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Pädiatrische Aspekte bei akuten diabetologischen Notfällen

Diabetische Ketoazidose und akute Hypoglykämie

<p class="article-intro">Die akute Stoffwechselentgleisung, die diabetische Ketoazidose (DKA), ist ein akuter Notfall und bedarf einer sofortigen adäquaten Therapie. Über 30 % aller Kinder und Jugendlichen in Österreich haben im Rahmen der Diabetesmanifestation eine DKA. Die Prävalenz von akuten schweren Hypoglykämien hat in den letzten Dekaden abgenommen, stellt aber immer noch einen limitierenden Faktor in der Diabetestherapie im Kindesalter dar. Das noch unreife kindliche Gehirn ist sowohl für Hyper- als auch für Hypoglykämien anfällig.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Diabetische Ketoazidose (DKA)</h2> <p>Die diabetische Ketoazidose, einhergehend mit den klinischen Symptomen der Polyurie, Polydipsie, Dehydratation, Tachykardie und Tachypnoe &ndash; besonders tiefer Bauchatmung, der sogenannten Ku&szlig;maul-Atmung sowie Bauchschmerzen, &Uuml;belkeit und Erbrechen, kann sowohl im Rahmen der Erstdiagnose Diabetes wie auch bei bereits bekanntem Diabetes auftreten. In &Ouml;sterreich ist die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit Ketoazidose im Rahmen der Diagnosestellung Diabetes mit &uuml;ber 30 % sehr hoch. Zahlreiche Pr&auml;ventionskampagnen wie die Plakatkampagne 2009, bei der Informationsplakate an Kinderg&auml;rten, Schulen, Apotheken und Arztpraxen verschickt wurden, oder das Ketoazidose-Filmprojekt 2016, bei dem Kinder mit Diabetes in Zusammenarbeit mit der Diabetesambulanz des Preyer&rsquo;schen Kinderspitales rund um Dr. Andrea J&auml;ger einen Aufkl&auml;rungsfilm gedreht haben (unter www.typ1diabetes. at steht der Film auch als Download kostenlos zur Verf&uuml;gung), verliefen bisher ohne Wirkung. Die Rate an Ketoazidosen ist &uuml;ber die vergangenen 20 Jahre unver&auml;ndert hoch geblieben. Als besonders f&uuml;r das Auftreten einer Ketoazidose gef&auml;hrdete Gruppe wurden Kleinkinder identifiziert.<br /> Risikofaktoren f&uuml;r Ketoazidosen bei Kindern und Jugendlichen mit bekanntem Diabetes sind fieberhafte Infektionen, chronisch schlechte Stoffwechseleinstellung und mangelhafte Compliance sowie Katheterokklusionen bei Insulinpumpentherapie. Jugendalter, weibliches Geschlecht, Migrationshintergrund und eine Diabetesdauer von &uuml;ber 2&ndash;5 Jahren wurden als weitere Risikofaktoren f&uuml;r eine diabetische Ketoazidose beschrieben.</p> <h2>Diagnose und Behandlung</h2> <p>Pathophysiologisch liegt der Entstehung der diabetischen Ketoazidose die absolute oder relative Insulindefizienz zugrunde. Infolge des Insulinmangels ist die Glukoseutilisation eingeschr&auml;nkt, wodurch eine Hyperglyk&auml;mie entsteht. Diese f&uuml;hrt zur &Uuml;berschreitung der Nierenschwelle mit nachfolgender Glukosurie und Dehydratation gefolgt von einem Anstieg der Osmolalit&auml;t. Aufgrund der fehlenden Glukoseutilisation wird zur Energiegewinnung die Lipolyse herangezogen. Diese f&uuml;hrt zur Freisetzung von freien Fetts&auml;uren und Ketonk&ouml;rperproduktion mit Verbrauch der Puffersysteme und Ausbildung der Azidose. Diese pathophysiologischen Ver&auml;nderungen sichern die Diagnose Hyperglyk&auml;mie, Azidose und Dehydratation mit Hyperosmolalit&auml;t.<br /> Daraus ergeben sich die therapeutischen Konsequenzen der Fl&uuml;ssigkeitszufuhr, des Ausgleichs der Elektrolytdefizite und der Zufuhr von Insulin als kausaler Therapieansatz. Dabei zu beachten ist eine kontinuierliche Behandlung mit Rehydrierung &uuml;ber mindestens 24&ndash;48 Stunden, einer langsamen Senkung der Hyperglyk&auml;mie von maximal 50&ndash;100mg/dl pro Stunde sowie der Zufuhr von Kalorien, um die katabole Stoffwechsellage zu beenden.<br /> Aufgrund der hohen Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t ist das Auftreten zerebraler Ver&auml;nderungen im Rahmen einer Ketoazidose gef&uuml;rchtet. Zerebrale Ver&auml;nderungen k&ouml;nnen sowohl vor als auch w&auml;hrend der Behandlung der Ketoazidose auftreten und sind von kognitiven Defiziten begleitet, die teils reversibel, teils aber auch irreversibel bestehen bleiben k&ouml;nnen.