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Die Sorge vor dem «Super-Bug»

Aktuelle Resistenzentwicklungen und Therapiemöglichkeiten bei STI

Nach wie vor sind sexuell übertragbare Krankheiten (STI) weit verbreitet. Aufgrund von steigenden Resistenzen stehen die behandelnden Ärzt:innen oftmals vor einer Herausforderung: Welches Medikament kann noch wirksam eingesetzt werden und was gilt es bei der Therapiewahl zu beachten? Dies wurde bei der Tagung DDG kompakt & praxisnah diskutiert.

Keypoints

  • Das therapeutische Spektrum für STI wird aufgrund von Resistenzentwicklungen immer enger, so zum Beispiel bei der Behandlung der Gonorrhö.

  • Eine parallel neben einer Erregerdiagnostik stattfin- dende Empfindlichkeitstestung kann vorteilhaft für die Therapieentscheidung sein.

  • Bei STI sollten die Patient:innen an die Benachrichtigung von möglicherweise ebenfalls betroffenen Sexualpartner:innen erinnert werden.

Zur globalen Inzidenz von STI gibt es keine belastbaren Zahlen. Schätzungen der WHO gehen für das Jahr 2020 weltweit von insgesamt 377 Millionen neuen Fällen von Chlamydien-Urethritis, Gonorrhö, Trichomoniasis und Syphilis aus.1 Das Feld der STI ist sehr weit, rief Dr. med. Susanne Buder, Chefärztin der Klinik für Dermatologie und Venerologie am Klinikum Neukölln, Berlin, in Erinnerung. Hinter den unterschiedlichen Krankheitsbildern steckt eine Vielzahl möglicher Erreger: So können beispielsweise bei der Urethritis Chlamydia trachomatis, Neisseria gonorrhoeae, Mycoplasma genitalium oder Trichomonas vaginalis Auslöser sein. Ist die Haut betroffen, können HPV, Scabies oder eine Trichophytie dahinterstecken. Auch Darmerkrankungen können mit STI assoziiert sein, beispielsweise durch Shigellen, Salmonellen und Campylobacter. Darüber hinaus sind und bleiben HIV, Syphilis und Hepatitis weiterhin ein globales Thema.

Gonorrhö: die Sorge vor dem «Super-Bug»

In den vergangenen 10 bis 15 Jahren sei eine steigende Antibiotikaresistenz gegenüber Neisseria gonorrhoeae zu beobachten und man stehe aktuell vor der Gefahr eines potenziell unbehandelbaren Erregers, berichtete die Leiterin des Konsiliarlabors für Gonokokken am Robert-Koch-Institut (RKI). Habe es bis vor einigen Jahrzehnten noch ein breites therapeutisches Spektrum gegen Gonorrhö gegeben, sei dieses inzwischen derart eingeengt, dass mit Cephalosporinen lediglich noch eine einzige Antibiotikaklasse zur Verfügung stehe. Aus dieser Gruppe sei nur noch Ceftriaxon wirksam einsetzbar (Abb. 1). Obwohl die Ceftriaxon-Resistenz in Deutschland derzeit selten ist, kann der multiresistente «Super-Bug» in Einzelfällen nachgewiesen werden, führte Buder aus. Für Cefixim beobachte man niedrige Resistenzraten, da dieses Präparat in den vergangenen Jahren nicht lieferbar war, jedoch kann der Einsatz aufgrund der mangelnden Wirksamkeit bei pharyngealer Gonorrhö laut der Expertin nicht empfohlen werden.

Abb. 1: Entwicklung der Gesamtresistenz von Neisseria gonorrhoeae von 2016 bis 2022 in Deutschland; Quelle: Konsiliarlabor für Gonokokken, 2023

Laut der S2k-Leitlinie der Deutschen STI-Gesellschaft zur Diagnostik und Therapie der Gonorrhö aus dem Jahr 2019 sollte bei urogenitaler, pharyngealer und rektaler Gonorrhö mit unbekannter Patientenadhärenz Ceftriaxon 1–2g i.v./ i.m. einmalig plus Azithromycin 1,5g p.o. einmalig verordnet werden.2 Bei gesicherter Adhärenz ist Ceftriaxon 1–2g i.v./i.m. einmalig ausreichend.

Buder motiviertedazu, die Erreger im Labor testen zu lassen und anschliessend Antibiogramm-gerecht in der Therapie zu arbeiten. Bei dann bekanntem Empfindlichkeitsprofil und sicherer Adhärenz könnten entsprechend Ciprofloxacin, Ofloxacin, Doxycyclin, Azithromycin oder Cefixim (Cave: Pharynx unzureichend) zum Einsatz kommen. Bei Gonorrhö sollte eine Mitbehandlung von Sexualpartner:innen entsprechend der Leitlinie in jedem Fall angestrebt werden. Die Benachrichtigung der Partner:innen geht primär von den Index-Patient:innen aus. Da davon der Erfolg aller weiterer Massnahmen abhänge, sei die entsprechende Aufforderung hierzu von besonderer Bedeutung.2

Zukünftig könnte es einen Impfstoff gegen Neisseria gonorrhoeae geben, berichtete Buder. Hier werden demnächst präliminäre Daten erwartet.

