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Erster Lehrstuhl für Gendermedizin in der Schweiz

Die Universität Zürich besetzt mit 1. Mai 2024 den ersten Lehrstuhl für Gendermedizin in der Schweiz. Es geht darum, geschlechtsspezifische, biologische und soziale Unterschiede in Lehre und Forschung stärker zu berücksichtigen.

Zürich. Gendermedizin studieren kann man berufsbegleitend in der Schweiz schon länger. Nun hat die Universität Zürich (UZH) den ersten Lehrstuhl für Gendermedizin in der Schweiz geschaffen, um diese Forschung voranzutreiben. Ab 1. Mai 2024 wird Professorin Carolin Lerchenmüller diese Position innehaben. Die Kardiologin formuliert eine der wesentlichen Herausforderungen wie folgt: «Wir müssen lernen, geschlechtsspezifische Symptome als typisch anzusehen und nicht als atypisch abzustempeln». Der Herzinfarkt ist dafür ein gutes Beispiel, das mittlerweile immer häufiger in der Öffentlichkeit auftaucht, um die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu verdeutlichen. «Die Herzinfarktsymptome bei Frauen sind häufig diffuser», erklärt Gendermedizinerin Lerchenmüller, dazu zählen «etwa Magen-, Rücken- oder Kieferschmerzen». Statt in der Kardiologie landen betroffene Frauen deshalb oft zuerst bei Neurolog:innen oder Orthopäd:innen. Sie verweist auf eine Studie, die zeigt: Frauen mit einem Herzinfarkt erhalten seltener die optimale Therapie, und sollten sie diese doch bekommen, dann oft mit Verspätung. Wichtig sei es daher zum einen das Gesundheitspersonal besser zu sensibilisieren, zum anderen aber auch die Bevölkerung darüber aufzuklären, welche Symptome auf einen Herzinfarkt hindeuten.

Neue Wege in der Forschung

Geht es darum, möglichst massgeschneiderte Behandlungen für Menschen zu entwickeln, sind geschlechtsspezifische biologische und soziale Unterschiede wichtige Faktoren. Das klingt logisch, ist in der praktischen Umsetzung aber längst nicht gang und gäbe. Die Gendermedizin sei «ein wichtiger Teil der Präzisionsmedizin», sagt UZH-Professorin Beatrice Beck Schimmer. Als Ziel formuliert sie, individuellere Diagnosen und Therapien zu entwickeln, um die Genesung zu beschleunigen und zu verbessern. «In vielen Bereichen der Medizin war der Mann der Prototyp», weiss Schimmer. Deshalb wurden Krankheiten bei Frauen in der Vergangenheit erst spät oder gar nicht erkannt, weil die Diagnose vor allem auf männliche Symptome ausgerichtet war.
Mittlerweile zeichnet sich hier eine Veränderung ab. «Heute wird in der Forschung nur noch selten mit dem Mann als Prototyp gearbeitet», beobachtet UZH-Neurologie-Professorin Susanne Wegener, die zu Kopfweh, Migräne und Schlaganfall forscht – und dies auch mit Blick auf die Gendermedizin. In der Forschung und bei klinischen Studien setze sich zunehmend der Standard durch, dass die Geschlechter repräsentativ vertreten sein müssen – es sei denn, es geht um männer- oder frauenspezifische Themen wie Prostataerkrankungen oder Eierstockkrebs.
Für Lerchenmüller ist jedenfalls klar: «Wenn wir eine gerechtere und bessere Medizin wollen, müssen die Forschungsteams diverser werden.» Dabei gehe es nicht nur um mehr Frauen in der Medizin, sondern ganz grundsätzlich um mehr Diversität. «Diverse Forschungsteams sorgen für vielfältigere Perspektiven auf dasselbe Problem und damit potenziell für bessere Lösungen». Mit der nun ersten Professur für Gendermedizin will Lerchenmüller Akzente in genau diese Richtung setzen. (red)

Quelle: UZH

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