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Die mikrochirurgische Refertilisierung

<p class="article-intro">Bei obstruktiver Azoospermie liegt die Lokalisation der ursächlichen Samen&shy;wegs&shy;obstruktion am häufigsten im Bereich des Ductus deferens bei zuvor erfolgter Sterilisationsvasektomie, seltener postentzündlich im Bereich des Nebenhodens oder der Prostata (zentraler Verschluss). 4–6 % der vasektomier&shy;ten Männer wünschen später eine Refertilisierung als Alternative zur operativen Gewinnung von epididymalen oder testikulären Spermatozoen (MESA/TESE) zur Verwendung bei der intrazytoplas&shy;ma&shy;tischen Spermieninjektion (ICSI). Über die beste Technik der Refertilisierung herrscht in der Literatur kein Konsensus, jedoch sprechen die meisten Daten für eine mehr&shy;schichtige mikrochirurgische Operationstechnik.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Unsere operative Strategie</h2> <p>Die Refertilisierung erfolgt als ambulanter Eingriff in Allgemeinan&auml;sthesie und dauert 90&ndash;150min (Durchschnitt 105min). Die Komplikationsraten sind gering, das relevanteste Risiko ist mit 0,5 % ein revisionspflichtiges Skrotalh&auml;matom.<br />Der operative Zugang erfolgt skrotal, wobei bei postentz&uuml;ndlicher Nebenhodenobstruktion die Hodenh&uuml;llen er&ouml;ffnet werden und der Ductus kurz nach dem Nebenhoden durchtrennt und mit dem pr&auml;okklusiven Nebenhodentubulus anastomosiert wird. Bei Z. n. Sterilisationsvasektomie werden die Samenleiterst&uuml;mpfe angefrischt, wobei sich normalerweise aus dem epididymalen Stumpf Fl&uuml;ssigkeit entleert, deren Konsistenz und mikroskopischer Befund von prognostischer Bedeutung f&uuml;r die Refertilisierung sind. Je niedriger die Viskosit&auml;t, desto h&ouml;her ist die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r den Nachweis von Spermatozoen. Bei hochviskoser, cremiger Fl&uuml;ssigkeit finden sich h&auml;ufig nur Spermatozoenfragmente oder keinerlei Zellen der Spermatogenese. Beim intraoperativen Nachweis von Spermatozoen kann die End-zu-End-Anastomosierung mit dem abdominalen Samenleiterstumpf erfolgen (Abb. 1 und 2). Wenn keine Spermien nachgewiesen werden und die Fl&uuml;ssigkeit cremig ist, muss intraoperativ die Indikation zu einer Bypasstechnik mit Anastomosierung des abdominalen Ductusschenkels auf den pr&auml;okklusiven Nebenhodentubulus (Tubulovasostomie) gestellt werden (Abb. 3). Die Wahrscheinlichkeit einer intraoperativen Entscheidung f&uuml;r eine Tubulovasostomie nimmt mit der Verschlusszeit signifikant zu und tritt bei unserer Klientel mit einer Wahrscheinlichkeit von durchschnittlich 23 % auf. Nur durch die konsequente Umsetzung der Operationsstrategie mit Tubulovasostomie bei entsprechender Befundlage gelingt es, den negativen Einfluss der Verschlusszeit (schlechte Ergebnisse bei langer Verschlusszeit) weitgehend auszuschalten. Aus diesem Grund ist es logisch, dass in den Studien, in denen (unabh&auml;ngig vom intraoperativen Spermienbefund) immer eine Vasovasostomie durchgef&uuml;hrt wurde, eine hochgradige negative Korrelation zwischen zunehmender Verschlusszeit und Erfolgsrate festgestellt wurde. Bei einem postentz&uuml;ndlichen Verschluss im Nebenhoden kommt nur eine Tubulovasostomie infrage und wird in o.g. Technik durchgef&uuml;hrt. Die Durchg&auml;ngigkeit des abdominalen Ductusstumpfs wird durch Injektion von 10ml Kochsalzl&ouml;sung nachgewiesen. Eine zumindest einseitige zentrale