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Auf einen Blick

Steckbrief Herpes zoster

Das Wiederaufflammen einer Varicella-Zoster-Infektion kündigt sich oft durch ein verräterisches Kribbeln auf der Haut an. Je nach Vorerkrankungen kann es zu verschiedenen Komplikationen im Verlauf der Erkrankung kommen. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die aktuellen Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie.

Herpes zoster oder Gürtelrose ist ein Wiederaufflammen einer Infektion mit dem Varizella-Zoster-Virus (VZV), Patienten besser bekannt als Windpocken. Hat man die Kinderkrankheit durchgemacht, nisten sich die Viren lebenslang in den Hirnnerven- und in den Nervenwurzeln des Rückenmarks ein. Bei einer Gürtelrose werden die Viren wieder aktiv, vermehren sich, wandern den Nerv entlang nach aussen an die Haut und verursachen einen meist streifenförmigen Hautausschlag. Bis zum 40. Lebensjahr haben fast alle Erwachsenen Kontakt mit VZV gehabt. Das Virus bleibt lebenslang in den sensorischen Nervenganglien des Rückenmarks, ohne Symptome zu verursachen. Bei jedem Menschen, der Windpocken gehabt hat, kann das VZV aktiviert werden und der Betroffene kann an einer Gürtelrose erkranken. Das Risiko für eine Reaktivierung ist jedoch höher für immungeschwächte Menschen – etwa aufgrund von HIV, malignen Lymphomen oder unter Immunsuppressiva – sowie für ältere Personen. Letzteres liegt daran, dass die spezifische zelluläre Immunität mit dem Alter nachlässt. Pro Jahr stellen Ärzte in der Schweiz bei rund 21400 Menschen die Diagnose eines Herpes zoster. Mehr als jeder Zweite ist älter als 65 Jahre.

Tab. 1: Risikofaktoren für das Auftreten von Komplikationen nach Herpes-zoster-Infektion

Symptomatik

Es fängt mit Müdigkeit und Abgeschlagenheit an, manche Patienten bekommen Fieber, und es kribbelt auf der Haut. Nach zwei bis drei Tagen tauchen Flecken und Schmerzen auf. Am häufigsten ist der Rumpf betroffen, der Zoster kann aber überall am Körper auftreten und auch Augen, Ohren, Hirn oder Genitalbereich befallen. Je nach Lokalisation können die Komplikationen sehr schlimm sein, vor allem wenn der Augenbereich befallen ist. Ein Zoster ophthalmicus kann unbehandelt zur Erblindung führen. Typisch ist ein umschriebenes Exanthem auf einer Körperseite in einem Hautdermatom. Der Ausschlag entwickelt sich in der Regel von erythematösen Makeln und Papeln zu Bläschen und Pusteln, die nach fünf bis sieben Tagen krustig abheilen. Typischerweise nehmen die Effloreszenzen innert von 24 bis 72 Stunden zu und breiten sich strahlenförmig über das Dermatom aus. Die meisten Patienten beschreiben Beschwerden im Sinne eines Prodromalstadiums, einige Tage bevor das Exanthem ausbricht: Abgeschlagenheit, Missempfindungen wie Juckreiz, Parästhesien, Dysästhesien oder Taubheitsgefühle und Schmerzen. Die Schmerzen können zu Fehldiagnosen führen, etwa Herzinfarkt oder Cholezystitis. Patienten beschreiben die Schmerzen als brennend, stechend und pulsierend. Als Differenzialdiagnose kommen vor allem Herpes-simplex-Virus(HSV)-Infektionen infrage, und zwar HSV-1 im Kopf-/Halsbereich und HSV-2 in der Lumbosakralgegend.

