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12. Österreichischer Infektionskongress

Antiinfektiva bei besonderen Patientengruppen

<p class="article-intro">Kinder und Jugendliche, schwangere Frauen sowie alte Patienten stellen den Arzt, der Antibiotika verschreibt, vor gewisse Herausforderungen. Für Kinder gibt es kaum zugelassene Medikamente, die Datenlage für das Risiko in der Schwangerschaft ist begreiflicherweise nicht gut, und bei alten Menschen kann die Polypharmazie aufgrund von Multimorbidität zum Problem werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Schwangere und Stillende</h2> <p>&bdquo;Die Hauptverschreiber von Antibiotika in der Schwangerschaft sind Gyn&auml;kologen, gefolgt von Allgemeinmedizinern&ldquo;, berichtete Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger, Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Klinische Pharmakologie, MedUni Wien. Die meisten Antibiotika, die in der Schwangerschaft verabreicht werden, sind &ndash; wenig &uuml;berraschend &ndash; Betalaktame, w&auml;hrend der Gebrauch anderer Substanzgruppen in dieser Periode stark zur&uuml;ckgeht. &bdquo;Nat&uuml;rlich werden neue Medikamente pr&auml;klinisch auch hinsichtlich der Teratogenit&auml;t im Tierversuch getestet, nur leider kann man sich darauf nicht immer verlassen&ldquo;, so der Klinische Pharmakologe. So war etwa Thalidomid, das in den Sechzigerjahren schwangeren Frauen empfohlen wurde und zu Phokomelien gef&uuml;hrt hat, an Tierspezies getestet worden, die keine Phokomelien zeigten.</p> <p>&bdquo;Klinische Studien k&ouml;nnten die Frage beantworten &ndash; jedoch sind Studien, bei denen schwangere Frauen einem nicht zugelassenen Medikament ausgesetzt werden, schwierig bis unm&ouml;glich&ldquo;, schr&auml;nkte Zeitlinger ein. Ein weiteres Problem sind die notwendigen Patientenzahlen, um seltenere Nebenwirkungen (NW) zu detektieren. So w&auml;re f&uuml;r das Aufdecken mit 95 % iger Sicherheit von drei F&auml;llen einer NW, die mit einer Inzidenz von 1:1000 vorkommt (&bdquo;gelegentlich&ldquo;), eine Patientenzahl von 6500 erforderlich. Betr&auml;gt die Inzidenz der NW 1:100 000 (&bdquo;sehr selten&ldquo;), so w&auml;ren es bereits 650 000 Patienten.</p> <p>N&uuml;tzlich sind Datenbanken, wie z.B. jene, die von der australischen Regierung zur Verf&uuml;gung gestellt wird (https://www. tga.gov.au/prescribing-medicines-pregnancydatabase). Wichtig ist es, zu beachten, dass die Risikokategorien hinsichtlich Schwangerschaft weltweit unterschiedlich definiert werden. H&auml;ufig verwendet wird die Kategorisierung der amerikanischen Arzneimittelbeh&ouml;rde (FDA) (Tab. 1), w&auml;hrend z.B. die erw&auml;hnte australische Datenbank andere Kategorien ben&uuml;tzt. &bdquo;Neben der Teratogenit&auml;t gibt es auch noch das bereits im Er&ouml;ffnungsvortrag angesprochene Problem der Mikrobiomsch&auml;digung des Kindes durch Antibiotikatherapie w&auml;hrend der Schwangerschaft. Und wir m&uuml;ssen uns bewusst sein, dass die Informationen, die wir haben und auf denen z.B. Risikokategorisierungen beruhen, auf wenig Evidenz beruhen&ldquo;, sagte Zeitlinger abschlie&szlig;end.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1802_Weblinks_jatros_infekt_1802_s8_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="982" /></p> <h2>Neugeborene und Kinder</h2> <p>&bdquo;Nach wie vor gibt es zu wenige Therapiestudien mit Kindern und viele &ndash; gerade auch neue &ndash; Antiinfektiva sind f&uuml;r Kinder gar nicht zugelassen. Das gilt in besonders hohem Ma&szlig;e f&uuml;r Neugeborene und S&auml;uglinge, bei denen es h&auml;ufig zu einem Offlabel- Einsatz von Antiinfektiva kommt&ldquo;, erl&auml;uterte Univ.-Prof. Dr. Angelika Berger, Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Kinder- und Jugendheilkunde, MedUni Wien.</p> <p>Zu bedenken ist, dass Kinder und Jugendliche nicht eine homogene Population darstellen, sondern viele, teils sehr unterschiedliche Populationen, vom Fr&uuml;hgeborenen bis zum Jugendlichen. &bdquo;Um eine Zulassung zu bekommen, m&uuml;ssen alle diese Populationen getrennt studiert werden&ldquo;, so die Kinder&auml;rztin. F&uuml;r die Compliance von Kindern spielt der Geschmack des Medikaments eine gro&szlig;e Rolle &ndash; worauf bei manchen Antiinfektiva-S&auml;ften zu wenig Wert gelegt wurde.