PAH-Therapiealgorithmus in Veränderung
Bericht:
Reno Barth
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Im Juni 2024 fand in Barcelona das 7th World Symposium on Pulmonary Hypertension (WSPH7) statt, auf dem ein neuer Therapiealgorithmus definiert wurde, der sich in einigen Punkten von den Empfehlungen der ERS aus dem Jahr 2022 unterscheidet. Die initiale Risikoeinstufung wird vereinfacht, die Empfehlung zur Monotherapie entfällt für fast alle Patientengruppen. Empfohlen wird auch der seit Kurzem in Europa zugelassene Aktivin-Inhibitor Sotatercept.
Algorithmen zum Management der pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH) gibt es seit mehr als 20 Jahren. Seit dieser Zeit hat sich der Zugang zu dieser Erkrankung grundlegend verändert, so Prof. Dr. Olivier Sitbon, Hôpital Bicêtre in Le Kremlin-Bicêtre, Frankreich, was in erster Linie mit der Entwicklung und Zulassung wirksamer Medikamente zu tun hat. Eine Konstante seit dem Jahr 2003 stellt die Empfehlung zu einem Vasoreaktivitätstest im Rechtsherzkatheter dar. Ein positiver Test ist ein ausgezeichnetes prognostisches Signal, denn es bedeutet, dass die Betroffenen gute Chancen haben, unter einer Monotherapie mit einem Kalziumkanalblocker über viele Jahre stabil zu bleiben. Leider trifft das nur auf rund 10 % der PAH-Patienten zu, die allerdings eine exzellente Prognose mit einem 5-Jahres-Überleben von 87 % haben. Rund die Hälfte dieser Gruppe bleiben Langzeit-Responder.1
Für alle PAH-Patienten, die nicht auf Kalziumblocker ansprechen, stehen mittlerweile zahlreiche Substanzen zur Verfügung, die jeweils einen von vier an der Pathophysiologie der Erkrankung beteiligten Signalwege beeinflussen – nämlich den Stickoxid(NO)-Signalweg, den Endothelin-Signalweg oder den Prostacyclin-Signalweg sowie den kürzlich hinzugekommenen TGF-Signalweg. Dabei wird grundsätzlich bereits initial eine Kombinationstherapie mit zwei Substanzen mit unterschiedlichem Wirkprinzip empfohlen. Die ERS-Leitlinie aus dem Jahr 2022 nimmt dabei aber explizit Patienten mit Komorbiditäten aus. Diese sollten eine Monotherapie mit einem PDE-5-Inhibitor (PDE-5i) oder einem Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (ERA) erhalten.2
Kombinationstherapie trotz Komorbiditäten empfohlen
Die Empfehlung für eine Monotherapie dürfte mittlerweile überholt sein. Denn in den soeben publizierten Empfehlungen des 7th World Symposium on Pulmonary Hypertension (WSPH7) entfällt die Trennung anhand von Komorbiditäten und es soll bei allen PAH-Patienten nach Diagnose lediglich zwischen „high risk“ und „not high risk“ differenziert werden. Selbstverständlich müssen Komorbiditäten bedacht werden, so Sitbon, doch dürfe man ihretwegen den Patienten nicht die bestwirksamen Therapien vorenthalten.3
Generell stellte die 2015 eingeführte Stratifizierung der Patienten in Risikogruppen einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der PAH-Algorithmen dar. Zuvor hatten sich die Empfehlungen an den NYHA-Funktionsklassen orientiert – „einem sehr subjektiven Maß“, so Sitbon. Empfohlen wird nun nach dem WSPH7 für alle Patienten, die in die „Not high risk“-Gruppe fallen, eine Zweifachkombination aus einem PDE-5i und einem ERA. Hingegen ist bei Hochrisikopatienten von Anfang an eine Dreifachkombination indiziert, bei der zu PDE-5i und ERA noch ein parenterales Prostacyclin hinzukommt. Diese Empfehlung basiere zwar nur auf Registerdaten, es sei jedoch in der Klinik offensichtlich, dass bei hohem Risiko das Ansprechen auf Dreifachkombinationen besser ist, erläutert Sitbon. Damit wurde der Algorithmus vereinfacht, denn die ERS-Leitlinie von 2022 unterschied auch im Hinblick auf die initiale Therapie noch zwischen „low risk“, „intermediate risk“ und „high risk“. Diese Vereinfachung konnte vorgenommen werden, da sich orale Zweifachkombinationen in einer breiten Patientenpopulation als Therapie der Wahl erwiesen haben, während Monotherapien weitgehend als obsolet angesehen werden. Sitbon weist darauf hin, dass Patienten, die früher in die „Intermediate risk“-Gruppe gefallen wären, nach dem neuen Algorithmus durchaus auch in das Hochrisiko-Stratum kommen können, wenn beispielsweise ungünstige hämodynamische Marker vorliegen.4
Unverändert: Das Therapieziel lautet niedriges Risiko
Für das Follow-up werden nach wie vor die vier Risiko-Strata aus der ERS-Leitlinie empfohlen. Das bedeutet, dass zwischen „low risk“ und „high risk“ noch „intermediate low risk“ und „intermediate high risk“ liegen. Hinsichtlich der Ziele gibt es keine Änderungen. Sowohl in der ERS-Guideline als auch im WSPH7-Algorithmus heißt das Therapieziel „low risk“. Dieser Niedrigrisiko-Status ist definiert durch die WHO-Funktionsklasse, die 6-Minuten-Gehstrecke (6MWD) sowie das BNP bzw. NT-proBNP als Maß für den Zustand des Myokards. Erreicht werden sollten Funktionsklasse 1 oder 2, ein normales NT-proBNP sowie eine 6MWD von mindestens 440 Metern. Die Bewertung sollte drei bis vier Monate nach Therapiebeginn erfolgen und im weiteren Verlauf regelmäßig wiederholt werden. Echokardiografie oder MRT können wichtige Informationen liefern, ihre Bedeutung im Rahmen des Follow-ups ist jedoch nicht genau definiert, so Sitbon.
