Endlich wirksam gegen Prurigo nodularis?
Bericht:
Dr. Norbert Hasenöhrl
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Der schwere Juckreiz bei Prurigo nodularis kann einen Juck-Kratz-Zyklus auslösen und ist schwer zu behandeln. Mit dem halbsynthetischen Opioid Nalbuphin könnte sich das ändern.
„Die Dermatologie wartet seit mehr als 100 Jahren darauf, endlich wirksame Medikamente gegen den Juckreiz bei Prurigo nodularis zu bekommen“, berichtete Prof. Dr. Sonja Ständer, Universitätsklinik Münster, Deutschland. „Und jetzt ist es endlich so weit.“ Prurigo nodularis (PN) geht mit intensivem Juckreiz und erhabenen, knotigen Läsionen, Papeln und Plaques einher. Die weltweite Prävalenz von PN wird auf 730 000 geschätzt. Der Juckreiz bei PN ist häufig therapieresistent und verschlechtert die Lebensqualität.1 Unbehandelter Pruritus kann einen Juck-Kratz-Zyklus verursachen, was PN auslösen oder perpetuieren kann. Derzeit gibt es keine zugelassene Therapie gegen den Pruritus bei PN.
Eingriff an den Opioidrezeptoren
Die Opioidrezeptoren vom Typ Kappa und My spielen eine zentrale Rolle bei PN-bedingtem Pruritus und der Entstehung des Juck-Kratz-Zyklus. Die Aktivierung von My-Rezeptoren induziert Juckreiz, während die Aktivierung von Kappa-Rezeptoren ihn verhindert.2 Nalbuphin ist in diesem Zusammenhang eine interessante Substanz, weil es einerseits als Agonist an den Kappa-Rezeptoren, andererseits gleichzeitig als Antagonist an den My-Rezeptoren wirkt.2 „Dieses pharmakologische Profil ist auch der Grund, warum Nalbuphin kein Suchtpotenzial hat“, erklärte die Expertin. In einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Phase-2-Studie wurde retardiertes Nalbuphin gut vertragen und zeigte eine messbare antipruritische Aktivität bei PN.3
Neue Daten ermutigend
„Ich kann Ihnen heute die Ergebnisse einer Phase-2b/-Studie, der PRISM-Studie, präsentieren“, so Ständer. Teilnehmer waren Erwachsene mit einer bestätigten PN-Diagnose, ≥10 pruriginösen Läsionen in mindestens zwei verschiedenen anatomischen Arealen und einem WI-NRS-Score ≥7 („Worst Itch Numeric Rating Scale“). Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1 in zwei Gruppen randomisiert, die entweder orales, retardiertes Nalbuphin (NAL ER; zweimal täglich 162mg) oder Placebo erhielten. Die Studie dauerte 14 Wochen, die Sicherheitsparameter wurden noch weitere zwei Wochen lang erhoben. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, die sich um ≥4 Punkte im WI-NRS verbesserten. Sekundäre Endpunkte waren der Einfluss von NAL ER auf die Lebensqualität und auf die PN-Hautläsionen.
Das mittlere Alter lag zwischen 56 und 60 Jahren, der Frauenanteil lag bei ca. 60%. Knapp unter 60% der Patienten kamen aus Europa, der Rest aus Nordamerika. Der Ausgangswert im WI-NRS lag bei 8,6 bzw. 8,7, und die meisten Patienten hatten zwischen 20 und 100 Läsionen, um die 30% sogar über 100. 353 Patienten wurden randomisiert. In der Interventionsgruppe beendeten 106 (von 173), in der Placebogruppe 142 (von 180) Patienten die Studie. Danach begann eine noch laufende offene Verlängerungsphase. In der Interventionsgruppe wurde der primäre Endpunkt signifikant häufiger erreicht als in der Kontrollgruppe (Abb. 1).
Abb. 1: Primärer Endpunkt (Quelle: Ständer)
„Bei diesem Ergebnis muss man bedenken, dass der primäre Endpunkt mit mindestens vier Punkten Reduktion auf der WI-NRS ein hochgestecktes Ziel war“, kommentierte Ständer. Die Responderkurven trennten sich bereits zu Woche 2 (noch nicht signifikant); zu Woche 6 fand sich jedoch schon ein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt (15,8% vs. 3,9%; p=0,0027). Auch für die sekundären Endpunkte Lebensqualität und PN-Läsionen fanden sich unter NAL ER jeweils signifikante Verbesserungen im Vergleich zu Placebo. „Man kann also durchaus behaupten, dass NAL ER den Juck-Kratz-Zyklus unterbricht und damit nicht nur den Juckreiz reduziert, sondern auch die Läsionen verringert und die Lebensqualität der Betroffenen steigert“, so die Expertin.
Schwere Nebenwirkungen (SAE) traten unter NAL ER bei 4,8%, unter Placebo bei 3,4% auf. Es handelte sich bei den AE, die unter NAL ER häufiger auftraten als unter Placebo, einerseits um gastrointestinale Probleme wie Übelkeit und Verstopfung, andererseits um zentralnervöse Symptome wie Schwindel und Kopfschmerzen. „Diese Nebenwirkungen waren zu erwarten; sie treten z.B. auch auf, wenn man einem Patienten den Opiatantagonisten Naltrexon verabreicht“, kommentierte Ständer. „Diese AE verschwinden aber, wenn man das Medikament länger gibt.“
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass retardiertes Nalbuphin eine neue orale Therapieoption für Patienten mit PN-bedingtem Juckreiz, für die es aktuell noch keine Therapie gibt, darstellen könnte.
Quelle:
Ständer S: Oral nalbuphine extended-release is effective in severe prurigo nodularis–associated pruritus: results from a phase 2b/3, double-blind, placebo-controlled Study. EADV 2022, presentation ID D2T01.3K
Literatur:
1 Steinke S et al.: J Am Acad Dermatol 2018; 79(3): 457-63.e455 2 Elmariah S et al.: J Am Acad Dermatol 2021; 84(3): 747-60 3 Weisshaar E et al.: J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36(3): 453-61
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