
©
Getty Images
20-Jahre-Jubiläum
Jatros
30
Min. Lesezeit
02.03.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Univ.-Prof. Dr. Hubert Pehamberger überblickt wie kein anderer österreichischer Hautarzt die dermatologische Szene. Als Vorstand der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien sowie Mitbegründer und Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für klinisch-experimentelle Onkologie steht er für eine interdisziplinäre und fachübergreifende Kooperation im onkologischen Bereich. Als Herausgeber eines dermatologischen Fortbildungsjournals kennt er auch die Medienlandschaft. Anlässlich „20 Jahre JATROS Dermatologie & Plastische Chirurgie“ konnten wir Prof. Pehamberger für ein Gespräch gewinnen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><strong>Welches sind die Meilensteine der Dermatologie in den letzten 20 Jahren?<br /> H. Pehamberger:</strong> In der Dermatologie gibt es zwei wesentliche Spezialisierungen, die sich in den letzten Jahrzehnten herauskristallisiert und gewaltige therapeutische Erfolge erzielt haben, das sind die Dermatoonkologie und die entzündlichen Hauterkrankungen. Als bedeutenden Meilenstein möchte ich die Biologika hervorheben, die eine Wende in der Therapie der Psoriasis eingeleitet und den Durchbruch in der Behandlung geschafft haben. Wurden Psoriasispatienten früher noch für Wochen stationär aufgenommen und mit mehr oder weniger gutem, kürzer oder länger anhaltendem Erfolg behandelt oder langwierig bestrahlt, reicht heute oft eine Infusion oder eine Tablette, um erscheinungsfrei zu werden und dies auch über einen längeren Zeitraum zu bleiben. Die immunologische Gentherapie, zum Beispiel bei Epidermolysis bullosa, die unter anderem durch Helmut Hintner Aufmerksamkeit auf sich zog, ist ein weiterer Meilenstein. Mein Herz schlägt bekanntlich für die onkologischen Hauterkrankungen. Hier sind insbesondere in der Behandlung des Melanoms mit den Antikörpern und den Kinaseinhibitoren gewaltige therapeutische Fortschritte erzielt worden.<br /><br /><strong> Wie hat sich das Fach generell verändert?<br /> H. Pehamberger:</strong> Das Fach hat sich insofern verändert, als man in zunehmendem Maße von vorwiegend stationären Behandlungen zu ambulanten Therapien übergegangen ist. Viele Erkrankungen wie die Psoriasis und das Melanom können heute tagesklinisch behandelt werden, wobei man aber trotzdem ein Plädoyer für die Erhaltung der Betten auf der Dermatologie halten muss. In den deutschsprachigen Ländern wird im Gegensatz zum angloamerikanischen Raum die Dermatologie noch so betrieben, wie sie im Lehrbuch steht, mit all ihren Subspezialitäten: allgemeine Dermatologie, Allergologie, Dermatochirurgie, Dermatoonkologie, Immundermatologie, Photobiologie, Phlebologie bis hin zur HIV-Erkrankung. Ich habe mich immer bemüht, das Fach als Einheit und Gesamtheit zu behalten und das Filetieren zu verhindern. Ein Allergologe kann sich mit einem Dermatochirurgen heute kaum mehr fachlich unterhalten. Für die Ausbildung ist aber die Breite des Faches wichtig, wenngleich in der Dermatologie wie auch in allen anderen Fächern eine interdisziplinäre Behandlung der Patienten essenziell ist. Den Lupus erythematodes werden wir gemeinsam mit dem Rheumatologen behandeln, HIV gemeinsam mit dem Infektiologen, schwierige dermatochirurgische Fälle mit den Chirurgen. Innerhalb der EU gibt es einen eigenen Facharzt für Allergologie, nicht aber in Österreich. Es kommt natürlich auch darauf an, wo die Kompetenzen liegen; Überschneidungen gibt es immer, das Wichtigste ist jedoch die interdisziplinäre Patientenbetreuung.<br /><br /><strong> Welche großen Dermatologen haben das Fach in den letzten Jahrzehnten maßgeblich geprägt?