Ist der Zoster abgeheilt, schmerzt es bis zu jeden fünften Patienten noch monatelang. Solch eine postherpetische Neuralgiekann die Lebensqualität enorm einschränken. Vermutlich kommt es zu entzündlichen Nervenschäden mit Zerstörung von peripheren Nervenstrukturen und Neuronen in sensorischen Ganglien. Je älter man wird, desto grösser ist das Risiko für eine postherpetische Neuralgie. Neben den Schäden am Auge kann es noch zu diversen anderen Komplikationen kommen: bakterieller Superinfektion von Hautläsionen (Zoster gangraenosus), Lähmungen von Hirn- und peripheren Nerven, Zoster-Meningitis, -Enzephalitis oder -Myelitis, Zoster-Vaskulitis mit neurologischen Konsequenzen einschliesslich Schlaganfall und Beteiligung innerer Organe bei viszeralem Herpes zoster mit Pneumonie, Ösophagitis, Myokarditis, Enterokolitis oder Pankreatitis.

Diagnostik

In vielen Fällen lässt sich die Diagnose klinisch stellen. Zeigt sich klinisch ein typischer Zoster, kann auf einen Labortest verzichtet werden. In anderen Fällen wird ein molekularer Nachweis von VZV-DNA aus Abstrichmaterial, Serum oder Plasma empfohlen, insbesondere in folgenden Fällen:

  • Der Patient berichtete über KEINE typische Prodromalphase.

  • Der Ausschlag erstreckt sich über mehr als ein Dermatom oder überschreitet Mittellinien.

  • Ein anderer als der thorakale Bereich ist betroffen.

  • Der zeitliche Verlauf ist untypisch.

  • Der Patient hatte schon einmal Gürtelrose.

  • Der Patient wurde gegen Windpocken geimpft.

Tab. 2: Dauer und Dosierung der antiviralen Standardsystemtherapie bei Zoster

Hat man einen Zoster ophthalmicus diagnostiziert, sollte ein Augenarzt hinzugezogen werden, um eine Beteiligung des Auges auszuschliessen, und im Falle eines Zoster oticus – vor allem wenn Gesichts- und/oder Hör- und Gleichgewichtsnerven befallen sind – sollten auch ein HNO-Arzt und ein Neurologe konsultiert werden.

Tests auf Anti-VZV-IgG-, -IgA- und -IgM-Antikörper im Serum werden empfohlen, wenn man einen Verdacht auf einen Zoster ohne Hautbeteiligung hat. Dieser Zoster sine herpete ist gekennzeichnet durch einen unilateralen, dermatomalen Schmerz ohne Hautläsionen und virologischen und/oder serologischen Nachweis einer VZV-Infektion. Hat ein Patient mit Verdacht auf Zoster sine herpete eine Gesichtslähmung, kann man die VZV-DNA aus einem Nasen-Rachen-Abstrich oder aus Speichel zwei bis vier Tage nach Beginn der Symptome bestimmen.

Therapie

Bei Patienten ohne Risikofaktoren für Komplikationen bessert sich der Zoster in der Regel von selbst. Ziel der Behandlung ist, die Dauer und Ausbreitung der Hauteffloreszenzen zu begrenzen, die Schmerzen zu lindern und das Auftreten einer postherpetischen Neuralgie zu vermeiden. Bei Immunsupprimierten muss man zusätzlich darauf achten, die für diese Patienten typischen Komplikationen zu verhindern. Eine systemische Therapie mit Aciclovir und Famciclovir reduzierte in kontrollierten Studien die Dauer der Hautläsionen sowie die Dauer und Schwere der Schmerzen mehr als Placebo.

Die AWMF-Leitlinie empfiehlt als Standardtherapie oral Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir und Brivudin sowie Aciclovir auch parenteral. Aufgrund des relativ geringen Nebenwirkungsrisikos der Medikamente sollte eine antivirale Systemtherapie auch bei Patienten mit geringem Risiko für Folgeerscheinungen oder komplizierte Verläufe in Betracht gezogen werden.

Wer sollte eine antivirale Systemtherapie erhalten?

