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Urolithiasis: Überblick und Ausblick

Zukunft der Steintherapie – Was wird sich ändern?

<p class="article-intro">Die Urolithiasis ist und bleibt das tägliche Brot der Urologen in Klinik und Praxis. Die im letzten Jahr vorgestellte S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie hat die aktuellen Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe – interdisziplinär konsentiert – zusammengefasst. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über den derzeitigen Stand und einen Ausblick auf die Zukunft.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die CT hat in der Notfalldiagnostik Vorteile gegen&uuml;ber dem Ausscheidungsurogramm.</li> <li>F&uuml;r die Diagnose distaler Harnleitersteine und die Darstellung des Nierenbecken-Kelchsystems sowie der Harnleiter ist die CT weniger geeignet.</li> <li>Interventionelle Verfahren zur Steinentfernung werden vermehrt eingesetzt.</li> <li>Die ESWL k&ouml;nnte verbessert werden, wenn intensiver daran geforscht w&uuml;rde.</li> </ul> </div> <p>Blickt man 20 Jahre zur&uuml;ck und vergleicht die damalige Praxis mit der heutigen, dann stellt man nicht ganz &uuml;berraschend fest, dass sich das Management von Harnsteinen in vielen gro&szlig;en und kleinen Aspekten ge&auml;ndert hat. Ich wurde nach der Zukunft der Steintherapie gefragt und bin mir bewusst, dass die Zukunft vorherzusagen in der Regel nicht fehlerlos gelingt. Man denke nur an die Aussage von Kaiser Wilhelm II., der das Automobil als eine vor&uuml;bergehende Erscheinung bezeichnet hat und auf das Pferd setzte. Oder an Bill Gates, der meinte, mehr als 640kB ben&ouml;tige kein Mensch (jedes Handy hat heute mehr Speicherplatz). Ich bewege mich also auf d&uuml;nnem Eis, aber immerhin in guter Gesellschaft, gerne lasse ich mich in einigen Jahren &uuml;ber den tats&auml;chlichen Verlauf der &bdquo;Harnsteingeschichte&ldquo; belehren.</p> <h2>Die Bedeutung der Bildgebung</h2> <p>Die Radiologie ist ein fester Bestandteil der Urologie &ndash; zu Recht halten wir daran fest. Trotzdem m&uuml;ssen wir der Realit&auml;t ins Auge sehen und akzeptieren, dass die native Computertomografie (CT) das konventionelle Ausscheidungsurogramm (AUG) in der Notfalldiagnostik abgel&ouml;st hat. Die Vorteile liegen auf der Hand: sehr schnelle Diagnose, keine Kontraindikationen au&szlig;er Schwangerschaft durch den Verzicht auf Kontrastmittel (KM) und die M&ouml;glichkeit der Dichtemessung zur Therapieplanung. Trotzdem wird oft vergessen, dass auch die CT Schw&auml;chen hat. Die sichere Diagnose von distalen Harnleitersteinen gelingt oft nicht mit letzter Sicherheit, insbesondere bei adip&ouml;sen Patienten. Problematisch bei dieser Patientengruppe ist auch die Strahlenbelastung, da hier trotz Verwendung spezifischer Low-Dose-Protokolle eine erhebliche Steigerung der Strahlendosis erforderlich ist &ndash; sodass von &bdquo;low dose&ldquo; keine Rede mehr sein kann. Ein ganz entscheidender Nachteil ist aber die fehlende Darstellung des Nierenbecken-Kelchsystems und der Harnleiter. Schaut man in die S2k-Leitlinie, so wird hier klar eine Kontrastmitteldarstellung vor Intervention gefordert. Wie mit diesem Problem umgegangen wird, ist wohl unterschiedlich, teils werden letztlich doch AUG durchgef&uuml;hrt, teils KM-CT und teils unmittelbar vor Intervention retrograde Ureteropyelografien.<br /> Die CT ist in der Urologie angekommen, um zu bleiben. Sie ist aber ohne Frage nicht perfekt und kann bislang die konventionelle Bildgebung nicht vollst&auml;ndig verdr&auml;ngen. Aktuelle Weiterentwicklungen wie neue Steinprotokolle oder auch die &bdquo;Dual energy&ldquo;-CT werden zeigen m&uuml;ssen, ob sich dies mittelfristig &auml;ndert. Nicht zuletzt aus berufspolitischen Gr&uuml;nden sollten wir uns damit auseinandersetzen, wie wir &ndash; zumindest an Kliniken &ndash; CT urologisch betreiben k&ouml;nnen. Erste urologische Kliniken haben aus der interventionellen Radiologie und Angiologie bekannte &bdquo;Cone beam&ldquo;-CT angeschafft. Dieser Schritt ist ohne Frage zu begr&uuml;&szlig;en.