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Radikale LDL-Cholesterin-Senkung

PCSK9-Hemmer im klinischen Alltag

<p class="article-intro">Die Inhibition von PCSK9 und die damit verbundene substanzielle Senkung des LDL-Cholesterinspiegels (LDL-C) zählten zu den entscheidenden Fortschritten der vergangenen Jahre in der Therapie und Prävention kardiovaskulärer Ereignisse.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Entwicklung vollzog sich rasch. Den Anfang machte Marianne Abifadel, damals PhD-Studentin, die eine PCSK9- Mutation beschrieb, welche mit famili&auml;rer Hypercholesterin&auml;mie assoziiert war.<sup>1</sup> Kurze Zeit sp&auml;ter wurde im Tiermodell gezeigt, dass eine &Uuml;berexpression von PCSK9 den LDL-C-Rezeptor eliminiert.<sup>2</sup> &bdquo;Damit war der Mechanismus gekl&auml;rt. Die Bindung von PCSK9 an den LDL-C-Rezeptor verhindert das Recycling des Rezeptors. In weiterer Folge wurden sowohl &sbquo;Gain of function&lsquo;- als auch &sbquo;Loss of function&lsquo;-Mutationen beschrieben, wobei die &sbquo;Loss of function&lsquo;- Mutationen mit extrem niedrigen LDL-CSpiegeln assoziiert sind. Damit war auch die biologische Plausibilit&auml;t der PCSK9- Hypothese best&auml;tigt&ldquo;, sagt Univ.-Prof. Dr. Bernhard Metzler von der Innsbrucker Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Innere Medizin III. Dieses Prinzip wird therapeutisch gen&uuml;tzt, indem man mit monoklonalen Antik&ouml;rpern gegen PCSK9 die Verf&uuml;gbarkeit des LDL-Rezeptors erh&ouml;ht und damit den LDLC- Spiegel senkt. Metzler: &bdquo;Die repetitive subkutane Applikation dieser Antik&ouml;rper f&uuml;hrt zu anhaltenden LDL-C-Senkungen.&ldquo; Mittlerweile sind mit Evolocumab und Alirocumab zwei Anti-PCSK9-Antik&ouml;rper zugelassen. Ein weiterer (Bococizumab) scheiterte in der Phase II, weil er die Bildung neutralisierender Antik&ouml;rper induziert, die die Wirkung aufheben.<sup>3</sup> Metzler: &bdquo;Bemerkenswert ist, dass wenige Jahre nach der Erstbeschreibung der PCSK9 bereits Phase-III-Studien mit Tausenden Patienten durchgef&uuml;hrt werden konnten.&ldquo;<br /> Interessante Daten abseits der Zulassungsstudien lieferte unter anderem die Studie GLAGOV, in der mit intravasalem Ultraschall gezeigt werden konnte, dass durch Lipidsenkung mit dem PCSK9-Inhibitor Evolocumab im Vergleich zur Statintherapie ein st&auml;rkerer R&uuml;ckgang des Atheromvolumens erreicht werden konnte.<sup>4</sup> Metzler: &bdquo;Mit den PCSK9-Inhibitoren erreichen wir eine anhaltende und konstante LDL-Senkung um die 60 % . Wir wissen mittlerweile, dass das Atheromvolumen ab einem Wert von ca. 70mg/dL zur&uuml;ckgeht. Je niedriger das LDL, desto deutlicher ist die Wirkung auf das Atheromvolumen. Das ist ein v&ouml;llig neues Paradigma. Bisher dachten wir ja, dass die KHK eine chronisch fortschreitende Erkrankung ist.&ldquo;</p> <h2>Klinische Daten best&auml;tigen die Theorie</h2> <p>Die Frage, ob die LDL-C-Senkung mit den PCSK9-Inhibitoren einen Effekt auf harte klinische Endpunkte hat, war bis zur Pr&auml;sentation der FOURIER-Studie allerdings offen. In FOURIER wurde schlie&szlig;lich in einem Hochrisikokollektiv eine Reduktion kardiovaskul&auml;rer Ereignisse durch den PCSK9-Hemmer Evolocumab demonstriert.<sup>5</sup> Erreicht wurden eine LDL-Senkung um 60 % sowie nach 36 Monaten eine signifikante Reduktion des prim&auml;ren kombinierten kardiovaskul&auml;ren Endpunktes. Metzler unterstreicht allerdings, dass der Effekt auf den kombinierten Endpunkt durch die Senkung von Myokardinfarkt, Revaskularisierung und Schlaganfall getrieben wurde, w&auml;hrend Tod und kardiovaskul&auml;rer Tod nicht signifikant gesenkt wurden. Die &bdquo;number needed to treat&ldquo;, um einen Herzinfarkt zu verhindern, betr&auml;gt 180. Patienten mit besonders niedrigem LDL profitierten am deutlichsten. In ODYSSEY OUTCOMES wurde mit dem PCSK9-Inhibitor Alirocumab in einem Post-ACS-Kollektiv ebenso eine Reduktion eines kombinierten kardiovaskul&auml;ren Endpunkts demonstriert.