Psychedelika in der Psychiatrie und Psychotherapie
Autoren:
David Elmiger, MSc1
Prof. Dr. med. Gregor Hasler1,2
1Department Medizin, Universität Freiburg
2Lake Lucerne Institute, Vitznau
Korrespondenz:
Prof. Dr. med. Gregor Hasler
Universitäres Zentrum für Psychiatrische Forschung
Freiburger Netzwerk für psychische Gesundheit
Villars-sur-Glâne
E-Mail: gregor.hasler@unifr.com
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Psychedelika sind bewusstseinsverändernde Substanzen, die zunehmend in der Behandlung von Depressionen, Angststörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen zur Augmentierung der Psychotherapie eingesetzt werden. Entgegen früherer Annahmen erweisen sich diese Substanzen in einem kontrollierten Umfeld und bei sorgfältiger Auswahl der Patienten als sehr sicher und weisen wenige bis keine unerwünschten Nebenwirkungen auf. Darüber hinaus zeigen Psychedelika vielversprechendes therapeutisches Potenzial bei einer Vielzahl weiterer Störungen.
Keypoints
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Bei richtiger Anwendung bietet die Psychedelika-assistierte Psychotherapie (PAP) eine effektive und sichere Ergänzung zu klassischer Psychotherapie zur Behandlung von Depressionen, Angststörungen und PTBS.
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Psychedelika entfalten ihre therapeutische Wirkung durch die Förderung der Neuroplastizität, den Helioskop-Effekt, die verstärkte Lebendigkeit autobiografischer Erinnerungen, die veränderte Wahrnehmung des Selbst, die Verstärkung positiver Emotionen sowie die Verbesserung der therapeutischen Beziehung.
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Um den Erfolg und die Sicherheit der PAP zu gewährleisten, sind eine sorgfältige Auswahl der Patienten, eine kontrollierte und einladende Umgebung sowie die Einbettung der Substanzsitzungen in eine umfassende Psychotherapie zentral.
Als Psychedelika wird eine Gruppe von psychoaktiven Substanzen bezeichnet, welche zu alternativen Bewusstseinszuständen führen und dabei die Wahrnehmung, Stimmung und verschiedene kognitive Funktionen stark verändern. Der Begriff «Psychedelika» entstammt dem Altgriechischen (psyche=Geist, Seele, und delos=offenbar, sichtbar) und kann mit «den Geist offenbarend» übersetzt werden. Die bedeutendsten Psychedelika umfassen Lysergsäurediethylamid (LSD), Psilocybin, 3,4-Methylendioxy-N-Methylamphetamin (MDMA), Dimethyltryptamin (DMT) und Meskalin. Klassische Psychedelika entfalten ihre psychoaktiven Effekte hauptsächlich über ihre Wirkung als Agonisten an Serotonin-5-HT2A-Rezeptoren. Die pharmakologische Wirkung des nicht klassischen Psychedelikums MDMA basiert hingegen hauptsächlich auf einer allgemeinen Erhöhung der Serotonin-, Dopamin- und Noradrenalinausschüttung sowie einer Hemmung der Wiederaufnahme dieser Neurotransmitter in Verbindung mit einer Oxytocinausschüttung.
In der Therapie werden Psychedelika zur Behandlung einer Vielzahl von psychischen Erkrankungen verwendet. Dazu gehören behandlungsresistente Depressionen, Angststörungen, Abhängigkeitsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), Zwangsstörungen, Essstörungen sowie Clusterkopfschmerzen. Psychedelika führen zu keiner körperlichen Abhängigkeit und gelten als physiologisch unbedenklich.1 Ebenso haben klinische Studien keine schwerwiegenden oder anhaltenden unerwünschten Wirkungen festgestellt, wenn Psychedelika in einem unterstützenden psychotherapeutischen Umfeld an sorgfältig ausgewählte Patienten verabreicht werden.2
Psychedelika-assistierte Psychotherapie (PAP)
Seit Anfang der 2000er-Jahre gezeigt werden konnte, dass Psychedelika für geeignete Personen und in einer kontrollierten Umgebung sicher sind, haben auch klinische Studien und das therapeutische Interesse an diesen Substanzen stark zugenommen. Seit 2014 stellt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) Ausnahmebewilligungen zur beschränkten medizinischen Anwendung von LSD und MDMA gemäss Schweizer Betäubungsmittelgesetz zur Verfügung und seit 2021 auch für Psilocybin. In den letzten 9 Jahren wurden in der Schweiz im Rahmen dieser gesetzlichen Regelung schätzungsweise 2000 bis 3000 Behandlungen mit Psychedelika durch ungefähr 60 Therapeuten durchgeführt (Abb. 1).3 Eine legale Durchführung einer PAP ausserhalb von klinischen Studien mit Bewilligung der offiziellen Behörden ist in dieser Art weltweit einzigartig.
