
Top-Papers Hepatologie
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Heinz Zoller
Univ.-Klinik für Innere Medizin I
Gastroenterologie, Endokrinologie, Stoffwechsel, Hepatologie
Medizinische Universität Innsbruck
E-Mail: heinz.zoller@i-med.ac.at
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Ganz im Sinne des Titels der Veranstaltung wurden auch beim diesjährigen Update Gastroenterologie-Stoffwechsel vom 14. bis 16. November 2024 in Innsbruck aktuelle Themen der Gastroenterologie, Hepatologie und der Stoffwechselmedizin von nationalen und internationalen Experten präsentiert und mit Teilnehmern diskutiert.
Keypoints
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Die aktuelle Hepatologie setzt zunehmend auf personalisierte Ansätze und technologischen Fortschritt.
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Neue Therapien und Strategien wie Gen-Editing, siRNA, innovative HCC-Früherkennungsalgorithmen und vielleicht auch die Xenotransplantation bieten vielversprechende Perspektiven in der Hepatologie.
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Das Jahr 2024 hat auch gezeigt, dass die Herausforderungen in der Hepatologie und bei der medizinischen Betreuung, Begleitung und Beratung von Patienten mit chronischen Lebererkrankungen im besten Falle multidisziplinär und multiprofessionell gelöst werden können.
Das Top-Thema im Bereich Hepatologie war im Jahr 2024 sicherlich die mit metabolischer Dysfunktion assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD) – wie die nichtalkoholische Fettleber jetzt genannt wird.
Daten zu Resmetirom, Tirzepatid und Cotadutid
Dieses Thema und die neuen Therapiemöglichkeiten wurden von Dr. Maria Effenberger umfassend behandelt. Besondere Highlights in diesem Bereich sind die positiven Studienergebnisse einer Phase-III-Therapiestudie mit dem Schild-drüsenhormonrezeptor-β-Agonisten Resmetirom, der in einer Dosierung von 100mg/d bei knapp 30% der behandelten Patienten zu einer Besserung der Fibrose und Entzündung geführt hat.1 Diese Daten haben bereits zur Zulassung von Resmetirom in den USA zur Behandlung einer mit metabolischer dysfunktion-assoziierter Steatohetaptitis (MASH) mit Fibrose geführt.
Vielversprechend sind auch die Ergebnisse mit den dualen Inkretinrezeptor-Agonisten Tirzepatid und Cotadutid, bei denen allerdings erst Ergebnisse aus Phase-II-Therapiestudien vorliegen. Es wurde gezeigt, dass sich die Steatose gebessert hat bzw. dass die Wirkstoffe bei 50–60% der Patienten zur Besserung der Fibrose bzw. Resolution der Entzündung bei MASH geführt haben.2,3 Die Entwicklung solcher Peptid-basierter Therapien wurde auch mit dem Lasker-DeBakey-Preis an Joel Habener, Lotte Bjerre Knudsen und Svetlana Mojsov vergeben ausgezeichnet.4 Bereits jetzt besteht für betroffene Patienten die Möglichkeit, ohne die Risiken einer medikamentösen Therapie eingehen zu müssen, mit einer Diät und mit „High-intensity“-Intervalltraining (HIIT) in 60% der Fälle eine Besserung der Fibrose bzw. Auflösung der Entzündung zu erreichen.5
Management von Leberversagen
Auch jenseits der atemberaubenden Entwicklungen im Bereich der steatotischen Lebererkrankungen hat es auch in sonstigen Bereichen der Hepatologie im Jahr 2024 praxisrelevante und spannende Fortschritte gegeben. Die Leitlinie der Europäischen Lebergesellschaft EASL zum akut auf chronisches Leberversagen („acute-on-chronic liver failure“; AoCLF) hat bereits im Jahr 2023 die Methoden zur Prognosebestimmung und zum ICU-Management herausgegeben. Das Besondere an dieser Leitlinie ist die exakte Definition des Organversagens der Leber und extrahepatischer Organe, auf der auch die Empfehlungen für die Behandlung auf einer Intensivstation beruhen. Für die Praxis ist hierbei besonders bedeutsam, dass eine Therapiebeschränkung bei Patienten mit 3-Organ-Versagen dann ausgesprochen werden sollte, wenn sich dieses nicht innerhalb von 3–7 Tagen mit vollem Organersatz bessert und keine Lebertransplantationsoption besteht.6
Priorisierung für Lebertransplantationen
Die Lebertransplantation ist nicht nur die effektivste Therapieoption für Patienten mit dekompensierter Zirrhose, sondern insbesondere auch für Patienten mit AoCLF, wobei sich bei dieser Erkrankung aufgrund der hohen Mortalität in den ersten Wochen nach der Diagnose ein großes Problem dadurch ergibt, dass diese Patienten eine Priorisierung erfordern. Daher sind innovative Ansätze wie eine „utility-based organ allocation“, die auf dem Transplant BenefitScore basieren und in England erfolgreich umgesetzt worden sind, besonders interessant. Konkret wurden in England seit 2021 Patienten für die Lebertransplantation national priorisiert, wenn sie auf einer Intensivstation mit Organersatztherapie behandelt wurden, eine erwartete 1-Monats-Mortalität von >50% und keine sonstige Kontraindikation gegen eine Lebertransplantation wie zum Beispiel maligne Erkrankungen, Retransplantation oder einen unkontrollierten Substanzmissbrauch hatten.7 Durch die Anwendung solcher Kriterien könnte der Gesamtnutzen der verfügbaren Spenderorgane deutlich erhöht werden.
