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Komparative Allergologie

Der Mensch und seine Haustiere: Sind die Allergien vergleichbar?

Die Art des Zusammenlebens von Mensch und Tier hat sich in den letzten – wenigen – Jahrzehnten stark verändert. Die Haltungsbedingungen wie Nähe, Sauberkeit, Umgebungsluft, Bewegungsmuster und Ernährung/Futter wirken sich in vielerlei Hinsicht auf die Gesundheit von Mensch und Tier aus. Auch auf die Entstehung und Intensität von allergologischen und immunologi-schen Krankheiten nehmen sie Einfluss. Warum sollte uns das interessieren?

Keypoints

  • Mensch und Tier können an den gleichen Allergien erkranken.

  • Die zugrunde liegenden Immunmechanismen sind bei den Säugetieren sehr ähnlich, zusammen mit den angepassten Lebensumständen erlauben sie eine Übertragung des Wissens über Auslöser, Prävention, Diagnostik und Behandlung zwischen verschiedenen Spezies.

  • Diese gemeinsame Nutzung von menschlichen und tierischen Patienten erspart Zeit, Geld und Probanden bei der Entwicklung von neuen Diagnostika und Therapeutika und erlaubt zudem eine Reduktion von Tierversuchen mit artifiziellen Tiermodellen.

Da sich die Lebensstilfaktoren bei Mensch und Tier sehr angeglichen haben, macht es Sinn, die Allergieauslöser bei verschiedenen Spezies gleichzeitig zu suchen. Im Rahmen der komparativen, also vergleichenden Medizin kann folglich das Wissen über Prävention und Behandlung von Allergien von einer Spezies auch zum Vorteil für eine andere angewendet werden.

Gleiche Pathomechanismen

Der IgE-Antikörper als maßgeblicher Faktor innerhalb einer Typ-I-allergischen Reaktion findet sich bei allen Säugetieren. An allergischen Erkrankungen können daher alle Säugetiere, Primaten und damit ein Großteil unserer Haus- und auch Hoftiere leiden (Abb. 1).

Abb. 1: Der Mensch und seine Haustiere – alle allergisch

Die genetische Prädisposition für Asthma und Allergie wird beim Menschen als Atopie bezeichnet (Abb. 2). Sie findet sich auch bei Hund und Pferd, bei anderen Spezies gibt es eher Unterschiede hinsichtlich der Rasse. So leiden bei den Hunden besonders Labrador, Golden Retriever, Setter, Terrier, West Highland White Terrier, Bulldogge, Boxer und Cocker-Spaniel häufig an Allergien. Bei den Katzen führen die Abessinier-Katze und die Devon-Katze, und bei den Pferden Dänisches Warmblut, Morgan, Schwedisches Warmblut und Oldenburger die Liste der allergieanfälligen Rassen an. Auch Hof- und Farmtiere produzieren IgE, also sind auch Schaf, Ziege, Schwein und Rind fähig, einen anaphylaktischen Schock zu erleiden (hervorragend zusammengefasst im Review von Gershwin L).3 Bei Rindern korreliert IgE besonders mit Parasitenbefall, wogegen Typ-I-Allergien beim Rind sehr selten beobachtet werden, obwohl auch spezifische IgE gegen inhalative Allergene gefunden werden konnten. Sogar bei Vögeln konnten allergische Reaktionen beobachtet werden, hier sind die verantwortlichen Pathomechanismen und Antikörper allerdings nicht zur Gänze geklärt.

Abb. 2: Die genetische Prädisposition beim Menschen spiegelt sich in den Zahlen der allergischen Erkrankungen bei Hochrisikokindern (Familienmitglieder ersten Grades haben Allergie) wider. Quellen: Litonjua AA1, Ghazali RB2

Ähnliche – aber nicht gleiche –Symptome

Die wohlbekannten allergischen Symptome des Menschen – Rhinokonjunktivitis, atopische Dermatitis, Angioödeme, aber auch asthmatische Beschwerden bis hin zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock – finden wir auch in der Tierwelt. Allerdings leiden hauptsächlich Katzen und Pferde unter asthmatischen Beschwerden, während diese beim Hund kaum beobachtet werden. Auch von Rindern weiß man, dass sie nicht unter Asthma leiden. Beim besten Freund des Menschen, dem Hund, sind vorrangig Hautprobleme zu beobachten, wie Juckreiz, Rötung, Fellverlust. Atopische Dermatitis gibt es aber auch bei Katze und Pferd. Alle teilen sie auch das Risiko, einen anaphylaktischen Schock zu erleiden.

Diagnose – gleiche Methoden können angewendet werden

Wie auch beim Menschen können bei unseren Tieren Testungen auf spezifische IgE-Antikörper im Serum erfolgen. Die zwei Hürden, die es hier zu meistern gilt, sind A) die Tatsache, dass Tiere, besonders solche mit Nähe zum Boden und großer Neigung zu Parasitenbefall, auch hohe Hintergrund-IgE-Werte haben, diese können bei RAST oder ELISA eine spezifische Reaktion überrollen oder überdecken und zu einem hohen Hintergrundsignal führen; und B) die Tatsache, dass die für den menschlichen Patienten bereits im klinischen Alltag verfügbare Methode der molekularen Allergiediagnostik für Tierpatienten noch nicht optimiert ist– es fehlt oft die Information über relevante Allergenquellen und die darin enthaltenen Allergenmoleküle. Für den Menschen gibt es dazu bereits mehrere Micro- und Macro-Array-Chips. Dieses genaue diagnostische Verfahren lässt letztendlich auch ein optimales Management und eine angepasste, individualisierte Therapie der Allergie zu. Das wäre auch beim Tier denkbar.