Obstruktion ergibt sich dabei aufgrund fehlender Injizierbarkeit der NaCl-L&ouml;sung in ca. 2 % der F&auml;lle. Die M&ouml;glichkeiten zur Er&ouml;ffnung eines zentralen Verschlusses sind beschr&auml;nkt, am ehesten kommt noch die trans&shy;urethrale Resektion im Bereich des Colliculus seminalis infrage, wobei jedoch h&auml;ufig Rezidivverschl&uuml;sse durch rasche Narbenbildung eintreten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1801_Weblinks_s8_1.jpg" alt="" width="2150" height="991" /></p> <h2>Mikrochirurgische Vasovasostomie</h2> <p>Typischerweise liegt (bei Verschlusszeit von l&auml;nger als ein bis zwei Jahren) eine deutliche Lumendifferenz zwischen dem epididymalen und dem abdominalen Ductusstumpf vor. Diese Lumendifferenz kann nur durch selektive Naht der Mukosa (Fadenst&auml;rke 10-0) ausgeglichen werden. Ideal ist deshalb die Anastomosierung in Form einer dreischichtigen End-zu-End-Anastomose. Dabei wird die innere Schicht (Mukosa) mit acht bis zehn Einzelknopfn&auml;hten fl&uuml;ssigkeitsdicht adaptiert. Die zweite Schicht besteht aus der Muscularis, die mit ca. 10 Einzelknopfn&auml;hten der St&auml;rke 9-0 adaptiert wird. Die dritte Schicht bildet dann die Adventitia, die mit EKN der St&auml;rke 8-0 gen&auml;ht wird (Abb. 1 und 2).</p> <h2>Mikrochirurgische Tubulovasostomie</h2> <p>Im Falle der Notwendigkeit einer Tubulovasostomie erfolgt diese Bypasstechnik End-zu-Seit zwischen abdominalem Ductusschenkel und Tubulus epididymidis. Zun&auml;chst wird ein Serosafenster angelegt, dann der Tubulus bei st&auml;rkster Vergr&ouml;&szlig;erung des Operationsmikroskopes seitlich er&ouml;ffnet, sodass die austretende Fl&uuml;ssigkeit auf Spermien untersucht werden kann (intraoperativ mit dem Labormikroskop). Bei Spermiennachweis erfolgt dann die dreischichtige Anastomose, wobei die innere Schicht zwischen Tubuluswand und Mukosa des Ductus mit sechs bis acht Einzelknopfn&auml;hten (10-0) ausgef&uuml;hrt wird. Die zweite Schicht wird zwischen der Muscularis des Vas und der Serosa des Nebenhodens und die dritte Schicht zwischen Adventitia des Vas und der Nebenhodenserosa (9-0) angelegt (Abb. 3).&nbsp;</p> <h2>Eigene Ergebnisse</h2> <p>Von 1987 bis 1993 wurden ca. 200 Patienten refertilisiert, die nicht in der ab 1993 gef&uuml;hrten Datenbank erfasst sind. Von Oktober 1993 bis Dezember 2017 wurden 2188 Patienten einer mikrochirurgischen Refertilisierung unterzogen und nachverfolgt, wobei eine im Vergleich mit Literaturdaten sehr hohe Follow-up-Rate erreicht wurde. Dadurch gewinnen die Ergebnisse eine besondere Aussagekraft. Bei 2035 von 2188 Patienten handelte es sich um Z. n. Sterilisationsvasektomie, bei 153 Patienten lag eine postentz&uuml;ndliche oder iatrogene Samenwegsobstruktion vor. Das Alter der Patienten rangierte von 24 bis 69 Jahren, im Durchschnitt lag das Alter bei 44 Jahren. Die Obstruktionszeit lag bei durchschnittlich 8,5 Jahren. <br />Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 und 2 dargestellt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1801_Weblinks_s8_2.jpg" alt="" width="1051" height="1480" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>In der Literatur herrscht Uneinigkeit &uuml;ber die Wertigkeit verschiedener Verfahren zur mikrochirurgischen Refertilisierung. So werden mit einschichtigen Anastomosentechniken &auml;hnlich gute Ergebnisse wie mit zwei- oder dreischichtigen Verfahren publiziert. Die meisten Autoren fordern unabh&auml;ngig von der Anastomosentechnik die Verwendung eines Operationsmikroskops. Zahlreiche Studien berichten &uuml;ber nur geringe Patientenzahlen und sind als methodisch fragw&uuml;rdig einzustufen, u.a. liegen die Follow-up-Raten in den meisten Studien unter 60 % .