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Für jede Indikation eine Lösung?
Leading Opinions
Autor:
Marlies von Siebenthal
Fachfrau für Blasen- und Intimbeschwerden<br> Blasen- und Beckenbodenzentrum<br> Kantonsspital Frauenfeld<br> E-Mail: info@blasenzentrumfrauenfeld.ch
30
Min. Lesezeit
30.11.2017
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<p class="article-intro">Die Pessartherapie wird als Überbrückung, bis weitere konservative Massnahmen oder operative Behandlungen zum Erfolg führen, als Ergänzung anderer Therapien oder als Langzeitbehandlung verwendet. Pessare reduzieren oder verhindern mechanisch den Urinverlust oder reponieren bei Senkungen die Organe an ihren ursprünglichen Platz. Sie steigern die Lebensqualität und soziale Integration der Betroffenen. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Pessartherapie ist die Erfahrung des behandelnden Teams.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Pessartherapie ist eine effektive Sofortlösung zur Symptombehebung bei urogynäkologischen Beschwerden.</li> <li>Sie hilft rasch und effektiv bei der sozialen Reintegration.</li> <li>Pessare werden vorübergehend bis zur Heilung, operativen Sanierung oder als Langzeittherapie eingesetzt.</li> <li>Eine gute Anpassung der verschiedenen Pessarmodelle (Material, Form, Grösse) ist wichtig für den Erfolg der Therapie und die Compliance der Patientin.</li> <li>Professionelle Beratung und Begleitung der Patientinnen sind ebenfalls essenziell bei der Pessartherapie.</li> <li>Grundsätzlich gilt: Ringpessar bei Belastungsinkontinenz, Würfelpessar bei Senkung.</li> <li>Bei Schmerzen, Brennen, Jucken immer an eine Dislokation des Pessars oder an Cremeunverträglichkeit denken.</li> <li>Pessare sollen meist nur am Tag getragen werden.</li> <li>Bei richtiger Benützung und entsprechend fachgerechter Instruktion treten bei der Pessartherapie keine Komplikationen auf.</li> </ul> </div> <p>Schon seit mehr als 2000 Jahren wird mit Scheideneinlagen aus verschiedenen Materialien (Glas, Porzellan, Hartgummi) experimentiert.<sup>1, 2</sup> Im 19. Jahrhundert wurden sie dank fortschrittlicherer Operations- und Narkosemethoden fast vollständig verdrängt. Ernüchtert durch die Operationsergebnisse, verhalfen wir in den 1970er-Jahren der Pessartherapie zur Renaissance.<sup>3–5</sup> Moderne Therapiekonzepte mit täglicher Selbsteinlage des Pessars und gleichzeitiger Applikation von östriolhaltigen Cremen haben heute aus der für veraltet geglaubten Pessartherapie eine effektive Sofortbehandlung gemacht. In diesem Artikel möchte ich Ihnen wertvolle Tipps aus meiner mehr als 30-jährigen Erfahrung als Fachfrau für Intim- und Blasenbeschwerden weitergeben.<br /> In der Urogynäkologie werden Pessare immer dann benötigt, wenn der Urinverlust oder die Organsenkung zu sozialen, hygienischen und gesundheitlichen Problemen führen und die Lebensqualität einschränken. Meist werden sie ergänzend zu anderen konservativen Massnahmen wie Physiotherapie, medikamentöser Behandlung oder Verhaltenstraining (Trink-, Miktions- und Toilettentraining) eingesetzt. Je nach Krankheitsursache, Krankheitsverlauf und Schweregrad der Erkrankung werden die Pessare vorübergehend bis zur Heilung oder bis zu einer operativen Behandlung angewendet. In seltenen Fällen dienen sie der Dauerversorgung. Durch die präoperative Pessartherapie mit gleichzeitiger Applikation von Hormoncreme wird das Gewebe optimal für die Operation und einen guten Langzeiterfolg vorbereitet.