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Condylomata acuminata – ein Update
Urologik
Autor:
Dr. Markus Letsch
Facharzt für Urologie<br/> Am Garnmarkt 13<br/> 6840 Götzis<br/> E-Mail: www.urologieletsch.at
30
Min. Lesezeit
21.03.2019
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<p class="article-intro">Condylomata acuminata (Feigwarzen, Genitalwarzen) gehören zu den am häufigsten vorkommenden sexuell übertragbaren Krankheiten. Sie werden bei ca. 1 % aller sexuell Aktiven in Europa nachgewiesen. Aufgrund der erheblichen Einschränkung der Lebensqualität bei klinischer Manifestation, der hohen Rezidivraten und der mit anogenitalen Infektionen mit dem humanen Papillomavirus (HPV) assoziierten intraepithelialen Neoplasien und mukokutanen Karzinomen stellen sie weiterhin eine Herausforderung für das Gesundheitssystem dar.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Pathophysiologie</h2> <p>Kondylome werden durch das humane Papillomavirus (HPV) verursacht, ein doppelsträngiges, unbehülltes DNA-Virus, das die Keratinozyten von Haut und Schleimhaut infiziert. Es gibt über 200 verschiedene HPV-Subtypen.<br /> Aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes werden Low-Risk- (LR, z. B. 6 und 11) und High-Risk-Typen (HR, z. B. 16 und 18) unterschieden. Rezente Studien zeigen jedoch, dass diese strikte Unterteilung nicht immer aufrechterhalten werden kann. <br />Kondylome werden in 90 % von den LRTypen 11 und 6 verursacht, diese Subtypen haben kein erhöhtes Krebsrisiko. Da aber HRTypen den gleichen Infektionsweg haben, ist eine Koinfektion nicht ausgeschlossen. <br />Die Infektion erfolgt durch Kontaktoder Schmierinfektion. Mikroläsionen ermöglichen es den Viren, bis in die basalen Zellschichten vorzudringen. Die Viren sind epitheliotrop (d. h. sie kommen ausschließlich in den Epithelzellen vor). Eine Virämie findet nicht statt. <br />Nach Wochen bis Jahren kommt es zu einer Onkogenaktivierung durch die Viren. Diese führt über die Verhinderung der Apoptose und der DNA-Reparatur der basalen Epithelzelle zu einer Zellproliferation und damit zu den typischen Genitalwarzen. In über 90 % der Fälle laufen diese Infektionen jedoch ohne sichtbare Läsionen ab. In 30 % aller Kondylome kommt es zu einer Spontanheilung. Das Risiko eines sexuell aktiven Europäers, im Laufe des Lebens mit HPV infiziert zu werden, liegt bei 70–80 %. <br />High-Risk-Typen (v. a. Typ 16) sind mit Karzinomen im Anogenitalbereich assoziiert; durch langjährige Exposition mit HPV-Viren kommt es zu einer malignen Transformation. Nahezu alle Zervixkarzinome, 88 % aller Analkarzinome, 50 % aller Peniskarzinome und 43 % aller Vulvakarzinome sind mit diesen HR-Typen assoziiert.<br /> Eine besondere Bedeutung stellen immungeschwächte Patienten (vor allem HIV-Patienten) dar: Maligne Transformationen sind bei ihnen viel häufiger, Rezidive treten rascher auf, eine spontane Regression findet quasi nicht statt und die Befunde sind ausgedehnter.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1901_Weblinks_a2.jpg" alt="" width="485" height="417" /></p> <h2>Diagnostik</h2> <p>In der Regel erfolgt die Diagnostik aufgrund des charakteristischen Erscheinungsbildes, dabei sollten das gesamte äußere Genitale, die Perianalregion und der äußere Meatus inspiziert werden. Perianale Befunde sollten vom Proktologen/ Gastroenterologen weiter abgeklärt und gegebenenfalls saniert werden. <br />Bei Kondylomen im Meatus müssen, da ca. 20 % aller meatalen Befunde mit intraurethralen Befunden assoziiert sind, nach vorheriger meataler Sanierung eine endourethrale Inspektion und gegebenenfalls Sanierung erfolgen (Therapie von außen nach innen). Bei immundefizienten Patienten sollte auch eine Zystoskopie durchgeführt werden. <br />Da Patienten mit Kondylomen ein erhöhtes Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten wie Syphilis, HIV, HCV, HBV, Gonorrhöe und Chlamydien haben, sollten die Patienten auch auf diese Erkrankungen getestet werden. Um unklare Läsionen besser abzugrenzen, kann ein Essigsäuretest (3–5 % Essigsäure) erwogen werden. Histopathologische Untersuchungen sollten vor allem bei rasch rezidivierenden, therapieresistenten Läsionen sowie bei immunsupprimierten und sehr großen Befunden (> 1 cm) durchgeführt werden, um eine etwaige maligne Transformation