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TUR II beim Blasenkarzinom – wann brauchen wir sie unbedingt? Und hilft uns PDD bei dieser Frage?
Urologik
Autor:
Dr. Eva Sailer
Klinik für Urologie und Andrologie<br> Kepler Universitätsklinikum, Linz<br> E-Mail: eva.sailer@kepleruniklinikum.at
30
Min. Lesezeit
13.09.2018
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<p class="article-intro">In unserer retrospektiven Datenanalyse zeigte sich, dass neben den bekannten Faktoren wie T-Stadium und CIS auch Größe und Multifokalität die Residual tumorrate signifikant beeinflussen. Die photodynamische Diagnostik (PDD) kann das Staging bereits in der TUR I präzisieren, ersparen kann sie uns die TUR II aber nicht.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei der Indikationsstellung zur TUR II soll neben dem Status der Muscularis und dem TStadium auch auf Multifokalität und Tumorgröße geachtet werden.</li> <li>Verzicht auf Nachresektion bei pTaG1/LG trotz fehlender Muscularis scheint zulässig.</li> <li>Bei knapp einem Viertel der Patienten hat PDD zur Detektion zusätzlicher Tumoren geführt.</li> <li>PDD kann die Residualtumorrate reduzieren und das Staging präzisieren, auf die TUR II kann dadurch aber nicht verzichtet werden.</li> </ul> <h2>Einleitung</h2> In unserem klinischen Alltag behandeln wir häufig Patienten mit oberflächlichem Blasentumor, oftmals stellen wir dabei die Indikation zur TUR II oder besprechen das Ergebnis dieser OP. Daher haben wir uns die Frage gestellt, welchen Benefit die TUR II wirklich bringt, wann sie unbedingt durchgeführt werden soll und unter welchen Umständen darauf verzichtet werden kann.<br /> Zu diesem Zwecke haben wir eine retrospektive Analyse von 373 an unserer Abteilung durchgeführten Nachresektionen mit vorangegangener TUR I vorgenommen. Evaluiert wurden u.a. die Residualtumorrate, das histologische Ergebnis, Multifokalität, Größe und Vollständigkeit der Erstresektion laut Operateur sowie der Einsatz von PDD. In 350 Fällen wurde eine komplette Erstre sektion (cR0) vom Operateur beschrieben, diese Fälle wurden zur weiteren Analyse des TUR-II-Outcomes herangezogen.<br /> <h2>Ergebnisse und Diskussion</h2> <strong>A) Residualtumorrate</strong><br /><br /> Insgesamt zeigte sich in 15,1 % (53/350) der Nachresektionen ein Tumor. Schlüsselte man die Residualtumorrate (RTR) nach dem Ausgangsbefund der TUR I auf (Abb. 1), ergab sich erwartungsgemäß ein signifikanter Unterschied im T-Stadium (RTR bei pTa 8,8 % , bei pT1 31,5 % ; p<0,001), im Grading (RTR bei LG 2,5 % , bei HG 26,1 % , p<0,001) und bei Vorhandensein von CIS (p=0,001), aber auch Multifokalität (p<0,001) und Größe (p=0,014) hatten entscheidende Auswirkungen auf das TUR-II-Ergebnis. Die beiden zuletzt genannten Faktoren finden aber in den aktuellen EAU-Guidelines<sup>1</sup> bezüglich TURII- Indikation keine Beachtung.<br /> Der Einfluss vor allem der Multifokalität wurde auch schon in anderen Publikationen, zum Beispiel von Brausi et al.<sup>2</sup>, beschrieben. In seiner kombinierten Analyse aus sieben EORTC-Trials mit über 2400 eingeschlossenen Patienten war die Rezidivrate in der ersten Follow-up-Zystoskopie nach 3 Monaten 7,6 % für Patienten mit Einzeltumoren, 26,6 % für Patienten mit 2 bis 5 Tumoren und 40 % bei über 5 Tumoren.