
©
Getty Images
Einstieg in die Insulintherapie
DAM
Autor:
OÄ Dr. Johanna Brix
Fachärztin für Innere Medizin<br> Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien<br> E-Mail: johanna.brix@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
30.05.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Der Beginn einer Insulintherapie kann und sollte bei Bedarf auch in jeder allgemeinmedizinischen Praxis durchgeführt werden. Erst für komplexere Therapien sind Spezialambulanzen oder spezialisierte niedergelassene Internisten notwendig.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Zunächst muss die Indikation für eine Insulintherapie gestellt werden. Dabei ist Österreich ein Land, in dem traditionell erst sehr spät – zum Teil sicherlich zu spät – mit einer Insulintherapie begonnen wird. Allerdings sind speziell in den letzten Jahren viele neue Substanzen auf den Markt gekommen, die einen späteren Beginn und eine gute Einstellung möglich machen. Wenn jedoch die orale Therapie bzw. die GLP-1-Analoga ausgeschöpft sind, sollte zügig mit einer Insulintherapie begonnen werden. Die Leitlinien der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) stellen den Beginn einer Insulintherapie frei bzw. lassen auch den frühen Beginn zu, wenn er als sinnvoll erachtet wird.</p> <h2>Therapiestart</h2> <p>Die einfachste und in der Praxis am leichtesten durchzuführende Methode ist der Beginn mit einer basal unterstützten oralen Therapie (BOT). Für diese Therapie wird immer mit einem Verzögerungsinsulin (NPH-Insulin) begonnen. Die Krankenkassa erstattet Insulin Glargin (Lantus, Abasaglar), Glargin U300 (Toujeo) oder Insulin Degludec (Tresiba) nur bei nächtlichen Hypoglykämien unter NPH-Insulin, sodass immer mit einem NPH-Insulin begonnen werden muss.<br /> Zunächst sollte mit dem Patienten ein Zielwert für den Nüchternblutzucker vereinbart werden, der mit der Insulintherapie erreicht werden soll. Ein sicherer Wert ist <130mg/dl. Die orale antidiabetische Therapie kann gleich belassen werden (außer der Patient nimmt auch am Abend einen Sulfonylharnstoff ein, dieser sollte dann abgesetzt werden). Die Insulininjektion soll 1x täglich abends vor dem Zubettgehen, idealerweise jeden Tag zur gleichen Zeit, zwischen 21 und 23 Uhr stattfinden. Wichtig ist, den Patienten gut im Verwenden eines Insulinpens einzuschulen. Bei einem NPH-Insulin ist es besonders wichtig, dass der Patient den Insulinpen vor Verwendung circa 20-mal schwenkt, um die 2 Phasen des NPH-Insulins zu einer zusammenzuführen. Auch die Lagerung von Insulin sollte mit dem Patienten besprochen werden.<br /> Es empfiehlt sich, mit 6–10IE NPH-Insulin zu starten – je adipöser der Patient, desto höher ist seine Insulinresistenz und umso mehr Insulin wird er benötigen. Also sollte man bei Patienten mit einem BMI >30kg/m² eher mit 10IE NPH-Insulin beginnen, bei einem schlankeren Patienten eher mit 6–8IE. Wichtig ist, dass diese Angaben ausschließlich für Patienten mit Typ-2-Diabetes gelten, Patienten mit Typ- 1- oder LADA-Diabetes bzw. Patienten mit sekundärem Diabetes sollten von einem spezialisierten Zentrum bzw. Facharzt auf Insulin eingestellt und geschult werden.<br /> Der Patient sollte dazu angehalten werden, täglich am Morgen seinen Blutzucker zu kontrollieren. Der Blutzuckerwert am Morgen bestimmt die Dosis des Insulins am Abend. Dafür kann der Patient oder der betreuende Arzt die morgendlichen Blutzuckerwerte von einer Woche heranziehen und einen Durchschnitt berechnen. Je nachdem wie dieser ausfällt (Tab. 1), sollte die Insulindosis erhöht oder reduziert werden.