Gemäss der AWMF-Leitlinie wird eine Therapie empfohlen bei Auftreten von Herpes zoster:

  • lokalisationsunabhängig bei Patienten ≥50 Jahre

  • im Kopf-Hals-Bereich

  • lokalisationsunabhängig mit assoziiertem mittelschwerem bis schwerem Schmerz, hämorrhagischen oder nekrotischen Läsionen, multisegmentalem Befall, aberrierenden Bläschen/Satellitenläsionen, mukokutanem Befall

  • bei immunsupprimierten Patienten

  • bei Patienten mit prädisponierenden Hauterkrankungen (z.B. atopischer Dermatitis)

  • bei Kindern und Jugendlichen unter Langzeittherapie mit topischen Steroiden

Gemäss AWMF-Leitlinie kann eine Therapie erwogen werden:
bei Patienten unter 50 Jahren mit Herpes zoster der Extremitäten oder des Stammes ohne Anhalt für einen komplizierten Verlauf.

Gemäss AWMF-Leitlinie wird eine parenterale Therapie empfohlen bei Patienten mit HZ und kompliziertem Verlauf oder Risiko für einen komplizierten Verlauf bei Herpes zoster:

  • des Kopf-Hals-Bereiches, insbesondere bei älteren Patienten

  • mit hämorrhagischen/nekrotischen Läsionen, multisegmentalem Befall, aberrierenden Bläschen/Satellitenherden, Schleimhautbefall oder generalisiertem Zoster

  • bei immunsupprimierten Patienten

  • mit Zeichen einer viszeralen oder zentralnervösen Beteiligung (inklusive Vaskulitis)

Bei Patienten, die keine Indikation zur parenteralen Therapie mit Aciclovir haben, sollte man gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, welches orale Präparat verschrieben wird. Hierbei berücksichtigt man Einnahmefrequenz, Kosten, Kontraindikationen, Komorbidität und Arzneimittelinteraktionen. Es ist nicht klar, ob Valaciclovir, Famciclovir und Brivudin besser sind als Aciclovir. Brivudin hat den Vorteil, dass der Patient es nur einmal pro Tag einzunehmen braucht, es ist aber nicht in allen Ländern verfügbar. Aciclovir ist am preiswertesten. Brivudin ist kontraindiziert bei immunsupprimierten Patienten sowie aufgrund möglicher lebensbedrohlicher Arzneimittelinteraktionen bei Patienten, die in den letzten vier Wochen mit 5-Fluoropyrimidin-haltigen Medikamenten (z.B. 5-Fluorouracil, Flucytosin) behandelt wurden.

Die Behandlung der nozizeptiven Zosterschmerzen erfolgt gemäss WHO-Stufenschema. Nozizeptive Schmerzen entstehen zum einen durch die lokale Entzündungsreaktion während der Erscheinung der Effloreszenzen (Wundschmerz); zum anderen durch eine tatsächliche oder drohende Schädigung von nichtneuronalem Gewebe. Bei geringer Schmerzintensität kommen NSAID oder andere Nicht-Opioid-Analgetika zur Anwendung. Bei mittlerer Schmerzintensität wird eine Kombination von Nicht-Opioid-Analgetika mit schwach wirksamen Opioiden und bei starker Schmerzintensität eine Kombination von Nicht-Opioid-Analgetika mit stark wirksamen Opioiden empfohlen.

Gegen die protopathischen/neuropathischen Schmerzen werden zusätzlich die Antikonvulsiva Gabapentin oder Pregabalin empfohlen, allenfalls ergänzt durch ein Antidepressivum wie Amitriptylin. Diese Schmerzen äussern sich in Form von:

  • brennendem, bohrendem Dauerschmerz

  • kurzen, einschiessenden, neuralgiformen Schmerzattacken

  • dynamischer Berührungsallodynie (heftigste Berührungsschmerzen, häufig Ausbreitung in benachbarte Segmente)

  • Parästhesien (z.B. Brennen und Stechen), Dysästhesien

AWMF S2k-Leitlinie «Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie». 2019; BAG Bulletin 47/2017: www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/mt/i-und-b/richtlinien-empfehlungen/empfehlungen-spezifische-erreger-krankheiten/herpes-zoster/impfempfehlung-herpes-zoster.pdf

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