<sup>6</sup> Auch in ODYSSEY OUTCOMES war der Effekt auf den kardiovaskul&auml;ren Tod, so Metzler, nicht signifikant. Daf&uuml;r wurde der sekund&auml;re Endpunkt Gesamtmortalit&auml;t signifikant reduziert. Die &bdquo;number needed to treat&ldquo; zur Verhinderung eines MACE-Ereignisses betr&auml;gt 175.<br /> Metzler weist besonders auf das Nebenwirkungsprofil der PCSK9-Inhibitoren hin. So konnte, im Gegensatz zu den Statinen, unter Therapie mit PCSK9-Inhibitoren keine Erh&ouml;hung der Diabetesinzidenz festgestellt werden. PCSK9-Inhibitoren haben keinerlei Einfluss auf HbA<sub>1c</sub> oder N&uuml;chternglukose.<sup>7</sup> Metzler: &bdquo;Die erh&ouml;hte Diabetesinzidenz ist also keine Folge der Cholesterinsenkung.&ldquo; Ebenso konnte gezeigt werden, dass die Inhibition von PCSK9 keinen ung&uuml;nstigen Effekt auf einen wichtigen neurokognitiven Endpunkt (&bdquo;score on the spatial working memory strategy index of executive function&ldquo;) hat.<sup>8</sup> Metzler gibt jedoch zu bedenken, dass in der gleichen Studie die Placebopatienten hinsichtlich sekund&auml;rer neurokognitiver Endpunkte numerisch, nicht jedoch signifikant besser abschnitten. Damit sei der letzte Zweifel also noch nicht ausger&auml;umt. Eine rezente Arbeit untersuchte die Wirkung einer PCSK9-&bdquo;Loss of function&ldquo;-Mutation auf den neurokognitiven Status und fand keinerlei Einfluss extrem niedriger LDLSpiegel auf die Kognition.<sup>9</sup> In einer k&uuml;rzlich erschienenen Arbeit wurde der &Uuml;berlebensbenefit durch PCSK9-Inhibition mit f&uuml;nf Monaten im Median errechnet. Rund 10 % der behandelten Patienten gewinnen durch die Therapie jedoch mehr als ein Lebensjahr.<sup>10</sup><br /> Die LDL-C-Senkung mit PCSK9-Inhibitoren ist in &Ouml;sterreich l&auml;ngst in der Praxis angekommen. Bereits 2017 wurde ein regionaler Expertenkonsensus zur praktischen Umsetzung der internationalen Leitlinien zur LDL-C-Senkung publiziert. Ein LDL-C Ziel &lt;70mg/dl wird als Minimalziel f&uuml;r Patienten mit sehr hohem Risiko empfohlen. Dies inkludiert naturgem&auml;&szlig; Patienten nach akutem Koronarsyndrom. F&uuml;r diese Patientengruppe wurde ein einfacher Algorithmus definiert. Bereits am ersten Tag soll eine Therapie mit einem hoch dosierten hocheffektiven Statin (z.B. Atorvastatin 80mg) begonnen werden. Nach drei bis sechs Wochen wird eine Kontrolle empfohlen. Wird das LDL-Ziel &lt;70mg/dl nicht erreicht, ist der Cholesterinaufnahmehemmer Ezetimib indiziert. Wird das Ziel auch damit nicht erreicht, wird der Einsatz eines PCSK9-Inhibitors empfohlen.<sup>11</sup></p> <h2>Neuer Prognosefaktor: mikrovaskul&auml;re Myokardsch&auml;digung</h2> <p>Dr. Martin Reindl von der Innsbrucker Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Innere Medizin III weist auf Effekte des LDL-Cholesterins abseits der bekannten kardiovaskul&auml;ren Risikoerh&ouml;hung hin. Diese stehen in Zusammenhang mit bislang untersch&auml;tzten mikrovaskul&auml;ren Sch&auml;digungen des Myokards w&auml;hrend eines ST-Streckenhebungs-Infarkts. Reindl: &bdquo;Neben der Gr&ouml;&szlig;e des Infarkts sind auch andere Charakteristika von Bedeutung. Zum Beispiel die mikrovaskul&auml;re Sch&auml;digung innerhalb des infarzierten Areals. Sie wird bedingt durch Obstruktionen und Destruktionen im Bereich der Mikrovaskulatur, tritt bei rund 50 % aller STEMI-Patienten auf und kann mittels kardialer MRT gut dargestellt werden.