Ein unverändertes Weiterführen der Therapie wird nur bei Niedrigrisiko-Status empfohlen. In allen anderen Konstellationen soll die Therapie eskaliert werden. Dies kann bei „intermediate low risk“ bedeuten, dass der PDE-5-Inhibitor durch einen Stimulator der löslichen Guanylatzyklase (sGC) ersetzt wird. Ebenso ist die Erweiterung auf eine Dreifachtherapie durch Hinzufügen einer oralen oder inhalativen Therapie mit Wirkung auf den Prostacyclin-Signalweg möglich. Infrage kommen Selexipag, orales Treprostinil oder inhalatives Treprostinil. „Intermediate high risk“ soll behandelt werden wie „high risk“, also mit einer Dreifachtherapie inklusive eines parenteralen Prostacyclins.
Neue Substanzklasse: Aktivin-Inhibitor verhindert kardiales Remodelling
Für alle Risikogruppen außer „low risk“ steht mittlerweile mit dem Aktivin-Inhibitor Sotatercept auch in Europa eine Substanz zur Verfügung, die über den bislang nicht genutzten TGF-Signalweg in die Pathophysiologie der PAH eingreift und das Gleichgewicht zwischen proliferativen und antiproliferativen Prozessen wiederherstellen soll. In der Phase-III-Studie STELLAR führte Sotatercept vor dem Hintergrund einer leitliniengerechten Therapie im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Verbesserung der 6-Minuten-Gehstrecke und wurde gut vertragen. Tatsächlich verbesserte sich die 6MWD unter Sotatercept nicht nur im Vergleich zu Placebo (+ leitliniengerechter Therapie), sondern auch im Vergleich zum Ausgangswert um rund 40 Meter. Auch fast alle sekundären Endpunkte (außer kognitiver und emotionaler Impact im PAH-SYMPACT) wurden erreicht.5
Nicht zuletzt besteht Hoffnung, dass Sotatercept das kardiale und vaskuläre Remodelling im Rahmen der PAH beeinflusst. So konnten in Analysen von STELLAR günstige Wirkungen auf die Funktion des rechten Ventrikels und die ventrikuläre Nachlast gezeigt werden. Die Dilatation des rechten Ventrikels nahm signifikant ab. Weiters konnte eine signifikante und stabile Senkung des Blutdrucks in der Lungenarterie (mPAP) um −13,9 mmHg gezeigt werden. Darüber hinaus nahmen der pulmonale Gefäßwiderstand ebenso wie der mittlere Druck im rechten Ventrikel und damit auch die Dilatation des rechten Ventrikels sowie die Regurgitation durch die Trikuspidalklappe signifikant ab. NT-proBNP wurde signifikant gesenkt sowie das Verhältnis von TAPSE („tricuspid annular plane systolic excursion“) zu pulmonalarteriellem Druck verbessert.6
Ungeachtet dieser therapeutischen Fortschritte wird auch in naher Zukunft in manchen Fällen von PAH eine Lungentransplantation erforderlich werden. Dies müsse bei „high risk“ und „intermediate high risk“ bedacht und rechtzeitig auch in diese Richtung geplant werden, so Sitbon. Bleibt ein „High risk“- oder „Intermediate high risk“-Status unter maximaler medikamentöser Therapie bestehen, so ist die Evaluation in Richtung Transplantation jedenfalls indiziert.
Quelle:
Session "Hot topics in pulmonary hypertension. Conclusions and controversies at the 7th World Symposium on Pulmonary Hypertension“; ERS 2024, am 10. September 2024
Literatur:
Gerhardt F et al.: Positive vasoreactivity testing in pulmonary arterial hypertension: therapeutic consequences, treatment patterns, and outcomes in the modern management era. Circulation 2024;149(20):1549-64
Humbert M et al.: 2022 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension. Eur Respir J 2023; 61(1): 2200879
Chin KM et al.: Treatment algorithm for pulmonary arterial hypertension. Eur Respir J 2024; 2401325. Online ahead of print
Boucly A et al.: Association between initial treatment strategy and long-term survival in pulmonary arterial hypertension. Am J Respir Crit Care Med 2021; 204(7): 842-54
Hoeper MM et al.: Phase 3 trial of sotatercept for treatment of pulmonary arterial hypertension. N Engl J Med 2023; 388(16): 1478-90
Souza R et al.: Effects of sotatercept on haemodynamics and right heart function: analysis of the STELLAR trial. Eur Respir J 2023; 62(3): 2301107
Das könnte Sie auch interessieren:
ERS Newsroom 2024
Informieren Sie sich hier über die Highlights des ERS International Congress 2024 in Wien.
Neue ERS/EBMT-Leitlinie zur Behandlung der pulmonalen cGvHD
Die chronische Graft-versus-Host-Erkrankung (cGvHD) ist eine schwere Komplikation, die nach einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (aHSCT) auftreten kann. Eine neue ...
Biologika anhand der Komorbiditäten auswählen
Für das Management des schweren Asthmas steht mittlerweile eine größere Zahl zugelassener Biologika zur Verfügung. Dies kann im klinischen Alltag die Wahl der Therapie erschweren. Neben ...