Abb. 1: Gesamtzahl der Erst- und Fortsetzungsbewilligungen für MDMA, LSD und Psilocybin in den Jahren 2014 bis 2023 in der Schweiz (adaptiert nach Aicher et al. 2024)3
In der Regel rechnet man in der PAP mit etwa 4 bis 10 Substanzsitzungen, in schweren Fällen auch mehr – eingebettet in etwa 30 bis 150 Psychotherapiesitzungen. Es handelt sich also um eine umfassende Therapie, die zusätzlich zu den Substanzsitzungen eine längere Psychotherapie vor und nach jeder Substanzsitzung beinhaltet. Die Patienten nehmen im Durchschnitt ungefähr alle 3 Monate an einer Substanzsitzung teil.3 Im Folgenden werden die wichtigsten psychedelischen Substanzen und ihre therapeutischen Anwendungen aufgelistet.
LSD & Psilocybin
Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann synthetisierte 1938 Lysergsäurediethylamid (LSD) und entdeckte 1943 dessen bewusstseinsverändernde Eigenschaften. 1958 gelang es ihm zudem, Psilocybin als psychoaktiven Bestandteil der psilocybinhaltigen Pilze zu identifizieren und es danach auch synthetisch herzustellen. LSD und Psilocybin werden heute vor allem in der Behandlung von Depressionen, Angststörungen und Abhängigkeitsstörungen angewendet, wobei die Behandlung von Depressionen mit Psilocybin am besten erforscht ist. Zusätzlich können beim BAG Anträge für Anwendungen mit weniger strengem psychotherapeutischem Schwerpunkt gestellt werden wie beispielsweise für die Behandlung von Migräne, Clusterkopfschmerzen und chronischen Schmerzen mit LSD oder für das Microdosing von LSD bei Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS).3
Psilocybin wird im Körper zu Psilocin metabolisiert, das dann wie LSD als Agonist an den Serotonin-5-HT2A-Rezeptoren wirkt.4 LSD und Psilocybin haben generell eine sehr ähnliche Wirkweise, wobei die Wirkungsdauer für LSD etwa 10 Stunden, für Psilocybin hingegen nur 6 Stunden beträgt. Psilocybin wird sowohl basierend auf dem Körpergewicht als auch in standardisierten Mengen verabreicht. Für therapeutische Zwecke wird eine Anfangsdosis von 20–25mg empfohlen, die in späteren Sitzungen, abhängig von der Verträglichkeit des Patienten oder der Patientin, auf 30–40mg erhöht werden kann. Bei LSD liegt die übliche therapeutische Dosis bei etwa 100µg, während 200µg als hohe Dosis betrachtet wird. In der therapeutischen Anwendung wird empfohlen, mit einer geringeren Dosis von 50µg oder 100µg zu beginnen. Wenn diese Dosis gut vertragen wird und stärkere Effekte gewünscht sind, kann sie auf 150–200µg erhöht werden. Hinsichtlich der psychologischen Wirkung entsprechen 100µg LSD etwa 20mg Psilocybin.5
Seit Psilocybin 2021 in die beschränkte medizinische Ausnahmeregelung des BAG aufgenommen wurde, haben die Behandlungen mit Psilocybin stark zugenommen und übertreffen die Anzahl von LSD-Behandlungen bereits bei Weitem. Dies ist wahrscheinlich auf die kürzere Wirkdauer von Psilocybin im Vergleich zu LSD zurückzuführen, die eine einfachere und kostengünstigere therapeutische Anwendung ermöglicht. Die Behandlung von Depressionen mit Psilocybin führt nachweislich zu weniger Nebenwirkungen als die Standardbehandlung mit einem SSRI. Im Gegensatz zu klassischen Antidepressiva kann Psilocybin hingegen häufig Konfrontationen mit traumatischen Erinnerungen auslösen, was bei klassischen Antidepressiva in der Regel nicht der Fall ist.6 In der praktischen Anwendung wird daher eine Therapie mit LSD oder Psilocybin häufig erst nach vorherigen Erfahrungen mit MDMA eingeleitet. Im Vergleich zu LSD oder Psilocybin wird MDMA als weniger überwältigend und psychologisch verträglicher beschrieben, bewirkt jedoch auch weniger tiefgreifende Veränderungen des Bewusstseins und des Selbstgefühls.