<br /> Wenn allerdings der morgendliche Blutzucker auch nur einmal <70mg/dl ist, sollte die abendliche Insulindosis sofort vom Patienten um 2IE reduziert werden.<br /> So kann eine einfache und sichere Insulintherapie initiiert werden. Der Patient oder der behandelnde Arzt sollten so lange einmal pro Woche die Insulindosis anpassen, bis ein guter Nüchternblutzucker erreicht worden ist. Falls vor Erreichen eines guten Nüchternblutzuckers nächtliche Hypoglykämien auftreten, kann der betreuende Arzt auf eine Therapie mit Insulin Glargin (Lantus, Abasaglar), Glargin U300 (Toujeo) oder Insulin Degludec (Tresiba) umstellen. In diesem Fall sollte bei Umstellung ein Drittel der Insulindosis abgezogen werden.<br /> Wenn trotz optimaler Nüchternblutzuckerwerte und bei bereits ausgereizter oraler antidiabetischer Therapie kein guter HbA<sub>1c</sub>-Wert erzielt werden kann, dürfte ein postprandiales Problem vorliegen, und die Insulintherapie ist weiter zu intensivieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1804_Weblinks_dam_1804_s18_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="261" /></p> <h2>Patientengespräch</h2> <p>Ein wichtiger Punkt am Beginn einer Insulintherapie ist, dem Patienten einerseits die Angst vor dem Insulin zu nehmen, andererseits ihm auch klarzumachen, dass die Einstellungsphase langsam – da ja auch ambulant durchgeführt – erfolgt. Ansonsten läuft man Gefahr, dass der Patient meint, bei ihm sei Insulin nicht wirksam, und die Therapie abbricht. Startet man jedoch mit zu viel Insulin und erzeugt eine Hypoglykämie, steht der Patient der Insulintherapie in der Folge eventuell ablehnend gegenüber. Ziel sollte es daher sein, den Patienten davon zu überzeugen, dass, auch wenn anfänglich keine starke Änderung erkennbar ist, es zu einer langsamen, aber ständigen Verbesserung der Blutzuckerwerte kommt.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Eine BOT sollte auch im niedergelassenen Bereich vom Allgemeinmediziner durchgeführt werden. Sie ist wenig zeitintensiv und der Patient braucht keine aufwendigen Ernährungsschulungen, da bei dieser Therapie nicht mit Broteinheiten gerechnet werden muss. Da die meisten Patienten zu Beginn einer Insulintherapie bereits mit einem Sulfonylharnstoff behandelt worden sind, ist die Hypoglykämieschulung ohnehin bereits erfolgt und muss nur aufgefrischt werden. Dem Patienten kann so ein sanfter Einstieg in die Insulintherapie ermöglicht werden. Es wird dadurch sicherlich auch die Compliance für die Zukunft verbessert, wenn eine komplexere Therapie notwendig wird.</p></p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Planetary Health als hausärztliche Aufgabe: Gesundheit im Zeitalter der ökologischen Krise
Hausärzt:innen sind geradezu prädestiniert, um den Gedanken der Planetary Health umzusetzen, denn sie verfügen über das Vertrauen, die Reichweite und die Handlungsspielräume, um ...
Herpesvirusinfektionen – ein Überblick
Herpesviren sind weitverbreitet: Mehr als 100 Typen sind bekannt, wovon allerdings nur acht für Menschen infektiös sind. In einem Vortrag im Rahmen des WebUp Allgemeine Innere Medizin ...
«Die Feinde meines Feindes sind meine Freunde»
Wer hätte gedacht, dass wir Viren als unsere Freunde bezeichnen, aber genau das ist bei den Bakteriophagen der Fall. Selbst die heilende Wirkung des Ganges wird mit Bakteriophagen in ...