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Rekonstruktion bei „buried penis“ oder „Paraffinom“
Urologik
Autor:
Prof. Dr. Michael Sohn
Chefarzt<br> Email: Michael.Sohn@fdk.info
Autor:
Dr. Saskia Morgenstern
Klinik für Urologie und Klinik für roboterassistierte Urologie und Uroonkologie<br> AGAPLESION Markus-Krankenhaus, Frankfurt
30
Min. Lesezeit
12.12.2019
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<p class="article-intro">Die Ätiogenese des adulten „buried penis“ unterscheidet sich vom kongenitalen Typ grundsätzlich. Somit sind auch die rekonstruktiven Verfahren nicht mit dem Vorgehen beim Kind vergleichbar. Paraffinome stellen eine Sonderform des „buried penis“ dar und erfordern je nach Befund ein individualisiertes Vorgehen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Adipositas, Diabetes und Lichen sclerosus als typische Auslöser des adulten „buried penis“</h2> <p>Adipositas, gerade im Sinne einer Stammfettsucht, gilt als Trigger für die Entwicklung eines „buried penis“. Es finden sich hierzu zwar keine epidemiologischen Angaben, aber es ist im Angesicht einer zunehmenden Adipositasprävalenz und der demografischen Entwicklung davon auszugehen, dass das Krankheitsbild sich relevant häufen wird.<sup>1</sup><br /> Die distale Verlagerung des präpubischen Fettgewebes und die zunehmende Invagination des Penisschaftes führen zur Beeinträchtigung der Miktion mit chronischem Urinkontakt und rezidivierenden Entzündungen. Ein gleichzeitig bestehender Diabetes mellitus verschärft die Problematik und prädisponiert zur Ausbildung einer Phimose, die dann häufig in einen Lichen sclerosus der Vorhaut und Glans mit weiterer narbiger Schrumpfung übergeht. Eine alleinige Zirkumzision führt in diesen Fällen zu keiner Lösung des Problems, sondern verschlimmert die Invagination des Penis durch zusätzlichen Hautverlust. Je nach Ausprägungsgrad und Begleiterkrankungen kann eine Klassifikation der Schweregrade eines „buried penis“ erfolgen, die dann auch ein individualisiertes operatives Vorgehen erlaubt (Tab. 1). Wie aus der Tabelle ersichtlich, reicht je nach Stadium die operative Therapie von der alleinigen Fettschürzenresektion bis zur Defektdeckung des Penisschaftes mit Hauttransplantaten oder lokalen Lappenplastiken. Hierbei kann eine vollständige Mobilisation des Penisschaftes mit Durchtrennung der Ligamenta suspensoria und Ankernähten der Corpora an tieferen Strukturen erforderlich werden.<sup>3, 4</sup><br /> Wenn nach der Fettschürzenresektion oder Lipektomie und nach der Mobilisation des Penisschaftes Hautdefekte entstehen, so bietet sich die bei der Lipektomie mitentnommene Haut als Vollhauttransplantat an (Abb. 1a–c).<br /> Die verbliebene Erektionsfunktion des Penis bestimmt ebenfalls das Vorgehen bei der Defektdeckung: Bei guter Erektionsfunktion sollte Vollhaut gewählt werden, da sie eine geringere Schrumpfungstendenz als Spalthaut aufweist. Die Meshung dieser Haut sollte von Hand mit dem Messer erfolgen. Bei schlechter Erektionsfähigkeit und dem bestehenden Wunsch nach Erhaltung der Kohabitationsfähigkeit kann die gleichzeitige Implantation einer Penisprothese erwogen werden. Bei älteren Patienten ohne Kohabitationswunsch kann auch gemeshte Spalthaut verwendet werden, die bei besserem „Take“ jedoch eine höhere Schrumpfungstendenz aufzeigt.<br /> Alternativ zur freien Hauttransplantation können ein- oder zweiseitige Schwenklappenverfahren aus Skrotalhaut zum Einsatz kommen. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein ausreichend großes Skrotum. Die Beseitigung der Fettschürze sollte im Übrigen im Sinne einer Lipektomie, einer Pannikulektomie oder einer Bauchwandplastik erfolgen, und nicht mittels einer Aspirationslipektomie, da hierdurch keine ausreichende Entfernung der überhängenden Hautfalten erfolgt. Im eigenen Vorgehen hat sich bei komplexen Situationen die Kooperation mit einem kompetenten plastischen Chirurgen bewährt. Postoperativ wird eine mehrtägige Bettruhe empfohlen, wobei der Penis mit einem nahtfixierten Druckverband in senkrechter Position unter Dauerkatheterableitung für 6 Tage fixiert und stabilisiert wird (Abb. 1c).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1904_Weblinks_urologik_uro_1904_s22_tab1_sohn.jpg" alt="" width="550" height="332" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1904_Weblinks_urologik_uro_1904_s22_abb1_sohn.jpg" alt="" width="800" height="292" /></p> <h2>Paraffinome: fast immer nach Injektion von Fremdmaterial durch Nichtmediziner</h2> <p>Eine Ausnahme stellt hier die Injektion von flüssigem Silikon durch einige plastische Chirurgen dar, die jedoch als obsolet betrachtet wird. Die erste Publikation über die Folgen der penilen Injektionen von flüssigem Paraffinöl geht auf das Jahr 1899 zurück. Diese Form der „penilen Augmentation“ ist vor allem in Asien und in einigen osteuropäischen Ländern verbreitet, insbesondere in dortigen Gefängnissen (Hungarian Jailhouse Rock 2012).