MDMA
MDMA wurde 1912 von Merck&Co. synthetisiert, wobei das Potenzial seiner psychoaktiven Effekte erst nach erneuter Synthetisierung durch den Chemiker Alexander Shulgin im Jahr 1978 erkannt wurde. In den letzten 20 Jahren wurde MDMA intensiv für die Behandlung der PTBS erforscht, wobei die Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung bestätigt werden konnte.7 Im Gegensatz zu klassischen Psychedelika wird MDMA wegen seiner Empathie-steigernden Effekte auch als Empathogen oder Entaktogen bezeichnet. Dabei führt MDMA zu einer emotionalen Öffnung und wirkt angstreduzierend,4 was Patienten ermöglicht, sich sonst überwältigenden Traumata zu stellen8. Ein weiteres therapeutisch nützliches Merkmal von MDMA besteht in einer raschen Verbesserung und Vertiefung der therapeutischen Allianz und des Vertrauens.
Für Männer wird eine Standarddosis von 125mg und für Frauen, da sie intensiver und mit stärkeren Nebenwirkungen auf MDMA reagieren, eine Dosis von 100mg empfohlen, was als sicher und gut verträglich betrachtet wird.5
DMT
DMT kommt in vielen Pflanzen natürlich vor. Es kann im menschlichen Körper aus dem Aminosäurevorläufer Tryptophan synthetisiert werden. Die Wirkung von gerauchtem oder intravenös verabreichtem DMT setzt schnell ein und hält etwa 15–30 Minuten an. Oral eingenommenes DMT wird im Körper in der Regel abgebaut, bevor die Wirkung einsetzt. DMT ist auch als psychoaktiver Bestandteil von Ayahuasca bekannt, einem traditionellen Getränk aus dem Amazonasgebiet, das zusätzlich MAO-Hemmer enthält, die den Abbau von DMT verhindern. Oral eingenommen in Form von Ayahuasca kann die Wirkung daher mehrere Stunden anhalten.
DMT wurde bisher hauptsächlich bei gesunden Versuchspersonen erforscht. Einzelne Studien mit Ayahuasca haben jedoch antidepressive und angstreduzierende Effekte gezeigt.5 Die therapeutische Anwendung soll ähnlich wie bei LSD und Psilocybin erfolgen, jedoch gibt es in der Schweiz bisher keine beschränkte medizinische Anwendung von DMT oder Ayahuasca.
Meskalin
Meskalin kommt natürlich in Peyote und San-Pedro-Kakteen vor und hat eine lange Geschichte der Verwendung bei traditionellen rituellen Praktiken indigener Völker in Nord- und Südamerika. Von den erwähnten Substanzen ist Meskalin am wenigsten erforscht, wobei die meiste Forschung bei gesunden Probanden durchgeführt wurde. Der Konsum von Meskalin scheint sicher zu sein und führt zu Verbesserungen im psychischen Wohlbefinden. Da die pharmakologischen Mechanismen von Meskalin denen von Psilocybin und LSD ähneln, lässt sich annehmen, dass Meskalin ebenfalls ein Potenzial für eine therapeutische Anwendung bei ähnlichen Indikationen aufweist.9
Ausschlusskriterien
Potenzielle Kandidaten für eine PAP müssen mindestens 18 Jahre alt sein (25 Jahre in der Praxis mit klassischen Psychedelika). Ebenso wird eine gewisse psychische Stabilität von den Patienten gefordert, weshalb ein akutes Suizidrisiko sowie aktuelle oder frühere psychotische Erkrankungen, bipolare Störungen oder Borderline-Persönlichkeitsstörungen Ausschlusskriterien sind. Auch eine familiäre Vorbelastung mit diesen Erkrankungen bei Verwandten ersten Grades kann zum Ausschluss führen. Es wird für möglich gehalten, dass Psychedelika bei Personen mit einer entsprechenden Veranlagung eine Schizophrenie auslösen können, dies ist jedoch noch nicht bestätigt.