</p> <p>Altersabh&auml;ngig ist die Pharmakokinetik bei Kindern stark unterschiedlich &ndash; insbesondere bei Fr&uuml;h- und Neugeborenen ist hier Vorsicht geboten. Bei ihnen f&uuml;hren etwa eine verz&ouml;gerte Magenentleerung, eine verminderte Magens&auml;ureproduktion und damit ein h&ouml;herer pH-Wert zu einer unsicheren enteralen Resorption mancher Antibiotika. Auch der h&ouml;here Wasseranteil spielt eine Rolle. So betr&auml;gt der Anteil des Extrazellul&auml;rvolumens in Bezug auf das K&ouml;rpergewicht bei Kindern 45 % , bei Erwachsenen nur 26 % . Deshalb ist das Verteilungsvolumen hydrophiler Antibiotika bei Kindern um mehr als 40 % gr&ouml;&szlig;er und somit sind die Plasmaspiegel niedriger als beim Erwachsenen.</p> <p>Auch die Proteinbindung ist bei Neugeborenen und S&auml;uglingen niedriger, was an niedrigen Serumalbuminspiegeln, reduzierter Bindungsf&auml;higkeit und Verdr&auml;ngung durch Bilirubin liegt. Somit haben Medikamente mit hoher Eiwei&szlig;bindung in dieser Altersgruppe h&ouml;here Plasmaspiegel (z.B. Ceftriaxon oder Cotrimoxazol, das wegen Gefahr des Kernikterus bei Neugeborenen kontraindiziert ist).</p> <p>Auch die Metabolisierung ist im Kindesalter anders als bei Erwachsenen, da die Aktivit&auml;t des Cytochrom-P450-Systems noch nicht voll ausgebildet ist. Au&szlig;erdem ist auch die renale Clearance bei Fr&uuml;h- und Neugeborenen geringer. Schlie&szlig;lich ist eine Antibiotikatherapie im Neugeborenen- und fr&uuml;hen Kindesalter assoziiert mit negativen Langzeit-Outcomes (Adipositas, Asthma bronchiale, entz&uuml;ndliche Darmerkrankungen). &bdquo;Antibiotic- Stewardship-Interventionen sind deshalb bei Kindern besonders bedeutsam&ldquo;, so Berger abschlie&szlig;end.</p> <h2>Geriatrische Patienten</h2> <p>&bdquo;Die Definition des geriatrischen Patienten hat sich ge&auml;ndert&ldquo;, erl&auml;uterte Univ.- Prof. Dr. Rosa Bellmann-Weiler, Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Innere Medizin II, MedUni Innsbruck. &bdquo;Fr&uuml;her war das jeder Patient &uuml;ber 65. Heute ist damit der multimorbide Patient &uuml;ber 70 oder generell der Patient &uuml;ber 80 gemeint.&ldquo; Faktoren wie eine ver&auml;nderte Physiologie und damit eine andere Pharmakokinetik und eventuell auch Pharmakodynamik, funktionelle Defizite, Multimorbidit&auml;t und Polypharmazie spielen bei der antibiotischen Behandlung des geriatrischen Patienten eine Rolle.</p> <p>Die Polypharmazie ist eine Herausforderung: 35 % der &uuml;ber 70-J&auml;hrigen nehmen f&uuml;nf bis acht verschiedene Medikamente, 15 % nehmen mehr als 13 Medikamente. Dabei ist der Anteil inad&auml;quater Medikationen hoch: Er soll bei ca. 20 % liegen. Die Resorption ist f&uuml;r die Mehrzahl der Medikamente im Alter nicht stark ver&auml;ndert, wohl aber die Verteilung (Ver&auml;nderung der Kompartimente, reduzierte Proteinbindung, Ver&auml;nderung der Blut- Hirn-Schranke), die Metabolisierung (Ver&auml;nderungen der Leberfunktion) und die Ausscheidung (schlechtere Nierenfunktion).</p> <p>&bdquo;Bei Antibiotikaverordnungen muss man sich bewusst sein, dass man einer langen Liste von Medikamenten mit zum Teil un&uuml;bersichtlichem Interaktionspotenzial und verschiedenen Nebenwirkungen eine weitere hinzuf&uuml;gt, die ihr eigenes Interaktions- und Nebenwirkungsspektrum aufweist&ldquo;, warnte Bellmann-Weiler.<br /> Auch auf das Risiko f&uuml;r <em>Clostridium-difficile-Infektionen</em> (CDI) ist zu achten. Ein besonders hohes Risiko f&uuml;r die CDIAusl&ouml;sung besteht bei Cephalosporinen der 2. und 3. Generation, Clindamycin und Fluorchinolonen.</p> <p>Ein anderes Thema sind die Neurotoxizit&auml;t mancher Antibiotika sowie ihre Interaktionen mit Psychopharmaka. Riskant sind hier Fluorchinolone, Metronidazol, Carbapeneme, hoch dosierte Penicilline, Cephalosporine, Linezolid, Sulfamethoxazol, Clarithromycin und Isoniazid.</p> <p>&bdquo;Bei Antiinfektiva im Alter sollte aufgrund des oft niedrigeren K&ouml;rpergewichts und der reduzierten Nierenfunktion genau auf die Dosis, das Dosierungsintervall und eine m&ouml;glichst kurze Therapiedauer geachtet werden&ldquo;, so Bellmann-Weiler abschlie&szlig;end.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: „Besonderheiten der Antiinfektivatherapie bei . . .“, Symposium 1 des 12. ÖIK, 11. April 2018, Saalfelden </p>
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