Inverse Schulterprothese bei Glenoiddefekt mit augmentierter Basisplatte

Häufig tritt bei Patienten im Rahmen einer Omarthrose mit Rotatorenmanschettendefizienz oder dysplastischer Glenoidkomponente das Problem eines defekten Glenoidknochenstammes auf. Dieser sollte bei der Implantation einer inversen Schulterendoprothese korrigiert und wiederhergestellt werden, um eine adäquate Biomechanik zu erreichen. Verschiedene Methoden existieren, um diesen Defekt zu beheben. Dieser Fallbericht zeigt die Probleme in der Schulterendoprothetik bei diesem Eingriff sowie deren Therapiemöglichkeiten auf.

Keypoints
  • Knochendefekte am Glenoid treten immer häufiger begleitend bei Omarthrose auf und sollten unbedingt präoperativ analysiert sowie intraoperativ adressiert werden.

  • Das SMR TT 360 Augmented Metalback bietet einige Vorteile gegenüber den bis dato angewandten Methoden mit autologem Knochen und ist unabhängig von der Knochenqualität des Patienten.

  • Das SMR TT 360 Augmented Metalback bietet einige Vorteile gegenüber den bis dato angewandten Methoden mit autologem Knochen und ist unabhängig von der Knochenqualität des Patienten.

Eine der größten Herausforderungen der Schulterendoprothetik stellt die Glenohumeralarthrose in Kombination mit einem Glenoiddefekt dar. Im Falle einer nicht mehr funktionsfähigen Rotatorenmanschette kommt die inverse Schulterendoprothese zur Anwendung, welche einen intakten Deltoideusmuskel sowie einen suffizienten Knochen am Glenoid verlangt. Wird die glenoidale Gelenksfläche nicht wieder möglichst auf die ursprüngliche Form rekonstruiert, kann dies Instabilitäten und eine vorzeitige Lockerung des „metal back“ mit sich ziehen.

Sollte der Knochenverlust an der Glenoidkomponente zu massiv sein, verlangt es nach einer Glenoidrekonstruktion, zum Beispiel mittels Knochenaugmentation, um die korrekte Anatomie der Gelenkskomponenten sowie die physiologische Gelenkslinie wiederherzustellen.

Die Klassifikation des Schweregrades der Glenoiddefekte bei Omarthrose nach Walch et al. teilt den Glenoiddefekt und die Position des Humeruskopfes im Verhältnis zum Glenoid in fünf verschiedene Gruppen (A–D) ein. Favard et al. beschreiben die verschiedenen Grade an glenoidalem Knochenverlust bei Patienten mit Rotatorenmanschetteninsuffizienz ebenfalls in fünf Gruppen (E0–E4).

Liegt bei einem Patienten ein Glenoiddefekt nach Walch und Favard vor, kann dieser im Falle eines minimalen Defekts durch eine exzentrische Aufbohrung des Glenoids korrigiert werden. Besteht allerdings ein größerer Knochendefekt, muss auf Knochenautografts, beispielsweise aus dem Beckenkamm oder dem Humeruskopf, zurückgegriffen werden. Allerdings zeigen Langzeitergebnisse, dass bei knöcherner Korrektur des Glenoids häufig ein Absinken des Grafts sowie eine Resorption des Knochens zu beobachten sind. Dieser Prozess führt zu einer verfrühten Lockerung der Glenoidkomponente und dadurch zu einer Instabilität der gesamten Prothesenkonstruktion. Neuere Methoden verwenden daher anstelle eines Knochenautograftes eine augmentierte Basisplatte, um Glenoiddefekte auszugleichen und dadurch eine entsprechende Biomechanik beziehungsweise Funktion zu gewährleisten.

Die aktuelle Datenlage zu inversen Schulterprothesen mit Glenoidaugmenten ist – auch ob der geringen Zahl an Anwendern – eher als schlecht einzuordnen, genauso wie die überschaubare Studienlage, da derzeit nur retrospektive Studien und solche mit kurzer Follow-up-Zeit der Patienten existieren.

Im Folgenden wird ein Patient vorgestellt, bei dem eine ebensolche augmentierte Basisplatte (TT 360 Metal Back Augmentation, Fa. Lima) zur Anwendung gekommen ist.

Fallvorstellung

Ein 71-jähriger männlicher Patient mit starken Schulterschmerzen und einer Voroperation 1974 nach rezidivierenden Schulterluxationen (Operation nach Nikola) bot klinisch eine deutliche Bewegungseinschränkung mit einer AR von 0°, IR bis gluteal und einer Abduktion von 30°.

In der Bildgebung zeigte sich eine deutliche Glenohumeralarthrose mit einem deutlichen glenoidalen „bone loss“. Zusätzlich war eine insuffiziente dorsokraniale Rotatorenmanschette im MRT verifizierbar.

Die Operation fand standardmäßig in Allgemeinanästhesie kombiniert mit einem Plexuskatheter und Lagerung in Beach-Chair-Position statt. Ein deltoideopektoraler Zugang wurde gewählt.

Intraoperativ zeigten sich ausgeprägte Vernarbungen aufgrund einer Voroperation sowie massive osteophytäre Anbauten sowohl humeral als auch glenoidal. Da sich intraoperativ die Knochenqualität deutlich vermindert darstellte, wäre ein „bone graft“ aus dem Humeruskopf zum glenoidalen Aufbau nicht möglich gewesen. Somit kam als willkommene Alternative, erstmalig in Österreich, ein TT Augmented 360 Metal Back mit +4mm zum Einsatz. Weiters konnte mit einer 44er-Glenosphere eine zusätzliche Lateralisierung erreicht werden.

