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Rheumatoide Arthritis und Osteoporose
Jatros
Autor:
Dr. Gabriela Eichbauer-Sturm
<br>Fachärztin für Rheumatologie, Innere Medizin und Nephrologie<br>Linz/Kitzbühel
30
Min. Lesezeit
20.09.2018
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<p class="article-intro">Osteopenie und Osteoporose treten bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Eine verminderte Knochendichte ist bereits im Frühstadium der RA nachweisbar.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Bei der RA handelt es sich um die häufigste entzündliche Gelenkserkrankung. Ca. 0,5 % bis 1 % der Bevölkerung sind betroffen, Frauen dreimal häufiger als Männer. Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, am häufigsten jedoch zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr.<sup>1</sup> Es handelt sich dabei um eine chronisch-entzündliche Gelenkserkrankung, wobei eine Beteiligung von Sehnen, Gefäßen und inneren Organen möglich ist.<sup>1</sup><br />Die Osteoporose tritt bereits im Frühstadium der RA auf. Sie führt zu einem erhöhten Risiko für Frakturen sowie erhöhter Morbidität und Sterblichkeit und ist mit hohen Kosten im Gesundheitswesen verbunden. Ursächlich für die Osteoporose sind bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen v.a. die Krankheitsaktivität, die Glukokortikoidtherapie, gastrointestinale Beeinträchtigungen mit Malabsorption, Untergewicht und Inaktivität bzw. Immobilität. Die Krankheitsaktivität ist von entscheidender Bedeutung: In der Bruneck-Studie konnte bei Patienten mit einem erhöhten hs-CRP-Wert (>3,0mg/l) ein bis zu 7,8-fach höheres Frakturrisiko als bei Personen mit einem hs-CRP-Wert <1,0mg/l nachgewiesen werden.<sup>2</sup> <br />Proinflammatorische Zytokine führen zum lokalen und systemischen Knochenverlust bei RA, wobei vor allem TNF-α und Interleukin(IL)-6 eine Rolle spielen. Durch eine Therapie mit TNF-Blockern wird die Knochenbildung verstärkt und die Knochenresorption vermindert. Es wird dabei das Verhältnis von RANKL zu OPG durch Induktion von OPG und Reduktion von RANKL in Richtung Knochenerhalt verschoben.<sup>3</sup> Weiters werden durch TNF Wnt-Signalwegsantagonisten wie Dickkopf (DKK1) induziert, wodurch die Knochenbildung gehemmt wird. <br />Wie bereits erwähnt, ist auch IL-6 am entzündungsbedingten Knochenabbau beteiligt. Es wirkt katabol, sowohl durch direkte als auch indirekte Stimulierung der Osteoklasten. So konnten bei mit TNF-Blockern vortherapierten RA-Patienten durch IL-6R-Inhibition eine Knochenprotektion und eine erhöhte Knochendichte beobachtet werden.<sup>4</sup> Ein weiteres wichtiges Zytokin ist IL-1. Es wirkt wie IL-6 hauptsächlich katabol durch Förderung der Osteoklastenbildung.<sup>5</sup></p> <h2>Bedeutung der ACPA für den Knochen</h2> <p>Einen wichtigen Stellenwert haben Antikörper gegen citrullinierte Proteine (ACPA). Diese sind bei ca. zwei Dritteln der Patienten mit RA im Serum nachweisbar. Bekanntlich ist das Vorhandensein dieser Antikörper mit schweren Krankheitsverläufen und erhöhtem Knochenabbau assoziiert. Schon viele Jahre vor der Diagnose der RA sind ACPA im Serum nachweisbar. Interessanterweise konnten bei ACPA-positiven Menschen, die noch keine klinischen Symptome einer RA zeigten, eine signifikant verringerte Knochendichte und kortikale Knochenverluste nachgewiesen werden.<sup>6</sup> Es zeigte sich auch, dass ACPA die Osteoklastengenese nicht nur indirekt beeinflussen können, sondern auch direkt an citrullinierte Proteine auf der Zelloberfläche von Osteoklastenvorläufern binden und diese zu einer vermehrten Osteoklastenbildung anregen.<sup>7</sup> In einer kürzlich publizierten Studie konnte nachgewiesen werden, dass die Bindung von ACPA an Osteoklastenvorläufer die Expression des proinflam­matorischen Chemokins IL-8 fördert. Dieses fördert wiederum die Osteoklastogenese. Die Bedeutung dieses Zytokins wurde in einem Mausmodell bestätigt, bei dem durch die Gabe des IL-8-Rezeptorantagonisten Reparixin ein durch ACPA induzierter systemischer Knochenabbau verhindert werden konnte.<sup>8</sup></p> <h2>Studienlage zu Osteoporose und Rheuma</h2> <p>Arain et al. konnten 2016 in einer Studie nachweisen, dass eine erniedrigte Knochendichte bereits bei 25 % der Patienten in einem frühen Stadium der RA besteht. Ein positiver Rheumafaktor und Menopause bedeuten ein zusätzlich erhöhtes Risiko.