<br /> Hervorzuheben ist die Subgruppe der pTaHG-Tumoren, die laut Leitlinien nicht nachreseziert werden müssen (vorausgesetzt Muscularis war im TUR-I-Resektat vorhanden). In diesen Fällen fand sich in 19,1 % der Nachresektionen ein Tumor – diese Rate erhöhte sich deutlich, war der Befund größer als 3cm (RTR 28,0 % ), multifokal (29,8 % ) oder sogar beides (46,2 % ). Lazica et al.<sup>3</sup> fanden in ihrer Single-Center- Analyse eine noch höhere Residualtumorrate in dieser Subgruppe von 41,6 % und empfahl als Konsequenz daraus eine Nachresektion bei diesem Ausgangsbefund.</div> <div> </div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1803_Weblinks_s16_abb1.jpg" alt="" width="1419" height="1245" /><br /><br /><strong>B) Muscularis</strong><br /><br /> Muscularis war in 24 % der Erstresektionen beschrieben. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass wir bei Datenerhebung die Muscularis nur als „vorhanden“ werten konnten, wenn sie der Pathologe dezidiert beschrieb. Wir müssen davon ausgehen, dass dadurch einige wenige Muscularis-negative Fälle eher der Kürze des schriftlichen Befundes als der tatsächlichen Resektionstiefe geschuldet waren.<br /> In der Subgruppenanalyse hatte der Status der Muskulatur keine Auswirkung auf die Residualtumorrate (RTR mit und ohne Muscularis respektive 14,3 % und 15,4 % ; p=0,863).<br /> Betrachtet man die pT1-Fälle gesondert, wird ein Unterschied erkennbar: Mit Muscularis im TUR-I-Resektat fand sich in 25,0 % der Fälle Residualtumor, ohne in 36,4 % . In der logistischen Regression hatte jedoch, nach Abzug anderer Faktoren wie des Alters und des T-Stadiums, eine fehlende Muscularis im Gesamten positiven Einfluss auf das Residualtumorverhalten.<br /> Die EAU-Guidelines sehen vor, dass bei pTaG1/LG trotz fehlender Muscularis auf eine TUR II verzichtet werden kann. Wir überprüften diese Subgruppe in unserem Kollektiv: 44 solcher Fälle wurden nachreseziert, es fand sich nur in 2 davon Tumor (4,5 % ).<br /><br /><strong> C) Photodynamische Diagnostik</strong><br /><br /> In 46,9 % der Fälle wurde PDD bei der TUR I angewandt und in 85 % dieser Fälle auch vom Operateur als wirkungsvoll beschrieben. Sieht man sich nun die Häufigkeit eines TUR-I-Befundes in Abhängigkeit vom PDD-Einsatz an (Abb. 2), kann man eine Tendenz zu höheren T-Stadien unter PDD erkennen, diese war jedoch nicht statistisch signifikant (p=0,327). Weiters sank die Residualtumorrate mit dem Einsatz der photodynamischen Diagnostik (RTR mit und ohne PDD respektive 11,3 % und 17,9 % ; p=0,097).<br /> Signifikant waren die Zunahme an CISDiagnosen unter PDD und auch die häufigere Resektion unter Mitnahme von Muskulatur. Auf die Multifokalität oder die Detektionshäufigkeit großer Tumoren (>3cm) nahm PDD keinen Einfluss.<br /> In 23,1 % der Fälle wurde mithilfe von PDD – histologisch verifiziert – ein Tumor reseziert, der vom Operateur in Weißlicht nicht ersichtlich gewesen wäre. Eine ähnlich hohe Zahl ergab auch eine Metaanalyse von Burger et al.,<sup>4</sup> hier wurde in 24,9 % zumindest ein zusätzlicher Ta/T1- Tumor durch die Blaulichtzystoskopie detektiert.</div> <div> </div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1803_Weblinks_s16_abb2.jpg" alt="" width="1419" height="1246" /><br /><br /> <strong>D) Upstaging</strong><br /><br /> In 5,7 % der Fälle kam es durch das TUR-II-Ergebnis zu einem Upstaging – mit PDD geschah dies in 2,0 % der Fälle, ohne in 8,7 % (p=0,023). In 70 % ergab sich die Änderung des Tumorstadiums durch eine CIS-Neudiagnose, ein Upstaging im TStadium fand nur in 1,4 % aller Nachresektionen statt. Der Status der Muscularis in der TUR I hatte keinen Einfluss auf die Upstaging-Rate. <h2>Conclusio – wie können wir nun die eingangs gestellten Fragen beantworten?