</p> <h2>Entwicklungen in der Therapie</h2> <p>Harnleitersteine, welche den Patienten mit den typischen Kolikbeschwerden zum Urologen treiben, sind das h&auml;ufigste Szenario in Klinik und Praxis. Die Abgangsrate ist in der Regel hoch, aber die Geduld von Patient und Arzt h&auml;ufig begrenzt. Sicherlich werden heute viele Harnleitersteine einer Intervention zugef&uuml;hrt, die auch spontan abgegangen w&auml;ren. Eine gro&szlig;e Rolle spielt hierbei die Verf&uuml;gbarkeit von d&uuml;nnen Endoskopen, die eine prim&auml;re Ureteroskopie bei geringster Morbidit&auml;t erm&ouml;glichen. Der Begriff der MET (&bdquo;medical expulsive therapy&ldquo;) hat in den letzten Jahren Einzug in alle Leitlinien gefunden &ndash; auf Basis einer Vielzahl randomisierter Studien. Tamsulosin, obgleich &bdquo;off-label&ldquo;, wurde von den meisten Urologen begleitend zu NSAR verabreicht. F&uuml;r gro&szlig;e Aufregung hat im letzten Jahr eine gro&szlig;e multizentrische, gut designte Studie aus Gro&szlig;britannien gesorgt, die keinen Vorteil f&uuml;r die MET zeigen konnte. M&ouml;glicherweise lag dies an dem hohen Anteil kleiner Steine &lt;5mm mit ohnehin hoher Abgangsrate. Trotzdem muss die Empfehlung aktuell mit Vorsicht ausgesprochen werden, bis eine aktuell in den USA re&shy;krutierende Studie hoffentlich Klarheit bringt.<br /> Die gr&ouml;&szlig;ten Ver&auml;nderungen gab es sicherlich bei der interventionellen Therapie. Auch wenn es vielerorts bedauert wird: Die extrakorporale Sto&szlig;wellenlithotripsie (ESWL) hat ihren Stellenwert als Verfahren der ersten Wahl fast &uuml;berall auf der Welt verloren. Man macht es sich sicherlich zu einfach, dies nur mit der &ndash; tats&auml;chlich &ndash; beeindruckenden Weiterentwicklung der Ureterorenoskopie (URS) und perkutanen Nephrolithotomie (PCNL) zu begr&uuml;nden.<br /> Was ist in den letzten Jahren an Innovationen bei der ESWL geschaffen worden? Die Schwerpunkte wurden vor allem auf Bedienbarkeit und Patientenkomfort gelegt, die Therapieergebnisse sind hierbei aber zumindest nicht besser geworden. Im Mutterland der ESWL wird leider kaum noch wissenschaftlich in diesem Bereich gearbeitet. Es g&auml;be hier so viele Bereiche, an denen gearbeitet werden m&uuml;sste: automatische Fokussierung, bessere Ankopplung, bessere Applikationsformen. Studien zeigen, dass bis zu 40 % aller Sto&szlig;wellen den Stein &uuml;berhaupt nicht treffen. Wenn hier keine Fortschritte gemacht werden, dann wird die ESWL &uuml;ber ein Schattendasein nicht mehr hinauskommen. Dies w&auml;re sehr zu bedauern, da das Konzept der (fast) ber&uuml;hrungslosen Therapie doch den modernsten Ansatz darstellen w&uuml;rde.</p> <h2>Herausforderung Metabolik</h2> <p>Den frustrierendsten Aspekt der Urolithiasis stellt die metabolische Diagnostik und Therapie dar. Die Pathogenese der Harnsteinbildung ist immer noch unklar &ndash; klar ist aber geworden, dass es nicht nur um Supersaturation und Urinanalysen gehen kann. Die einzige wirklich gut belegte Pr&auml;ventionsma&szlig;nahme ist eine Erh&ouml;hung der Diurese. &bdquo;Die sollen halt mehr trinken&ldquo;, hat ein nicht n&auml;her benannter Ordinarius vor einigen Jahren einmal in Zusammenhang mit der Frage nach Metaphylaxe geantwortet. Leider hat er damit nicht ganz unrecht. Die meisten Stoffwechselstudien stammen aus den 70er- und 80er-Jahren. Neue diagnostische Verfahren und Konzepte, die in anderen Bereichen der Medizin selbstverst&auml;ndlich Einzug hielten, wurden f&uuml;r die Urolithiasis kaum eingesetzt.<br /> Die medikament&ouml;se Therapie besteht aus Alkalizitraten, Thiaziden und Allopurinol &ndash; wie vor 30 Jahren. Es bleibt ein Problem, dass Forschungsf&ouml;rderung f&uuml;r Urolithiasisprojekte schwer zu akquirieren ist und der motivierte Nachwuchs aus Karrieregr&uuml;nden mehr an der Uroonkologie interessiert ist. Ich bin sicher, dass das Urinsammeln nicht des R&auml;tsels L&ouml;sung ist. Ich bin aber pessimistisch, dass hier die n&auml;chsten Jahre mehr Klarheit bringen werden. Die Harnsteinforschungslandschaft in Deutschland und &Ouml;sterreich gibt jedenfalls keinen Anlass f&uuml;r Optimismus.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Wo stehen wir, wohin gehen wir? Die Bildgebung hat sich vom konventionellen R&ouml;ntgen wegentwickelt &ndash; die Urologie braucht CT! Die Steintherapie ist minimal invasiv und effektiv geworden. Das wird sich weiter verbessern, vielleicht auch irgendwann wieder fast ber&uuml;hrungsfrei durch ESWL. Sch&ouml;n w&auml;re, wenn wir irgendwann auch wissen, warum Steine entstehen und wie wir dies verhindern k&ouml;nnen. Doch was w&uuml;rden wir dann mit der ganzen Freizeit tun?</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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