis only (Protocol BOMET MF 14-01): a multi-center, prospective registry study. Ann Surg Oncol 2021; doi.org/10.1245/s10434-021-09621-8 . Online ahead of print.
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