<sup>9</sup><br />In einer deutschen Studie aus dem Jahr 2011 zeigte sich eine Prävalenz der Osteoporose bei Frauen mit RA von 22 % (Männer 20 % ) und der Osteopenie von 49 % (Männer 50 % ). Eine normale Knochendichte konnte nur bei 30 % der Studienteilnehmer mit RA nachgewiesen werden.<sup>10</sup><br />Eine amerikanische Untersuchung konnte bei Patienten mit einem Durchschnittsalter von 49 Jahren und einer neu diagnostizierten RA ein erhöhtes Frakturrisiko, abhängig von der Dosis der eingenommenen Glukokortikoide, nachweisen. Die Frakturinzidenzraten für eine Prednisondosis <1mg/Tag lagen zwischen 5 und 9/1000 Patientenjahre, für Dosen von >15mg über 16. Bei einer kumulativen Dosis von mehr als 5,4g lag das Fraktur­inzidenzrisiko bei 13,4. Das Risiko verminderte sich nach einem halben Jahr Kortisonpause um etwa 29 % , nach einem Jahr Pause war es vergleichbar mit jenem von Patienten ohne Glukokortikoideinnahme.<sup>11</sup><br />Eine EULAR-Task-Force versuchte herauszufinden, unter welcher Glukokortikoiddosis ein möglichst niedriges Risiko besteht. Die Literaturrecherche ergab, dass es keine eindeutige Evidenz für diese Frage gibt. Man einigte sich auf die Formulierung, dass ein geringeres Risiko für die Mehrzahl der Patienten mit einer langfristigen Dosis von 5mg Prednison pro Tag oder weniger besteht, bei Dosen über 10mg ein eindeutig erhöhtes Risiko für einen Schaden. Bei Dosen zwischen 5mg und 10mg bestimmen Patientencharakteristika das Risiko.<sup>12</sup></p> <h2>Erhöhte Mortalität</h2> <p>In einer kürzlich publizierten dänischen Studie konnte eindrucksvoll das erhöhte Mortalitätsrisiko nach osteoporotischen Frakturen nachgewiesen werden. Die Autoren betonen, dass eine Fraktur der Ausgangspunkt für viele Gesundheitsprobleme ist, die noch lange nach dem Abheilen der Fraktur bestehen und zu einem früheren Tod führen. So kann das erhöhte Mortalitätsrisiko über eine Dekade nach der Hüftfraktur bestehen, bei anderen Frakturen (außer kleineren oder distalen Frakturen) etwa 5 Jahre. Im Jahr nach dem Hüftbruch hatten Männer ein um 33 % höheres Todesrisiko und Frauen ein um 20 % höheres Risiko. Bei Oberschenkel- oder Beckenfrakturen lag die 1-Jahres-Überschussmortalität zwischen 20 % und 25 % . Ein signifikantes Todesrisiko wurde noch 10 Jahre nach dem Bruch einer Hüfte und etwa 5 Jahre nach Frakturen, die nicht die Hüfte betrafen, beobachtet.<sup>13</sup><br />Das wichtigste Ziel ist somit, osteoporotische Frakturen zu vermeiden. Die Therapie der Osteoporose orientiert sich an den Osteoporoseempfehlungen des Dachverbandes für Osteologie (DVO). Darin wird die RA als unabhängiger Risikofaktor für Frakturen angesehen (relatives Risiko 1,6 für alle osteoporotischen Frakturen und 1,62 für Hüftfrakturen). Die Leitliniengruppe empfiehlt bei allen Patienten eine Basisdiagnostik und die Durchführung einer DXA.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Die Osteologen der Österreichischen Gesellschaft für Knochen- und Mineralstoffwechsel (OEGKM) betonen die Notwendigkeit einer adäquaten Versorgung mit Kalzium und Vitamin D. Bei über 70 % der Patienten mit osteoporotischen Frakturen besteht ein erniedrigter Vitamin-D-Spiegel. Die Dosis sollte bei jungen gesunden Menschen zwischen 800 und 2000 IE/Tag liegen. Ältere Patienten oder solche mit einem ausgeprägten Mangel sollten eine Dosis von 4000 IE/Tag über einen Zeitraum von einigen Monaten einnehmen. Von regelmäßigen Messungen des (25-OH-)Vitamin-D-Spiegels oder zu hoch angesetzten Dosierungen raten die Osteologen ab. <br />Unbedingt notwendig ist eine ausreichende Kalziumversorgung, sie muss im Rahmen einer Osteoporosebehandlung immer durchgeführt werden. Empfohlen ist eine Dosis von 500–1200mg täglich, am besten mit der Nahrung. Um die Kalziumaufnahme mit der Nahrung besser einschätzen zu können, sollte ein „Kalziumrechner“ verwendet werden, die OEGKM empfiehlt www.kalziumrechner.at.