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Ist Lutetium-177-PSMA eine Therapieoption beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom?
Urologik
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Gabriel
Institut für Nuklearmedizin und Endokrinologie Kepler Universitätsklinikum, Linz<br> E-Mail: michael.gabriel@kepleruniklinikum.at
30
Min. Lesezeit
13.12.2018
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<p class="article-intro">Nuklearmedizinische Therapieverfahren sind bereits seit vielen Jahren bei Patienten mit einem metastasierenden Prostatakarzinom in Verwendung. In erster Linie handelt es sich dabei um sogenannte knochenaffine Radiopharmaka, welche zur Behandlung von Knochenmetastasen eingesetzt werden. Als palliatives Verfahren zur Behandlung von Metastasen-assoziierten Knochenschmerzen bzw. darüber hinaus hat die Behandlung mit Radium-223 auch eine lebensverlängernde Wirkung gezeigt. Neuerdings rückt eine neue nuklearmedizinische Behandlungsoption in den Fokus der systemischen Therapiemöglichkeit. Die sog. Lutetium-177-PSMA-Therapie bietet dabei erstmalig auch die Möglichkeit, mittels „interner radioaktiver Strahlentherapie“ viszerale Metastasen zu behandeln.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) ist ein Molekül, welches auf der Zellmembran von Prostatazellen exprimiert wird. In Prostatakarzinomzellen wird es viel stärker exprimiert als in normalen, gesunden Prostatazellen und ist somit ein vergleichsweise spezifisches Target für radioaktiv markierte Liganden. Dieses Glykoprotein besteht aus einem extrazellulären Segment, einem transmembranen Anteil und einer intrazellulären Domäne. Das Grundprinzip der Diagnostik und Therapie von Prostatakarzinomgewebe besteht im Andocken entsprechender radioaktiv markierter Liganden und ermöglicht dadurch eine systemische Anwendung im Sinne einer Ganzkörperdiagnose bzw. im Falle einer Koppelung mit Betastrahlern, wie z.B. Lutetium-177, in der Behandlung von Weichteil- und Knochenmetastasen durch „interne radioaktive Bestrahlung“.<br /> Lutetium-177 hat eine physikalische HWZ von 6,65 Tagen und eine maximale bzw. mittlere Reichweite der Betastrahlung im Gewebe von 1,9 bzw. 0,3mm. Dadurch ist eine sehr effiziente und über eine längere Zeit hinweg bestehende selektive Bestrahlung von Tumorgewebe möglich.</p> <h2>Bei wem kann diese Therapie durchgeführt werden?</h2> <p>Für diese Therapie kommen ausschließlich Patienten in einem fortgeschrittenen Tumorstadium infrage, wobei die Hemmung bzw. Verlangsamung des Wachstums von Tumorgewebe bzw. Metastasen angestrebt wird. Zugleich ist, wie auch bei anderen nuklearmedizinischen Verfahren, eine Verbesserung der klinischen Symptome, in erster Linie der Schmerzsymptomatik, ein wesentliches Ziel dieser Therapie. Da dieses nuklearmedizinische Therapieverfahren noch nicht zugelassen ist, gibt es auch unterschiedliche Anwendungsmodalitäten, was die Anzahl der Zyklen wie auch die Höhe der Einzelaktivitäten, die dem Patienten verabreicht werden, anbelangt. Vielfach werden 2–3 Therapiezyklen im Abstand von 8 Wochen mit einer Einzelaktivität von 4–6 GBq Lutetium- 177-PSMA angewendet. Aber auch höhere Einzelaktivitäten werden im Rahmen von klinischen Studien getestet.<br /> Eine wesentliche Grundvoraussetzung ist der Nachweis einer erhöhten PSMAExpression im Tumorgewebe vor der Therapie. Dies geschieht in erster Linie durch die Anwendung der Gallium-68-PSMAPET/ CT (Abb. 1). Dadurch ist auch eine sehr personalisierte Therapieanwendung möglich. Neuerdings wird dafür auch der Begriff „Theranostics“ verwendet. Damit ist die spezifische Anwendung eines Radiopharmakons, basierend auf der prätherapeutischen Bildgebung, gemeint. Dieses Anwendungsprinzip hat sich bereits in der Behandlung von neuroendokrinen Tumorerkrankungen gut bewährt. Die Intensität der prätherapeutischen Traceranreicherung hat dabei möglicherweise auch eine prognostische Bedeutung für das weitere Therapieansprechen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1804_Weblinks_uro_1804_s11_abb1.jpg" alt="" width="550" /></p> <h2>Was kann von diesem Therapieverfahren erwartet werden?</h2> <p>Erste klinische Studien zeigen großteils eindrucksvolle Ergebnisse. So konnte in einer groß angelegten retrospektiven Multicenterstudie in Deutschland an 145 Patienten ein biochemischer Response bei 45 % der Fälle gezeigt werden.<sup>1</sup> Bei 18 Patienten (12 % ) wurde eine Hämatotoxizität vom Grad 3 bis 4 unter der Therapie festgestellt sowie bei 8 % der Patienten eine Xerostomie. Die subjektive Verträglichkeit war generell gut und es wurde keine therapieinduzierte Letalität festgestellt.<br /> Im Unterschied zu dieser retrospektiven Studie hat eine australische Gruppe kürzlich in einem prospektiven Setting 30 Patienten in eine Phase-II-Studie eingeschlossen.