Behandlung – wo der Mensch vom Tierpatienten lernen konnte

Der erste Schritt beim Management von Allergien sowohl in der Human- als auch Veterinärmedizin ist die Allergenvermeidung. Als Behandlung der Symptome kommen bei Tieren weniger Antihistaminika zum Einsatz, als dies beim Menschen der Fall ist, vorrangig ist hier z.B. beim Hund eher eine symptomatische Behandlung vor allem des Juckreizes und gegebenenfalls eines Flohbefalls. Allerdings wird die Immuntherapie (Desensibilisierung, Hyposensibilisierung) auch bei Katze, Hund und Pferd bereits erfolgreich eingesetzt. Die neueren Formen der Behandlung mit sogenannten Biologika gegen IL-31 und IL-5 kamen sogar zuerst beim Tier (Pferd, Hund) zum Einsatz4 und werden heute auch beim Menschen angewendet.

Einflussfaktoren auf die Allergieentstehung – bei Mensch und Tier die gleichen

Viele Faktoren können Einfluss auf die Entwicklung von Allergie und Asthma nehmen. Im Konzept von One Health sind hier auch besonders Lifestyle-Faktoren, Umwelteinflüsse und Klimaveränderungen zu nennen. Alle diese betreffen auch unsere Haus- und Hoftiere. Gemeint sind hiermit die urbanen Lebensbedingungen mit starker Versiegelung und daraus resultierend geringer Biodiversität an Pflanzen, Tierspezies, Naturboden/Erde.5 Der fehlende Kontakt mit der Natur und grünem Raum6 wie auch mit ruralen Lebensbedingungen wie Bauernhof und Wald schlägt sich in höherer Allergieprävalenz bei Mensch und Tier nieder. Die – meist negative – Entwicklung der Ernährung und der Nahrungsmittel (hochprozessierte, hochkalorische, ballaststoffarme Diäten) mündet zusätzlich in einem verarmten oder veränderten intestinalen Mikrobiom (Dysbiose). Auch das Mikrobiom der Haut, welches zwischen Halter und Hund sogar ausgetauscht wird, ist leicht beeinflussbar, z.B. durch häufiges Waschen, Kontakt mit Tensiden, Detergenzien und Duftstoffen. Hund und Herrl leiden auch häufig gemeinsam an Allergien.7 Da zwischen Mensch und anderen Säugern ganz offensichtlich große Ähnlichkeit bei allergischen und asthmatischen Krankheiten besteht, scheint ein Vergleich zum gegenseitigen Nutzen tatsächlich begründet. In der EAACI-Arbeitsgruppe „Comparative Allergology“ wird daher systematisch in Form unterschiedlicher Positionspapiere und Übersichtsartikel der Vergleich zwischen allergologischen und immunologischen Erkrankungen bei Mensch und Tier gezogen.8–12 Es werden einerseits Auslöser eruiert, um damit vorbeugende Maßnahmen festmachen zu können. Andererseits kann auch die Optimierung der Diagnostik und der Behandlung vom Vergleich unterschiedlicher Spezies profitieren, zahlreiche Medikamente und Testverfahren konnten und könnten so rascher und effizienter in die Klinik und zum Patienten gelangen.

1 Litonjua AA et al.: Parental history and the risk for childhood asthma. Does mother confer more risk than father? Am J Respir Crit Care Med 1998; 158(1): 176-81 2 Ghazali Rb: Food Allergy 2020; http://www.myhealth.gov.my/en/food-allergy-2/ . Accessed 1 November, 2021 3 Gershwin LJ: Comparative immunology of allergic responses. Annu Rev Anim Biosci 2015; 3: 327-46 4 Fettelschoss-Gabriel A et al.: Active vaccination against interleukin-5 as long-term treatment for insect-bite hypersensitivity in horses. Allergy 2019; 74(3): 572-82 5 Roslund MI et al.: Biodiversity intervention enhances immune regulation and health-associated commensal microbiota among daycare children. Sci Adv 2020; 6(42) 6 Paciencia I et al.: Neighbourhood green and blue spaces and allergic sensitization in children: A longitudinal study based on repeated measures from the Generation XXI cohort. Sci Total Environ. 2021; 772: 145394 7 Lehtimaki J et al.: Simultaneous allergic traits in dogs and their owners are associated with living environment, lifestyle and microbial exposures. Sci Rep 2020; 10(1): 21954 8 Pali-Scholl I et al.: EAACI position paper: Comparing insect hypersensitivity induced by bite, sting, inhalation or ingestion in human beings and animals. Allergy 2019; 74(5): 874-87 9 Pali-Scholl I et al.: Comparing immediate-type food allergy in humans and companion animals-revealing unmet needs. Allergy. 2017; 72(11): 1643-56 10 Pali-Scholl I et al.: Formulations for allergen immunotherapy in human and veterinary patients: new candidates on the horizon. Front Immunol. 2020; 11: 1697 11 Mueller RS et al.: Allergen immunotherapy in people, dogs, cats and horses - differences, similarities and research needs. Allergy 2018; 73(10): 1989-99 12 Mueller RS et al.: Allergens in veterinary medicine. Allergy 2016; 71(1): 27-35

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