Resistenz von Mycoplasma genitalium

Ein weiterer Erreger, der hinsichtlich einer Resistenzentwicklung Probleme bereitet, ist Mycoplasma genitalium. Mykoplasmen sind zellwandlose Erreger, die in der Klasse der Mollicutes zusammengefasst werden. Es handelt sich um die kleinsten sich selbst replizierenden Bakterien. Klinisch ist Mycoplasma genitalium beim Mann in bis zu 25% der Fälle Ursache einer akuten, teilweise persistierenden oder rezidivierenden Urethritis. Trotz einer hohen Nachweisrate gebe es selten Symptome einer Proktitis, erläuterte die Expertin. Ein pharyngealer Nachweis sei mit 3 bis 10% selten.3 Bei Frauen gebe es nicht ausreichend Studiendaten, man könne aber mit relativer Sicherheit sagen, dass eine Assoziation zu Zervizitis, aufsteigender Infektion, tubarer Infertilität, vorzeitiger Wehentätigkeit und Spontanaborten bestehe, so Buder. In circa 70% der Fälle lägen asymptomatische Verläufe vor, die dann als Reservoir die Infektion weiterer Personen begünstigen können.

Das Problem sei, dass der Erreger aufgrund der fehlenden Peptidoglycan-haltigen Zellwand eine intrinsische Resistenz gegen viele antimikrobielle Substanzen aufweise. Daher können in diesem Fall nur Antibiotika eingesetzt werden, die die Proteinsynthese oder die DNA-Replikation ansprechen. Die Expertin nannte hierfür Makrolide, Tetracycline, Ketolide, Streptogramine und «extended-spectrum» Fluorochinolone.

Das sehr kleine Genom von Mycoplasma genitalium sei äusserst volatil und zeige sehr viele Resistenzmutationen, berichtete Buder. So sei die geringe Wirksamkeit von Doxycyclin mit einer Heilungsrate von 30—40% bekannt. Im Rahmen der BRAHMS-Studie des RKI wurden 1017 Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), systematisch bezüglich des Auftretens von HIV-Infektionen und STI untersucht sowie ausführlich zu relevanten Risikofaktoren befragt.4

Bei 92% konnten Makrolid-Resistenzmutationen nachgewiesen werden, bei 21% fand man eine Fluorchinolon-Mutation, die in 96% der Fälle mit einer Makrolid-Mutation assoziiert war. Dies bedeute nicht zwingend, dass diese Patient:innen nicht behandelt werden können. Es sei jedoch ein Hinweis auf ein mögliches Therapieversagen, so Buder.

Die 2021 erschienene europäische Leitlinie empfiehlt ausschliesslich die Behandlung von symptomatischen Patient:innen.5 First Line sollte demnach Azithromycin in einem Mehrtages-Schema gegeben werden, um die Mutationsraten möglichst gering zu halten. Second Line – bei Therapieversagen oder bekannter Makrolidresistenz – kann Moxifloxacin 400 mg p.o. über 7 Tage zum Einsatz kommen.

Molekulare Resistenztestung

Ein noch nicht allzu sehr im Praxisalltag verbreiteter Ansatz ist die parallel neben dem Erregernachweis stattfindende molekulare Resistenztestung. Dies werde bereits in Spanien praktiziert, berichtete Buder. Nach Behandlungsstart mit Doxycyclin werden im Labor die Resistenzdeterminanten bestimmt: Liegt keine Makrolid-Resistenz vor, wird auf Azithromycin umgestellt, bei einer Resistenz entsprechend auf Sitafloxacin (in Deutschland Moxifloxacin). Dieses Vorgehen führte in einer Studie zu einer Heilungsrate von ≥92% der Infektionen.6 Dies sei ein Blick in die Zukunft, wie künftig die Behandlung der Patient:innen z.B. auch in Deutschland aussehen könnte, so die Expertin.

Wissenschaftliches Symposium «Globale Dermatologie: STI – aktuelle Resistenzentwicklung und Therapiemöglichkeiten» anlässlich der Tagung «Dermatologie kompakt & praxisnah», März 2024, Wiesbaden

1 Van Gerwen OT et al.: Sexually transmitted infections and female reproductive health. Nat Microbiol 2022; 7(8): 1116-1126 2 S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Gonorrhoe. AWMF Registernummer 059-004. Stand 2019 3 Read TRH et al.: Symptoms, sites, and significance of mycoplasma genitalium in men who have sex with men. Emerg Infect Dis 2019; 25(4): 719-727 4 Streeck H et al.: HIV pre-exposure prophylaxis was associated with no impact on sexually transmitted infection prevalence in a high-prevalence population of predominantly men who have sex with men, Germany, 2018 to 2019. Euro Surveill2022; 27(14): 2100591 5 Jensen JS et al.: 2021 European guideline on the management of mycoplasma genitalium infections. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36(5): 641-650 6 Read TRH et al.: Outcomes of resistance-guided sequential treatment of mycoplasma genitalium infections: aprospective evaluation. Clin Infect Dis 2019; 68(4): 554-560

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