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Female Swiss Orthopaedics in Surgery

Weibliche Führungskräfte in der orthopädischen Chirurgie in der Schweiz

Die orthopädische Chirurgie, insbesondere die Wirbelsäulenchirurgie, ist traditionell ein von Männern dominiertes Gebiet. Die Landschaft verändert sich jedoch allmählich, da immer mehr Frauen in dieses Fachgebiet einsteigen und sich darin auszeichnen. Dieser Artikel untersucht den aktuellen Stand der weiblichen Vertretung einschliesslich der Führung in der orthopädischen Chirurgie in der Schweiz und beleuchtet die Herausforderungen, Chancen und Strategien zur Förderung von Geschlechtervielfalt und Inklusion.

Aktueller Stand der weiblichen Vertretung in der orthopädischen Chirurgie

Vertretung der Geschlechter

In der Schweiz ist der Frauenanteil in der orthopädischen Chirurgie im Vergleich zu anderen medizinischen Fachrichtungen nach wie vor gering. Jüngsten Daten der FMH-Statistik aus dem Jahr 2023 zufolge machen Frauen mit eidgenössischem Weiterbildungstitel 12,7% der orthopädischen Chirurg:innen aus, wobei ein noch viel kleinerer Prozentsatz auf Wirbelsäulenchirurgie spezialisiert ist.1 Noch geringer fällt der Anteil in Leitungsfunktionen in den 73 vom SIWF anerkannten Weiterbildungsstätten für Orthopädie aus – hier sind gerade einmal 1,5% der Führungspositionen weiblich besetzt.2 Diese Unterrepräsentation ist eine Tatsache, die zu denken gibt und kritisch hinterfragt werden sollte. Die fehlende Vielfalt und der Mangel an einer integrativen Belegschaft können sich negativ auf die Leistungsqualität auswirken.

Errungenschaften weiblicher Vorreiterinnen

Trotz der tiefen Zahlen haben mehrere Pionierinnen der Chirurgie bedeutende Beiträge auf diesem Gebiet geleistet. Diese Vorreiterinnen haben sich nicht nur in der klinischen Praxis hervorgetan, sondern auch Führungsrollen in akademischen und beruflichen Organisationen übernommen. Ihre Errungenschaften dienen als Inspiration für die nächste Generation von Chirurginnen. Die Universität Zürich war 1867 die erste Universität in Europa, die überhaupt Frauen zum Medizinstudium zuliess. 1873 schloss Marie Heim-Vögtlin als erste Schweizerin das Studium ab und war offiziell die erste Schweizer Ärztin.3 Viele folgten ihrem Beispiel, mittlerweile sind in der Schweiz zwei Drittel der Studienanfängerinnen weiblich.4

Herausforderungen, mit denen Chirurginnen konfrontiert sind

Geschlechterquoten und Vorurteile

Eine der grössten Herausforderungen ist die implizite und explizite geschlechtsspezifische Voreingenommenheit, die zwar nach und nach abnimmt, aber teilweise immer noch in diesem Bereich existiert. Als Lösung für dieses Ungleichgewicht wurden Geschlechterquoten vorgeschlagen, die jedoch oft auf Widerstand stossen. Kritiker argumentieren, dass Quoten die Leistungsgesellschaft untergraben könnten, während Befürworter glauben, dass sie notwendig sind, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Eine Quote darf niemals zulasten der Versorgungsqualität der Patienten durchgesetzt werden.

Abb. 1: Geschlechtervertretung in der orthopädischen Chirurgie in der Schweiz

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Die Vereinbarkeit einer anspruchsvollen chirurgischen Karriere mit persönlichen und familiären Verpflichtungen ist eine weitere grosse Herausforderung. Die langen Arbeitszeiten und die hohen Stresslevel, die mit der orthopädischen Chirurgie verbunden sind, können es Frauen erschweren, eine Work-Life-Balance zu halten, was zu Burnout und Fluktuation führen kann.

Mentoring und Networking

Der Zugang zu Mentoring und beruflichen Netzwerken ist für den beruflichen Aufstieg von entscheidender Bedeutung. Chirurginnen haben jedoch oft Schwierigkeiten, Mentoren und Sponsoren zu finden, die sie auf ihrem Karriereweg begleiten können. Dieser Mangel an Unterstützung kann ihren Fortschritt behindern und ihre Möglichkeiten für Führungsrollen einschränken.

Strategien, um eine weibliche Führungskraft zu werden

Aufbau eines unterstützenden Netzwerks

Der Aufbau eines robusten Unterstützungsnetzwerks ist für Chirurginnen, die Führungspositionen anstreben, unerlässlich. Dieses Netzwerk sollte Mentoren, Sponsoren und Kollegen umfassen, welche Anleitung, Unterstützung und Möglichkeiten für die berufliche Weiterentwicklung bieten können.