<br /> Ein gut angepasstes Pessar kann oft rasch und effektiv die Senkungs- und Inkontinenzbeschwerden beheben. Der Erfolg der Pessartherapie ist massgeblich abhängig von der richtigen Pessarwahl und von einer professionellen Beratung durch ein eingespieltes Arzt-Fachfrau- Team. Dieses muss die unterschiedlichen Modelle gut kennen und ein breites Sortiment zur Verfügung haben. Operationen lassen sich durch die Pessartherapie unter Umständen vermeiden oder auf einen geeigneten Zeitpunkt verschieben, Operationsergebnisse werden verbessert und Rezidive können verhindert werden. Kurz – die Pessartherapie verbessert nicht nur die Lebensqualität massiv, sie trägt wesentlich zum Therapieerfolg bei.</p> <h2>Pessarmodelle</h2> <p>Grundsätzlich sind Pessare als wiederverwendbare Silikonpessare oder als Wegwerfpessare erhältlich. Pessarmodelle aus Silikon gibt es aktuell als Urethraringpessare und Urethraschalenpessare mit spezieller Unterstützung der Urethra durch die Pelotte, Schalenpessare, Keulenpessare, Würfelpessare und Tandempessare (Tab. 1). Die meisten Modelle sind in verschiedenen Grössen erhältlich. Wegwerfpessare aus dem Kunststoff Polyvinylalkohol (PVA) stehen ebenfalls in vielfältigen Formen und Grössen zur Verfügung, und es gibt Modelle, die auf meinen Wunsch auch in einer verkürzten Variante hergestellt werden (Tab. 1).<br /> Wegwerfpessare aus PVA werden während 2–7 Tagen gewaschen, wieder verwendet und dann weggeworfen. Silikonpessare können dagegen über mehrere Monate angewendet werden. Wegwerfpessare werden dank ihrer Weichheit besonders bei Schmerzpatientinnen, bei Patientinnen mit rheumatischen Beschwerden oder bei anfänglicher Ablehnung der Pessartherapie geschätzt. Allerdings können die Kosten der Wegwerfpessare in der Schweiz sehr hoch werden. So addieren sich die Kosten bei mehrmaliger Verwendung der Wegwerfpessare auf 300.– bis 600.– sFr. pro 6 Monate, wovon 100.– bis 360.– sFr. zulasten der Patientin gehen. Die Kosten für ein Silikonpessar (ca. 70.– sFr./ Stück) werden jedoch meist fast zur Gänze von den Kassen übernommen (ausser Tandempessare), weshalb wir – wann immer möglich – auf Silikonpessare umstellen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Gyn_1703_Weblinks_s6_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="2684" /></p> <h2>Indikationen und Auswahl des passenden Modells</h2> <p>In der Urogynäkologie gibt es zwei Hauptanwendungsgebiete der Pessartherapie: erstens bei Harnverlust durch Belastungs- und Mischharninkontinenz und zweitens bei Senkungen aller Beckenorgane.<sup>1, 3–6</sup> Aber auch bei anderen urogynäkologischen Krankheitsbildern können die Patientinnen von der Pessartherapie profitieren.<sup>1, 3–5</sup><br /><br /> <strong>Pessartherapie bei Inkontinenz</strong><br /> Der Vorteil der Pessartherapie bei Inkontinenz ist meist die sofortige Kontinenz, die Trink- und Beckenbodentraining nahtlos ermöglicht. Bei der Belastungsinkontinenz bieten die Pessare der Harnröhre ein Widerlager, wodurch der Urinverlust reduziert oder komplett verhindert wird. Die normale Miktion ist trotzdem gewährleistet. Selbst bei einer überaktiven Blase kann ein Pessar durch Entlastung der vorderen Scheidenwand die Drangsymptomatik abschwächen. Bei Mischharninkontinenz und kleinkapazitärer Blase kann bereits vor einer Bandeinlage mittels Pessartherapie die Blasenkapazität gesteigert werden.<br /> Bei Inkontinenz werden meist Ringpessare mit suburethraler Keule (Urethraringpessare, Urethraschalenpessare) oder spezielle Wegwerfpessare aus PVA (Contam<sup>®</sup>-Tampons oder RECAfem<sup>®</sup>) verwendet (Abb. 1A, Abb. 2A). Bei Deszensus mit Trichterbildung findet das Urethraschalenpessar häufig einen besseren Halt als das Urethraringpessar (Abb. 2B). Meist werden Pessare über einige Monate angewendet, bis sich – unterstützt durch adjuvante Therapien (Beckenbodentraining, Östrogene, Infektsanierung, Drangtherapie) – die Beschwerden gebessert haben und Pessareinlagen überflüssig sind oder bis eine operative Therapie die Pessarbehandlung ablöst. Je nach Schweregrad der Inkontinenz tragen Frauen das Pessar nur bei sportlicher Aktivität. Bei einer Belastungs- oder Mischharninkontinenz kann im Vorfeld einer Operation mittels Pessar getestet werden, ob das mechanische Prinzip der Harnröhrenunterstützung zum Erfolg führt.