<sup>2</sup> Die Patienten hatten bereits eine Reihe unterschiedlicher Vortherapien. Dieses Patientenkollektiv erhielt eine höhere Einzelaktivität appliziert und es wurden auch bis zu 4 Einzeltherapien verabreicht. Dennoch wurden auch unter diesem Behandlungsregime keine behandlungsassoziierten Todesfälle festgestellt. Ähnlich wie in der retrospektiven Multicenterstudie der deutschen Arbeitsgruppe wurden als Nebenwirkungen Mundtrockenheit und Thrombozytopenien vom Grad 3 oder 4 beobachtet. Weiters klagte jeder zweite Patient unter dieser Therapie über vorübergehende Übelkeit und Müdigkeit. Neben einem objektiven Therapieansprechen bei einem Großteil der Patienten wurde auch eine Verbesserung der Schmerzsymptomatik sowie des Global Health Score festgestellt. Bei 12 von 30 Patienten (40 % ) wurde mittels abschließender Gallium-68-PSMA-PET/CT eine komplette bzw. partielle Remission festgestellt. 17 (57 % ) der Patienten zeigten einen PSA-Abfall von 50 % oder mehr.<br /> Trotz dieser allgemein sehr vielversprechenden Studienergebnisse ist aufgrund von fehlenden randomisierten prospektiven Studien die Evidenz noch nicht hinlänglich gesichert. Aus diesem Grund hat eine kürzlich publizierte interdisziplinäre S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom empfohlen,<sup>3</sup> diese Therapie nur bei Patienten durchzuführen, bei denen keine andere allgemein anerkannte oder registrierte Therapie mehr verfügbar ist. Als wesentliche Voraussetzung für diese Therapie ist auch in dieser Leitlinie festgehalten, dass eine hohe PSMA-Expression in der PET/ CT vorliegen sollte.</p> <h2>Vergleich Lu-177-PSMA mit Ra-223-Chlorid</h2> <p>In einer Gegenüberstellung zur behördlich zugelassenen nuklearmedizinischen Therapie unter Verwendung von Radium- 223-Dichlorid lässt sich festhalten, dass die Lutetium-177-PSMA-Therapie nicht nur bei einer ossären Metastasierung angewendet werden kann, sondern auch bei einer viszeralen Metastasierung im Falle einer positiven PSMA-Exprimierung möglich ist. Das Nebenwirkungsprofil beider Therapieverfahren ist in Bezug auf Blutbildveränderungen, speziell wenn es sich um einen vorwiegend skelettalen Metastasierungstyp handelt, vergleichbar. Aufgrund des hohen Speicherverhaltens in den Speicheldrüsen wird weiters bei der Lu-177-PSMA-Therapie in vielen Fällen auch eine Mundtrockenheit beobachtet. Demgegenüber wird aufgrund des Ausscheidungsmechanismus über den Gastrointestinaltrakt bei der Anwendung von Ra-223-Chlorid häufiger über gastrointestinale Beschwerden berichtet. Bei einem initial guten Therapieansprechen unter Radium-223-Dichlorid kann gegebenenfalls bei Auftreten einer neuerlichen Progression, insbesondere bei neu aufgetretenen viszeralen Metastasen, eine weiterführende Lu-177-PSMA-Therapie in Erwägung gezogen werden.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aufgrund erster prospektiver und retrospektiver Studienergebnisse mit einer unterschiedlichen Anzahl an Patienten und unterschiedlichen Therapiemodalitäten die sogenannte Lutetium-177-PSMATherapie eine für die Zukunft vielversprechende Therapieoption bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs darstellt. Um den genauen Stellenwert dieser Therapie im Kontext diverser systemischer Therapieverfahren zu definieren, bedarf es sicherlich für die Zukunft größerer randomisierter Multicenterstudien, welche zum Teil bereits in Planung bzw. Umsetzung sind. Die derzeitige Empfehlung sieht eine Anwendung nach erfolgten Standardbehandlungen und progressiver Erkrankung vor. Entscheidend für die Auswahl dieser Therapie ist jedenfalls die spezifische Traceranreicherung in der 68-Ga-PSMA-PET/CT. Neben einem objektiven Therapieansprechen ist vor allem auch – ähnlich wie bei diversen anderen nuklearmedizinischen Therapieverfahren – eine Verbesserung der Lebensqualität, insbesondere was die Schmerzsymptomatik anbelangt, zu erwarten. Ob diese Therapie auch eine Auswirkung auf das Gesamtüberleben hat, müssen weitere prospektive Studien zeigen.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Rahbar K et al.: German multicenter study investigating <sup>177</sup>Lu-PSMA-617 radioligand therapy in advanced prostate cancer patients. J Nucl Med 2017; 58: 85-90 <strong>2</strong> Hofman MS et al.: [<sup>177</sup>Lu]-PSMA-617 radionuclide treatment in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (LuPSMA trial): a single-centre, single-arm, phase 2 study. Lancet Oncol 2018; 19: 825- 33 <strong>3</strong> S3-Leitlinie, letzter Zugriff 25.10.2018: https://leitlinienprogrammonkologie. de/uploads/tx_sbdownloader/ LL_Prostata_Langversion_4.0.pdf</p>
</div>
</p>
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