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Plättchenreiches Plasma (PRP) bei androgenetischer Alopezie (AGA)
Jatros
Autor:
Paul Gressenberger
Universitätsklinik für Dermatologie<br> Medizinische Universität Graz
30
Min. Lesezeit
15.09.2016
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<p class="article-intro">Erkrankungen der Kopfhaut und der Haarfollikel beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen erheblich. Kaum etwas verändert unser Aussehen mehr als eine Veränderung oder der Verlust der Kopfhaare. Haarverlust hat in der Eigenwahrnehmung oft negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl, körperdysmorphe Störungen bis zu depressiven Zustandsbildern können die Folge sein. Deshalb spielt die richtige Therapie von Haar- und Kopfhauterkrankungen eine wichtige Rolle in der Dermatologie. </p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Bei Männern wie auch bei Frauen ist die androgenetische Alopezie die häufigste Form von Haarausfall. Eine effektive und zufriedenstellende Behandlung ist oft nur durch die Kombination verschiedener Therapieansätze möglich. Derzeit stehen nur zwei klinisch validierte Wirkstoffe zur Verfügung, die zur Behandlung von androgenetischer Alopezie zugelassen sind: Minoxidil und Finasterid. Beide Wirkstoffe verlangsamen die durch Androgene verursachte genetisch bedingte, unterschiedlich ausgeprägte Miniaturisierung der Haarfollikel in bestimmten Bereichen der Kopfhaut. Die Therapie mit diesen Wirkstoffen ist langwierig und erfordert viel Geduld.<br /> <br /> Im Bereich der ästhetischen Medizin werden seit einigen Jahren Behandlungen mit „plättchenreichem Plasma“ (PRP) oder Eigenbluttherapie für immer mehr Indikationen angeboten. Wir betreiben an der Medizinischen Universität Graz das einzige universitäre Zentrum für Ästhetische Medizin in Österreich, in dem wir versuchen, neuen ästhetisch-medizinischen Methoden aus wissenschaftlicher Sicht „auf den Grund zu gehen“ und ihnen nach wissenschaftlicher Evaluation entweder einen evidenzbasierten Background zuzugestehen oder gegebenenfalls ihre Wirkungslosigkeit zu untermauern.<br /> <br /> Die Therapie mit PRP wird als effektive und nebenwirkungsarme Möglichkeit zur Behandlung von Haarausfall (Alopezie) dargestellt. Häufige Nebenwirkungen dieser Behandlung sind Hämatome, Rötungen und Schwellungen nach der Applikation des Blutplasmas. Eine nachfolgende Entzündung wird selten beschrieben. Die zu erwartenden Nebenwirkungen sind harmlos und zur Gänze reversibel.</p> <h2>Methode</h2> <p>PRP wird autolog durch Zentrifugieren aus dem Vollblut des Patienten gewonnen. Plättchen (Thrombozyten) dienen als Reservoir für Wachstumsfaktoren und Zytokine. Werden diese Blutplättchen in vivo aktiviert, werden Signalmoleküle in unmittelbarer Umgebung freigesetzt und so Regenerationsprozesse im Gewebe aktiviert. Historisch gesehen wurde PRP eingesetzt, um die Heilung komplexer Wunden zu fördern. Über das letzte Jahrzehnt hat PRP als therapeutisches Werkzeug in den verschiedenen medizinischen Diszi­plinen, wie Kieferchirurgie, Orthopädie, plastischer Chirurgie und Dermatologie, immer mehr an Bedeutung gewonnen. <br /> Die androgenetische Alopezie bezeichnet eine spezielle, genetisch determinierte Form von Haarverlust. Hierbei kommt es durch die individuell unterschiedliche Sensibilität der Haarfollikel gegenüber Dihydrotestosteron (DHT) zur Verkürzung der Wachstumsphase und zur langsamen Involution der Haarfollikel. DHT entsteht über die enzymatische Umwandlung von Testosteron durch die 5-alpha-Reduktase. Durch diese degenerativen Prozesse kommt es zum langsamen Zurückweichen der Haaransatzlinie (Geheimratsecken) oder zum bleibenden Haarverlust im Hochparietalbereich (Vertex, Tonsur) bis zur totalen Glatze bei Männern (Abb. 1). Bei Frauen sieht das klinische Bild etwas anders aus: Die vordere Haaransatzlinie bleibt erhalten, der Parietalbereich wird schütter, vollkommene Kahlköpfigkeit ist sehr selten (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1603_Weblinks_Seite12.