Darüber hinaus müssen Patienten in der Lage sein, Medikamente abzusetzen, die mit Psychedelika interagieren könnten, besonders Medikamente, welche mit den Serotonin-5-HT2A-Rezeptoren interagieren. Dies gilt vor allem für MDMA. Bei Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko oder schwerer Hypertonie sollte MDMA nicht angewendet werden. Auch Personen mit Epilepsie sowie schwangere oder stillende Frauen müssen von der PAP ausgeschlossen werden.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Psychedelika können unerwünschte Nebenwirkungen haben, die jedoch bei kontrollierter therapeutischer Anwendung in den meisten Fällen nur kurzfristig auftreten. Häufige Nebenwirkungen umfassen Kopfschmerzen, Übelkeit und Angst. Bei LSD und Psilocybin gibt es kein Abhängigkeitsrisiko und keine Hinweise auf Neurotoxizität. In seltenen Fällen erleben Personen einzelne kurze «Flashbacks» innerhalb einer Woche nach Substanzeinnahme. Solche Flashbacks sind meistens von visueller Natur und werden grösstenteils als neutral oder positiv bewertet. Bei den seltenen länger anhaltenden Nebenwirkungen handelt es sich um psychologische Erscheinungen.
MDMA kann ebenfalls unerwünschte Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Kieferverspannungen verursachen, die im medizinischen Kontext jedoch meist kein Problem darstellen. Entgegen früherer Annahmen verursacht der gelegentliche Einsatz von MDMA keine Neurotoxizität oder längerfristige kognitive Defizite. MDMA führt hingegen seltener zu psychischen Belastungen als klassische Psychedelika. Unerwünschte Nebenwirkungen können durch den Ausschluss von Risikopatienten stark minimiert werden.
Die chronische Einnahme von Serotonin-5-HT2B-Rezeptor-Agonisten kann zu Herzerkrankungen (Fibrose, Herzklappenfehler) führen. Da Psychedelika ebenfalls agonistisch an 5-HT2B-Rezeptoren wirken, könnte eine chronische Einnahme (auch chronisches Microdosing) über mehrere Monate möglicherweise ebenfalls zu Fibrosen führen. Für die unregelmässige Einnahme im Rahmen einer PAP sollte dies kein Problem darstellen. Weitere Forschung ist jedoch erforderlich, um potenzielle Nebenwirkungen von chronischem Konsum besser zu verstehen.10
Erklärungsansätze der therapeutischen Wirkung
Die therapeutische Wirkung von Psychedelika wird oft mit ihren neuroplastizitätsfördernden Eigenschaften in Verbindung gebracht, wobei sich das Fenster der erhöhten Neuroplastizität innerhalb weniger Stunden nach der Einnahme zu öffnen scheint und mehrere Tage anhält. Die neuroplastischen Veränderungen, die während dieser Zeit auftreten, können jedoch noch mindestens einen Monat nach Einnahme der Substanz anhalten. Durch die erhöhte Neuroplastizität scheinen Erfahrungen zu stärkeren psychischen Veränderungen führen zu können.11 Patienten können sich dadurch besser an neue Situationen anpassen und Lernprozesse in der Psychotherapie werden verstärkt.8
Ein weiterer für die Therapie bedeutsamer Effekt der Psychedelika ist die veränderte Wahrnehmung des Selbst, welche es dem Patienten ermöglichen kann, die eigenen Probleme als unbeteiligter Beobachter zu betrachten. Dieser Effekt wird auch als «Helioskop-Effekt» beschrieben. Ein Helioskop ist ein astronomisches Teleskop, das es ermöglicht, direkt in die Sonne zu schauen, ohne von ihrer Helligkeit überwältigt zu werden. Gleichermassen scheinen Psychedelika eine protektive Wirkung zu haben, die es Patienten ermöglicht, sich sonst überwältigenden traumatischen Erinnerungen zu stellen. Dieser Effekt scheint bei MDMA am stärksten ausgeprägt zu sein, weshalb es die Substanz der Wahl bei der Behandlung von PTBS ist.12
Psychedelika verstärken auch die Lebendigkeit autobiografischer Erinnerungen und stimulieren dabei besonders das Wiedererleben von Erinnerungen, die affektiv intensiv (positiv oder negativ bewertet) sind und die zuvor vermieden oder vergessen wurden.13 Das lebendige Wiedererleben solcher Erinnerungen aus der eigenen Vergangenheit kann helfen, diese differenzierter zu verstehen. Des Weiteren werden positive Emotionen wie Dankbarkeit, Vergebung, Freude und Mitgefühl verstärkt, was die Bearbeitung von sozialen Problemen und Konflikten erleichtert.8
Zentrale therapeutische Faktoren
Set und Setting
Der mentale Zustand der Patienten, auch als «Set» bezeichnet, und die Umgebung und der Kontext, bekannt als «Setting», spielen eine zentrale Rolle für die therapeutische Wirkung und Sicherheit der Behandlung.