&ldquo; Die mikrovaskul&auml;re Sch&auml;digung ist ein wichtiger Pr&auml;diktor f&uuml;r das klinische Outcome nach STEMI. Der Zusammenhang zwischen mikrovaskul&auml;rer Sch&auml;digung und Prognose ist unabh&auml;ngig von der Infarktgr&ouml;&szlig;e.<sup>12</sup> An der Pathophysiologie des mikrovaskul&auml;ren Schadens sind mechanische Prozesse wie die Embolisation durch Plaquebestandteile ebenso beteiligt wie Inflammation und endotheliale Dysfunktion. LDL-Cholesterin d&uuml;rfte eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen. Allerdings gab es bis vor Kurzem noch keine klinische Studie, die den Zusammenhang zwischen Cholesterin und dem Auftreten von mikrovaskul&auml;rer Sch&auml;digung untersuchte. Genau diese Studie wurde nun in Innsbruck durchgef&uuml;hrt. Dazu wurden bei mehr als 200 konsekutiven STEMI-Patienten bei Aufnahme unter anderem die Lipidwerte bestimmt und am dritten Tag nach PCI wurde eine kardiale MRT-Untersuchung durchgef&uuml;hrt. Prim&auml;rer Endpunkt war die mikrovaskul&auml;re Sch&auml;digung des Myokards, als sekund&auml;rer Endpunkt wurde die weitere klinische Entwicklung im Hinblick auf MACE (Tod, Re-Infarkt und Auftreten von Herzinsuffizienz) erhoben. Das klinische Follow-up erfolgte mittels telefonischer Befragung.<br /> Die Auswertung ergab, so Reindl, bei Patienten mit signifikanter mikrovaskul&auml;rer Sch&auml;digung h&ouml;here Konzentrationen sowohl von Gesamtcholesterin als auch von LDL. Triglyzerid- und DHL-Konzentrationen waren nicht mit dem prim&auml;ren Endpunkt assoziiert. In weiteren Auswertungen wurde schlie&szlig;lich LDL-Cholesterin als signifikanter Pr&auml;diktor f&uuml;r mikrovaskul&auml;re Sch&auml;digung identifiziert. Reindl: &bdquo;Der Anstieg der LDL-C-Konzentration war mit einem stufenweisen Anstieg des Risikos f&uuml;r mikrovaskul&auml;re Sch&auml;digung assoziiert.&ldquo; Ein weiteres klinisches Follow-up &uuml;ber im Median 20 Monate war bei 222 Patienten m&ouml;glich. In dieser Zeit kam es insgesamt bei neun Patienten zu MACE, wobei das Risiko bei Patienten mit mikrovaskul&auml;rer Sch&auml;digung h&ouml;her war. Ebenso erwies sich ein LDL-C von mehr als 150mg/dl zum Zeitpunkt des Infarkts als prognostisch ung&uuml;nstig. Reindl: &bdquo;Es ist uns gelungen, erstmals einen klinisch relevanten pathophysiologischen Zusammenhang zwischen LDL-Metabolismus und mikrovaskul&auml;rer Sch&auml;digung im Falle eines Infarkts nachzuweisen. Wir konnten auch best&auml;tigen, dass dieses pathophysiologische Konzept auch mit einer schlechteren klinischen Prognose assoziiert ist.&ldquo;</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft, 6. bis 9. Juni 2018, Salzburg </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Abifadel M et al.: Nat Genet 2003; 34(2): 154-6 <strong>2</strong> Park SW et al.: J Biol Chem 2004; 279(48): 50630-8 <strong>3</strong> Dadu RT, Ballantyne CM: Nat Rev Cardiol 2014; 11(10): 563-75 <strong>4</strong> Puri R et al.: Am Heart J 2016; 176: 83-92 <strong>5</strong> Sabatine MC et al.: N Engl J Med 2017; 376: 1713-22 <strong>6</strong> Presented by Dr. Philippe Steg at the American College of Cardiology Annual Scientific Session (ACC 2018), Orlando, FL, March 10, 2018 <strong>7</strong> Sabatine MS et al.: Lancet Diabetes Endocrinol 2017; 5(12): 941-50 <strong>8</strong> Giugliano RP et al.: N Engl J Med 2017; 377(7): 633-43 <strong>9</strong> Meffort MT et al.: Circulation 2018; 137(12): 1260-9 <strong>10</strong> Kaasenbrood L et al.: Heart 2018 Apr 5. pii: heartjnl- 2017- 312510. [Epub ahead of print] <strong>11</strong> Huber K et al.: J Kardiol 2017; 24: 94-100 <strong>12</strong> van Kranenburg M et al.: JACC Cardiovasc Imaging 2014; 7(9): 930-9</p> </div> </p>
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