Diagnostik bei akutem und episodischem Schwindel
Autor:
Prof. Dr. med. Alexander A. Tarnutzer
Leitender Arzt Neurologie
Kantonsspital Baden
Im Ergel 1, 5404 Baden
E-Mail: alexander.tarnutzer@ksb.ch
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Zwei bis sieben von 100 Patienten, die notfallmässig ihren Arzt oder eine Notfallstation aufsuchen, leiden an Schwindel. Die Ursachen für Schwindel sind sehr vielfältig und oft können die Patienten die Symptome nur schlecht beschreiben, weshalb die Abklärung häufig herausfordernd ist. Erfahren Sie in diesem Artikel, wie Sie mit einer strukturierten Anamneseerhebung und gezielten klinischen Untersuchung den Weg zur richtigen Diagnose finden.
Keypoints
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Beim Leitsymptom Schwindel ist eine strukturierte Vorgehensweise, inkl. gezielten Erfragens von Dauer und Häufigkeit der Episoden sowie Provokationsfaktoren und einer fokussierten neurootologischen Untersuchung einschliesslich der Suche nach subtilen okulomotorischen Zeichen, essenziell.
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Die Identifikation gefährlicher, potenziell lebensbedrohlicher Ursachen ist prioritär; beim akuten vestibulären Syndrom sind dies v.a. vertebrobasiläre Ischämien und beim episodischen vestibulären Syndrom kardiale Arrhythmien.
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Zusatzabklärungen (MRI, CT, apparativ-vestibuläre Testung, kardiologische Abklärung etc.) sollten nur dann durchgeführt werden, wenn sich die Diagnose mittels klinischer Massnahmen nicht mit ausreichender Sicherheit stellen lässt.
Schwank- oder Drehschwindel ist eines der häufigsten Leitsymptome auf der Notfallstation und in der Praxis überhaupt und macht ca. 2–7% aller Notfallkonsultationen aus.1–4 Die Differenzialdiagnose von akutem oder episodischem Schwindel ist äusserst breit und umfasst zahlreiche Fachgebiete einschliesslich neurologischer, psychiatrischer, internistischer und orthopädischer Krankheitsbilder. Deshalb sind Kliniker unterschiedlichster Fachrichtungen mit diesem Symptom konfrontiert. Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans («peripher-vestibulärer Schwindel») stellen dabei nur circa ein Drittel aller Ursachen von Schwindel dar. Eine klare Zuordnung der Schwindelbeschwerden wird dadurch erschwert, dass keine der verschiedenen Ursachen mehr als 5–10% aller Schwindeldiagnosen ausmacht.1 Bei circa 10–15% der Patienten mit dem Leitsymptom Schwindel besteht eine ernsthafte zugrunde liegende Erkrankung – dies schliesst auch jüngere Patienten mit ein, der Anteil nimmt aber mit zunehmendem Alter zu.1 Die Erstbeurteilung von Patienten mit dem Leitsymptom Schwindel muss dementsprechend prioritär darauf ausgerichtet sein, diejenigen Patienten zu identifizieren, welche dringlich weitere diagnostische und therapeutische Massnahmen (z.B. Schlaganfallabklärung auf einer Stroke Unit oder kardiologische Abklärung bei Herzrhythmusstörungen) benötigen.
Schwindel – Begrifflichkeit und Präsentation
Während Drehschwindel («vertigo») eine illusionäre Eigenbewegung des Körpers beschreibt, ist unter Schwankschwindel («dizziness») ein ungerichteter Schwindel zu verstehen.5 Eine Unterscheidung zwischen «gefährlichem» und «gutartigem» Schwindel basierend auf der Art des Schwindels – Drehschwindel vs. Schwankschwindel vs. Präsynkope vs. Benommenheit – ist jedoch nicht zuverlässig möglich. Dies einerseits, weil die Patienten ihre Schwindelbeschwerden häufig nicht präzise beschreiben,6 und andererseits, weil alle Formen von Schwindel (Schwankschwindel, Drehschwindel, Benommenheitsgefühl, Präsynkope) gefährliche Ursachen haben können. Aufgrund dieser Beobachtung rücken andere Elemente in der klinischen Präsentation in den Vordergrund, wie das Vorliegen von Triggern sowie die Dauer und die Häufigkeit der Symptome (sog. «Timing and triggers»-Herangehensweise7). Darauf basierend lässt sich Schwindel in sechs verschiedene Kategorien einteilen (Tab. 1) und die Differenzialdiagnose eingrenzen.
