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Alter Patient mit Juckreiz und Hautveränderungen: schwierige DD
Jatros
Autor:
Dr. Felicitas Witte
30
Min. Lesezeit
20.09.2018
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<p class="article-intro">Pralle Blasen auf der Haut – typische Zeichen für ein bullöses Pemphigoid. Doch die Autoimmunkrankheit beginnt oft mit Juckreiz, erythematösen Hautveränderungen und Papeln und ist nicht immer gleich auf den ersten Blick zu erkennen. Erst nach Wochen oder Monaten, manchmal auch erst nach Jahren, kommen Blasen hinzu. Wie entsteht die blasenbildende Hautkrankheit, wie diagnostiziert man sie und welche Behandlungen stehen zur Verfügung? Prof. Dr. Luca Borradori aus Bern ist einer der Experten auf dem Gebiet der autoimmunen blasenbildenden Hautkrankheiten. </p>
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<p class="article-content"><p>Das bullöse Pemphigoid ist eine der wenigen Autoimmunerkrankungen, deren Inzidenz mit dem Alter zunimmt. Während bei Menschen unter 50 Jahren weniger als 0,5 Neuerkrankungen pro 1 Million Menschen pro Jahr dokumentiert werden, sind es bei den über 80-Jährigen zwischen 190 und 300/1 Mio./Jahr.<sup>1–4</sup> Klassischerweise äußert sich die Hautkrankheit mit nicht spezifischen urtikariellen Plaques und ekzematösen Läsionen, die einige Wochen oder Monate andauern, was als nicht bullöses Stadium bezeichnet wird. Danach bilden sich Bläschen, wobei bis zu 20 % der Patienten keine haben – ein Hinweis darauf, dass nicht alle Pemphigoid-Fälle nach dem gleichen Schema fortschreiten.<sup>5, 6</sup> Äußert sich ein bullöses Pemphigoid mit Blasen, wird die Diagnose im Schnitt nach sechs Wochen gestellt, sind keine vorhanden, kann dies Jahre dauern.<sup>7</sup></p> <p>Oft beginnt das bullöse Pemphigoid mit Juckreiz, verbunden mit Exkoriationen und ekzematösen, papulären oder urtikariellen Läsionen.<sup>8</sup> Die Hautveränderungen können entweder lokalisiert auftreten, also etwa prätibial oder peristomal, oder generalisiert.<sup>9, 10</sup> Blasen bilden sich entweder gleichzeitig oder einige Wochen bis Monate nach ersten Hauterscheinungen und Juckreizbeginn. Im Gegensatz zum Pemphigus vulgaris ist das Blasendach dicker und die Blasen meist prall. Das bullöse Pemphigoid kann viele Hauterscheinungen nachahmen: ein allergisches Ekzem, Urtikaria, Prurigo, eine schwere Arzneimittelreaktion, Erythema anulare centrifugum oder sogar eine Erythrodermie.</p> <p>„Bei älteren Patienten mit juckenden Hautveränderungen, ekzematös oder urtikariell, oder mit Erosionen sollte man immer an ein bullöses Pemphigoid denken“, sagt Prof. Luca Borradori, Chefarzt der Universitätsklinik für Dermatologie am Inselspital Bern. „Vor allem bei einem chronisch rezidivierenden Verlauf.“ Bei 8–15 % der Patienten sind auch die Mundschleimhäute befallen, seltener andere Schleimhäute.</p> <p>Diagnostischer Goldstandard ist der Nachweis gewebegebundener Autoantikörper und/oder von C3 in der (Schleim-)Haut mittels direkter Immunfluoreszenz, zusätzlich lassen sich die Autoantikörper im Serum nachweisen. Ziel der Therapie ist, die Entzündung abzuschwächen und Komplikationen zu vermeiden. „Bei der Behandlung muss man beachten, dass die oft älter als 70-jährigen Patienten multimorbide sind und die Therapie eine Vielzahl von Komplikationen auslösen kann“, sagt Borradori. Gespannte Blasen sollten desinfiziert und mit einer sterilen Nadel geöffnet werden, um die Flüssigkeit abzulassen. Dies verhindert, dass sich die Blasen weiter ausdehnen. „Wichtig ist, dass man das Blasendach nicht abhebt“, warnt Borradori, „denn das funktioniert als natürliche Wundabdeckung und verhindert sekundäre bakterielle Infektionen.“ Das bullöse Pemphigoid kann oft am besten mit topischen hochpotenten Kortikoiden behandelt werden.<sup>10, 11</sup> Ist die Krankheit stabil, kann die Dosis langsam schrittweise reduziert werden. Ist die Applikation von topischen Steroiden nicht möglich, wird eine systemische Kortikoidtherapie gestartet. Ist diese kontraindiziert oder spricht der Patient darauf nicht an, kommt eine Immunsuppression infrage, meist mit Methotrexat, Mycophenolat-Mofetil oder Azathioprin. Eine gewisse Wirksamkeit zeigten in einigen Studien auch Antibiotika wie Tetrazykline, Rituximab, der IgE-Antikörper Omalizumab oder Immunabsorption, getestet werden zudem Antikörper gegen Interleukin 5 und Eotaxin-1. „Die Therapie ist oft eine Herausforderung“, sagt Borradori. „Im Zweifel überlässt man das lieber dem Spezialisten.“</p></p>
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<p><strong>1</strong> Marazza G et al.: Br J Dermatol 2009; 161(4): 861-8 <strong>2</strong> Bertram F et al.: J Dtsch Dermatol Ges 2009; 7(5): 434-40 <strong>3</strong> Langan SM et al. : BMJ 2008; 337: a180 <strong>4</strong> Gudi VS et al.: Br J Dermatol 2005; 153(2): 424-7 <strong>5</strong> Joly P et al.: J Invest Dermatol 2012; 132: 1998-2004 <strong>6</strong> Della Tore R et al.: Br J Dermatol 2012; 167: 1111-7 <strong>7</strong> Borradori L et al.: Bullous pemphigoid (cutaneous pemphigoid): the spectrum of clinical presentations. In: Murrell DF, editor: Blistering Dis­eases. Sydney: Springer, Inc., 2015. p. 335-42 <strong>8</strong> Schmidt E et al.: Immunol Allergy Clin North Am 2012; 32: 217-32 <strong>9</strong> Borradori L, Joly P: JAMA Dermatol 2014; 150: 459 <strong>10</strong> Amber KT et al.: Clin Rev Allerg Immunol, online 4. 8. 2017 <strong>11</strong> Kim M et al.: Drugs Aging 2016; 33: 711-723</p>
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