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Onkologische Pflege

Neue Therapien, neue Herausforderungen, neue Chancen

Die pharmakologischen Entwicklungen im Fachbereich Onkologie werden immer komplexer und konfrontieren interprofessionelle Behandlungsteams mit zahlreichen Herausforderungen. Spezialisierte Rollen in der Pflege können einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Qualität, Effizienz und die Sicherheit für Patient*innen sowie ihre An- und Zugehörigen in den Behandlungsprozessen zu fördern. Eine interprofessionelle, auf alle Stakeholder ausgerichtete und partizipative Entwicklung sowie eine systematisierte Implementierung dieser Rollen sind von entscheidender Bedeutung für deren Erfolg.

Keypoints

  • Onkologische Behandlungen werden zunehmend umfangreicher und komplexer und erfordern dementsprechend eine optimal abgestimmte interprofessionelle Zusammenarbeit.

  • Spezialisierte Rollen in der Pflege sind eine nutzbringende Ergänzung bei den sich verändernden Anforderungen.

  • Die systematisierte Einführung von spezialisierten Rollen ist ein Erfolgsfaktor.

Neue Herausforderungen im Fachbereich Onkologie

Neue Therapiestrategien

Der massive Fortschritt auf dem Gebiet der Krebsbiologie hat in den letzten Jahrzehnten zu bahnbrechenden Erfolgen in der Behandlung von Malignomen geführt. Lag der Behandlungsfokus in den 1960er-Jahren vornehmlich auf der chirurgischen Entfernung des Tumors, einer Chemotherapie und einer anschließenden Bestrahlung, verfolgt die moderne Krebstherapie multimodale, deutlich umfangreichere Ansätze.

Antineoplastische Therapeutika kamen dazu, wie auch neue Kombinationen klassischer Zytostatika, neue Antikörper-Wirkstoff-Konjugate sowie Therapiegruppen der zielgerichteten Therapien mit Tyrosinkinase-Inhibitoren und Immuntherapien in Form von Checkpoint-Inhibitoren, aber auch zelluläre Therapien (CAR-T).1 2022 wurden für die Behandlung verschiedener Krebsarten 13 Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zugelassen. Ebenso viele werden es 2023 sein.2

Komplexe Nebenwirkungsprofile

Die rasanten Entwicklungen im Fachbereich Onkologie bringen nebst Fortschritt auch eine breite Palette an Herausforderungen für Patient*innen, ihre Zugehörigen und die Behandlungsteams mit sich. Die Komplexität in der Betreuung der Patient*innen steigt durch das Auftreten bislang unbekannter Nebenwirkungen.

Werden unerwünschte Wirkungen nicht frühzeitig und adäquat angegangen, gefährden sie die Therapieadhärenz und mindern die Lebensqualität. Sie haben auch weitere Konsequenzen, wie Dosisreduktionen und Therapieabbrüche mit negativen Auswirkungen auf die Prognose.

Die demografische Entwicklung

Die Alterung der Bevölkerung trägt weltweit wesentlich zu einer steigenden Zahl neuer Krebsfälle bei. So wird bis 2035 eine Verdoppelung der Anzahl Betroffener im Alter von 65 und älter angenommen.3 Es wird erwartet, dass sich die Zahl der neuen Krebsfälle bei älteren Erwachsenen (im Alter von 65 Jahren und älter) bis 2035 auf 14 Millionen verdoppeln wird.4 Ältere Erwachsene mit Krebs sind oft von altersbedingter Gebrechlichkeit, Komorbiditäten und Auswirkungen von Polypharmazie betroffen.5

Leben mit einer chronischen Erkrankung

Aufgrund der effektiven Behandlungsmethoden sind die Krankheitsverläufe zunehmend chronisch und Krebsbetroffene werden deutlich länger behandelt. Patient*innen sowie ihr Umfeld sind aufgefordert, eine länger andauernde Behandlung und die therapiebedingten Auswirkungen in das alltägliche Privat- und Berufsleben zu integrieren. Sie erhalten dadurch die Chance, ihre bisherigen sozialen Rollen zu einem grossen Teil weiter zu erfüllen und ein „selbstbestimmtes“ Leben zu führen.

