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Reoperationsrate und Mortalität nach TURP und offener Prostatektomie in einer nationalen Langzeitstudie: Haben wir uns in einer Dekade verbessert?
Urologik
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Stephan Madersbacher
Urologische Abteilung<br> Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien<br> Sigmund Freud Privatuniversität, Wien
Autor:
Dr. Klaus Eredics
Urologische Abteilung<br> E-Mail: klaus.eredics@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
13.09.2018
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<p class="article-intro">Der folgende Artikel fasst die Ergebnisse zu Reoperationsraten in Österreich nach transurethraler Resektion der Prostata und offener Prostatektomie zusammen, die kürzlich im Journal „Urology“ publiziert wurden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die TURP-Raten in Österreich blieben zwischen 1992 und 2006 weitgehend stabil, mit einer 50 % Reduktion der offenen Prostatektomie.</li> <li>Die Mortalität sank innerhalb einer Dekade um 20 % .</li> <li>Die Reinterventionsraten blieben weitgehend unverändert.</li> </ul> </div> <h2>Einleitung</h2> <p>Die transurethrale Resektion der Prostata (TURP) und – zu einem geringeren Ausmaß – die offene Prostatektomie (PE) stellen seit Jahrzehnten den Goldstandard in der operativen Therapie bei BPH/BPE/ LUTS dar.<br /> Es besteht Konsens, dass die Reinterventionsrate der stringenteste Parameter zur Erfassung der Effektivität einer chirurgischen Intervention bei BPH/BPE/ LUTS über einen langen Zeitraum ist. Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die von Roos et al. im Jahr 1989 publizierte Arbeit. 2005 veröffentlichte unsere Arbeitsgruppe eine österreichweite Analyse zum Langzeiterfolg der operativen BPH/BPE/ LUTS-Therapie: Insgesamt erhielten damals von 1992 bis 1996 23 123 Patienten eine TURP oder PE und wurden für 8 Jahre nachbeobachtet. Diese Studie diente uns als Maßstab für unsere aktuelle Analyse, in der 21 674 Patienten, die zwischen 2002 und 2006 österreichweit eine TURP oder offene PE erhielten, wiederum für 8 Jahre nachverfolgt wurden. Insgesamt standen also die Daten von über 44 000 Patienten mit einen Follow-up von 8 Jahren zur Verfügung. Die Originalarbeit wurde kürzlich in einem „peer-reviewed journal“ publiziert (Eredics K et al.: Urology 2018) und wird hier auszugsweise vorgestellt.</p> <h2>Methodik</h2> <p>Seit den späten 1980er-Jahren erfasste das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG), das seit 2006 in die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) eingegliedert ist, Daten, die Aufschluss über den Gesundheitszustand der Bevölkerung geben sollen, wie z.B. die Lebenserwartung, Mortalitätsstatistiken, Krebsregister, Verkehrsunfälle und sämtliche Spitalsaufenthalte sowie alle Diagnosen und Therapien während des Krankenhausaufenthalts aller Patienten in allen österreichischen Krankenhäusern. Für diese Arbeit evaluierten wir alle Patienten mit der Diagnose Prostatahyperplasie (ICD-10 N40), die zwischen 2002 und 2006 eine TURP bzw. offene PE erhielten. Patienten mit der Diagnose Prostatakarzinom (ICD- 10 C67) wurden ausgeschlossen.<br /> Erfasst wurden Reoperationen oder Folgeeingriffe wie Urethrotomie oder Blasenhalsinzision 1, 5 und 8 Jahre nach dem Primäreingriff sowie die Mortalität nach beiden Operationen.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Zwischen 2002 und 2006 erhielten insgesamt 20 388 Patienten eine TURP und 1286 Patienten eine offene PE, mit einem Durchschnittsalter von 70,1 Jahren in der TURP-Gruppe und 71,5 in der PE-Gruppe (Abb. 1).<br /> Insgesamt blieb die Anzahl an TURPOperationen im Vergleich zwischen 2002 und 2004 stabil, danach kam es zu einem leichten Anstieg von 15 % . An der Anzahl an offenen PEs zeigte sich im Vergleich zu den früheren Daten ein Rückgang um die 50 % .<br /> Nach 8 Jahren benötigten 8,3 % aller TURP-Patienten eine neuerliche TURP sowie 4,3 % der Patienten nach offener PE. Die Re-TURP-Rate war in der Altersgruppe 80+ am höchsten (Abb. 2). Die Rate an endourologischen Folgeeingriffen war nach 12 Monaten 3,7 % nach primärer TURP versus 3 % nach offener PE. Nach 8 Jahren benötigten 12,7 % bzw. 8,8 % einen Folgeeingriff.