<sup>5</sup> Durch Granulombildung und Infektion kommt es im weiteren Verlauf zu zahlreichen Komplikationen wie sekundärer Phimose, massiver Plaquebildung, Ulzerationen und Hautnekrosen bis zur Fournier’schen Gangrän. Das Subkutangewebe des Penis und gegebenenfalls auch des Skrotums verhärtet sich, wird unelastisch und knotig aufgetrieben, wobei die darüber liegende Haut nicht mehr verschieblich ist. Im Endeffekt kommt es zur Ausbildung einer Sonderform des „buried penis“. Es handelt sich fast immer um jüngere, sexuell aktive Patienten ohne wesentliche Begleiterkrankungen.<sup>6</sup><br /> Konservative Therapieoptionen bestehen nicht, sodass lediglich operative Verfahren eine Option für die Wiedererlangung der Kohabitationsfähigkeit darstellen. Die Vorgehensweise orientiert sich dabei am Schweregrad und der Ausdehnung der Granulombildung. Bei erhaltener Durchblutung der über den Granulationen liegenden Haut und guter Verschieblichkeit können Resektionen unter Erhalt der Schafthaut möglich sein, in der Mehrzahl der Fälle ist jedoch mit einem teilweisen oder vollständigen Verlust der Penisschafthaut zu rechnen. Analog zu operativen Techniken bei „buried penis“ können die Hautdefekte dann mit freien Hauttransplantaten (Vollhaut oder dicke Spalthaut 0,5 mm) oder mit gestielten Lappen bei ausreichend großem Skrotum gedeckt werden (Abb. 2a–d).<br /> Bei Verwendung von Spalthaut empfiehlt sich anstatt der üblichen 1:1,5- Meshung des Transplantates ein sogenannter Mikromesh mit um 90° gedrehten Meshplatten, um einen guten Take und gleichzeitig ein zufriedenstellendes kosmetisches Ergebnis zu erreichen (Abb. 2c, d). Der Spalthaut sollte durch zahlreiche Quilting-Sutures ein sicherer Sitz und Take ermöglicht werden. Postoperativ erfolgt eine Fixierung des Penis im Kompressionsverband mit Hautnähten in aufrechter Position für 5–6 Tage (Abb. 1c). Einer potenziellen Schrumpfung sollte für 3 Monate durch Tragen eines penilen Stretchersystems und durch Einnahme von Tadalafil 5mg pro Tag vorgebeugt werden.<br /> An unserer Klinik wurden von 2015 bis 2019 14 Patienten mit ausgedehnten Paraffinomen operiert, wobei nur in 2 Fällen eine Hautdeckung ohne freies Transplantat möglich war. Das Durchschnittsalter lag bei 41 Jahren. Im gleichen Zeitraum wurden 14 Patienten mit einem „buried penis“ operiert, die sämtlich Voll- oder Spalthauttransplantate zur Defektdeckung benötigten. Alle Hauttransplantate gingen zufriedenstellend an, bis auf eine Teilnekrose, die später durch erneute Spalthautdeckung erfolgreich versorgt wurde.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1904_Weblinks_urologik_uro_1904_s23_abb2_sohn.jpg" alt="" width="800" height="292" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die Prävalenz von Patienten mit „buried penis“ steigt auch aufgrund einer zunehmenden Anzahl hochadipöser Patienten an. Die operative Therapie sollte stadienorientiert und an den individuellen Bedürfnissen ausgerichtet sein. Eine mehr oder weniger ausgeprägte Lipektomie ist integraler Bestandteil der verschiedenen Operationstechniken, häufig kombiniert mit freien Vollhauttransplantaten oder einoder zweizeitiger Verschiebelappenplastik.<br /> Die operative Versorgung von Paraffinomen – einer Sonderform des „buried penis“ – beinhaltet in der Mehrzahl der Fälle die Notwendigkeit von großflächigen Defektdeckungen im Penisschaft- oder sogar Skrotalbereich. Auch hier können sowohl freie Spalthauttransplantate als auch gestielte Lappenplastiken zur Anwendung kommen. Die postoperative Anwendung von penilen Stretchersystemen verhindert eine mögliche Schrumpfung der Transplantate.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Mühlstädt S et al.: Plastisch-chirurgische Rekonstruktion des adulten „buried Penis“. Der Urologe 2017; 56: 1266-73 <strong>2</strong> Mirastschijski U et al.: Buried penis: a comprehensive review on aetiology, classification and plastic-surgical reconstruction. Handchir Mikrochir Plast Chir 2017; 49(2): 78-84 <strong>3</strong> Jun MS et al.: Contemporary management of adult-acquired buried penis. BJUI Intl 2018; 122: 713-5 <strong>4</strong> Riechardt S, Fisch M: Der vergrabene Penis. Der Urologe 2013; 52: 1430-3 <strong>5</strong> Bajory Z et al.: Surgical solutions for the complications of the vaseline self-injection of the penis. J Sex Med 2013; 10: 1170-7 <strong>6</strong> Downey AP et al.: Penile Paraffinoma. Eur Urol Focus 2019; 5: 894-8</p>
</div>
</p>
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