Nationale und internationale Fachgesellschaften

Die Swiss Female Orthopaedics Association (SFO) ist ein nationaler Verein, der sich der Unterstützung und Förderung der Karrieren von Frauen im Bereich der Orthopädie und der Wirbelsäulenchirurgie in der Schweiz widmet. SFO wurde gegründet, um die einzigartigen Herausforderungen anzugehen, mit denen orthopädische Chirurginnen konfrontiert sind, und konzentriert sich darauf, Frauen zu inspirieren, zu ermutigen und zu befähigen, ihre beruflichen und persönlichen Ziele durch verschiedene Programme und Initiativen wie Mentoring-Programme, Workshops und Stipendien zu erreichen.5

Internationale Verbände wie Women in Orthopaedics Worldwide (WOW) vernetzen weibliche Orthopädieverbände aus über 40 Ländern, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern und die Karrieren von Orthopädinnen weltweit zu unterstützen.

Advocacy- und Mentoring-Programme

Die Einrichtung von Advocacy- und Mentoring-Programmen, die speziell für Frauen in der orthopädischen Chirurgie entwickelt wurden, kann dazu beitragen, die einzigartigen Herausforderungen zu bewältigen, mit denen sie konfrontiert sind. Diese Programme können Schulungen, Ressourcen und Networking-Möglichkeiten bieten, um Chirurginnen zu stärken und sie auf Führungsrollen vorzubereiten.

Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Institutionen und Organisationen sollten Massnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben umsetzen, wie z.B. flexible Arbeitszeiten, Elternzeit und Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Diese Massnahmen können dazu beitragen, Chirurginnen zu binden und ihnen zu ermöglichen, eine chirurgische Tätigkeit und eventuell auch Führungspositionen zu übernehmen. Ohne Kompromisse im Privatleben wird es aber nicht funktionieren.

Förderung der Geschlechtervielfalt

Die Förderung der Geschlechtervielfalt in den Abteilungen und Berufsverbänden der orthopädischen Chirurgie ist von entscheidender Bedeutung. Dies kann durch gezielte Rekrutierungsbemühungen, geschlechtersensible Richtlinien und die Schaffung einer integrativen Kultur, die Vielfalt wertschätzt, erreicht werden.

Fazit

Obwohl der Frauenanteil in der orthopädischen Chirurgie in der Schweiz nach wie vor gering ist, gibt es in diesem Bereich gute Möglichkeiten für weibliche Führungspersönlichkeiten. Indem wir die Herausforderungen angehen und Strategien zur Unterstützung und Stärkung von Chirurginnen umsetzen, können wir eine vielfältigere und integrativere orthopädische Gemeinschaft schaffen. Die Errungenschaften bahnbrechender Chirurginnen sind ein Beweis ihres Potenzials, sich in diesem Fachgebiet zu profilieren und führend zu sein. Es ist unerlässlich, dass wir uns weiterhin für die Geschlechtervielfalt einsetzen und die notwendige Unterstützung leisten, um sicherzustellen, dass die nächste Generation von orthopädischen Chirurginnen erfolgreich sein kann.

Durch die Förderung eines Umfelds, in dem weibliche Führungskräfte geschätzt und unterstützt werden, können wir den Weg zu einer gerechteren und innovativeren Zukunft der orthopädischen Chirurgie ebnen. Führung in der orthopädischen Chirurgie erfordert jedoch ein hohes Mass an Bereitschaft, sich auf chirurgischer, wissenschaftlicher und Leitungsebene aus- und weiterzuentwickeln, was nur mit grossem Engagement und Einsatz zu erreichen ist.

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Abb. 2: Die Vorstandsmitglieder von Swiss Female Orthopaedics gemeinsam mit den drei Speakerinnen zum Thema «Bye Bye Cinderella – Female Leadership» am diesjährigen 84. Jahreskongress der Swiss Orthopaedics in Lausanne (v.l.n.r.): Dr. med. Corinne Zurmühle (Vorstand SFO), Dr. med. Nermine Habib (Vorstand SFO), Prof. Eva Segelov (Direktorin für klinische Forschung, Universität Bern), PD Dr. med. Cordula Netzer (SGS-Präsidentin), Dr. med. Frances Weidermann (SFO-Präsidentin), Dr. med. Jasmin Diallo, Andrea Rytz (Direktorin und CEO Schulthess Klinik, Zürich)

1 Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH): Berufstätige Ärzteschaft nach Hauptfachgebiet und Geschlecht. Verfügbar unter https://www.fmh.ch/files/pdf30/5.-aerzteschaft-nach-hauptfachgebiet-und-geschlecht.pdf ; zuletzt aufgerufen am 1.8.2024 2 FMH: Register der zertifizierten Weiterbildungsstätten. Verfügbar unter https://www.siwf-register.ch ; zuletzt aufgerufen am 7.7.2024 3 Siebel J: Dr. Marie Heim-Vögtlin – die erste Schweizer Ärztin. In: Schweizer Frauen der Tat: 1831–1854. Zürich, Leipzig, Stuttgart: Rascher, 1929. 235-53 4 Schweizer Bundesamt für Statistik (BFS): Studierende an den universitären Hochschulen: Basistabellen. Verfügbar unter https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/personen-ausbildung/tertiaerstufe-hochschulen/universitaere.assetdetail.16344892.html ; zuletzt aufgerufen am 1.8.2024 5 Swiss Female Orthopaedics: About us. Verfügbar unter https://swissfemaleorthopaedics.ch/about-us ; zuletzt aufgerufen am 1.8.2024

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