<br /> Die 30-Tages-Mortalitätsrate betrug 0,1 % nach TURP bzw. 0,2 % nach offener PE.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1803_Weblinks_s19_abb1.jpg" alt="" width="1419" height="1126" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1803_Weblinks_s19_abb2.jpg" alt="" width="1422" height="2151" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>In unserer Analyse konnten wir zeigen, dass die jährliche Anzahl an TURPs in Österreich stabil blieb, mit einem leichten Anstieg von 15 % zwischen 2004 und 2006. Interessanterweise zeigte sich somit, dass die TURP-Raten über zwei Jahrzehnte nahezu gleichbleibend waren. Diese konstanten Raten stehen im Gegensatz zu Daten aus z.B. den USA, welche einen deutlichen Rückgang an TURPs beschreiben. Unter anderem beobachteten Watson et al. einen Rückgang der TURP von 50 % zwischen 1984 und 1990. Diese Raten nahmen weiter ab und zwischen 2000 und 2008 sank die Anzahl der TURPs in den USA um weitere 48 % .<br /> Dieser signifikante Rückgang wird, zumindest in den USA, von einer immer größer werdenden Popularität von minimal invasiven Behandlungsmethoden wie z.B. der Mikrowellen-Thermotherapie (TUMT), der transurethralen Nadelablation (TUNA) und verschiedenster Laserverfahren begleitet.<br /> Verlässliche Daten zur Anzahl an minimal invasiven Eingriffen stehen in Österreich nicht zur Verfügung, mengenmäßig fallen diese aber nicht ins Gewicht.<br /> Die nahezu konstante Rate an TURPs in Österreich steht in Kontrast zum demografischen Trend. Sie demonstriert unter anderem den therapeutischen Effekt der medikamentösen LUTS/BPH/BPE-Therapie und ist möglicherweise auch das Resultat einer strengeren OP-Indikationsstellung.<br /> Im Gegensatz zur TURP sank die Anzahl der offenen Prostatektomien von 1992 bis 2006 um fast 50 % . Enukleationstechniken standen zwischen 2002 und 2006 in Österreich nur in sehr geringem Ausmaß zur Verfügung, sodass anzunehmen ist, dass die zunehmende Etablierung der bipolaren TURP, der kontinuierliche Spülfluss und die Kameraanwendung das Prostatagrößenlimit der transurethralen Resektion nach oben verschoben haben.<br /> Wie bereits erwähnt, stellt die Rate an Reoperationen den Goldstandard zur Erfassung der Effizienz einer BPH/BPE/ LUTS-Therapie dar. In der wegweisenden Studie von Roos et al. an 36 703 Patienten fand sich eine Reoperationsrate für TURP von 12 % nach 8 Jahren sowie von 4,5 % für offene PE. Diese Daten galten für fast zwei Jahrzehnte als Richtwert zur Qualitätserfassung beider Operationsverfahren. In unserer aktuellen Serie zeigt sich nur eine marginale Verbesserung der Re-TURP-Rate mit 8,3 % nach initialer TURP bzw. 4,3 % nach offener PE. Dies erscheint erstaunlich und auch enttäuschend, da die TURP-Technik laufend Verbesserungen und Optimierungen erfuhr und heute ein besseres Verständnis der Pathophysiologie und somit auch der Operationsindikation besteht. In der Kohorte 80+ fand sich eine etwas höhere Reinterventionsrate. Dies ist vermutlich durch eine höhere Prävalenz an Detrusorüberaktivität, Detrusorunteraktivität und eine geringere Rate an urodynamisch wirksamer subvesikaler Obstruktion sowie ein daraus folgendes schlechteres Operationsergebnis bedingt.<br /> Der finale Aspekt unserer Studie war die Analyse der unmittelbaren und langfristigen Mortalität nach TURP und PE. Hier zeigt sich im Vergleich zur letzten Serie eine Reduktion sowohl der 30-Tages- Mortalität als auch der Gesamtmortalität um 20 % und somit im Gegensatz zur Reinterventionsrate eine Verbesserung nach einer Dekade.</p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Die TURP-Raten in Österreich zwischen 1992 und 2006 blieben stabil, einhergehend mit einem Rückgang der offenen PE um 50 % . Die Re-TURP-Rate nach 8 Jahren betrug 8,3 % , überraschenderweise ohne erkennbare Verbesserung im Vergleich zur letzten Dekade. Die TURP bleibt weiterhin ein sicheres Verfahren mit einer 30-Tages-Mortalität von 0,1 % . Das exzellente Langzeitüberleben nach TURP unterstreicht den Bedarf an Follow- up-Studien, um den langfristigen Effekt (>5Jahre) jeglicher interventionellen Therapie des BPS beurteilen zu können.</p></p>
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