<sup>7</sup> Verhindert das korrekt sitzende Pessar den Urinverlust, bestehen gute Chancen, dass auch ein operatives Vorgehen erfolgreich ist.<br /><br /><strong> Pessartherapie bei Senkung</strong><br /> Bei Senkungen verwenden wir vorwiegend Würfelpessare aus Silikon (Abb. 1B; Abb. 2C). Zum Einführen wird eine Hormoncreme, in Ausnahmefällen (bei Status nach Endometriumkarzinom) eine Fettcreme verwendet. Der eingelegte Würfel haftet dabei durch ein Vakuum an den Vaginalwänden und verhindert, dass sich die Organe senken und so Beschwerden verursachen. Durch die Reposition der gesenkten Organe und die gleichzeitige Verbesserung der Gewebestruktur (Hormoncreme, angeleitetes Beckenbodentraining) können sich die überdehnten Bänder und somit auch die Senkung zurückbilden. Ist dies der Fall, wählt man im Verlauf das nächstkleinere Pessar.<br /> Sollte das Würfelpessar keinen Halt finden, kann es helfen, bei der Einführung weniger Creme zu applizieren. Bei grundsätzlich erschwerter Defäkation mit begleitendem Pressen sollte das Pessar erst nach der Darmentleerung eingelegt werden, da es ansonsten beim Pressen disloziert. Kommt es trotz dieser Massnahmen zur Dislokation des Würfelpessars, kann ein Keulenpessar, in seltenen Fällen sogar ein Schalenpessar gewählt werden. Tandempessare sind bei dislozierenden Würfelpessaren keine Alternative, da sie weniger Vakuum aufbauen und deshalb schlechter halten. Tandempessare sollten dagegen bei langer Scheide und engem Introitus gewählt werden. Der Grund dafür: Wenn wegen des engen Introitus ein normaler Würfel in kleiner Grösse eingeführt werden muss, dann kommt dieser bei langer Scheide zu tief im Fornix zu liegen und die Zysto-Rektozele prolabiert vor das Pessar und führt zu einer zusätzlich erschwerten Miktion. Bei zunehmenden Schmerzen oder erschwerter Miktion sollte grundsätzlich die Grösse des Pessars überprüft und allenfalls auf ein Wegwerfpessar aus PVA gewechselt werden.<br /> Die Anwendung eines Pessars bei Senkungsbeschwerden ist präoperativ in jedem Fall ein Gewinn: Das Gewebe wird durch die gleichzeitige Anwendung einer hormonhaltigen Creme regeneriert, ist elastischer und dies führt zu besseren Operationsergebnissen.<br /> Bei einer ausgeprägten Zystozele wird durch das Würfelpessar das Quetschhahnphänomen (abgeknickte Urethra) aufgehoben und es kann eine larvierte Belastungsinkontinenz auftreten. Dann versuchen wir bis zur Senkungsoperation die Inkontinenz mit einem Urethraschalenpessar oder einem verkürzten Wegwerfpessar zu verhindern. Führt das Würfelpessar präoperativ zur Inkontinenz, muss diese postoperativ nach Abheilung allenfalls mit einer Bandeinlage behoben werden.<br /> Liegt eine Urethrozystozele mit Trichterbildung und Inkontinenz vor, wird primär ein Urethraschalenpessar angepasst. Würfelpessare bewähren sich bei Trichterbildung und Inkontinenz nicht. Das Urethraschalenpessar stützt durch die Schalenform die Senkung und durch die Pelotte gleichzeitig die Harnröhre. Die Pelotte des Urethraschalenpessars (wie auch des Ringpessars) muss vaginal knapp hinter der Symphyse zu liegen kommen. Dies soll durch die digitale Untersuchung überprüft werden. Ein zu tief liegendes Pessar (z.B. bei zu kleinem Ringdurchmesser) verhindert die Inkontinenz nicht und mindert dadurch die Compliance der Patientin. Bei einer Erstversorgung wählen wir das Pessar in der Länge eher zu knapp. Sollte die Inkontinenz nach ein paar Wochen wieder auftreten, wird einfach das nächstgrössere Pessar gewählt.