<br />In dieser Arbeit berichten wir &uuml;ber mehr als 2000 mikrochirurgische Refertilisierungsoperationen in einer dreischichtigen Technik in einem Zeitraum von 24 Jahren bei einer sehr hohen Follow-up-Rate von &uuml;ber 80 % , die nur aufgrund einer sehr engen Zusammenarbeit mit den zuweisenden und nachbetreuenden &Auml;rzten erzielt werden konnte.<br />Die dreischichtige Anastomose ist geringf&uuml;gig zeitaufwendiger als eine ein- oder zweischichtige Technik, erm&ouml;glicht jedoch (wie oben dargestellt) die ideale Adaptation der inneren Schicht des Ductus mit Ausgleich der meist vorhandenen Lumendifferenz. Die 2. und 3. Schicht gew&auml;hrleisten eine vollst&auml;ndige Zugentlastung der fragilen inneren Schicht, was f&uuml;r die sp&auml;tere Durchg&auml;ngigkeit wesentlich ist. Die gesonderte Naht der 3. Schicht mit den ern&auml;hrenden Blutgef&auml;&szlig;en erm&ouml;glicht eine rasche Revaskularisation der Anastomose, was sich daran zeigt, dass bei unserer Krankenklientel die sekund&auml;re Verschlussrate (nach 3&ndash;12 Monaten) bei 2 % liegt im Gegensatz zu anderen Studien, in denen sie (sofern &uuml;berhaupt untersucht) wesentlich h&ouml;her liegt (bis zu 12 % ).<br />Entscheidend f&uuml;r unsere sehr guten Ergebnisse erscheint die konsequente Strategie der Durchf&uuml;hrung einer Tubulovasostomie im Falle eines Nebenhodengranuloms, sodass der prognostische Faktor Verschlusszeit seine Bedeutung verliert. Diese Strategie kann aber nur dann umgesetzt werden, wenn die Tubulovasostomie, die durchschnittlich bei 23 % der Patienten zwingend (zumindest einseitig) erforderlich ist, beherrscht wird. Die Tubulovasostomie kann aber unbestritten nur mikrochirurgisch durchgef&uuml;hrt werden, sodass schon hieraus die Notwendigkeit f&uuml;r ein mikrochirurgisches Prozedere, verbunden mit Erfahrung in der schwierigen Technik der Tubulovasostomie, resultiert.<br />Im Gegensatz zu fr&uuml;her publizierten Meinungen zur Bedeutung von Spermaantik&ouml;rpern herrscht aktuell die Meinung vor, dass eine Spermaantik&ouml;rperbildung nach Vasektomie keine wesentliche Rolle f&uuml;r die Refertilisierungsergebnisse spielt. Spermaantik&ouml;rper im Serum haben keine Bedeutung, Spermaantik&ouml;rper im Ejakulat erfordern gegebenenfalls die Aufbereitung des Ejakulats und Durchf&uuml;hrung der intrauterinen Insemination.</p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Bei obstruktiver Azoospermie erm&ouml;glicht die mikrochirurgische Refertilisierung realistische Chancen zur Wiedererlangung der nat&uuml;rlichen Fertilit&auml;t. Auch nach langer Verschlusszeit sind die Schwangerschaftsraten vergleichbar mit denen bei k&uuml;nstlicher Befruchtung.<br />Deshalb sollte das betroffene Paar ehrlich &uuml;ber die Erfolgschancen der Refertilisierung und der Alternative der k&uuml;nstlichen Befruchtung (mit allen damit zusammenh&auml;ngenden Belastungen f&uuml;r die Frau) aufgekl&auml;rt werden.</p> <p>Videofilme zu den vorgestellten mikrochirurgi&shy;schen Techniken finden sich auf unserer Home&shy;page: www. andrologie-centrum-muenchen.de</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Erstautor</p> </div> </p>
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