Die Lebensqualität bei Lungenemphysem verbessern
Autoren:
Dr. med. Gernot Seebacher1,2
Univ.-Prof. Dr. med. Clemens Aigner, MBA1,2
1 Abteilung für Thoraxchirurgie
Klinik Floridsdorf
Wiener Gesundheitsverbund
2 Ruhrlandklinik
Universitätsmedizin Essen – Westdeutsches Tumorzentrum
Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie
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Es klingt schon einigermassen paradox, wenn man ohnehin an Atemnot leidenden Patient*innen noch ein Stück Lunge entfernt, um die Atemnot zu lindern. Die technischen Möglichkeiten der Lungenvolumenreduktion haben sich deutlich erweitert, das Grundprinzip, ein schlecht funktionierendes Lungenareal auszuschalten und dadurch die Überblähung zu vermindern und den besser funktionierenden Lungenanteilen mehr Raum zu geben, hat sich jedoch nicht verändert.
Keypoints
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Die Lungenvolumenreduktion ist ein etabliertes und sicheres Verfahren zur Verbesserung der Lebensqualität von Patient*innen mit Emphysem.
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Die sorgfältige Selektion, die kompetente Betreuung über die Operation hinaus sowie die Expertise aller beteiligten Fachrichtungen sind entscheidend für den Erfolg.
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Bronchoskopische Verfahren stehen nicht in Konkurrenz zur LVRS, sondern stellen eine wertvolle Ergänzung dar.
Eine Lungenvolumenreduktion («lung volume reduction surgery»; LVRS) kann Patienten mit einem Lungenemphysem, die an einer ausgeprägten Überblähung der Lunge leiden, die es zu reduzieren gilt, angeboten werden.
Durch den National Emphysema Treatment Trial (NETT) wurden vor rund 20 Jahren Kriterien festgelegt, die den Rahmen abstecken, innerhalb dessen eine Lungenvolumenreduktion sicher und erfolgreich durchgeführt werden kann. Leider war die damalige Publikation kein ausreichender Anstoss, Lungenvolumenreduktion zu betreiben und anzubieten. Die Arbeit wurde vielfach falsch interpretiert und die Nachteile und die Gefahren mehr in den Vordergrund gerückt als die Vorteile. Dennoch haben sich einige Zentren weiter und erfolgreich damit beschäftigt und konnten wesentliche Fortschritte erzielen.
Techniken und Möglichkeiten zur LVRS – endoskopisch oder chirurgisch
Mittlerweile ist die minimal invasive Technik zur LVRS der etablierte Standard und es gibt zur chirurgischen Lungenvolumenreduktion ergänzend mehrere endoskopische Verfahren. Mit ausreichender Evidenz ist die Ventiltherapie etabliert; Coils, Vapor und andere Verfahren sollten lediglich im Studiensetting angeboten werden. Die Verfahren sind nicht in Konkurrenz zueinander zu sehen, sondern ergänzen sich gegenseitig und bieten auf Basis einer interdisziplinären Entscheidungsfindung in einem Emphysemboard die Möglichkeit, für jede/n die individuell beste Therapie zu wählen.
Die bronchoskopischen Verfahren sind dabei oft nur auf den ersten Blick weniger invasiv oder risikobehaftet. Auch für diese Eingriffe sind eine kritische Patientenselektion und Entscheidungsfindung durch ein erfahrenes Team Voraussetzung, um Komplikationen zu vermeiden. Bei entsprechender Selektion lassen sich mit allen Verfahren sehr gute funktionelle Langzeitergebnisse erzielen. Mit der bilateralen chirurgischen Lungenvolumenreduktion lassen sich im Mittel Verbesserungen der FEV1-Werte um 30% innerhalb des ersten Jahres erzielen.