Der Fachkräftemangel

Die Personalsituation in den Schweizer Spitälern ist angespannt und dürfte sich weiter gnadenlos zuspitzen. Aktuell fehlen rund 13500 Pflegekräfte und Ärzt*innen. Im Jahr 2040 könnten bis zu 45000 Stellen unbesetzt bleiben – 39500 in der Pflege und 5500 bei den Ärzt*innen.6

Die Inanspruchnahme pflegerischer Leistungen wird aufgrund der steigenden Lebenserwartung sowie der Prävalenz onkologischer Erkrankungen jedoch weiter zunehmen, während der pflegerische Fachpersonalbestand gleichzeitig abnimmt.7,8

Ungenügende Finanzierung

Eine patient*innenzentrierte, integrierte Versorgung und damit eine intensivere Koordination entlang des Behandlungspfades wird empfohlen und ist für die Zukunft wesentlich, um das Gesundheitswesen zu entlasten und dem Bedarf gerecht zu werden.9 Die Umsetzung dieser Ansätze ist unter anderem durch eine ungenügende Vergütung von Koordinationsleistungen jedoch noch immer erschwert.

Um das Problem anzugehen, sind verschiedene Massnahmen erforderlich. Neben einer starken politischen Unterstützung müssten innovative Modelle der Finanzierung in der Pflege entwickelt werden, indem angemessene und vollkostendeckende Tarife eingeführt werden.

Das schleppende Vorangehen der Thematik liegt wohl in der Sorge bezüglich einer Verteuerung des Gesundheitswesens. Dies kann jedoch nicht in Zusammenhang mit neuen Pflegetarifen gebracht werden. Betrachtet man die Entwicklung der Gesundheitskosten in der Schweiz, so sind vor der DRG-Einführung Kosten in Höhe von rund 673 Fr. und im Jahr 2021 in Höhe von 827 Fr. pro Einwohner*in ohne pflegerische Tarifanpassungen entstanden.10 Allenfalls gelingt es, die linear ansteigenden Kosten gerade durch die Einführung neuer Pflegetarife zu bremsen, da die Demografie kaum steuerbar ist.

Zwischenfazit
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Eine onkologische Pflegesprechstunde im Onkologiezentrum Grabs

Die moderne Krebstherapie stellt also aufgrund ihrer Komplexität, ihrer schnellen Weiterentwicklung und komplexer Nebenwirkungsprofile eine besondere Herausforderung dar. Um die Sicherheit der Patient*innen zu stärken, benötigen die Betroffenen und ihre Zugehörigen ein vertieftes Verständnis über Therapieregime, mögliche unerwünschte Nebenwirkungen und Selbstmanagementstrategien, welche individuell an ihre Möglichkeiten und Bedürfnisse angepasst werden müssen.

Die veränderten Anforderungen an das gesamte onkologische Behandlungsteam führen zu der Notwendigkeit, die bestehenden Berufs- und Rollenbilder sowie Kompetenzprofile zu überdenken und weiterzuentwickeln. Die beschriebenen, sehr vielschichtigen Herausforderungen veranlassen zu Anpassungsleistungen. Sie bieten jedoch auch Chancen für die onkologische Fachpflege.

Nachfolgend werden konkrete praxisnahe Lösungsansätze und die Umsetzung innerhalb eines «Best Practice»-Projekts aufgezeigt.