Tab. 1: Verschiedene vestibuläre Syndrome unterteilt nach Dauer und Provokationsfaktoren (modifiziert nach Newman-Toker und Edlow)7
Die klinische Beurteilung des Patienten mit Schwindel
Anamneseerhebung
Mit einer strukturierten Anamnese sollte gezielt nach Merkmalen des Schwindels gefragt werden, welche eine nähere Zuordnung der zugrunde liegenden Erkrankung erlauben. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach der Dauer/Häufigkeit der Attacken, ihrem Beginn (langsam vs. abrupt), nach Begleitsymptomen, Provokationsfaktoren und Traumata sowie der aktuellen Medikation. Die Dauer der Schwindelbeschwerden ist für die ätiologische Einordnung essenziell, da viele Schwindelursachen eine charakteristische Beschwerdedauer aufweisen (Abb. 1).
Abb. 1: Die häufigsten Erkrankungen mit dem Leitsymptom Schwank- oder Drehschwindel und deren durchschnittliche Attackendauer. Darunter befinden sich peripher-vestibuläre, zentral-nervöse, psychiatrische, internistische und kardiovaskuläre Ursachen. Einmalige oder rezidivierende Episoden mit Schwindel werden hierbei von permanentem Schwindel unterschieden.
(Mit freundlicher Genehmigung aus: Büki B, Straumann D, Tarnutzer A: Gleichgewichtsstörungen in der klinischen Praxis. Verlagshaus der Ärzte, 2015)
Abb. 2: In der Anamnese soll u.a. gezielt nach Schwindelmerkmalen gefragt werden, die eine nähere Zuordnung der zugrunde liegenden Erkrankung ermöglichen
Immer erfragt werden sollte, ob die Schwindelattacken spontan auftreten oder durch bestimmte Positionen / Positionsänderungen / Massnahmen oder Situationen ausgelöst werden können. Ein attackenhaftes Auftreten nach Positionsänderungen des Kopfes (z.B. im Bett drehen, aufstehen/sich hinlegen, Blickwendung nach oben/unten) spricht für einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS), während ein isoliertes Auftreten nach raschem Aufstehen auf einen orthostatisch bedingten Schwindel hinweist. Eine Provokation des Schwindels durch ein Valsalvamanöver (d.h. durch eine intraabdominelle Drucksteigerung, z.B. beim Spielen eines Blasinstrumentes oder bei der Defäkation) deutet auf eine Perilymphfistel hin, während ein situatives Auftreten an belebten Orten (z.B. Warenhaus, öffentliche Plätze) für einen somatoformen Schwindel (früher «phobischer Schwindel» genannt) typisch ist. Ist das Auftreten des Schwindels auf das Gehen/Stehen beschränkt, ist an eine zugrunde liegende Polyneuropathie oder eine bilaterale Vestibulopathie zu denken. Bei vielen Ursachen ist aber gerade das Fehlen von Provokationsfaktoren charakteristisch, wie z.B. beim Schlaganfall, beim M. Menière oder bei der vestibulären Migräne.
Gezielt erfragt werden sollten zurückliegende Kopf- oder Nackenverletzungen sowie Manipulationen (z.B. im Rahmen einer chiropraktischen Behandlung), da diese sowohl zu einer Gefässdissektion als auch zu einem meist chronischen Subduralhämatom führen können.
Bei jedem Patienten mit Schwindel sollte die bestehende Medikation erfragt und gezielt nach Medikamenten, welche Schwindel begünstigen können, gesucht werden. Auch Dosisänderungen bestehender Medikamente können Schwindel provozieren.
