Chronische Rückfussinstabilität
Autor:
Prof. Dr.med. Markus Knupp
Mein Fusszentrum AG
Allschwilerstrasse 14, 4055 Basel
E-Mail: markus.knupp@meinfusszentrum.ch
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Distorsionen im Bereich des Rückfusses treten häufig ein. Schätzungen gehen von 1 Ereignis pro 10000 Einwohner pro Tag aus. In einer grossen Mehrzahl heilen diese Verletzungen folgenlos aus. Dennoch klagen bis zu 20% über persistierende Beschwerden und chronische Einschränkungen. Diese Folgen können im Bereich des oberen und des unteren Sprunggelenkes lokalisiert sein und sowohl mechanische als auch funktionelle Ursachen haben.
Keypoints
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Die meisten ligamentären Verletzungen am Rückfuss können erfolgreich konservativ therapiert werden.
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Die Ursache für Beschwerden nach einem Distorsionstrauma am Rückfuss sind mannigfaltig: Es können verschiedene Gelenke, gelenksüberbrückende Sehnen sowie Fehlstellungen als Ursache vorliegen.
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Insbesondere bei Therapieversagern ist eine sorgfältige Aufarbeitung der Ursachen unabdingbar.
Distorsionen am Rückfuss treten mit einer Inzidenz von 1 Ereignis/10000 Einwohner/Tag auf. Die Bandverletzungen am Rückfuss sind eine Domäne der konservativen Therapie. Hiermit kann in einer grossen Mehrzahl (über 80%) eine Beschwerdefreiheit erreicht werden. Die Pfeiler der konservativen Therapie sind die Ruhigstellung sowie – in einer zweiten Phase – die Stabilisation/Kräftigung der gelenksüberbrückenden Muskulatur.
Schätzungen in der Literatur gehen davon aus, dass bis zu 20% der Patienten und Patientinnen jedoch über persistierende Einschränkungen klagen. Im Vordergrund stehen chronische Instabilitäten mit rezidivierenden Distorsionen, Schmerzen, Einschränkung der Mobilität sowie eine Einsteifung des Gelenkes. In einer Vielzahl dieser Fälle besteht eine zugrunde liegende chronische Instabilität am oberen und/oder am unteren Sprunggelenk. Hierbei unterscheidet man zwischen funktionellen Instabilitäten, welche auf ein neuromuskuläres Defizit zurückzuführen sind, und mechanischen Instabilitäten, bei denen eine effektive verminderte ligamentäre Führung des Gelenkes vorliegt.
Die mechanische Instabilität am Rückfuss kann sowohl vom oberen als auch vom unteren Sprunggelenk herrühren. Die Differenzierung der beiden Lokalisationen ist schwierig. Aus diesem Grund variieren die Literaturangaben bezüglich der Häufigkeit der Instabilität am unteren Sprunggelenk erheblich: Es wird davon ausgegangen, dass bei chronischen Instabilitäten am Rückfuss in ca. 25% der Fälle eine Instabilität am unteren Sprunggelenk vorliegt.
Das Nichterkennen des zugrunde liegenden Instabilitätsmusters kann zu einer inadäquaten Therapie mit unbefriedigendem Resultat führen. Deshalb ist, insbesondere bei chronischen Beschwerden nach vermeintlich banalen Distorsionen, die sorgfältige Aufarbeitung und Eruierung der Ursache für das Therapieversagen unabdingbar.
Anatomie
Die Stabilität jedes Gelenkes wird von 3 Faktoren bestimmt: der ossären Konfiguration, den gelenksüberbrückenden Sehnen sowie den Ligamenten. Bei der ossären Konfiguration spricht man vom sogenannten Containment des Gelenkes. Am oberen Sprunggelenk ist dieses durch den Sektor der Überdachung des Talusdomes durch die distale Tibia festgelegt: je grösser der Anteil des Talusdomes, der in der sagittalen Ebene von der distalen Tibia überdacht ist, desto stabiler das Gelenk. Die gelenksüberbrückenden Sehnen am Rückfuss, welche zur Stabilität beitragen, sind insbesondere die Peronealsehnen auf der lateralen Seite sowie die Tibialis-posterior-Sehne auf der medialen Seite. Ligamentär wird das obere Sprunggelenk auf der lateralen Seite durch den lateralen Kollateralbandapparat sowie den Syndesmosenkomplex stabilisiert. Am häufigsten betroffen ist das Ligamentum fibulotalare anterius. Dieses besteht aus zwei Bündeln, welche von der anterioren Fibula zum Talushals ziehen. Der kraniale Anteil stabilisiert das Gelenk gegen Innenrotation und der kaudale Anteil gegen die anteriore Subluxation. Das Band teilt sich einen gemeinsamen Ursprung mit dem fibulocalcanearen Band. Das dritte Band, das Ligamentum fibulotalare posterius, ist nur sehr selten bei Verletzungen betroffen. Zum Syndesmosenkomplex gehören die anteriore und posteriore Syndesmose sowie die Membrana interossea. An Bedeutung gewonnen hat der distalste Teil der Membrana interossea. Dieser wird häufig als Ligamentum interosseum bezeichnet. Er trägt bis zu 22% zur Syndesmosenstabilität bei und wird deswegen insbesondere in der MRT-Diagnostik dazu mitverwendet um festzulegen, ob eine stabile oder instabile Syndesmosenverletzung vorliegt.