Neue Chancen für die onkologische Pflege

Kompetenzen der Pflege im Behandlungsprozess

Onkologiepflegefachpersonen begleiten Menschen mit einer Tumorerkrankung ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung bis hin zur Nachsorge. Die Aufgabenbereiche der Onkologiepflege unterscheiden sich je nach Einsatzort und fokussierter Behandlungsphase (Tab. 1). So können pflegegeleitete («nurse-led») Interventionen insbesondere das onkologische Symptommonitoring und -management deutlich verbessern und bringen sowohl für Betroffene als auch das gesamte Behandlungsteam einen deutlichen Mehrwert.11 Onkologiefachpflegepersonen werden zunehmend in die Entscheidungsfindung über Behandlungsziele und -ergebnisse einbezogen.12

Es zeigt sich, dass es sich positiv auf das Nebenwirkungserleben, die Zufriedenheit der Patient*innen sowie ihrer Zugehörigen und ihr Vertrauen in das Gesundheitspersonal auswirkt, wenn das dynamische Konzept des «shared decision making» in den Behandlungsprozess integriert ist.5

Onkologiepflegende übernehmen folgende zentrale Aufgaben im interprofessionellen Behandlungsteam:13,14

  • Edukation von Patient*innen und Zugehörigen

  • Informationsvermittlung

  • Applikation komplexer Onkologikatherapien

  • Symptommonitoring und -management

  • Advokaten-/Vermittlungsrolle

  • psychosoziale Betreuung/Begleitung

  • Evaluation der Behandlungserfolge und -ergebnisse

Pflegepersonen im Bereich Onkologie sind also ein wichtiger Bestandteil des interprofessionellen Behandlungsteams und können eine Schlüsselrolle im Behandlungsprozess einnehmen.5

Spezialisierte Rollen in der Pflege – gewinnbringende Entlastung

Der Bedarf an neuen spezialisierten Rollen in der Pflege wird meistens in einer Versorgungs- oder Qualitätslücke in der pflegerischen oder interprofessionellen Betreuung erkannt. So etablieren sich «Advanced Practice Nurses» (APN), klinische Fachspezialist*innen sowie medizinische Praxiskoordinator*innen zunehmend auch in der Schweiz. Diese Rollen unterscheiden sich insbesondere in den Kompetenzniveaus und der damit verbundenen Handlungskompetenz.15

Damit Verantwortungs- und Kompetenzbereiche übereinstimmen, um die Aufgaben handlungskompetent und selbstständig erfüllen zu können, sind die notwendigen Bildungsstufen elementar und eine Grundlage für eine gewinnbringende interprofessionelle Zusammenarbeit, welche das Gesundheitssystem bereichern und entlasten kann.16

So kann durch den Einsatz von APN die pflegerische Praxis erweitert und eine hohe Expertise sowie klinische Kompetenz erreicht werden. Die zunehmende Akademisierung der Pflegefachpersonen bringt entsprechend auch eine Aufwertung des Pflegeberufes mit sich.17

Individualisierte Rollenentwicklung undImplementierung

Die Anforderungsprofile spezialisierter Pflegefachpersonen in der Onkologie können je nach Organisation, Population der Patient*innen, Angebot, Bereitschaft aller Stakeholder und anderen Faktoren stark variieren. Deshalb ist eine individuelle Entwicklung dieser spezialisierten Rollen gefordert. Weil die Akademisierung der Pflege hier noch wenig fortgeschritten ist, müssen Arbeitgebende die Entwicklung der Mitarbeitenden hin zu diesen Rollen gezielt unterstützen.

Zudem zeigte sich in der Praxis der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland (SR RWS), dass Studierende, die bereits eine Vorbildung als «dipl. Pflegefachperson Höhere Fachschule» mitbringen, nach dem generalistischen Bachelorstudium analog den Kolleg*innen der höheren Fachschule in der Praxis eingesetzt werden. Obgleich erweitertes Wissen und erweiterte Fähigkeiten erworben wurden, werden diese aktuell selten in der Praxis angewandt. Das ist für Bachelorstudierende häufig frustrierend.

