Update EMBRACE-Studien beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom
Autor:
Ap. Prof. Dr. Dr. Maximilian P. Schmid
Medizinische Universität Wien
Universitätsklinik für Radioonkologie
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Die EMBRACE-Studien sind internationale, multizentrische, prospektive Kohortenstudien zur radioonkologischen Behandlung von lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinomen. EMBRACE I wurde rezent in „Lancet Oncology“ publiziert und die nächste Studiengeneration ist bereits in Planung.
Keypoints
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Die MRT-basierte Brachytherapie führt bei lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinomen zu 92% lokaler Tumorkontrolle nach 5 Jahren.
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Die MRT-basierte Brachytherapie ist neuer Goldstandard im Rahmen der primären Radiochemotherapie.
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Die EMBRACE-I-Studie zeigt, dass aus einer einzelnen innovativen Studie ein großes aktives internationales Studiennetzwerk entstehen kann.
Weltweit gesehen ist das Zervixkarzinom die Krebserkrankung mit der vierthöchsten Mortalität bei Frauen. Die Standardtherapie richtet sich nach dem Stadium und besteht in der Regel im Frühstadium aus einer Operation, während im lokal fortgeschrittenen Stadium – also wenn der Tumor eine gewisse Größe überschreitet bzw. die Organgrenze durchbrochen hat (aber noch keine Fernmetastasen vorliegen) – eine primäre Radiochemotherapie erfolgt.
Die primäre Radiochemotherapie besteht aus einer Teletherapie mit konkomittanter Verabreichung einer Chemotherapie und anschließender Brachytherapie. Die Teletherapie und Chemotherapie führen zur Verkleinerung des Tumors und dienen zur Behandlung von etwaigen mikroskopischen oder makroskopischen Lymphknotenmetastasen.
Der verbliebene Tumorrest an der Zervix wird mit einer Brachytherapie behandelt. Das ist eine Bestrahlungsmethode, bei der eine Strahlenquelle über einen Applikator im Rahmen eines minimal invasiven Eingriffs vorübergehend in die Gebärmutter eingebracht wird. Über diesen Applikator wird die Strahlenquelle computergesteuert an der gewünschten Position platziert und somit der Tumor direkt behandelt.
EMBRACE I
In EMBRACE I (IntErnational MRI-guided BRAchytherapy in CErvical cancer)1 erfolgte die Bestrahlungsplanung der Brachytherapie mittels Magnetresonanztomografie (MRT). Die MRT erlaubt im Vergleich zu bisher angewandten Röntgenaufnahmen eine präzise Darstellung des Tumors sowie der umliegenden Organe und ermöglicht somit eine individualisierte und zielgerichtete Behandlung.
Dazu wurden über einen Zeitraum von über zehn Jahren 1416 Patientinnen mit Zervixkarzinom in 24 Zentren weltweit unter der Leitung der Wiener Studiengruppe behandelt und beobachtet. Einschlusskriterien waren das Vorliegen eines histologisch verifizierten Zervixkarzinoms im FIGO-Stadium IB–IVB (Klassifikation von 2009, IVB: ausschließlich paraaortale Lymphknotenmetastasen erlaubt) und die Durchführung einer primären Radiochemotherapie in kurativer Intention inklusive einer MRT-basierten Brachytherapie.
Wesentlich war hierbei, dass die MRT nach Einbringung des Applikators erfolgte und die Zielvolumensdefinition und die Dosisdokumentation entsprechend den Studienvorgaben erfolgten. Vorgaben zur Bestrahlungsdosis gab es jedoch – bis auf einen groben Rahmen – nicht, sondern die Brachytherapiedosis sollte vom behandelnden Zentrum selbst gewählt werden.
Die Patientinnenrekrutierung konnte 2015 abgeschlossen werden und ergab ein typisches (und somit vermutlich auch repräsentatives) Kollektiv für eine primäre Radiochemotherapie: Der überwiegende Anteil der Patientinnen hatte ein Plattenepithelkarzinom (ca. 80%), ca. 50% waren im FIGO-Stadium IIB (20% FIGO-Stadium III–IVA) und 50% wiesen eine regionale Lymphknotenbeteiligung auf.
Die durchgeführte Behandlung entsprach dabei den aktuell üblichen Standards: Die mittlere Teletherapiedosis waren 45Gy und 95% der Patientinnen erhielten eine konkomitante Chemotherapie.
