Hüft-TEP oder doch noch Rekonstruktion?

<p class="article-content"><p>Das Hauptaugenmerk in der H&uuml;ftchirurgie gilt derzeit dem Bereich der Endoprothetik und ihrer unterschiedlichen Facetten. Verschiedene Kurzschafttypen und die unterschiedlichen Zugangswege f&uuml;llen Fachzeitschriften und entfachen Diskussionen. Die rekonstruktive H&uuml;ftchirurgie scheint dabei immer mehr in den Hintergrund zu treten.</p> <h2>Ursache Dysplasie</h2> <p>Die H&uuml;ftdysplasie ist eine der h&auml;ufigsten angeborenen Erkrankungen des Bewegungsapparates. 4&ndash;133 von 1000 Kindern werden abh&auml;ngig von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Geburtsposition und weiteren Risikofaktoren mit einer dysplastischen H&uuml;fte geboren. Durch das sonografische Screening, welches von Prof. Graf<sup>1</sup> eingef&uuml;hrt wurde, werden die Kinder meist fr&uuml;hzeitig einer Behandlung unterzogen, weshalb in vielen F&auml;llen eine operative Sanierung nicht notwendig ist. Trotzdem zeigen Nachuntersuchungen von Prof. Graf, dass bei 10&ndash;15 % der unter 50-J&auml;hrigen, die sich einem Gelenkersatz unterziehen, urs&auml;chlich eine H&uuml;ftdysplasie vorliegt. Die Komplexit&auml;t der rekonstruktiven Eingriffe und die sinkende Zahl der Indikationen lassen viele Abteilungen fr&uuml;hzeitig an einen Gelenkersatz denken.</p> <h2>Ursache Zerebralparese</h2> <p>Die Behandlungsprinzipien der progredienten H&uuml;ft(sub)luxation bei Kindern mit zerebraler Parese sind in der Literatur klar verankert. Kombinierte rekonstruktive Eingriffe an H&uuml;fte und Becken stellen hier den Goldstandard dar. Beim Gro&szlig;teil der F&auml;lle kombinieren wir Umstellungsosteotomien am Femur (DVRO) mit Eingriffen am Becken, die eine Verbesserung der lateralen (Dega-Osteotomie) oder anterolateralen &Uuml;berdachung (Pemberton-Osteotomie) erwirken.<br /> Als State of the Art der Korrektur der angeborenen H&uuml;ftdysplasie gilt nach wie vor die Innominata-Osteotomie nach Salter, welche zumindest bis zum Alter von 10 Jahren durchgef&uuml;hrt werden kann. Die Wahl der Operationsmethode ist bei Adoleszenten und jungen Erwachsenen bereits deutlich komplexer.<br /> Als Technik der Wahl zur Rekonstruktion von kongruenten H&uuml;ftgelenken stehen aktuell zwei Techniken zur Verf&uuml;gung: einerseits die Original Tripelbeckenosteotomie nach T&ouml;nnis und Kalchschmidt<sup>2</sup>, bei der Os ischii, Os pubis und Os ilium durchtrennt werden und eine Neuorientierung des Acetabulums h&auml;ufig in Kombination mit einer varisierenden Femurosteotomie durchgef&uuml;hrt wird (Abb. 1). Andererseits kann die von Ganz<sup>3</sup> beschriebene periacetabul&auml;re Osteotomie angewandt werden, bei welcher nur der innere Ring des Acetabulums durchtrennt wird. Ein Vorteil dieser Technik ist die h&ouml;here Stabilit&auml;t des zu schwenkenden Fragmentes im Vergleich zur T&ouml;nnis-Osteotomie. Aufgrund des hohen technischen Anspruchs ist sie jedoch nur f&uuml;r ge&uuml;bte Chirurgen geeignet. In unterschiedlichen Arbeiten konnte bei einer Komplikationsrate von 4,9&ndash;13,1 % ein sehr guter Effekt im Langzeit&uuml;berleben dokumentiert werden (85 % nach 10 Jahren).<br /> Auch inkongruente H&uuml;ften k&ouml;nnen bei jungen Patienten von einem rekonstruktiven Eingriff profitieren. Insbesondere wenn sie bereits bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen zu Beschwerden f&uuml;hren, sollte ein rekonstruktiver Eingriff in Erw&auml;gung gezogen werden. Es werden hierzu zwei Techniken empfohlen: Als erste Option wird die Shelf-Acetabuloplastik beschrieben. Durch eine Verbesserung der lateralen &Uuml;berdachung wird insbesondere bei Kindern mit Mb. Perthes, deren H&uuml;ftgelenke in einer inkongruenten Stellung ausgeheilt sind, eine Verbesserung der Funktion und des Langzeit&uuml;berlebens in der Literatur beschrieben. Als zweites Verfahren kann die in vielen Arbeiten als obsolet bezeichnete Technik der Chiari-Osteotomie<sup>4&ndash;6</sup> &ndash; oft in Kombination mit einer Valgisationsosteotomie &ndash; zumindest eine deutliche Verbesserung der H&uuml;ftgelenksfunktion herstellen (Abb. 2). Diese sehen wir insbesondere bei asph&auml;rischen, inkongruenten H&uuml;ften als bessere Option im Vergleich zur Shelf-Acetabuloplastik.