Spezialisiert man jedoch von Beginn des Studiums an, beispielsweise im Rahmen von Transferaufträgen und Leistungsnachweisen, schafft man Möglichkeiten, die Studierenden gezielt einzusetzen, die Kompetenzen im Rahmen dieser Spezialisierung zu fördern, und bietet weiters eine Zukunftsperspektive mit der Idee, in der Masterausbildung fokussiert diese Spezialisierung weiterzuentwickeln.

Interprofessionelle Herangehensweise und soziale Koordination

Es ist nicht nur von grösster Bedeutsamkeit, ausreichend fachlich gezielt ausgebildetes Personal zur Verfügung zu stellen, sondern auch, die interprofessionelle Zusammenarbeit und deren Abläufe festzulegen und aktiv mitzugestalten.18 Interdisziplinäre Behandlungsansätze ermöglichen es, unterschiedliche Aspekte der Bedürfnisse einer Person nahtlos anzugehen und Hindernisse zu beseitigen, indem sie die Bandbreite der Ressourcen einbeziehen, die durch die verschiedenen Berufe veranschaulicht wird.16

Onkologiepflegefachpersonen in ambulanten onkologischen Institutionen sehen sich als Teil eines breiteren multidisziplinären Behandlungsteams, wobei die beruflichen Rollengrenzen in der Praxis unklar sein können. Oft werden Aufgaben erweitert, um der Nachfrage gerecht zu werden oder um zu verhindern, dass Patient*innen durch das Raster fallen. Dabei werden die formalen Prozesse durch soziale Beziehungen sowie auch durch informelles, aber unschätzbar wertvolles institutionelles «Know-how» unterstützt. Hinderlich wirken sich hingegen Zeitdruck, Kommunikationsschwierigkeiten und konkurrierende Prioritäten in der Zusammenarbeit und der Patient*innenversorgung aus.19

So spricht vieles dafür, dass Institutionen gezielt in den Aufbau gut funktionierender sozialer Bindungen und Beziehungen sowie in die soziale Koordination zwischen und innerhalb der unterschiedlichen Berufsgruppen investieren und in ein gemeinsames Engagement für eine patient*innenorientierte Versorgung.

Gemeinsame Ziele, Rollentransparenz und effektive Kommunikation

Um in einem Behandlungsteam im Gesundheitswesen effektiv zusammenarbeiten zu können, ist es also elementar, dass gemeinsame Ziele entwickelt werden, klare Rollen, Tätigkeitsfelder und Berufskompetenzen definiert sind, gegenseitiges Vertrauen vorhanden ist, eine effektive Kommunikation gelebt wird und die Prozesse und Ergebnisse transparent gemacht werden.20

Denn alle Mitglieder des Behandlungsteams müssen die Art der Kenntnisse, Fähigkeiten, Rollen, Perspektiven und wahrgenommenen Verantwortlichkeiten der anderen verstehen, damit sie optimal zum Wohle der Patient*innen und ihren Zugehörigen eingesetzt werden können.16

Strukturierte Konzeptualisierung und Implementierung

Entscheidend für eine gelingende Rollenentwicklung ist ein strukturiertes und interdisziplinäres Vorgehen. Spezialisierte Rollen greifen stark in den Prozess der Patient*innenpfade ein, weshalb undefinierte respektive unkoordinierte Umsetzung zu einer hohen Unzufriedenheit aller Stakeholder führen können.

