Abatacept vermindert Progressionsrisiko
Bericht:
Dr. Lydia Unger-Hunt
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Bei Hochrisikopatient:innen im autoimmunen Vorstadium erreicht der immunmodulierende Wirkstoff Abatacept nach sechsmonatiger Behandlung eine Linderung von klinischen und inflammatorischen Symptomen sowie eine Senkung des Risikos für Krankheitsprogression zu rheumatoider Arthritis. Damit wäre erstmals ein gezieltes, effektives Eingreifen im frühen Krankheitsstadium möglich.
Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) mit Immunmodulatoren wird typischerweise erst nach Auftreten von schmerzhaften, geschwollenen Gelenken und damit Vorliegen einer klinischen Arthritis eingeleitet, schreibt das Autorenteam der vorliegenden randomisiert-kontrollierten Studie.1 Dieser klinischen Arthritis geht jedoch eine Phase der Autoimmunität mit pathologischer Aktivierung von T- und B-Zellen und nachfolgender Bildung von Serum-Antikörpern gegen zyklisch-citrullinierte Peptide (CCP) voraus. Der Nachweis von CCP zusammen mit dem Auftreten von Gelenksschmerzen (aber nicht Gelenksschwellung) und charakteristischen Zeichen der Inflammation im MRT oder im Ultraschall definiert eine Population mit sehr hohem Risiko für die rasche Progression zur RA. Diese autoimmune Präphase der RA könnte ein derzeit ungenutztes „window of opportunity“ für die Prävention der manifesten klinischen Erkrankung darstellen.
Unterschied nach einem Jahr noch vorhanden
Der Hintergrund für die Wahl von Abatacept als möglichen Wirkstoff in dieser Phase: Das CTLA4-Fc-Fusionsprotein Abatacept ist ein starker Hemmstoff der T-Zell-Kostimulierung durch Monozyten und B-Zellen und schwächt so die Antwort des spezifischen (adaptiven) Immunsystems (siehe Textkasten). Die Studienhypothese lautete daher, dass eine Behandlung mit Abatacept die subklinisch ablaufenden inflammatorischen Veränderungen blockieren und damit das Risiko für das Auftreten einer eigentlichen RA bei Hochrisikopatient:innen reduziert werden könnte.
Die kürzlich in Lancet veröffentlichte Studie wurde an 14 Kliniken und Zentren in Deutschland, Spanien und Tschechien durchgeführt. Eingeschlossen waren 100 CCP-positive Patient:innen über 18 Jahre (rund 70% Frauen), die in der Bildgebung der dominanten Hand Zeichen einer subklinischen Synovitis aufwiesen und zum Zeitpunkt der Studie oder früher Gelenksschmerzen hatten, aber keine Gelenksschwellung. Die Teilnehmenden erhielten 1:1-randomisiert über 6 Monate lang Abatacept oder Placebo, gefolgt von einer 12-monatigen wirkstofffreien Beobachtungsphase (der Einsatz von Analgetika war zugelassen). In beiden Gruppen ausgeglichen waren die Faktoren, die eine Progression zur RA beeinflussen können, z.B. Dauer und Intensität der Symptome, CPP- und Akute-Phase-Protein-Konzentration sowie Anwesenheit von Rheumafaktoren. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patient:innen mit verbesserter subklinischer Synovitis, Tenosynovitis oder Osteitis laut MRT, als sekundärer Endpunkt war der Beginn einer RA definiert. Die Ergebnisse im Überblick:
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Nach 6 Monaten zeigten 57% der Abatacept-Gruppe eine Verbesserung der subklinischen Inflammation in der MRT vs. 31% unter Placebo (absoluter Unterschied 26,5%).
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Im Mittel verbesserten sich die Tenosynovitisscores unter Abatacept um –1,65 vs. 0,03 unter Placebo.
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8% der Abatacept-Patient:innen entwickelten nachfolgend eine RA laut ACR/EULAR-Kriterien 2010 vs. 35% der Placebogruppe (Hazard-Ratio [HR] 0,14; p=0,0016).