Funktionelle Abklärung und Grundvoraussetzungen zur LVRS
Zur Abklärung sind neben der lungenfunktionellen Untersuchung und der Blutgasanalyse eine hochauflösende Computertomografie des Thorax, eine Perfusionsszintigrafie, ein 6-Minuten-Gehtest, ein Herzultraschall und eine Erfassung der Dyspnoe mittels standardisierter Fragebögen Grundvoraussetzung. Ein generelles Alterslimit existiert nicht. Es können sowohl heterogene als auch homogene Ausprägungen des Emphysems behandelt werden.
Das Vorhandensein einer Kollateralventilation, also das Vorhandensein einer Querverbindung der Lungenlappen über die Lungengrenzen bzw. Interlobien hinweg, ist für die chirurgische Lungenvolumenreduktion irrelevant, für die endoskopische Lungenvolumenreduktion mit Ventilen in der Regel eine Kontraindikation.
Wichtig ist, die Operation unter optimalen Gesamtvoraussetzungen durchzuführen. Im Fall einer Dekonditionierung sollte vor dem Eingriff eine Rehabilitation durchgeführt werden und ggf. der Ernährungszustand optimiert werden. Sowohl eine Adipositas als auch eine pulmonale Kachexie können eine Kontraindikation zur Lungenvolumenreduktion darstellen.
Ein aktiver Nikotinabusus ist eine absolute Kontraindikation für die LVRS wie auch eine höhergradige pulmonale Hypertension. Voroperationen bzw. Verwachsungen sind relative Kontraindikationen; solche Patient*innen sollten nur erfahrenen Zentren zugewiesen werden.
Selektionskriterien und diagnostische Verfahren zur LVRS
Eine LVRS kann ab einer FEV1 von <50% des Sollwertes bei einer TLC von >100% und einem RV von >150% erwogen werden. Eine FEV1 oder DLCO von <20% des Sollwertes ist in der Regel eine Kontraindikation.
Der erste Schritt nach der funktionellen Abklärung ist eine HR-CT, um eine StratX®-Analyse durchführen zu können. Es wird die Destruktion des Lungenparenchyms aus der CT beschrieben und ergänzt somit die Perfusionsszintigrafie, welche optimalerweise mit einem Single-Photon-Emissionscomputertomografen (SPECT) durchgeführt wird. Dabei werden die gut durchbluteten Areale der Lunge farblich hervorgehoben, um eine mögliche Zielzone zur Lungenvolumenreduktion zu erkennen. Hierbei kann auch ein homogenes Emphysem gut von einem heterogenen Emphysem unterschieden werden. Ebenso wird eine Analyse der Dichtigkeit der Fissuren durchgeführt, die der Evaluierung einer Kollateralventilation dient. Ergänzt werden diese Untersuchungen noch durch eine Bronchoskopie mit Chartis®-Messung zur Erfassung der Kollateralventilation. Dabei werden die Lappenbronchien mit einem Ballon geblockt und durch die Messung des Atemflusses und des Atemdrucks kann die Kollateralventilation quantifiziert werden.
Mittels Echokardiografie, im Zweifel auch mittels Rechtsherzkatheter, muss eine pulmonale Hypertension ausgeschlossen werden, wobei in einer milden Erhöhung des Pulmonalisdrucks keine absolute Kontraindikation zu sehen ist. Je nach Ausmass der Minderperfusion eines zu resezierenden Lungenareals konnte bereits gezeigt werden, dass auch trotz pulmonaler Hypertension gute funktionelle Ergebnisse ohne erhöhtes perioperatives Risiko erzielt werden.
Ein 6-Minuten-Gehtest wird benötigt, um die körperliche Gesamtleistungsfähigkeit zu quantifizieren. Hierbei sollten Gehstrecken zwischen 150m und 450m erzielt werden.
Obligat sollte zudem ein Cotinintest im Urin oder im Blut durchgeführt werden, um einen Nachweis für die erforderliche Nikotinkarenz des Patienten zu haben. Alternativ kann auch das COHb herangezogen werden.
Mit all diesen Untersuchungen sollte der Patient einem Emphysemboard unter Beteiligung der Thoraxchirurgie, Pneumologie und Radiologie vorgestellt werden und das optimale therapeutische Verfahren erarbeitet werden.