Klinische Untersuchung
Der Fokus der klinischen Untersuchung richtet sich massgeblich nach den vorliegenden Beschwerden, sollte aber in jedem Fall eine gezielte neurologische sowie neurootologische und internistische Untersuchung beinhalten. Die wichtigsten Befunde und ihre Einordnung sind in Tabelle 2 aufgeführt.
Tab. 2: Essenzielle klinisch-neurologische Untersuchungen bei akutem oder episodischem Schwindel
Liegen fokal-neurologische Defizite vor, ist die Zuordnung einfach. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass Schwindel auch bei Vorliegen einer zentralen Ursache (meist eines Schlaganfalles) in bis zu 50% der Fälle isoliert, d.h. ohne offensichtliche fokal-neurologische Defizite, auftreten kann.8 Hierbei hat sich die gezielte Suche nach subtilen okulomotorischen Zeichen als sehr hilfreich erwiesen. Diese Testung beinhaltet vier Komponenten, dauert circa fünf Minuten und kann am Patientenbett/auf der Notfallstation zuverlässig durchgeführt werden. Es erfolgt die Prüfung des vestibulookulären Reflexes mittels Kopfimpulstest («Head Impulse»), der horizontalen Blickhaltefunktion (Nystagmus) und der vertikalen Blickstabilität («Test of Skew»), was abgekürzt das Akronym H.I.N.T.S. ergibt9 und durch die Prüfung des Gehörs10 (ggf. mittels einer entsprechenden Smartphone-App) erweitert werden kann (H.I.N.T.S. plus). Diese Testbatterie kann beim Patienten mit akutem prolongiertem Schwindel im Vergleich zum frühen (d.h. innerhalb von 24–48h erhobenen) MRT inkl. diffusionsgewichteter Sequenzen einen Schlaganfall mit höherer Sensitivität (98% vs. 80%) nachweisen und wird in Tabelle 3 detailliert beschrieben.8
Tab. 3: H.I.N.T.S. plus (Instruktionsvideos zu finden unter: http://novel.utah.edu/Newman-Toker/collection.php )
Jede neurootologische Untersuchung sollte zumindest die Prüfung von H.I.N.T.S. plus und eines Spontan- und Kopfschüttelnystagmus sowie die Gang- und Lagerungsproben (Hallpike-Dix-Provokationsmanöver) umfassen, da damit die häufigsten peripher- und zentral-vestibulären Ursachen (Schlaganfall, vestibuläre Neuritis, BPLS) erfasst werden. Ist die neurologische und neurootologische Untersuchung unergiebig, sind gezielt nichtneurologische Ursachen der Schwindelsymptomatik zu suchen. Zu den häufigsten internistischen Ursachen von akutem Schwindel auf der Notfallstation überhaupt zählen Störungen des Elektrolyt- oder Wasserhaushaltes (5,6%), vasovagale Synkopen (6,6%), kardiale Arrhythmien (3,2%), Anämien (1,6%) und Hypoglykämien (1,4%).1
Apparative Diagnostik bei Schwindel
Die Indikation für allfällige Zusatzuntersuchungen sollte immer unter Berücksichtigung der erhobenen klinischen Befunde und der postulierten Differenzialdiagnose erfolgen. Dadurch sollen Untersuchungen von geringem/fehlendem diagnostischem Nutzen, wie z.B. eine CT-Untersuchung beim Patienten mit benignem paroxysmalem Lagerungsschwindel, vermieden werden.
Zerebrale Bildgebung
Das Schädel-MRI mit Diffusionswichtung (DWI) ist die Bildgebung der Wahl bei Verdacht auf eine vertebrobasiläre (transiente) Ischämie, während das Schädel-CT in dieser Konstellation aufgrund seiner deutlich geringeren Sensitivität (ca. 40% vs. 80%) unterlegen ist. Für die Darstellung einer intrazerebralen Blutung oder eines Gefässverschlusses ist es jedoch weiterhin eine zuverlässige Methode. Beim MRI gilt es zudem zu berücksichtigen, dass bei bis zu 20% der frühen (d.h. in den ersten 24–48h erhobenen) MRI-Untersuchungen (inkl. DWI) ein falsch-negativer Befund vorliegen kann.8 Dementsprechend sollte der Patient bei klinisch starkem Verdacht auf eine vertebrobasiläre Ischämie einer Schlaganfallabklärung zugeführt und die Bildgebung nach 3–10 Tagen wiederholt werden.