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In den ersten 3 Monaten der Behandlung kam es zu einem starken Anstieg der RA-Diagnosen unter Placebo, während unter Abatacept in diesem Zeitrahmen kein RA-Fall zu beobachten war.
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Nach insgesamt 18 Monaten (12 Monate nach Ende der Intervention) waren diese Unterschiede noch immer signifikant: Die Verbesserung der MRI-Inflammation lag bei jeweils 51% bzw. 24%, ein Fortschreiten zu einer RA trat bei 35% bzw. 57% auf (HR: 0,14; p=0,018). Dies entspricht einer HR von 0,48 für die Entwicklung einer RA unter Abatacept.
Hinweis auf mögliche Krankheitsmodifizierung
Unter Abatacept wurden nach 6 und 18 Monaten zudem geringere Schmerzraten festgestellt sowie eine signifikant verbesserte körperliche Funktion laut HAQ-DI-Score. Wenig überraschend gaben die Verumpatient:innen auch eine verbesserte RA-bezogene Lebensqualität an. Schwere unerwünschte Ereignisse wurden bei 8% unter Abatacept und 14% der Placebogruppe festgestellt, Todesfälle traten keine auf.
Die 6-monatige Behandlung mit Abatacept reduzierte die Entzündung von Gelenken und Sehnen besser als Placebo, zudem zeigte sich eine Verbesserung von Schmerzen, körperlicher Funktion und Lebensqualität sowie eine niedrigere Progressionsrate zur klinisch-manifesten RA, fasst das Autorenteam zusammen. Dieser Nutzen ging über die eigentliche Behandlungsdauer hinaus: Die kumulative Inzidenz der RA war auch 1 Jahr nach Absetzen der Behandlung geringer als unter Placebo. Dies sei als Hinweis darauf zu werten, dass sich die Behandlung nicht nur auf die Unterdrückung der Symptome, sondern möglicherweise auch krankheitsmodifizierend auswirkt. Die hohe Progressionsrate in der Placebogruppe wiederum bestätigt den untersuchten Phänotyp (schmerzende Gelenke + Entzündungszeichen im MRT) als Indikator eines unmittelbaren Übergangs in die RA.
Für die Sekundärprävention der RA wurden bislang nur wenige Wirkstoffe untersucht und diese großteils erfolglos: So war eine Untersuchung mit Rituximab nicht beweiskräftig, während die Behandlung mit Methotrexat keine signifikante Reduktion des Progressionsrisikos ergab. Ein Trial mit Atorvastatin wiederum erbrachte keine Hinweise auf irgendeinen Behandlungsnutzen. Eine Erklärung für die Nullbefunde dieser Studien könnte unter anderem das geringere Ausmaß der Entzündung zu Baseline sein, meinen die Autoren. Dies unterstreicht für zukünftige Studien die Bedeutung der Erhebung eines Baseline-Risikos für die Progression zur klinischen Erkrankung, um eine ausreichende statistische Aussagekraft zu erzielen.
Wie lange die Wirkung von Abatacept anhält, ist derzeit noch unklar und sollte Gegenstand zukünftiger Forschung sein. Insgesamt lautet das Fazit aber, dass die vorliegenden Daten jedenfalls neue Möglichkeiten für früher eingesetzte präventive Interventionsmaßnahmen bei rheumatoider Arthritis liefern.