Das Commitment und die Übernahme von Verantwortung durch alle einbezogenen Berufsgruppen und Onkologiepflegenden sind erforderlich, um dieses autonome und selbstständige Handeln voranzutreiben. Dabei müssen zwingend auch die Kompetenz- und Zuständigkeitsprofile überdacht und erweitert werden, basierend auf den entsprechenden Aus- und Weiterbildungshintergründen sowie der langjährigen klinischen Berufserfahrung. Dies kann delegierte ärztliche Tätigkeiten wie das systematische Symptommonitoring und die Durchführung holistischer Assessments, die Therapieüberwachung bei Patient*innen unter gut tolerierbaren Onkologikatherapien mit geringer Komplexität oder auch die Mitarbeit bei der Entwicklung von interprofessionellen Behandlungs-Guidelines bedeuten.21

In der Praxis bewährte sich das PEPPAFramework («participatory, evidence-based, patient-centered process for advanced practice nursing role developement») als international anerkannte Methode zur Entwicklung, Implementierung und Evaluation einer erweiterten Pflegepraxis. Üblicherweise, und dafür wurde es entwickelt, zielt das PEPPA-Framework auf die Entwicklung von APN-Rollen ab.22,23 Jedoch kann es auch für die standardisierte Entwicklung anderer spezialisierter Rollen in der Pflege eingesetzt und an die Ressourcen und Praxisgegebenheiten angepasst werden.

Im Workshopcharakter werden beim PEPPA-Framework die Ist-Situation, die Aufgaben der neuen Rolle, das Teaching, Prozesse, Administration, Organisation und Controlling interdisziplinär erarbeitet. Nach Implementierung findet kontinuierlich eine Evaluierung statt, um Outcomes und störende Faktoren zu korrigieren (Abb. 1). Diese systematische Herangehensweise hat sich auch im nachfolgend beschriebenen innovativen «Best Practice»-Projekt SRiP der SR RWS bewährt.

Abb. 1: Das PEPPA-Framework. Modifiziert nach Bryant-Lukosius D et al.22,23

Ein «Best Practice»-Projekt: SRiP

«SRiP» steht für spezialisierte Rollen in der Pflege und bezieht sich auf unterschiedliche erweiterte und spezialisierte Rollenprofile von Pflegefachpersonen in der direkten klinischen Tätigkeit wie auch die Rolle der Pflegeexpert*innen Onkologie.

Ähnlich wie viele andere Spitäler in der Schweiz hat sich die Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland mit der Entwicklung von erweiterten Rollenprofilen in der Pflege und im Besonderen mit APN beschäftigt. Ausgangspunkt und Voraussetzung für eine neue spezialisierte Rolle in der Pflege in der Spitalregion ist immer ein erkannter Bedarf in der direkten Patient*innenversorgung.

Wenn nach einer ersten Prüfung alle beteiligten Stakeholder einen Bedarf sehen und Ressourcen für ein Projekt zur Verfügung stellen, erfolgt eine methodische Unterstützung des Projekts durch das Team der Pflegeentwicklung. Die Rollenentwicklung im Projekt «SRiP» orientierte sich stark am PEPPA-Framework, wobei das Framework in vier ressourcenschonende Workshops aufgeteilt wurde.

Grundsätzlich bekannt war, dass für den Aufbau einer erweiterten und vertieften Pflegepraxis die Methodenkompetenz von Bachelor- und Masterabsolvent*innen benötigt wird, jedoch auch spezialisiertes Wissen und klinische Erfahrung aus der Pflegepraxis. Gleichzeitig wurde in unterschiedlichen Projektgruppen erkannt, dass sich die notwendigen Skills und Grades je nach Rollenprofil unterscheiden und nicht nur auf der Ebene der APN gedacht werden können.

Das Projektteam des Onkologie-Zentrums Grabs hat ein Rollenprofil ausgearbeitet, welches vertieftes Wissen in der Onkologie voraussetzt. Es wurden zahlreiche erweiterte Kompetenzen zugesprochen, die mit ebenso erweiterter Verantwortung einhergehen. Diese Rolle entspricht dem Kompetenzprofil einer APN. Kompetenztreppen können nicht immer trennscharf umgesetzt werden. In jedem Projekt sind individuelle Entscheidungen notwendig.