<br /><br /> <strong>Pessartherapie bei anderen urogynäkologischen Beschwerden</strong><br /> Bei Miktionsstörungen (erschwerte Miktion, Stakkatomiktion), Überlaufinkontinenz und Restharnproblematik kann das tiefe Einlegen eines kleinen Würfelpessars oder eines Tandempessars, einer Contrelle® quer oder eines Contam<sup>®</sup>- Würfeltampons hilfreich sein. Die verschiedenen Manöver zur vollständigen Blasenentleerung werden mit der Fachfrau geübt, um ein invasiveres Vorgehen (intermittierender Selbstkatheterismus, Dauerkatheter) umgehen zu können.<br /> Bei einem Urethralsyndrom, häufig auch die Folge rezidivierender Harnwegsinfekte, wählen wir meist ein RECAfem<sup>®</sup>- Pessar als Primärversorgung, versuchen aber im Verlauf der Therapie auf das kostengünstigere Ringpessar zu wechseln. Das Pessar massiert die schmerzhafte Urethra mit den Skenn’schen Drüsen, was mögliche Bakterienreservoire entleert und Vernarbungen weich massiert.<br /> Auch Schmerzen durch postoperative Vernarbungen oder eine verengte Scheide können dank des Massierens des Gewebes durch das eingelegte Pessar vermindert werden.</p> <h2>Individuelle Anpassung des richtigen Pessars</h2> <p>Ein Behandlungskonzept mit Pessaren sollte in jedem Fall auf einer Anpassung des Pessars durch den Arzt oder die versierte Fachfrau beruhen. Die Patientin wird dabei geschult, das Pessar einmal täglich zu entfernen, es zu reinigen und selbstständig wieder einzusetzen. Die Patientin kann so das Pessar nach individuellem Bedarf anwenden (z.B. nur tagsüber). Bei der Pessaranpassung werden anatomische Verhältnisse (Scheidenlänge, Introitus, Levatorplatte, medialer Levatorenschenkel) und der Grund der Erkrankung (Form der Inkontinenz oder Senkung) berücksichtigt. Aber auch vaginale Atrophie, vorangegangene urogynäkologische Operationen, kognitive Fähigkeiten, körperliche Einschränkungen der Patientin können bei der Wahl einer Pessartherapie mitentscheidend sein. Die Pelvic-Floor- Sonografie kann anatomische Besonderheiten sichtbar machen und beim Darstellen des eingesetzten Pessars die Funktionsweise des Pessars aufzeigen (Abb. 2).<br /> Ein Pessar sitzt dann optimal, wenn es von der Patientin nicht gespürt wird (auch nicht während körperlicher Belastung, Husten und Pressen), die Inkontinenz verhindert oder das Organ optimal reponiert ist, wenn es nicht disloziert, keine Schmerzen verursacht und zu keiner Obstruktion von Blase/Rektum und nicht zu einer larvierten Harninkontinenz führt. Am besten wird das Pessar im Liegen, mit allenfalls hochgelagertem Oberkörper, eingeführt. Manchen Frauen gelingt es besser, wenn sie sich in einer leichten Hocke an die Wand anlehnen oder ein Bein auf einen Schemel oder auf die Toilette stellen. Bei körperlichen Einschränkungen kann ein Dobbiestab helfen, das Pessar tiefer einzuführen und so optimal zu platzieren. Zu wenig tief liegende Pessare führen zu Hautirritationen und stören beim Sitzen. Die Entfernung des Pessars gelingt am besten beim Sitzen auf der Toilette. Das Würfelpessar soll mit wippenden Bewegungen und unter leichtem Husten und Pressen langsam herausgezogen werden. Eventuell wird ein Taschentuch oder eine Papierserviette benutzt, um Spritzer aufzufangen.<br /> Für die Einführung des Pessars wird vorzugsweise eine magistrale niedrig dosierte Hormoncreme verwendet. Beim Würfelpessar wird zur Applikation mehr Creme benötigt. Bei der Einlage des Urethraringpessars soll man die Hormoncreme auf den Ring und nicht auf die Keule geben. Falls Juckreiz auftritt, liegt dies meist an einer Unverträglichkeit gegenüber der Salbengrundlage und die Hormoncreme soll gewechselt werden. Auf jeden Fall ist es wichtig, täglich den Vulva- und Dammbereich mit einer Fettcreme zu schützen. Schädigungen, Reizungen, Infektionen und selbst Gewebeveränderungen können auf diese Weise verhindert werden.