Peripher-vestibuläre Diagnostik
In den letzten 20 Jahren wurden bedeutende Fortschritte in der Quantifizierung peripher-vestibulärer Defizite erzielt. So ist es heute möglich, sowohl die Funktion der Bogengänge als auch der Otolithenorgane detailliert zu messen. Hierbei erfreut sich v.a. der Video-Kopfimpulstest zunehmender Beliebtheit bei Neurootologen in der spezialärztlichen Abklärung von Schwindel.11 Der Test erlaubt eine separate quantitative Beurteilung aller Bogengänge innerhalb von circa 10min. Zunehmend hält der Video-Kopfimpulstest auch im Notfallsetting Einzug zur Unterscheidung zwischen akuten peripher-vestibulären und zentral-vestibulären Störungen.12 Im Gegensatz zum bisherigen Goldstandard der peripher-vestibulären Testung, der kalorischen Warm- und Kaltwasserreizung, ist der Video-Kopfimpulstest für den Patienten deutlich weniger belastend, weniger zeitaufwendig und erlaubt die Identifikation isolierter Ausfälle einzelner Bogengänge.
Die vestibulär evozierten myogenen Potenziale (VEMP) erlauben eine gesonderte Prüfung der Otolithenorgane. Hierbei wird mittels kurzer akustischer Stimuli oder Vibrationen gereizt und dann eine reflektorische Muskelkontraktion des M. sternocleidomastoideus (sog. zervikale VEMP zur Testung der Sakkulusfunktion) respektive des M. obliquus inferior (sog. okuläre VEMP zur Testung der Utrikulusfunktion) abgeleitet. Die VEMP erlauben einen relativen Vergleich der beidseitigen Funktion der Otolithenorgane und sind in ihrer Durchführung deutlich aufwendiger. Die subjektive visuelle Vertikale (SVV) ermöglicht ebenfalls eine Beurteilung der Otolithenfunktion. Dabei wird der Patient aufgefordert, eine Linie entlang der wahrgenommenen Erdsenkrechten einzustellen, was mit wenig Aufwand auch am Patientenbett erfolgen kann (sog. «Eimertest»).13 Zur neurootologischen Testung gehört auch immer ein Reintonaudiogramm zur Beurteilung der kochleären Funktion.
Differenzialdiagnostik
Erstmaliger akuter Schwindel
Tritt akuter Schwindel erstmals auf, kann dies sowohl ein einmaliges Ereignis (z.B. Schlaganfall) darstellen als auch die erste Episode eines wiederkehrenden Schwindels (z.B. Migräne) sein. Bei akutem Schwindel gilt es primär, gefährliche, potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen von benignen, selbstlimitierenden Ursachen zu unterscheiden. Liegt ein akutes vestibuläres Syndrom (AVS) vor, d.h. bestehen nebst Dreh- oder Schwankschwindel für >24h auch ein Spontannystagmus, Übelkeit/Erbrechen, eine Gangunsicherheit sowie eine Bewegungsüberempfindlichkeit,8 sind v.a. neurootologische Ursachen intensiviert zu suchen. Hierbei spielen nebst den klinisch-neurologischen Untersuchungen v.a. die Suche nach subtilen okulomotorischen Zeichen (H.I.N.T.S. plus, s.o.) sowie die Bildgebung mittels MRI eine wichtige Rolle. Die weitaus häufigste zentrale Ursache eines zentralen AVS ist die vertebrobasiläre Ischämie (ca. 80%). Während bei Ischämien im Versorgungsgebiet der A. cerebelli inferior posterior (PICA) der vestibulookuläre Reflex intakt bleibt (→ Kopfimpulstest negativ, entsprechend einem «gefährlichen» H.I.N.T.S. plus), sind bei (viel selteneren) Ischämien im Versorgungsgebiet der A. cerebelli inferior anterior (AICA) meist auch die Vestibulariskerne mitbetroffen und somit der Kopfimpulstest abnorm – was isoliert betrachtet für eine benigne, periphere Ursache sprechen würde. Wird aber zusätzlich (wie bei H.I.N.T.S. plus vorgesehen) auch nach einem Blickrichtungsnystagmus sowie einer «skew deviation» und einer Hörminderung gesucht, wird die zugrunde liegende zentrale Genese kaum verpasst.