Ein weiteres Novum der EMBRACE-Studie war – neben der verpflichtenden Anwendung der MRT – die (optionale) Verwendung neuartiger Brachytherapie-Applikatoren. Neben den standardmäßigen Stift-Ring- bzw. Stift-Ovoid-Applikatoren konnten auch moderne Hybrid-Applikatorsysteme (z.B. kombiniert intrakavitäre-interstitielle Applikatoren) verwendet werden. Hierbei können zusätzliche Hohlnadeln durch den vorhandenen Applikator in den Tumor gestochen werden, um in weiterer Folge ebenfalls mit der Strahlenquelle beladen zu werden und somit die Dosisverteilung weiter konfigurieren zu können. Solche neuartigen Applikatoren wurden bei fast 50% der Patientinnen angewandt. Die mittlere Gesamtdosis bestehend aus Teletherapie und Brachytherapie lag mit 90Gy (für die D90 des klinischen Zielvolumens im „high-risk clinical target volume“ [CTV-HR]) unerwartet hoch.
Der primäre Endpunkt der EMBRACE-I- Studie war die lokale Tumorkontrolle. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 51 Monaten lag die lokale Tumorkontrolle für die gesamte Kohorte bei 92% (Abb. 1).
Abb. 1: Kaplan-Meier-Schätzung der lokalen Kontrolle nach Tumorstadium. Modifiziert nach Pötter R. et al., 2021
Dieses ausgezeichnete Ergebnis scheint das Resultat dieser neuartigen Methode zu sein. Da die Studie selbst aber keinen direkten Vergleichsarm hatte, ist eine genaue Erhebung des Effekts der MRT-basierten Brachytherapie nicht möglich.
Der Vergleich mit der Vorgängerstudie RetroEMBRACE2 erlaubt jedoch eine grobe Einordnung: Demnach dürften vor allem Patientinnen mit weit fortgeschrittenen Tumoren (Stadium IIIB) von diesem innovativen Verfahren profitieren. In diesem Tumorstadium konnte im Vergleich zu RetroEMBRACE eine Verbesserung von über 15% beobachtet werden.
Die Verbesserungen der lokalen Tumorkontrolle führten vermutlich auch zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens: Insgesamt konnte in EMBRACE I eine 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von 74% nachgewiesen werden (im Vergleich zu RetroEMBRACE: +9%). Die Hauptlokalisationen für Rezidive waren neben Fernmetastasen vor allem Lymphknotenrezidive im Bereich der Paraaortalregion bei initial (pelvin) nodal-positiven Patientinnen.
Weiters konnten durch das offene/beobachtende Studiendesign ohne explizite Dosisvorgaben nun Dosis-Wirkungs-Beziehungen sowohl für die lokale Tumorkontrolle als auch für das Auftreten von Nebenwirkungen für Vagina, Harnblase und Rektum/Darm berechnet werden.
EMBRACE II und III
Die Erkenntnisse der EMBRACE-I-Studie werden aktuell in einer Folgestudie EMBRACE II weiter überprüft. Hierbei geht es nun um die Untersuchung einer genau festgelegten Bestrahlungsdosis und -technik (sowohl für die Teletherapie als auch die Brachytherapie) sowie einer systematischen Behandlung von Lymphknotenmetastasen insbesondere paraaortal mit dem Ziel einer weiteren Reduktion von Erkrankungsrückfällen ebendort.
51 Zentren weltweit haben an EMBRACE II teilgenommen, die Patientinnenrekrutierung konnte Ende 2021 abgeschlossen werden. Belastbare Daten zu den Therapieergebnissen werden voraussichtlich für 2025 erwartet.
Mit EMBRACE III ist außerdem derzeit die nächste Studiengeneration in Planung: Ziel von EMBRACE III ist eine weitere Individualisierung der Behandlung entsprechend einem definierten Risikoprofil. Hierbei sollen im Rahmen von zwei Phase-II- Studien
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bei Hochrisikopatientinnen durch eine Kombination von Radiochemotherapie und anschließender systemischer Therapie Fernmetastasen reduziert werden und
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bei Patientinnen mit niedrigem Risikoprofil die Behandlung deeskaliert werden, um therapieassoziierte Nebenwirkungen zu reduzieren.
Weiters soll das bereits etablierte Erfolgskonzept der Registrierungsstudie fortgesetzt und um neue Bereiche erweitert werden (z.B. Inklusion von oligometastasierten Patientinnen).
Literatur:
• Pötter R et al.: MRI guided adaptive brachytherapy in locally advanced cervical cancer (EMBRACE-I): a multicenter prospective cohort study. Lancet Oncol 2021; 22 (4): 538-547 • Sturdza AE et al.: Image-guided brachytherapy in locally advanced cervical cancer: improved pelvic control and survival in RetroEMBRACE, a multicenter cohort study. Radiother Oncol 2016; 120: 428-33
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