Das Funktionsprinzip der Lungenvolumenreduktion
Abb. 1: Emphysematöse Lunge mit Ventilen im linken Oberlappen und konsekutive Atelektase
Wie kann man nun mithilfe einer chirurgischen LVRS eine Verbesserung der Lungenfunktion erreichen? Das Prinzip basiert vor allem auf der Reduktion der Überblähung. Stark destruierte und überblähte Areale werden reseziert und damit den besser perfundierten Arealen mehr Platz eingeräumt und die Zwerchfellposition normalisiert. Dies führt zu einer Verbesserung der Atemmechanik und auch der Zwerchfellarbeit (Abb. 1–3).
Abb. 2: Zwerchfellposition vor LVRS
Abb. 3: Zwerchfellposition nach Lungenvolumenreduktion aus dem Oberlappen bds.
Chirurgisch sollte eine LVRS nach Möglichkeit immer minimal invasiv, also thorakoskopisch durchgeführt werden. Es konnte gezeigt werden, dass eine einzeitige Operation beider Seiten deutlich bessere funktionelle Ergebnisse ergibt als eine einseitige Operation. Im Zuge der Operation bedarf es der guten Zusammenarbeit zwischen Anästhesie und Chirurgie, um hohe Beatmungsdrücke zu vermeiden und insbesondere nach der Operation die Lunge sehr schonend zu belüften und die Extubation durchzuführen.
Blähmanöver wie im Rahmen einer konventionellen Lungenoperation üblicherweise durchgeführt, sollten äusserst behutsam durchgeführt oder überhaupt unterlassen werden, da dies zu Parenchymrissen führen kann. Gerade das Interlobium oder die Resektionslinie sind hier Prädilektionsstellen.
Der Patient sollte sehr behutsam ohne Pressen oder Hustenstösse aufwachen und im Operationssaal von der Beatmung entwöhnt werden. Es ist zudem üblich, die Patienten eine Nacht auf der Intensivstation nachzubetreuen. Dies gilt auch für Patienten nach Ventilimplantation, welche zu einem gehäuften Auftreten von Pneumothoraces postinterventionell neigen.
Der positive funktionelle Effekt der Lungenvolumenreduktion ist in der Regel zeitlich begrenzt. Ein Benefit ist meist bis zu 2–5 Jahre zu sehen. In unserer kürzlich bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie präsentierten Analyse konnten wir eine Verbesserung der FEV1 von über 30% nach 3 Monaten und über 25% nach 6 Monaten postoperativ zeigen. Demgegenüber stand eine Reduktion des RV um knapp über 20% nach 3 Monaten und knapp unter 20% nach 6 Monaten. In gut selektierten Fällen ist die LVRS auch eine gute Methode, eine Lungentransplantation hinauszuzögern. Eine vorangegangene LVRS ist keine Kontraindikation zur Lungentransplantation.
Der Erfolg eines Programms zur Emphysemchirurgie (LVRS) wird jedenfalls hauptsächlich durch die sorgfältige Selektion der Patienten bestimmt und eine kompetente Betreuung im Verlauf rund um die Operation. Wie bei allen komplexen Therapien lassen sich die besten Ergebnisse der Lungenvolumenreduktion in erfahrenen Zentren erzielen, an denen in allen beteiligten Fachrichtungen eine entsprechende Expertise besteht.
Weiterführende Literatur:
• Slama A et al.: Lung volume reduction followed by lung transplantation in emphysema – a multicenter matched snalysis. Transpl Int 2022; 35: 10048 • Slama et al.: Lung volume reduction followed by lung transplantation-considerations on selection criteria and outcome. J Thorac Dis 2018; 10: 3366-75 • Darwiche K, Aigner C: Clinical management of lung volume reduction in end stage emphysema patients. J Thorac Dis 2018; 10: 2732-7 • Caviziel C et al.: Lung volume reduction surgery beyond the NETT selection criteria. J Thorac Dis 2018; 10: 2748-53
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