Update Reisemedizin
Bericht:
Regina Scharf, MPH, Redaktorin
Was gibt es Neues zur Malariachemoprophylaxe, wie lauten die Empfehlungen für eine Impfung gegen Dengue und wie schützt man sich bei Reisen in Risikoländern richtig gegen Polio? Wir fassen zusammen.
Malariachemoprophylaxe
Das Wort Chemoprophylaxe ist eigentlich ein Missnomen, korrekt wäre Chemosuppression, denn die Medikamente verhindern eine Malariainfektion nicht, sondern unterdrücken die Vermehrung der Parasiten in der Leber und im Blut.
Nur wenige Neuigkeiten gibt es hinsichtlich der Wirkstoffe, die zur Malariachemoprophylaxe eingesetzt werden. Am häufigsten wird in der Schweiz die Kombination Atovaquon/Proguanil verwendet, gefolgt von Doxycyclin. Aufgrund von Studienergebnissen, die ein häufigeres Auftreten von unerwünschten neuropsychiatrischen Nebenwirkungen gezeigt hatten, ist Mefloquin aus den Top 3 der Malariachemoprophylaxe herausgefallen. Atovaquon/Proguanil wird einmal täglich eingenommen. Gemäss Behandlungsschema wird am Vortag der Reise mit der Einnahme begonnen und die Behandlung bis sieben Tage nach der Exposition fortgesetzt. Die häufig diskutierte Frage, ob die Chemoprophylaxe verkürzt und direkt nach der Rückkehr aus dem Endemiegebiet gestoppt werden könne, wurde am Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie negativ beantwortet. Die Qualität der vorhandenen Studien sei nicht gut genug und die Datenlage zu dünn, um an den aktuellen Empfehlungen etwas zu ändern.1
Impfung gegen Denguefieber
Die Infektion mit Dengue verläuft in circa 50–80% der Fälle asymptomatisch. Schwere Verläufe, die eine Hospitalisierung erfordern, sind selten.
Gegen Denguefieber existieren zwei Impfstoffe: Dengvaxia® und Qdenga®, beide sind in der Schweiz nicht zugelassen und nur Qdenga ist für Reisende geeignet. Analog vielen anderen europäischen Ländern empfiehlt das Schweizerische Expertenkomitee für Reisemedizin (EKRM) Personen, die zuvor nicht mit Dengue infiziert waren, die Impfung gegen Denguefieber nicht. Empfohlen werden kann sie für Personen über 4 Jahre und mit einer bestätigten Dengueinfektion, die einen Aufenthalt von 4 Wochen oder multiple Reisen in eine endemische Region planen.
Polio-Booster-Impfempfehlung
Bis das Poliovirus weltweit vollständig eradiziert ist, ist eine Basisimpfung gegen Polio notwendig. Die Exposition in endemischen Ländern erfüllt die Funktion eines Boosters. Aber wie lauten die Empfehlungen für Personen aus nichtendemischen Gebieten, die in Länder mit zirkulierenden Poliowildviren (WPV1) und impfstoffgenerierten Polioviren (cVDPV/cVDPV3) reisen? Die WHO unterteilt die Länder dazu in 3 Kategorien. Die Information, welches Land in welche Kategorie gehört, findet man in der entsprechenden Datenbank auf der Website des EKRM «Healthy Travel» (https://www.healthytravel.ch/).
In die Kategorie 1 fallen Länder mit zirkulierenden WPV1, cVDPV1 oder cVDPV3. Die WHO empfiehlt allen Personen (Einwohnern und Reisenden), die sich länger als 4 Wochen im Land aufhalten, zwischen 12 Monaten und 4 Wochen vor der Einreise in diese Länder eine Booster-Impfung. Kann die Booster-Impfung nicht im empfohlenen Zeitraum durchgeführt werden, sollte sie wenn möglich noch vor der Abreise erfolgen und der Reisende sollte ein entsprechendes internationales Impfzertifikat mit sich führen. Angesichts des hohen Risikos einer internationalen Verbreitung des Poliovirus und der damit verbundenen Reiserestriktionen könnte es andernfalls zu Ausreiseproblemen kommen.
Für Personen, die sich länger als 4 Wochen in Ländern der Kategorie 2 aufhalten, empfiehlt die WHO bezüglich der Booster-Immunisierung das gleiche Vorgehen wie für Länder der Kategorie 1. In die Kategorie 2 fallen Länder mit zirkulierenden cVDPV2-Polioviren mit oder ohne Evidenz für eine lokale Transmission.
Zur Kategorie 3 zählen Länder, in denen keine der bekannten Polioviren mehr zirkulieren, die aber vulnerabel sind für das erneute Auftreten von WPV1 oder cVDPV. Die WHO hat für Reisende in Länder dieser Kategorie keine spezielle Polioimpfempfehlung ausgesprochen, sondern legt den Fokus auf die verstärkte Basisimmunisierung der Bevölkerung und Erkennung neuer Poliofälle. Das Schweizerische EKRM empfiehlt, bei Reisen in diese Länder die Basisimmunisierung gegen Polio alle 10 Jahre durch einen Booster zu ergänzen. Das gleiche Vorgehen empfiehlt die EKRM bei Reisen in Länder südlich der Sahara, vulnerable Länder und Aufenthalte in Peru.
Kürzere Aufenthalte in Risikoländern
Teilweise unterscheiden sich die länderspezifischen Reiseempfehlungen voneinander und von denen der WHO. Die WHO rät beispielsweise bei Kurzaufenthalten (<4 Wochen) in Risikoländern der Kategorien 1 und 2 zu den gleichen Massnahmen wie bei Aufenthalten über 4 Wochen. Einige Länder empfehlen nach der Basisimmunisierung einmal im Leben einen Booster gegen Polio. Der schweizerische Kompromiss des EKRM für Aufenthalte von weniger als 4 Wochen in Ländern der Kategorie 1–3 lautet: nach der Basisimmunisierung alle 20 Jahre ein Booster, beginnend mit 25 Jahren und bis zum Alter von 65 Jahren. Ab 65 Jahren und im Falle einer Immundefizienz (jeglicher Art) sollte die Booster-Impfung gegen Polio alle 10 Jahre wiederholt werden.
Quelle:
Jahreskongress der Swiss Society for Infectious Diseases (SSI), Swiss Society for Hospital Hygiene (SSHH), Swiss Society of Tropical and Travel Medicine (SSTTM), 13. bis 15. September 2023, Zürich
Literatur:
1 Schnyder JL et al.: Discontinuing atovaquone/proguanil prophylaxis ad-hoc post-exposure and during-travel dose-sparing prophylactic regimens against P. falciparum malaria: an update with pointers for future research. Travel Med Infect Dis 2022: 49: 102365
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