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s14_abb1.jpg" alt="" width="852" height="1217" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s14_abb2.jpg" alt="" width="936" height="803" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>In den letzten Jahren wurden bei uns regelm&auml;&szlig;ig Beckenosteotomien bei unterschiedlichen Pathologien durchgef&uuml;hrt. Der Gr&ouml;&szlig;e der Eingriffe entsprechend stellten wir bei jungen Erwachsenen die Indikation zur Rekonstruktion bei sph&auml;rischen dysplastischen Gelenken f&uuml;r den aufwendigen Eingriff sehr streng. Abh&auml;ngig von den radiologischen Parametern, der pr&auml;operativen Beweglichkeit und der in der kernspintomografischen Diagnostik ersichtlichen Chondropathie f&uuml;hrten wir die Tripelbeckenosteotomie nach T&ouml;nnis bis zum 32. Lebensjahr durch. Bis dato konnten wir in allen F&auml;llen eine sehr zufriedenstellende Entwicklung der Beweglichkeit und insbesondere der Beschwerdesymptomatik dokumentieren.<br /> Bei inkongruenten Gelenken greifen wir gerne auf die von Chiari beschriebene Beckenosteotomie zur&uuml;ck. Diesen Eingriff kombinieren wir h&auml;ufig mit einer valgisierenden, verk&uuml;rzenden Femurosteotomie. Obwohl sich zu diesem Vorgehen aus der vorliegenden Literatur keine unstrittige Empfehlung ableiten l&auml;sst, ist dies unserer Meinung nach in ausgew&auml;hlten F&auml;llen das Mittel der Wahl, um eine im weiteren Verlauf notwendige Endoprothesenversorgung hinauszuz&ouml;gern. Die fr&uuml;hzeitige Implantation einer Endoprothese muss unserer Ansicht nach kein Automatismus sein, da die &Uuml;berlebensrate des eigenen Gelenkes durch die Beckenosteotomie abh&auml;ngig vom Grad der Arthrose um bis zu 20 Jahre verl&auml;ngert werden kann.<sup>7</sup> Dar&uuml;ber hinaus wird eine sekund&auml;re Prothesenimplantation durch eine vorangegangene Beckenosteotomie nicht erschwert.<sup>8</sup> Auch diese bei uns versorgten F&auml;lle zeigten sowohl eine signifikante Verbesserung der Funktion als auch der pr&auml;- und postoperativen Beschwerdesymptomatik. Eine Vielzahl an Beckenosteotomien wurde bereits beschrieben. Durch den Boom der Endoprothetik einerseits, aber auch durch die hohe Komplexit&auml;t der rekonstruktiven Beckeneingriffe geraten diese sehr aufwendigen OP-Techniken immer mehr in den Hintergrund. Dies f&uuml;hrt dazu, dass die Indikationen immer seltener erkannt werden. Trotz der sehr guten Ergebnisse der Endoprothetik sollten jedoch insbesondere bei jungen Patienten die M&ouml;glichkeiten der rekonstruktiven H&uuml;ftchirurgie in Betracht gezogen werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Graf R: Hip sonography: background; technique and common mistakes; results; debate and politics; challenges. Hip Int 2017; 27(3): 215-9 <strong>2</strong> Vukasinovic Z et al.: Triple pelvic osteotomy for the treatment of residual hip dysplasia. Analysis of complications. Hip Int 2009; 19(4): 315-22 <strong>3</strong> Alcob&iacute;a D&iacute;az B et al.: Long-term clinical and radiological outcomes in a serie of 26 cases of symptomatic adult developmental dysplasia of the hip managed with bernese periacetabular osteotomy. Rev Esp Cir Ortop Traumatol 2015; 59(6): 421-8 <strong>4</strong> Ito H et al.: The Chiari pelvic osteotomy for patients with dysplastic hips and poor joint congruency: long-term follow-up. J Bone Joint Surg Br 2011; 93(6): 726- 31 <strong>5</strong> Mellerowicz HH, Matussek J, Baum C: Long-term results of Salter and Chiari hip osteotomies in developmental hip dysplasia. A survey of over 10 years follow-up with a new hip evaluation score. Arch Orthop Trauma Surg 1998; 117(4-5): 222-7 <strong>6</strong> Windhager R et al.: Chiari osteotomy for congenital dislocation and subluxation of the hip. Results after 20 to 34 years follow-up. J Bone Joint Surg Br 1991; 73(6): 890-5 <strong>7</strong> Kotz R et al.: Long-term experience w ith Chiari's osteotomy. Clin Orthop Relat Res 2009; 467(9): 2215-20 <strong>8</strong> Tokunaga K et al.: Effect of prior Salter or Chiari osteotomy on THA with developmental hip dysplasia. Clin Orthop Relat Res 2011; 69(1): 237-43</p> </div> </p>
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