<br /> H. Pehamberger:</strong> Ich möchte nur zwei Namen nennen: Steven I. Katz, Bethseda Maryland, und Klaus Wolff, der große österreichische Doyen der Dermatologie. Diese herausragenden Menschen haben in der Zeit, in der ich das Fach überblicke, die Dermatologie wesentlich geprägt. Steven Katz konzentrierte sich in seinen Forschungen in den USA auf die Immunodermatologie. Der Grandseigneur der Dermatologie – und mein Lehrer – Klaus Wolff hat den Ruf der Wiener dermatologischen Klinik weit über die Landesgrenzen und den deutschsprachigen Raum hinausgetragen. 1981 als ordentlicher Professor von Innsbruck an die Dermatologische Universitätsklinik Wien berufen, übernahm er eine intensive Lehrtätigkeit mit Ausbildung von Generationen von Medizinstudenten und Fachärzten für Dermatologie. Seine Forschungsleistungen, die zur Klärung von Pathomechanismen von Hautkrankheiten und Entwicklung neuer Therapien führten, sind international anerkannt. Unter seiner Leitung schaffte es die Dermatologische Universitätsklinik Wien im Ranking unter die fünf weltweit besten dermatologischen Universitätskliniken.<br /><br /><strong> Die Diagnose Melanom war noch in den 80er-Jahren infaust. Heute ist es gut behandelbar. Wie haben sich Therapie und Behandlung in den letzten 20 Jahren entwickelt?<br /> H. Pehamberger:</strong> In der Behandlung des Melanoms hat sich in den letzten fünf bis sechs Jahren mehr getan als in den 30 Jahren zuvor. Die Überlebenschance betrug früher ein halbes Jahr, mit einer Ansprechrate von fünf bis zehn Prozent auf die unzureichend wirkende Chemotherapie beim metastasierten Melanom. Jetzt sind wir bei 70 Prozent signifikantem Überleben bis zu fünf Jahren und länger. Heute wird die Chemotherapie fast nicht mehr eingesetzt. Mit diversen Antikörpern und den Kinaseinhibitoren sind zielgerichtete personalisierte Therapien möglich. Das Melanom – ein besonders immunogener Tumor – war einer der ersten Tumore, bei denen die neuen Therapien zum Einsatz gekommen sind und durchschlagende Erfolge gezeigt haben – die Wiener Klinik war von Anfang an bei den Entwicklungen mit dabei.<br /><br /><strong> Wie erfolgt die Kooperation mit den internistischen Onkologen?<br /> H. Pehamberger:</strong> Die Diagnose und die Behandlung von Hauttumoren waren immer eine Domäne der Dermatologie, denn wir sehen die Patienten ab einer harmlosen Hautläsion über die Entwicklung zum Melanom und weiter bis zur Metastasierung. Bis auf die Radiatio und die „major surgery“ hat stets der Dermatologe die PatientInnen begleitet und versorgt. Onkologisch haben wir nicht nur das Melanom, sondern auch das Basalzellkarzinom betreut. Als die neuen Therapien gekommen sind, sind die Onkologen hellhörig geworden. In den deutschsprachigen Ländern werden sowohl Patientenbetreuung als auch die klinischen Studien auf der Dermatologie durchgeführt. Für das Basaliom, einen aggressiv wachsenden Tumor mit Destruktionen ganzer Körperoberflächen und Gesichtshälften, gibt es jetzt auch mit den Kinaseinhibitoren eine effektive Therapie, die nahezu heilend wirkt.<br /><br /><strong> Die Dermatoskopie wurde an der Universitätsklinik Wien aufgebaut. Welche Auswirkungen hatte dies auf die Diagnose des Melanoms in der niedergelassenen Praxis?