<br /> Wir wählen bei der Erstanpassung meist ein Wegwerfpessar, abhängig von der vaginalen Trophik oder der Compliance der Patientin. Nach zwei bis vier Wochen erfolgt die Nachkontrolle bei der Fachfrau für Blasen- und Intimbeschwerden. Sie klärt Fragen, kontrolliert den Zustand der Vaginalhaut und passt, wenn möglich, ein Silikonpessar an (zwecks Kostensenkung). Weitere Kontrollen erfolgen nach Bedarf.<br /> Die häufigsten Fehler bei der Pessartherapie sind primär die Auswahl des falschen Pessartyps oder der falschen Grösse, der fehlende Faden am Urethralpessar, keine oder falsche Creme. Aber auch ungenügende Instruktion und Beratung führen oft zum Abbruch der Pessartherapie. Daher soll die Patientin jederzeit einen Ansprechpartner haben, um Unsicherheiten zu klären.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Gyn_1703_Weblinks_s6_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1302" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Gyn_1703_Weblinks_s6_abb2.jpg" alt="" width="1051" height="2032" /></p> <h2>Kontraindikationen und Komplikationen</h2> <p>Vor einer Pessarbehandlung müssen aktive vaginale Infektionen saniert sein. Ebenso müssen vaginale Blutungen unklarer Genese zunächst einer genaueren Diagnostik zugeführt werden. Während der Menstruation sollte die Pessartherapie sistiert werden. Häufige Komplikationen bei der Verwendung von Pessaren sind vermehrter vaginaler (Creme-)Ausfluss, vaginale Blutungen (Atrophie, Endometrium kontrollieren), Verstopfungen und neu auftretende Harninkontinenz oder Verschlechterung einer solchen (larvierte Inkontinenz).<br /> Meist wird das Pessar nur am Tag getragen, ausnahmsweise können Silikonpessare 24 Stunden getragen werden. Wegwerfpessare sollen nach 12 bis 16 Stunden entfernt werden, und – falls nachts notwendig – nach kurzer Pause mit Hormoncreme erneut eingelegt werden. Dieses Vorgehen erlaubt die Regeneration der Vaginalhaut und es kommt nie zu Verletzungen oder Ulzerationen.<br /> Bei eingeschränkter Beweglichkeit, Pflegebedürftigkeit oder Ablehnung der Selbsttherapie kann ein Wechsel durch geschultes Personal (Pflege, Spitex, Partner) zweimal wöchentlich durchgeführt werden (gilt nur für Silikonpessare). Nur in ganz seltenen Fällen, in denen weder die Patientin selber noch die Spitex oder Angehörige das Pessar wechseln können, wird ein Silikonpessar gewählt, das in der Sprechstunde alle 6 bis 8 Wochen gewechselt wird. Die Patientin sollte aber unbedingt abends etwas Hormoncreme in die Scheide einbringen. Wenn allerdings regelmässige Wechsel nicht gewährleistet werden können, sollte auf eine Pessartherapie verzichtet werden.<br /> Die moderne Pessartherapie mit gleichzeitiger Hormoncremeapplikation bietet bei vielen urogynäkologischen Erkrankungen eine effektive Soforttherapie, ist hilfreich als Überbrückung und Unterstützung bei anderen Therapieoptionen, und sie ist – sofern fachgerecht durchgeführt – eine sehr sichere und hilfreiche Therapieform für die Betroffenen.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Oliver R et al.: The history and usage of the vaginal pessary: a review. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2011; 156: 125-30 <strong>2</strong> Shah SM et al.: The history and evolution of pessaries for pelvic organ prolapse. Int Urogynecol J Pelvic Floor Dysfunct 2006; 17: 170-5 <strong>3</strong> Eberhard J et al.: Pessartherapie in der Urogynäkologie. Kontinenz 1994; 3: 224- 30 <strong>4</strong> Eberhard J, Geissbuehler V: Pessartherapie. J Urol Urogynäkol 1999; 4(Schweiz): 23-31 <strong>5</strong> Eberhard J, Geissbuehler V: Pessarbehandlung in der Urogynäkologie und Geburtshilfe. Gynäkol Prax 2002; 26: 119-33 <strong>6</strong> Vierhout ME: The use of pessaries in vaginal prolapse. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2004; 117: 4-9 <strong>7</strong> Bergman A, Bhatia NN: Pessary test: simple prognostic test in women with stress urinary incontinence. Urology 1984; 24: 109-10</p>
</div>
</p>
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