Auf der medialen Seite unterscheidet man beim Ligamentum deltoideum einen tiefen Anteil, welcher den medialen Malleolus mit dem Talus verbindet, von einem oberflächlichen Anteil, welcher die Tibia mit dem Os naviculare sowie dem Calcaneus verbindet. Die Unterscheidung dient insbesondere auch der Differenzialdiagnostik bei der Unterscheidung zwischen einer Instabilität am oberen und unteren Sprunggelenk: Die talocruralen Ligamente (fibulotalare anterius, fibulotalare posterius, tiefes Ligamentum deltoideum) stabilisieren das obere Sprunggelenk, die Ligamente, welche vom Unterschenkel zum Calcaneus und Os naviculare reichen (fibulocalcaneares Ligament, oberflächliches Ligamentum deltoideum) stabilisieren sowohl das obere als auch das untere Sprunggelenk.
Spring Ligament: Das Spring Ligament spannt sich auf der medialen Seite vom Sustentaculum tali am Calcaneus bis zum Os naviculare hin auf. Es bildet den Boden des unteren Sprunggelenkes und stabilisiert damit passiv den Taluskopf gegen die Plantarflexion. Zusammen mit der aktiven Stabilisation des Taluskopfes durch die Tibialis-posterior-Sehne ist es damit die Hauptstütze gegen einen progressiven Verlust des medialen Fussgewölbes.
Diagnostik
Die Diagnose einer Instabilität erfolgt mit dynamischen Untersuchungsmethoden. Hierzu gehören die klinische Untersuchung, Stressaufnahmen unter Röntgenkontrolle, Ultraschalldiagnostik und Arthroskopie. Die nichtdynamischen Untersuchungsmethoden (MRT, Röntgenbild und CT) werden häufig ergänzend zum Ausschluss von Begleitpathologien angefertigt.
Dynamische Untersuchung
In der klinischen Untersuchung wird das obere Sprunggelenk in der sagittalen und koronaren Ebene auf die Stabilität hin geprüft (Schubladen-Test/Aufklappbarkeit des oberen Sprunggelenkes). Die klinische Untersuchung des unteren Sprunggelenkes gestaltet sich schwieriger. Hier hilft eine Prüfung unter dem Bildwandler: Es werden Stressaufnahmen sowohl des oberen als auch des unteren Sprunggelenkes unter Röntgenkontrolle durchgeführt (siehe auch Abb. 1 und 2). Dies erlaubt die differenzierte Untersuchung des Instabilitätsmusters am Rückfuss. Die Arthroskopie gilt als Goldstandard für die Beurteilung der Stabilität am oberen Sprunggelenk und wird meist als Teil der Rekonstruktion durchgeführt. Dies erlaubt die Untersuchung der Stabilität in den verschiedenen Ebenen unter direkter Visualisierung des oberen Sprunggelenkes.
Abb. 1: Stressaufnahmen bei einer lateralen Instabilität des oberen Sprunggelenkes. 1a: Varus-Stress; 1b: Valgus-Stress; 1c: vordere Schublade
Abb. 2: Stressaufnahmen bei einer medialen Instabilität. 2a: Valgus-Stress; 2b: Varus-Stress; 2c:ventrale Schublade. In diesem Beispiel steht die sagittale Instabilität im Vordergrund
Therapie
Die grosse Mehrzahl der Patienten mit einer verminderten ligamentären Stabilität am Rückfuss wird konservativ therapiert: Anpassung des Schuhwerkes/Einlagen, Krankengymnastik und Schulung des Patienten. Bei ausbleibender Verbesserung kommt die chirurgische Rekonstruktion infrage. Unterschieden wird eine direkte Bandnaht oder eine zusätzliche Augmentation mit nicht ortsständigem Material. Sollten Begleitpathologien bestehen, werden diese in der Regel simultan angegangen. Am häufigsten betrifft dies eine Instabilität am Subtalargelenk, eine sekundäre Arthrose oder eine Achsenfehlstellung.
Direkte Rekonstruktion
Meist wird hierbei ein Fadenanker in den lateralen Malleolus oder den medialen Malleolus eingebracht und hierüber die elongierten Bandstrukturen gerafft. In der Regel wird diese Rekonstruktion mit dem Extensorenretinaculum verstärkt (Modifikation nach Gould).
Augmentation
Bei ungenügendem lokalem Material wird dieses augmentiert. Infrage kommen autologe Sehnen (Plantarissehne oder Semitendinosussehne), der Traktus iliotibialis oder ein Allograft (meist wird auch hier Sehnenmaterial verwendet: Semitendinosus). Diese werden mit Bio-Tenodese-Schrauben an den zu stabilisierenden Elementen fixiert.
Grenzen der Rekonstruierbarkeit
Probleme bereiten insbesondere die chronischen Instabilitäten auf der medialen Seite. Das Ligamentum deltoideum erfüllt in der Funktion nicht nur die Stabilisation des oberen und unteren Sprunggelenkes, sondern dient auch zur Kraftübertragung des Unterschenkels.
Literatur:
beim Verfasser
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