<br /> H. Pehamberger:</strong> Bei aller Euphorie über die innovativen Behandlungsmöglichkeiten sind die Früherkennung und die rechtzeitige Exzision des Melanoms das Allerwichtigste. Die frühzeitige Diagnose ist wesentlich, bevor der Tumor metastasiert. Bei Risikogruppen und Menschen mit zahlreichen oder atypischen Muttermalen oder mit Melanom in der Anamnese ist eine halbjährliche Untersuchung nötig, ansonsten reichen jährliche bis zweijährliche Kontrollbesuche beim Hautarzt. Die Wiener Hautklinik hat über Jahre hindurch eine Vorreiterrolle in der Entwicklung der Dermatoskopie gespielt. Als wir die ersten wissenschaftlichen Arbeiten 1987 publiziert haben, wurde ich noch von älteren Hautärzten milde belächelt.1 Heute hat fast jeder niedergelassene Hautarzt ein Auflichtmikroskop in seiner Ordination für Diagnose und Verlaufsbeobachtung von Naevi.<br /><br /><strong> Die ÖGDV-Jahrestagung spannt den Bogen von Forschung zu wichtigen aktuellen Themen in der Dermatologie. Sie selbst waren 2007/2008 Präsident. Die Zahl der Mitglieder steht heute bei mehr 1.000. Wie wichtig ist die Gesellschaft in Ihren Augen für die niedergelassenen Dermatologen?<br /> H. Pehamberger:</strong> Es freut mich sehr, dass die ÖGDV bei allen Dermatologen angesehen ist, sie ist eine wissenschaftliche Gesellschaft, die auch die Niedergelassenen einbindet. Mit Hans-Jörg Rauch wurde auch ein niedergelassener Hautarzt Präsident, was ich für sehr wichtig halte.<br /> Ich persönlich würde es bedauern, sollte die Einheit von akademischem Spitalsbereich und niedergelassener Dermatologie durch den sich derzeit konstituierenden Berufsverband getrübt werden. In meinen Augen wäre es sehr wichtig, die Einheit aufrechtzuerhalten. Die Gesellschaft war und ist für den niedergelassenen Bereich eine Vertretung mit umfassenden Fortbildungsmöglichkeiten.<br /><br /><strong> Welches sind Ihre persönlichen Meilensteine in Ihrer Karriere?<br /> H. Pehamberger:</strong> Ich freue mich und bin dankbar, dass es mir möglich war, an der Wiener Hautklinik vom Assistenten bis zum Klinikchef die akademische Karriere zu leben, und freue mich nach meinem Ausscheiden aus der Universitätsklinik auf die neue Herausforderung hier im Rudolfinerhaus, in dem ich seit April 2016 als ärztlicher Direktor tätig bin.<br /><br /><strong> <em>JATROS Dermatologie & Plastische Chirurgie</em> feiert ihr 20-jähriges Jubiläum. Inwieweit hat Sie das Magazin in Ihrer beruflichen Laufbahn begleitet? Was schätzen Sie an der Zeitschrift?<br /> H. Pehamberger:</strong> Ich halte die Zeitschrift <em>JATROS Dermatologie & Plastische Chirurgie</em> für einen wesentlichen Beitrag zur dermatologischen Fortbildung. In den zwei Jahrzehnten haben die besten nationalen und internationalen Experten Beiträge für dieses Journal verfasst.<br /><br /><strong> Ausblick in der Dermatologie: In welchen Bereichen und Indikationen wird sich die Therapie in den nächsten Jahren maßgeblich ändern?<br /> H. Pehamberger:</strong> Ich glaube, dass in der personalisierten Medizin und der Genetik noch weitere Durchbrüche zu erwarten sind.<br /><br /><strong> Danke für das Gespräch!</strong></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Pehamberger H, Steiner A, Wolff K: J Am Acad Dermatol 1987; 17(4): 571-83</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Mycoplasma genitalium, Chlamydien, Syphilis
Sexuell übertragbare Infektionen sind weltweit im Ansteigen begriffen, was die Resistenzproblematik verschärft. Dass ein Screening asymptomatischer Personen nicht unbedingt die optimale ...
The use of ultrasonography to guide aesthetic filler injections
The use of aesthetic filler injections has been steadily increasing in recent years. Correspondingly, there has also been an increase in reported complications. Among these, vascular ...
Systemtherapie des HER2-low fortgeschrittenen Mammakarzinoms
HER2-low- und HER2-ultralow-Mammakarzinome stellen besondere Herausforderungen dar, da sie sich sowohl in ihrer Prognose als auch im Therapieansprechen von HER2-positiven und HER2-zero- ...