<sup>14</sup> <br />Eine spezifische Osteoporosetherapie sollte mit Anhebung der Therapiegrenze um +0,5 des T-Scores erfolgen. Sie sollte so lange durchgeführt werden, wie ein erhöhtes Frakturrisiko besteht. Die Therapiedauer für Teriparatid ist auf 24 Monate begrenzt, Bisphosphonate sollten 3–5 Jahre verabreicht werden und Denosumab hat einen therapeutischen Nutzen in Bezug auf Frakturen für mindestens 10 Jahre. Bei Beendigung der Therapie mit Denosumab sollte eine kurzfristige Therapie mit Bisphosphonaten angeschlossen werden, um den Therapieerfolg aufrechtzuerhalten. <br />Eine seltene, aber sehr gefürchtete Nebenwirkung sind avaskuläre Knochennekrosen. Hier muss zwischen osteoporotischen und onkologischen Therapien unterschieden werden. Bei nicht onkologischen Therapien kommt es sehr selten, nämlich in 0,001–0,01 % der Fälle, zum Auftreten dieser Nebenwirkung, die Häufigkeit ist mit der Inzidenz bei der Normalbevölkerung vergleichbar.<sup>15</sup> Seit Kurzem ist die Pathogenese der avaskulären Kiefernekrose bekannt, es handelt sich um eine Infektionskrankheit mit Actinomyceten. Therapiert wird langfristig antibiotisch mit Penicillin V, Amoxicillin oder Tetrazyklinen. Die antiresorptive Therapie muss nicht beendet werden.<sup>16</sup><br />Neben der medikamentösen Osteoporosetherapie sollte die regelmäßige körperliche Aktivität gefördert werden, um Muskelkraft, Koordination und Gleichgewicht zu verbessern.<sup>17</sup></p></p>
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<p><strong>1</strong> Kulpers JG, Zeidler H: Seropositive rheumatoide Arthritis. In: Zeidler H, Zacher I, Hiepe F (Hrsg): Interdisziplinäre klinische Rheumatologie. 2. Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag 2008. 497-536 <strong>2</strong> Schett G et al.: High-sensitivity C-reactive protein and risk of nontraumatic fracture in the Bruneck study. Arch Intern Med 2006; 166: 2495-301 <strong>3</strong> Kitaura H et al.: Immunological reaction in TNF-alpha-mediated osteoclast formation and bone resorption in vitro and in vivo. Clin Dev Immunol 2013; Article ID 181849 <strong>4</strong> Catrina Al et al.: Antitumor necrosis factor ther­apy increases synovial osteoprotegerin expression in rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum 2006; 54: 76-81 <strong>5</strong> Lange U et al.: Wirkung einer IL-6R-Inhibition bei Patienten mit rheumatoider Arthritis auf den Knorpel- und Knochenmetabolismus sowie die Knochendichte. Osteologie 2013; Suppl 01: P25 <strong>6</strong> Kleyer A et al.: Bone loss before the clinical onset of rheumatoid arthritis in subjects with anticitrullinated protein antibodies. Ann Rheum Dis 2014; 73: 854-60 <strong>7</strong> Harre U et al.: Induction of osteoclastogenesis and bone loss by human autoantibodies against citrullinated vimentin. J Clin Invest 2012; 122: 1791-802 <strong>8</strong> Krishnamurthy A et al.: Identification of a novel chemokine-dependent molecular mechanism underlying rheumatoid arthritis-associated autoantibody-mediated bone loss. Ann Rheum Dis 2016; 75(4): 721-9 <strong>9 </strong>Arain SR et al.: Low bone mineral density among patients with newly diagnoses rheumatoid arthritis. J Ayub Med Coll Abbottabad 2016; 28(1): 175-8 <strong>10</strong> Heberlein I et al.: Prophylaxis and treatment of osteoporosis in pa­tients with rheumatoid arthritis (ORA study). Z Rheumatol 2011; 70(9): 793-8, 800-2 <strong>11</strong> Balasubramanian A et al.: Glucocorticoid exposure and fracture risk in patients with new-onset rheumatoid arthritis. Osteoporos Int 2016; 27(11): 3239-49 <strong>12</strong> Strehl C et al.: Defining conditions where long-term glucocorticoids treatment has an acceptably low level of harm to facilitate implementation of existing recommendations: viewpoints from an EULAR task force. Ann Rheum Dis 2016; 75(6): 952-7 <strong>13</strong> Tran T et al.: Persistence of excess mortality following individual non-hip fractures: a relative survival analysis. J Clin Endocrinol Metab 2017; jc.2017-02656 <strong>14</strong> Arznei und Vernunft: Neue Osteoporose-Leitlinie und Patienteninformation. Journal für Mineralstoffwechsel & Muskuloskelettale Erkrankungen 2018; 25(2): 75-6 <strong>15</strong> Svejda B et al.: Positionspapier zur medikamentenassoziierten Osteonekrose des Kiefers (MRONJ). Wiener Med Wochenschr 2016; 166(1-2): 68-74 <strong>16</strong> Svejda B: Osteonecrosis of the jaw. 26. Osteoporoseforum, 3.–5. Mai 2018, St. Wolfgang <strong>17</strong> DVO-Leitlinie 2017: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose. http://www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/dvo-leitlinie-2017</p>
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