Alkoholische Steatohepatitis
Eine der – leider auch im Jahr 2024 – häufigsten Ursachen für ein AoCLF ist die alkoholische Steatohepatitis (ASH), die einen katastrophalen Verlauf nimmt, wenn die Maddrey’s DiscriminationFunction >100 ist oder wenn der MELD-Na-Score bei >35 Punkten liegt. Die Prognose für diese Patienten ist ebenfalls schlecht, denn knapp 50% sterben an dieser Erkrankung innerhalb der ersten Monate nach der Diagnose. Für Patienten mit einer solch schweren Erkrankung, die als „katastrophale alkoholische Hepatitis“ beschrieben wird, sollte auch keine Steroidtherapie eingesetzt werden. Eine zeitnahe Lebertransplantation kann für diese – häufig jungen – Patienten ebenfalls lebensrettend sein, was in diesem Jahr auch eine prospektive Studie in den USA gezeigt hat.8
„Alcoholic foamy degeneration“
Eine wichtige Differenzialdiagnose zur alkoholischen Steatohepatitis ist die im Jahr 2024 erstmals beschriebene „alcoholic foamy degeneration“ (AFD), die sich klinisch ähnlich präsentiert, aber neben histologischen Unterschieden durch eine Triglyzeridkonzentration von >225mg/dl charakterisiert ist und sich vor allem durch eine sehr gute Prognose unterscheidet, weil 100% der Patienten mit dieser Erkrankung überleben, während 57% der Patienten mit ASH versterben.9
Diagnose des hepatozellulären Karzinoms (HCC)
Auch im Bereich HCC-Früherkennung und -Diagnose gab es im Jahr 2024 Neuigkeiten. Der Vergleich von Ultraschall mit verkürzten MRI-Sequenzen hat ergeben, dass die Methoden Ultraschall und MR dann überlegen sind, wenn sie im Wechsel eingesetzt werden – d.h. alle 12 Monate Ultraschall und alle 12 Monate MR abwechselnd, sodass alle 6 Monate eine bildgebende Untersuchung stattfindet.10 Auch neue Risikokalkulatoren wie der GALAD-Score zur Einschätzung des HCC-Risikos bei Zirrhose können die frühe Diagnose von Leberzellkarzinomen unterstützen.11
Therapiestudien
Die Leber bleibt natürlich auch im Zentrum des Fokus für Gen- und siRNA-basierte Therapien, wobei im Jahr 2024 insbesondere für die Hämophilie B, die Hypercholesterinämie und gemischte Hyperlipidämie mit akuten Pankreatitisschüben, die hereditären Formen der Amyloidose und des Angiödems, aber auch für eine siRNA-basierte Therapie der arteriellen Hypertonie wichtige Studien publiziert worden sind. Besonders bemerkenswert sind hier auch aktuelle Therapiestudien, die mittels In-vivo-Gen-Editing erstmals das hereditäre Angioödem oder auch den Morbus Wilson nicht nur als Modellerkrankungen analysieren, sondern auch das Ziel verfolgen, effektive Therapiealternativen zu entwickeln. Ob die Sicherheit und Effektivität einer Gen-Editierung für diese Indikationen besser als die existierenden Therapiemöglichkeiten sind, bleibt jedoch abzuwarten.
Xenotransplantation
Im Bereich der Xenotransplantation von Schweinelebern für Menschen wurden im Jahr 2024 erste Erfolge aus China berichtet. Auch hier hat erst die Methode der Gen-Editierung die Möglichkeiten geschaffen, Schweine zu züchten, deren Organe für eine Xenotransplantation infrage kommen. Trotz der kurzfristig erfolgreichen Implantation einer Schweineniere in einen menschlichen Empfänger in Boston, USA, im Frühjahr 2024 galt eine Xenotransplantation der Leber auf Menschen unter vielen Experten noch als unmöglich. Die offenbar erfolgreiche Xenotransplantation einer Schweineleber in einen hirntoten Empfänger in China kann daher als medizinische Sensation bezeichnet werden, die nur durch die Transplantation einer Schweineleber in einen lebenden Empfänger übertroffen wurde. Leider gibt es für diese Interventionen noch keine öffentlich zugänglichen und nach allgemein gültigen wissenschaftlichen Kriterien überprüften Publikationen, sondern nur Presseberichte, die keinem Peer-Review-Verfahren unterzogen wurden.12
RNA-Editierung bei Hepatitis
Eine auf einer RNA-Editierung basierende Therapie könnte in Zukunft auch für die Behandlung und Heilung einer Hepatitis B und damit auch der Hepatitis delta einsetzbar sein. Eine Studie hat gezeigt, dass durch einen mit der Genschere Cas13bmediierten Abbau der prägenomischen Hepatitis-B-Virus(HBV)-RNA die HBs-Antigenkonzentration im Serum eines Mausmodells für chronische Hepatitis-B-Virus-Infektion signifikant abgesenkt werden konnte.13 Trotz dieser „Proofofconcept“-Studie zeigt sich jedoch vielmehr, wie weit der Weg zur wirklichen Heilung der HBV noch ist.