</h2> Die TUR II dient prinzipiell dazu, einerseits ein Tumorresiduum und andererseits ein Understaging zu verhindern.<br /> In unserem Kollektiv zeigte jeder sechste Patient in der Nachresektion einen Blasentumor – bliebe dieser unbehandelt, hätte das längerfristig ein deutliches Ansteigen der Rezidivrate zur Folge. Diese wurde in unserer Arbeit nicht erhoben, aber mehrere Publikationen gehen darauf ein: In einer prospektiven, randomisierten Studie<sup>5</sup> wurden 210 Patienten mit pT1 in zwei Gruppen randomisiert – in einer wurde eine TUR II durchgeführt, in der anderen nicht. Alle erhielten eine postoperative intravesikale Chemotherapie-Instillation. Im Follow-up nach 66 Monaten war in der TUR-II-Gruppe die Rate des rezidivfreien Überlebens (overall: 52 % vs. 21 % ) höher, die Progressionsrate (6,5 % vs. 23,5 % ) signifikant niedriger. Ein rezenter systematischer Review<sup>6</sup> beschrieb auch für pTa-Tumoren eine niedrigere Rezidivrate nach reTUR im 12-Monats-Follow-up (16 % vs. 58 % ohne Nachresektion). Eine Verbesserung des Outcomes nach TUR II lässt sich aber nur bei pT1-Tumoren vermuten.<br /> Durch die TUR II erfuhr jeder 17. unserer Patienten ein Upstaging, bei jedem 19. musste eine Änderung des Therapieregimes vorgenommen werden.<br /> Im Einklang mit den Leitlinien ergaben auch unsere Daten, dass bei pT1 unbedingt eine Nachresektion durchzuführen ist, weiters bei HG und begleitendem CIS. Es zeigte sich aber auch, dass Multifokalität und Tumorgröße ausschlaggebende Faktoren waren, die bei der Indikationsstellung zur TUR II beachtet werden sollten – Relevanz hat dies vor allem für pTaHG-Tumoren.<br /> Mithilfe der photodynamischen Diagnostik kam es zu einem präziseren Staging bereits in der TUR I – dies wurde durch eine Reduktion der Residualtumorund Upstagingrate nach TUR II gezeigt. Von der Notwendigkeit einer Nachresektion kann uns die PDD aber nicht befreien.</div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Babjuk M et al.: Guidelines on non-muscle-invasive bladder cancer (Ta, T1 and CIS). Edn presented at the 33<sup>rd</sup> EAU Annual Congress Copenhagen 2018 <strong>2</strong> Brausi M et al.: Variability in the recurrence rate at first follow-up cystoscopy after TUR in stage Ta T1 transitional cell carcinoma of the bladder: a combined analysis of seven EORTC studies. Eur Urol 2002; 41(5): 523-31 <strong>3</strong> Lazica DA et al.: Second transurethral resection after Ta high-grade bladder tumor: a 4.5-year period at a single university center. Urol Int 2014; 92(2): 131-5 <strong>4</strong> Burger M et al.: Photodynamic diagnosis of non-muscle-invasive bladder cancer with hexaminolevulinate cystoscopy: a meta-analysis of detection and recurrence based on raw data. Eur Urol 2013; 64(5): 846-54 <strong>5</strong> Divrik RT et al.: Impact of routine second transurethral resection on the long-term outcome of patients with newly diagnosed pT1 urothelial carcinoma with respect to recurrence, progression rate, and disease-specific survival: a prospective randomised clinical trial. Eur Urol 2010; 58(2): 185-90 <strong>6</strong> Cumberbatch MGK et al.: Repeat transurethral resection in non-muscle-invasive bladder cancer: a systematic review. Eur Urol 2018; 73(6): 925-33</p>
</div>
</p>
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