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Die im PRP enthaltenen Wachstumsfaktoren sollen dazu führen, dass sich die atrophierten und degenerierten Haarfollikel wieder regenerieren und die Haarfollikel erhalten bleiben, sodass die Anagenphase immer wieder anspringen kann. Ziel der Behandlungen sollen eine Reduktion des Haarverlustes sowie eine Verdickung der Haarschäfte und Haardurchmesser sein.<br /> PRP wird durch Zentrifugieren aus Vollblut gewonnen. Dazu werden zuerst ca. 20ml Vollblut pro Patient aus der Vene abgenommen. Die Blutprobe wird anschließend für 5 Minuten mit ca. 200 bis 400g zentrifugiert. Die g-Kräfte sind variabel und hängen von der verwendeten Zentrifuge und vom Durchmesser des Rotators ab (Abb. 3). Daraus ergibt sich ein „Überstand“ von 2 bis 3ml plättchenreichen Plasmas (Abb. 4). PRP wird intrakutan direkt in die Kopfhaut der betroffenen Areale injiziert, pro Quadratzentimeter etwa 0,1–0,2ml. Die Behandlungen sollen im Abstand von 4 bis 6 Wochen erfolgen und in diesen Abständen 3- bis 5-mal wiederholt werden. Die ersten Behandlungserfolge sind nach ca. 3 bis 6 Monaten zu erwarten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1603_Weblinks_Seite13.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Placebokontrollierte Studie</h2> <p>Derzeit sind einige klinische Studien im Gange, in denen eine positive Wirkung der PRP-Therapie bei genetisch bedingtem Haarverlust nachgewiesen werden soll. Aus der aktuell verfügbaren Literatur geht hervor, dass es eine große Variabilität in Studiendesign und den zu messenden Parametern gibt. Die Auswertung erfolgt oft subjektiv anhand von Vorher/Nachher-Bildern, die Probandenzahl ist begrenzt, und es fehlen Kontrollgruppen. Diese Studien sind daher nur bedingt aussagekräftig. Aus diesem guten Grund haben wir am Zentrum für Ästhetische Medizin in Graz eine placebokontrollierte klinische Studie ausgearbeitet, die bis zum Sommer 2017 eindeutige, objektive und aussagekräftige Ergebnisse liefern soll.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p>• Alves R, Grimalt R: Randomized placebo-controlled, double-blind, half-head study to assess the efficacy of platelet-rich plasma on the treatment of androgenetic alopecia. Dermatol Surg 2016; 42(4): 491-7 <br />• Blume-Peytavy U, Vogt A: Current standards in the diagnostics and therapy of hair diseases - hair consultation. J Dtsch Dermatol Ges 2011; 9(5): 394-410 <br />• Blumeyer A et al: Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men. J Dtsch Dermatol Ges 2011; 9(Suppl 6): S1-57 <br />• Gentile P, Garcovich S, Bielli A, Scioli MG, Orlandi A, Cervelli V: The effect of platelet-rich plasma in hair regrowth: a randomized placebo-controlled trial. Stem Cells Transl Med 2015; 4(11): 1317-23 <br />• Gkini MA, Kouskoukis AE, Tripsianis G, Rigopoulos D, Kouskoukis K: Study of platelet-rich plasma injections in the treatment of androgenetic alopecia through an one-year period. J Cutan Aesthet Surg 2014; 7(4): 213-9 <br />• Lynch MD, Bashir S: Applications of platelet-rich plasma in dermatology: a critical appraisal of the literature. J Dermatolog Treat 2016; 27(3): 285-9 <br />• Singh B, Goldberg LJ, Autologous Platelet-Rich Plasma fort he Treatment of Pattern Hairloss. Pubmed 2016. Available from: <a href="http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27234711" target="_blank">http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27234711</a> [Accessed 8th August 2016] <br />• Singhal P, Agarwal S, Dhot PS, Sayal SK: Efficacy of platelet-rich plasma in treatment of androgenic alopecia. Asian J Transfus Sci 2015; 9(2): 159-62</p>
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