Abatacept: Wirkung auf T-Zellen erklärt Effektivität bei Autoimmunerkrankungen
Abatacept ist ein rekombinantes Fusionsprotein, das aus der extrazellulären Domäne des humanen zytotoxischen T-Lymphozyten-Antigens-4 (CTLA-4)
und einem modifizierten Fc-Teil des humanen Immunglobulins G1 (IgG1) besteht. Abatacept bindet auf der Oberfläche von antigenpräsentierenden Zellen an CD80 und CD86 und moduliert dadurch selektiv den kostimulatorischen Signalweg, der für die Aktivierung der T-Lymphozyten erforderlich ist; der Wirkstoff gilt daher als starker Hemmer der spezifischen Immunantwort. Dabei beeinträchtigt Abatacept die Antwort von naiven T-Lymphozyten stärker als die von T-Gedächtniszellen. In vitro konnte die durch Abatacept abgeschwächte Aktivierung von humanen T-Lymphozyten als verminderte Proliferation und Zytokin-Produktion nachgewiesen werden. Abatacept verringert die antigenspezifische Produktion von TNF-α, Interferon-γ und Interleukin-2 durch T-Lymphozyten und verändert damit den Entzündungsverlauf.
Die Diabetesforschung konnte bereits zeigen, dass die T-Zell-Hemmung nachweislich die Zerstörung der B-Zellen hemmt und die Entwicklung der Krankheit bei Hochrisikopatient:innen verzögert.2 T-Zellen organisieren zudem die frühesten Phasen bei RA: Durch die Unterstützung von B-Zellen fördern sie die Autoimmunantwort, verstärken die Antikörper-Effektorfunktion und führen so zu einem proinflammatorischen Umfeld.
Kommentar
„Enorme Relevanz für die Betroffenen“
Studienautor Prof. Dr. Georg Schett, Medizinische Klinik 3, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Universitätsklinikum Erlangen
Die Patient:innen der Studie wiesen keine geschwollenen Gelenke auf und hatten damit keine klinische Diagnose einer Arthritis, sehr wohl aber die mit RA assoziierten Antikörper. Diese Patientengruppe wird derzeit entweder nicht behandelt, oder es kommen Medikamente wie das Anti-Malariamittel Hydroxychloroquin zum Einsatz. Der US-amerikanische StopRA-Trial untersuchte Hydroxychloroquin in dieser Indikation, wurde allerdings aufgrund
der Nutzlosigkeit vorzeitig abgebrochen. Auch Methotrexat senkt nicht die Wahrscheinlichkeit eines Übertritts zur RA. Eine echte Empfehlung für eine Behandlung dieser Patient:innen fehlt daher bislang, dabei ist die Wahrscheinlichkeit einer Krankheitsprogression gerade in diesem Bereich enorm hoch: 50 % entwickeln innerhalb von 6 Monaten eine RA. Man könnte sagen, diese Patient:innen werden quasi automatisch an RA erkranken.
Unsere Wahl für eine mögliche Beeinflussung dieser Progression fiel auf
Abatacept: ein sehr sicheres, seit Langem verfügbares Medikament mit Wirkung auf das adaptive Immunsystem beziehungsweise auf die T-Zellen, die gerade im Frühstadium von RA für die Entwicklung der Antikörper eine große Rolle spielen.
Dass Abatacept nun nachweislich das Risiko der Krankheitsprogression senkt, ist für die Betroffenen von enormer Relevanz! Zu hoffen ist, dass Abatacept in den nächsten ein bis zwei Jahren die Zulassungserweiterung für die Behandlung dieser Hochrisikopatient:innen erhält.
Bis dahin können für dieses Patientenkollektiv mit Antikörpern und Entzündungszeichen in der Bildgebung lediglich häufige Kontrollen empfohlen werden. Die Patient:innen sind zudem darüber aufzuklären, bei Auftreten eines ersten geschwollenen Gelenks unverzüglich den betreuenden Arzt oder die betreuende Ärztin aufzusuchen. Damit ist zumindest die möglichst frühzeitige Behandlung mit Methotrexat möglich.
Literatur:
1 Rech J et al.: Abatacept inhibits inflammation and onset of rheumatoid arthritis in individuals at high risk (ARIAA): a randomised, international, multicentre, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2024: 403(10429): 850-9 2 Herold KC et al.: An anti-CD3 antibody, teplizumab, in relatives at risk for type 1 diabetes. N Engl J Med 2019; 381: 603-13
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