auszuschließen. <br />Serologische Untersuchungen sind bei fehlender Virämie nicht sinnvoll. Molekularbiologische Untersuchungen zur HPV-Typisierung von Kondylomen werden aufgrund der fehlenden klinischen Relevanz nicht empfohlen. <br />Eine spezielle und schwierige Situation stellen anogenitale Warzen im Kindesalter dar, da ein Missbrauchsgeschehen immer in Erwägung gezogen werden sollte. Bei Auftreten bis zum 5. Lebensjahr kann jedoch auch eine perinatale Infektion erfolgt sein. Ein Screening auf Larynxpapillome sollte dabei auch durchgeführt werden. Diese Untersuchungen sollten von einem kinderschutzerfahrenen Arzt erfolgen. Eine molekularbiologische Typisierung wird im Moment kontrovers diskutiert.</p> <h2>Therapie und Nachsorge</h2> <p>Prinzipiell stehen den Patienten auf der einen Seite topische Verfahren zur Selbstapplikation zur Verfügung, auf der anderen Seite chirurgische (ablative) Verfahren. <br />Die topischen Therapieverfahren haben für den Patienten den Vorteil der Selbsttherapie. Dazu gehören Podophyllotoxin (0,5- %-Lösung), Imiquimod (5 %) sowie Sinecatechine (10- % -Salbe). <br />Die Indikation sind kleine, unbehandelte, gut erreichbare Kondylome , lokale Entzündungsreaktionen sind ein Nachteil dieser Therapieformen. Kontraindiziert sind sie bei Jugendlichen < 18 Jahren und Schwangeren.<br /> Ablative Therapieformen umfassen die Kürettage, den Scherenschlag, Koagulation sowie Laserverfahren und die Kryotherapie. All diese Therapien sind in ihrer Effektivität äquivalent. Indikation sind ausgedehntere, multilokuläre und auch rezidivierende Kondylome und selbstverständlich der Wunsch des Patienten. Nachteile sind die Narbenbildung und etwaige Schmerzen. <br />Bezüglich der Rezidivraten unterscheiden sich die topischen von den ablativen Therapien nicht, sie liegen bei ca 30 %. Eine Sequenztherapie sollte bei wiederholten Rezidiven durchgeführt werden. Zunächst erfolgt die ablative/chirurgische Therapie, nach Abheilung wird Imiquimod (5 %) oder Sinecatechine-Creme aufgetragen.<br /> Studien zur adjuvanten oder therapeutischen systematischen Interferontherapie zeigten sehr widersprüchliche Ergebnisse, daher wird diese nicht empfohlen. <br />Auch bezüglich einer adjuvanten HPVImpfung zur Verbesserung der Rezidiv- respektive der Reinfektionsraten fehlen valide Daten – diese kann jedoch erwogen werden. <br />Einen wichtigen Punkt stellt die Schulung betroffener Patienten dar. Im Aufklärungsgespräch sollte auf die hohe Rezidivrate und die damit verbundene Notwendigkeit von Nachsorgeuntersuchungen eingegangen werden. Rasuren im Intimbereich können durch Epithelläsionen zu Rezidiven führen und sollten daher vermieden werden. <br />Aufgrund der hohen Kontagiosität sollten auch die Partner über die Erkrankung aufgeklärt, untersucht und 6 Monate später erneut kontrolliert werden. <br />Nachsorgeuntersuchungen sollten bei Patienten mit Erstmanifestation nach 4–8 Wochen und nach weiteren 3–6 Monaten durchgeführt werden. Bei intraurethralen Befunden sollten diese Kontrollen alle drei Monate für ein Jahr fortgeführt werden. Bei immundefizienten Patienten sind diese Kontrollen lebenslang notwendig.</p> <h2>Impfung</h2> <p>2007 wurde in klinischen Studien die Wirksamkeit des HPV-Impfstoffes erwiesen. Behandlungsbedürftige Krebsvorstufen bei Mädchen wurden um 59 %, die Wahrscheinlichkeit, sich mit Kondylomen zu infizieren, um 90 % reduziert. Seit 2016 steht in Österreich ein nonavalenter Impfstoff zur Verfügung. Kinder können und sollten kostenfrei ab dem 9. bis zum vollendeten 12. Lebensjahr geimpft werden. Nachholimpfungen werden bis zum 15. Lebensjahr angeboten.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Condylomata acuminata gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen. Obwohl die Therapie und Diagnostik einfach sind, stellt diese Erkrankung aufgrund der hohen Kontagiosität, der hohen Rezidivhäufigkeit und der Möglichkeit der malignen Entartung weiterhin eine große medizinische Herausforderung dar. <br />Die Schutzimpfung entweder im Kindesalter oder adjuvant nach ablativer Therapie bietet eine großartige Chance, diese Erkrankung und damit assoziierte Malignome erfolgreich einzudämmen.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>beim Verfasser</p>
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