Intraoperativ zeigten sich bei gutem Prothesensitz stabile Verhältnisse, ausreichend Spannung sowie ein gutes Gelenksspiel ohne Notching und ohne Impingement.

Wie in Tabelle 1 dargestellt, zeigt sich bei dem Patienten hinsichtlich radiologischer Parameter postoperativ (Abb.1b) eine deutliche Besserung gegenüber der präoperativen Ausgangssituation (Abb.1a). Generell lassen die ausgemessenen Werte auf eine deutliche Lateralisierung sowie Kaudalisierung durch die Prothesenimplantate schließen.

Tab. 1: Prä- und postoperative Röntgenparameter

Abb. 1: Prä- und postoperative Röntgenparameter wie in Tabelle 1 beschrieben

Diskussion

Degenerative Knochendefekte am Glenoid treten bei bis zu 40% aller Patienten mit Omarthrose und begleitender insuffizienter Rotatorenmanschette auf und ihre intraoperative Adressierung stellt einen wichtigen Erfolgsparameter in der Schulterendoprothetik dar.

Ist die glenoidale Komponente derart massiv geschädigt, dass eine reguläre Implantatkomponente trotz exzentrischen Aufbohrungsversuchs nicht zufriedenstellend angebracht werden kann, sollte im Zuge einer inversen Schulterendoprothese eine Korrektur des Knochendefekts erfolgen, um Instabilitäten zu verhindern und eine gute Funktion zu ermöglichen.

Boileau et al. beschreiben eine Augmentation mittels autologen Knochens aus dem Humeruskopf als Methode der Wahl, um den Knochendefekt am Glenoid zu beheben und eine physiologische Implantatausrichtung bei minimaler Entnahmemorbidität zu erreichen. Je nach Defektausmaß wird hier ein symmetrischer oder asymmetrischer Knochenblock verwendet, da hiermit der Humerus lateralisiert und zugleich kaudalisiert werden kann. Weitere Vorteile, die beschrieben werden, sind das nicht vorhandene Risiko für eine Ansteckung mit Infektionskrankheiten, verglichen mit der Verwendung von Knochenallografts, sowie die geringeren Kosten im Vergleich zu einer augmentierten Basisplatte.

Im Vergleich dazu beschreiben Wright et al. eine Variante der glenoidalen Augmentation bei inverser Schulterendoprothese ohne knöchernen Aufbau, sondern mit augmentierten Basisplatten. Der Vorteil der hier verwendeten Implantate sind eine minimale benötigte Aufbohrung des Glenoids sowie die Unabhängigkeit von der autologen Knochenqualität am Humeruskopf. Weiters muss man sich bei einer metallenen Basisplattenaugmentation nicht mehr auf eine stabile und vollständige Inkorporation des Knochenautografts verlassen, was bei der Methode nach Boileau et al. einen wichtigen prognostischen Faktor darstellt. Zusätzlich ermöglicht die geringere Aufbohrungstiefe einen größeren Erhalt des subchondralen Knochens und dadurch eine bessere Fixierungssituation für das Implantat und dessen Schrauben.

Eine korrekte Wiederherstellung der Inklination des Glenoids ist laut Seebauer et al. abseits von physiologischer Ante- und Retroversion von großer Wichtigkeit sowie auch eine korrekte Länge des Scapulahalses, um eine reguläre Gelenkslinie zu erzielen.

Aus einer Studie, durchgeführt von Jones et al., geht hervor, dass sowohl mit knöcherner Augmentation als auch mit augmentierten Basisplatten eine Verbesserung für die Patienten eingetreten ist. Die Patienten mit augmentierter Basisplatte wiesen jedoch signifikant geringere Komplikationsraten und skapuläres Notching auf. Biomechanische Vorteile einer augmentierten Basisplatte sind eine verbesserte Verteilung der Belastung am Implantat mit daraus resultierendem höherem Potenzial für eine suffiziente Einheilung.

Anschließend an die Ergebnisse von Jones et al. zeigen Priddy et al., dass eine knöcherne Augmentation häufig mit klinischem Versagen assoziiert ist und dadurch augmentierte glenoidale Komponenten gegenüber Autografts den Vorzug bekommen. Beschrieben werden Implantate in Stufen- und Keilform beziehungsweise halbkeilförmige, wobei Studien der Biomechanik dem keilförmigen Implantat den Vorzug bei Typ-B2-Glenoiden geben.

Bei dem in unserem Fallbericht verwendeten Implantat handelt es sich um das „SMR TT Augmented 360 Metal Back“ der Firma Lima Corporate. Dies ist eine eigens für inverse Schulterprothesen entwickelte Glenoidkomponente, welche einen Knochenverlust kompensieren soll, ohne mittels autologen Knochens aufbauen zu müssen, womit eine Unabhängigkeit von der Qualität des entnommenen Knochens erzielt wird.

Das 360 Augmented Metal Back existiert in unterschiedlichen Neigungen (7°, 10° oder 15°), welche je nach Defektgröße intraoperativ ausgewählt wird und einen multidimensionalen (360°) Ausgleich ermöglicht. Um eine weitere Lateralisierung zu erzielen, kommen entweder ein +2mm- oder, wie in diesem Fall, ein +4mm-Offset zum Einsatz.

bei den Verfassern

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