In der Umsetzung und Rekrutierung konnten drei Aspekte feststellt werden:

  1. Die Rekrutierung von akademisch ausgebildeten Pflegenden ist eine Herausforderung.

  2. Bachelor- oder Masterabschluss in der Pflege bedeutet noch nicht, dass bereits vertieftes Wissen in einem Fachgebiet vorliegt.

  3. Verfügt das Spital über talentierte Mitarbeitende mit und ohne akademischem Abschluss, können diese in Absprache mit den Entscheidungstragenden spezialisierte Versorgungsmodelle aufbauen.

In Kooperation mit der Ostschweizer Fachhochschule wurde ein Angebot entwickelt, mit dem Mitarbeitenden die Möglichkeit geboten wird, einen Bachelor- oder Masterabschluss zu erlangen und sich gleichzeitig in ein gemeinsam definiertes Themenfeld zu vertiefen. Mit diesem Ansatz wird die Zeit des Studiums genutzt, um Methodenwissen aufzubauen und gleichzeitig eine Fachvertiefung zu verfolgen.

Interessierte Mitarbeitende bewerben sich sowohl für eine Fachvertiefung als auch für die Unterstützung durch die Spitalregion. Dieses Unterstützungsangebot umfasst nicht nur die Finanzierung der Studiengebühren, sondern auch einen grosszügigen monatlichen Zustupf und die Möglichkeit, Transferaufträge in der Spitalregion umzusetzen.

Spezialisierte Rollen in der Pflege führen zeitweise zu der Frage, ob APN ärztliche Rollen ersetzen sollen. Das Gegenteil muss hervorgehoben werden. Die originär pflegerische Perspektive wird als Lebensweltbezug der Patient*innennähe und als Sicherstellung der Kontinuität der gesundheitlichen Versorgung beschrieben.23 Mit dieser Perspektive können Pflegende aller Ausbildungsstufen zu einer personenzentrierten Versorgung von Patient*innen beitragen.

Fazit

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Einblick in die onkologiepflegerische Sprechstunde im Spital Grabs

Die Herausforderungen im Fachbereich Onkologie sind sehr vielschichtig und weitgreifend. Hierbei kann die spezialisierte Fachpflege eine zentrale Rolle im Behandlungsprozess sowie im interdisziplinären Behandlungsteam einnehmen. Denn die Spezialisierung in der Pflege fördert die Ausschöpfung des vollen Potenzials von unterschiedlich ausgebildeten Pflegefachpersonen zugunsten von besseren Ergebnissen für Patient*innen sowie ihren Zugehörigen und kann damit den Bedarf abdecken. Sie nutzt die Chance des kompetenzgerechten Einsatzes der verschiedenen Berufsgruppen.

Dabei müssen die Rollenentwicklung und der Aufbau spezialisierter Pflegefachpersonen dem individuellen Bedarf der Institution entsprechend gefördert und gezielt durch Entscheidungsträger*innen unterstützt werden. Eine strukturierte, interprofessionelle Herangehensweise wie auch eine positive und offene Kommunikationskultur und Zusammenarbeit, welche «auf Augenhöhe» gelebt werden, sind für eine gelingende Rollenentwicklung und Implementierung eine wichtige Rahmenbedingung.

Da APN auf dem beruflichen Markt erschwert rekrutierbar sind, zeigte sich in der Praxis, dass diplomiertes Pflegefachpersonal von Beginn des generalistischen Bachelorstudium an frühzeitig, systematisch und interdisziplinär in eine Spezialisierung entwickelt werden kann. Damit kann die Expertise im Betrieb für die Zukunft sichergestellt respektive dem wachsenden Bedarf Rechnung getragen werden. Und somit wird mit einem freien Zitat aus dem Englischen geschlossen:25

«Der Mehrwert eines spezialisierten pflegerischen Angebots liegt nicht in der Überschneidung von Kompetenzen mit denen anderer Berufsgruppen, sondern in der Ergänzung zu diesen.»

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