Im Gegensatz zur häufigsten peripheren Ursache eines AVS – der vestibulären Neuropathie – ist der Beginn beim zentralen AVS häufig abrupt und kann von wiederholten prodromalen Schwindelepisoden begleitet sein. Kopf- oder Nackenschmerzen sind per se unspezifisch und können sowohl bei einer vestibulären Migräne als auch einer zerebellären Blutung mit raumforderndem Effekt auftreten. Sind sie jedoch mit einem Kopf- oder Nackentrauma verbunden, ist an eine vertebrobasiläre Dissektion mit entsprechender Ischämie als Ursache des AVS zu denken. Das Vorliegen von vaskulären Risikofaktoren spricht eher für eine zerebrovaskulär-ischämische Ursache – deren Fehlen schliesst eine solche jedoch nicht aus. Dies gilt insbesondere für Patienten unter 50 Jahren, bei welchen die Rate an verpassten zentralen AVS deutlich höher ist, beispielsweise bei Dissektionen und zerebellären Ischämien, welche eher im jüngeren Alter auftreten.
Ein erstmaliger transienter Schwindel sollte v.a. an eine transient-ischämische Attacke (TIA) denken lassen und bei Verdachtsmomenten eine entsprechende Abklärung nach sich ziehen (Suche nach einer Emboliequelle, Monitoring). Diese gefährliche Ursache ist insbesondere vom viel häufigeren benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS) abzugrenzen, um unnötige Diagnostik zu vermeiden. Die wichtigsten Elemente zur Unterscheidung sind die Anamnese (Trigger?) und die klinische Untersuchung (Provokationsmanöver), falls erforderlich auch auf einem speziellen Drehstuhl.
Episodischer Schwindel
Die häufigsten Ursachen wiederkehrender Schwindelattacken sind der BPLS, die vestibuläre Migräne und der M. Menière. Daneben sind Panikattacken und orthostatischer Schwindel relativ häufige Krankheitsbilder, welche sich mit episodischem Schwindel präsentieren können. Der BPLS ist der wichtigste Vertreter des getriggerten episodischen vestibulären Syndroms (t-EVS), während Attacken eines M. Menière oder einer vestibulären Migräne spontan auftreten (spontanes EVS, s-EVS). Weitaus seltenere Ursachen, an die aber aufgrund der potenziell lebensbedrohlichen Folgen gedacht werden muss, sind rezidivierende TIA, kardiale Arrhythmien und Hypoglykämien. Während Erstere in der Regel abrupt beginnen und mit transienten fokal-neurologischen Defiziten, welche sich einzelnen Gefässterritorien zuordnen lassen, einhergehen, sind kardiale Arrhythmien meist mit einer kardialen Vorgeschichte und/oder kardialen Symptomen (Palpitationen, Präsynkopen) verbunden, welche gezielt erfragt und ggf. spezialärztlich weiter abgeklärt werden müssen.
Schlussfolgerungen
Aufgrund der äusserst breiten Differenzialdiagnose ist beim Patienten mit dem Leitsymptom Schwindel eine systematische Vorgehensweise mit einer strukturierten Anamnese (Fokus auf Timing und Trigger) und einer gezielten klinisch-neurologischen Untersuchung entscheidend, um keine potenziell lebensbedrohlichen Diagnosen zu verpassen.14 Zusatzabklärungen (MRI, CT, apparativ-vestibuläre Testung, kardiologische Abklärung etc.) sollten nur dann durchgeführt werden, wenn sich die Diagnose mittels klinischer Massnahmen nicht mit ausreichender Sicherheit stellen lässt. Unnötige oder nicht zweckmässige Diagnostik (wie z.B. ein CT bei Verdacht auf vertebrobasiläre Ischämie) sollte vermieden werden.
Literatur:
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