Das Set umfasst dabei die aktuelle Stimmung, Erwartungen, Ängste und Hoffnungen der Patienten. Durch ein ausführliches Screening und den Ausschluss von ungeeigneten Patienten werden starke vorhersehbare negative Auswirkungen eines unpassenden Sets bereits vor der Substanzeinnahme verhindert. Ebenfalls ist es wichtig, negative wie auch übertrieben positive Erwartungen der Patienten vor der Therapie in eine angepasste Richtung zu lenken.14
Ein gutes Setting zeichnet sich durch einen möglichst störungsfreien Raum aus, der als angenehm und sicher empfunden wird. Dies beinhaltet bequeme Möbel, eine passende und unaufdringliche Dekoration sowie einen angenehmen Geruch. Eine gute Belüftung und eine nahegelegene Toilette sind ebenfalls wesentliche Elemente, die zu einem förderlichen Setting beitragen. Die psychedelischen Sitzungen sollten sich auf natürliche Weise entwickeln können. Es sollte nicht versucht werden, bestimmte Themen zu erzwingen, weil so die Gefahr besteht, dass der Patient überwältigt oder sogar retraumatisiert wird.
Therapeut
Im Kontext einer PAP verdient der Therapeut besondere Beachtung. Es sind nicht nur die bereits erwähnten drei S (Substanz, Set und Setting), welche die Wirkung von Psychedelika bestimmen, sondern vielmehr die vier S: Substanz, Set, Setting und Sitter (Therapeut). Mit der Popularisierung der PAP nimmt auch die Zahl an neuen Therapeuten in diesem Feld zu. Die Durchführung einer PAP stellt besonders hohe Anforderungen an die Therapeuten und es ist nicht jeder in der Lage, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Der Therapeut darf von den hochemotionalen Prozessen der Patienten, die durch die Psychedelika intensiviert werden, nicht überfordert sein. Sonst besteht die Gefahr, dass der Heilungsprozess eher gestört als gefördert wird. Die Rolle des Therapeuten ist deshalb von zentraler Bedeutung.
Der Therapeut muss nicht nur fachlich kompetent sein, sondern auch eine stabile emotionale und psychologische Grundlage mitbringen. Die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren und eine sichere Bindung zum Patienten aufzubauen, ist entscheidend, um die tiefgreifenden und oft herausfordernden Erfahrungen der Patienten angemessen zu begleiten. Ein Therapeut, der in der Lage ist, seine eigenen Emotionen und Reaktionen zu kontrollieren, kann seinen Patienten einen sicheren Rahmen bieten, der die therapeutischen Prozesse unterstützt und fördert. Ebenso spielt dementsprechend der mentale Zustand des Therapeuten eine wichtige Rolle. Fühlt sich der Therapeut nicht in der entsprechenden Verfassung, sollte die PAP nicht durchgeführt werden.3,8,14
Integration
Um das therapeutische Potenzial von Psychedelika voll auszuschöpfen und möglichen psychologischen Nebenwirkungen wie Verwirrung, Retraumatisierung und Angst vorzubeugen, werden in den Tagen oder Wochen nach der Substanzeinnahme sogenannte «Integrationssitzungen» durchgeführt, in welchen der Therapeut die psychedelischen Erfahrungen des Patienten bespricht und einordnet. Im Idealfall sind die Integrationssitzungen eingebettet in eine Psychotherapie.