Der aktuell beste Weg zur „functional cure“ einer chronischen Hepatitis B bleibt somit das kontrollierte Absetzen einer HBV-Therapie – das sogenannte „STOP-NUC“-Konzept. Patienten ohne Zirrhose, bei denen durch eine Therapie mit einem Nucleosid- oder Nucleotid-Analogon die HBV-DNA für mehr als 4 Jahre unterdrückt war, haben nach dem Absetzen der medikamentösen Therapie zwar zu 100% einen Relaps der HBV-DNA, was im weiteren Verlauf bei 10% der Patienten zum HBs-Antigen-Verlust und bei 41% zu einer anhaltenden Remission geführt hat. Nur 14% der Patienten mussten in dieser Studie jedoch wieder eine medikamentöse Therapie der Hepatitis B beginnen.
Der beste Prädiktor für ein dauerhaftes Absetzen der Therapie ist ein HBs-Antigen-Wert <1000IU/ml, was bei über 50% der Patienten zum Behandlungserfolg im Sinne eines dauerhaften Absetzens der medikamentösen Therapie der Hepatitis B geführt hat.14 Kriterien für den Wiederbeginn einer Therapie sind ein einmaliger Anstieg der HBV-DNA auf>100000IU/ml oder ein anhaltender Anstieg der HBV-DNA auf >2000IU/ml.15
Literatur:
1 Harrison SA et al.: A Phase 3, randomized, controlled trial of resmetirom in NASH with liver fibrosis. N Engl J Med 2024; 390: 497-509 2 Shankar SS et al.: Safety and efficacy of novel incretin Cc-agonist cotadutide in biopsy-proven noncirrhotic MASH with fibrosis. Clin Gastroenterol Hepatol 2024; 22: 1847-57.e1811 3 Loomba R et al.: Tirzepatide for metabolic dysfunction-associated steatohepatitis with liver fibrosis. N Engl J Med 2024; 391: 299-310 4 Mojsov S: Chemistry matters – from a putative peptide to effective treatments for diabetes and obesity: 2024 Lasker-DeBakey Clinical Medical Research Award. Jama 2024; doi: 10.1001/jama.2024.17571 5 Mucinski JM et al.: Histological improvements following energy restriction and exercise: The role of insulin resistance in resolution of MASH. J Hepatol 2024; 81: 781-93 6 European Association of the Study of the Liver: EASL Clinical Practice Guidelines on acute-on-chronic liver failure. J Hepatol 2023; 79: 461-91 7 Bernal W et al.: Liver transplantation for critically ill patients with acute on chronic liver failure: a prospective national programme of waitlist prioritisation. Lancet Reg Health Eur 2024; 46: 101067. 8 Mohy-Ud-Din N et al.: Expedited liver transplantation as first-line therapy for severe alcohol hepatitis: ELFSAH; deferring corticosteroids in the sickest subset of patients. Clin Transplant 2024; 38: e15340 9 Gratacós-Ginès J et al.: Alcoholic foamy degeneration, an entity resembling alcohol-associated hepatitis: diagnosis, prognosis, and molecular profiling. Clin Gastroenterol Hepatol 2024; 22: 768-77.e768. 10 Kim DH et al.: Comparison of non-contrast abbreviated MRI and ultrasound as surveillance modalities for HCC. J Hepatol 2024; 81: 461-70 11 Villa E et al.: GALAD outperforms aMAP and ALBI for predicting HCC in patients with compensated advanced chronic liver disease: A 12-year prospective study. Hepatol Commun 2023; 7(10): e0262 12 Mallapaty S: First pig-to-human liver transplant recipient ‚doing very well‘. Nature 2024; 630(8015): 18 13 McCoullough LC et al.: CRISPR-Cas13b-mediated suppression of HBV replication and protein expression. J Hepatol 2024; 81: 794-805 14 van Bömmel F et al.: A multicenter randomized-controlled trial of nucleos(t)ide analogue cessation in HBeAg-negative chronic hepatitis B. J Hepatol 2023; 78: 926-36 15 Urbanek-Quaing M, Cornberg M: Editorial: Stopping NUCs – when to restart NUCs for the best outcome? Aliment Pharmacol Ther 2025; 61: 204-5
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