Gruppen- vs. Einzeltherapie
In der Regel finden die psychotherapeutischen Sitzungen individuell statt, während die Substanzsitzungen sowohl als Einzel- als auch als Gruppentherapie durchgeführt werden können. Bei den Einzeltherapien sind üblicherweise zwei Therapeuten für einen Patienten zuständig. Gruppentherapien hingegen bestehen aus 3 bis 14 Teilnehmern und werden häufig von 2 bis 4 Therapeuten betreut.15 Obwohl Patienten anfänglich oft skeptisch gegenüber Gruppentherapien sind und sich nicht alle für dieses Setting eignen, kann der wachsende Gruppenzusammenhalt einen wertvollen Austausch und gegenseitige Unterstützung fördern, die von den Teilnehmern letztlich geschätzt werden.16
Musik
Oft wird Musik genutzt, um die Erfahrung zu begleiten. Durch den Einsatz von ausgewählter Musik kann der Fokus nach innen gerichtet und die Gedanken können auf die innere Erfahrung konzentriert werden. Die passende Musik kann aus diesem Grund als therapeutisches Tool sehr wertvoll sein.
Dank
Wir bedanken uns herzlich bei Dr. med. Peter Oehen, der mit seiner Expertise und seinem fundierten Feedback zur Qualität dieses Artikels beigetragen hat.
Literatur:
1 Nichols DE: Psychedelics. Phamacological Reviews 2016; 68: 264-355 2 Bahji A et al.: Efficacy and safety of four psychedelic-assisted therapies for adults with symptoms of depression, anxiety, and posttraumatic stress disorder: A systematic review and meta-analysis. J Psychoactive Drugs 2023; online adhead of print 3 Aicher HD et al.: Psychedelika-assistierte Psychotherapie. Erfahrungen mit der beschränkten medizinischen Anwendung von LSD, MDMA und Psilocybin in der Schweiz. Die Psychotherapie 2024; 69: 98-106 4 Kwan AC et al.: The neural basis of psychedelic action. Nat Neurosci 2022; 25: 1407-19 5 Liechti M: Experten-Bericht: Stand und Entwicklungsszenarien in Bezug auf die medizinische Behandlung und klinische Forschung mit Halluzinogenen und MDMA. Zu Händen: Bundesamt für Gesundheit BAG und interessierter Fachgesellschaften/Fachpersonen. 2019 6 Carhart-Harris R et al.: Trial of psilocybin versus escitalopram for depression. N Engl J Med 2021; 384: 1402-11 7 Reiff CM et al.: Psychedelics and psychedelic-assisted psychotherapy. Am J Psychiatry 2020; 177: 391-410 8 Hasler G: Higher Self – Psychedelika in der Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag, 2022 9 Vamvakopoulou IA et al.: Mescaline: The forgotten psychedelic. Neuropharmacol 2023; 222: 109294 10 Rouaud A et al.: Microdosing psychedelics and the risk of cardiac fibrosis and valvulopathy: Comparison to known cardiotoxins. J Psychopharmacol 2024; 38: 217-24 11 Calder AE, Hasler G: Towards an understanding of psychedelic-induced neuroplasticity. Neuropsychopharmacol 2023; 48: 104-12 12 Hasler G: Toward the “helioscope” hypothesis of psychedelic therapy. Eur Neuropsychopharmacol 2022; 57: 118-9 13 Healy CJ: The acute effects of classic psychedelics on memory in humans. Psychopharmacol 2021; 238: 639-53 14 Calder AE, Hasler G: Extrapharmacological safety topics in psychedelic-assisted psychotherapy. JAMA Psychiatry 2023; 80: 761-2 15 Oehen P, Gasser P: Using a MDMA- and LSD-group therapy model in clinical practice in Switzerland and highlighting the treatment of trauma-related disorders. Front Psychiatry 2022; 13: 863552 16 Ponomarenko P et al.: Can psychedelics enhance group psychotherapy? A discussion on the therapeutic factors. J Psychopharmacol 2023; 37: 660-78
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