<br /> In neueren pathophysiologischen Modellen zur &Auml;tiologie zerebraler Beteiligung im Rahmen einer diabetischen Ketoazidose werden mehrere Faktoren und deren komplexe Interaktion diskutiert. Die Schwere der Azidose, Hypokapnie, Vasokonstriktion, Dehydratation, Hyperglyk&auml;mie und Ketose f&uuml;hren allesamt zur Reduktion des zerebralen Blutflusses. Inflammatorische Faktoren und Zytokine sowie mikrogliale strukturelle Ver&auml;nderungen bedingen sowohl auf zellul&auml;rer als auch vaskul&auml;rer Ebene Ver&auml;nderungen, die f&uuml;r Verletzungen des Gehirns mit klinischer Symptomatik verantwortlich sind. Dies ist besonders im Kindesalter von gro&szlig;er Bedeutung, da die Entwicklung des kindlichen Gehirnes in den ersten Lebensjahren noch nicht abgeschlossen und damit besonders vulnerabel ist.</p> <h2>Akute Hypoglyk&auml;mie</h2> <p>Hypoglyk&auml;mien gelten als der limitierende Faktor jeder Diabetestherapie. Die Angst vor Hypoglyk&auml;mien, sowohl aufseiten der Eltern als auch aufseiten der betreuenden &Auml;rzte, f&uuml;hrte dazu, eine schlechtere metabolische Einstellung in Kauf zu nehmen. Longitudinale Studien anhand von Diabetesregistern konnten nun zeigen, dass die H&auml;ufigkeit von Hypoglyk&auml;mien in den vergangenen 20 Jahren zur&uuml;ckgegangen ist, bemerkenswerterweise auch bei jenem p&auml;diatrischen Patientenkollektiv, welches die niedrigsten HbA<sup>1c</sup>- Werte und damit beste metabolische Kontrolle zeigte. Der Grund f&uuml;r die Reduktion der schweren Hypoglyk&auml;mien d&uuml;rfte in der Ver&auml;nderung der therapeutischen M&ouml;glichkeiten liegen. Die Einf&uuml;hrung von schnell und lang wirksamen Insulinanaloga und der breite Einsatz von Insulinpumpen in der P&auml;diatrie haben in den letzten Jahrzehnten nicht nur zu einer Verbesserung der metabolischen Einstellung, sondern auch zu einer Reduktion der Hypoglyk&auml;mien gef&uuml;hrt. Bleibt abzuwarten, inwieweit der zunehmende Einsatz von subkutanen Glukosesensoren als Stand-alone- Ger&auml;te oder in Kombination mit Insulinpumpen im Sinne einer sensorunterst&uuml;tzten Pumpentherapie die Hypoglyk&auml;mierate bei Kindern und Jugendlichen beeinflussen wird.<br /> Trotz aller Verbesserungen in der Behandlung von kindlichem Diabetes gilt es aufgrund der Unreife des kindlichen Gehirnes, H&auml;ufigkeit und Schwere von Unterzuckerungen zu reduzieren bzw. diese g&auml;nzlich zu vermeiden. Ein Risiko im Kindesalter f&uuml;r das Auftreten von Hypoglyk&auml;mien ist ein Missmanagement der Insulindosierung, insbesondere der Bolusgaben f&uuml;r Mahlzeiten. Rechenprogramme, Apps, BE-Rechner w&auml;ren vorstellbare Hilfsmittel, um eine exaktere Berechnung sowohl der Broteinheiten als auch der individuell ben&ouml;tigten Insulinmenge zu erzielen.<br /> Ein weiteres Risiko f&uuml;r das Auftreten von Hypoglyk&auml;mien sind k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t und Sport. Grunds&auml;tzlich als Teil der Diabetestherapie zu betrachten, ist eine intensive Patientenschulung zum Thema Insulindosierung bei Sport grundlegend. Zus&auml;tzlich zum akuten Hypoglyk&auml;mierisiko w&auml;hrend k&ouml;rperlicher Aktivit&auml;t ist ein weiteres Absinken der Blutglukose noch viele Stunden nach der sportlichen Bet&auml;tigung zu erwarten. Entsprechende Vorkehrungen, um n&auml;chtliche Hypoglyk&auml;mien nach sportlichen Leistungen zu verhindern, m&uuml;ssen mittels Reduktion der n&auml;chtlichen Insulindosis und/oder zus&auml;tzlicher Kohlenhydratzufuhr getroffen werden.<br /> N&auml;chtliche Hypoglyk&auml;mien k&ouml;nnen nicht nur im Rahmen sportlicher Aktivit&auml;t auftreten. Aufgrund einer ver&auml;nderten n&auml;chtlichen Glukosehom&ouml;ostase und ver&auml;nderter neuroendokriner Schlafarchitektur bei Kindern mit Typ-1-Diabetes kommen n&auml;chtliche Hypoglyk&auml;mien h&auml;ufig vor. Die H&auml;lfte der n&auml;chtlichen Hypoglyk&auml;mien wird nicht bemerkt. Durch verbesserte Glukoseaufzeichnung mittels Flash-Glukosemessung und kontinuierlicher subkutaner Glukosemesssysteme stehen nun Tools zur Verf&uuml;gung, um die n&auml;chtliche Glukosevariabilit&auml;t sichtbarer zu machen.<br /> Kleinkinder sind besonders gef&auml;hrdet, Hypoglyk&auml;mien zu entwickeln. Zum einen haben Kleinkinder eine hohe Insulinsensitivit&auml;t, zum anderen eine schlechte Hypoglyk&auml;miewahrnehmung. Kleinkinder k&ouml;nnen schwer zwischen vegetativen und neurokognitiven Hypoglyk&auml;miezeichen unterscheiden, ihre M&ouml;glichkeiten, Hypoglyk&auml;mien zu kommunizieren, sind begrenzt. Faktoren, die die Hypoglyk&auml;miewahrnehmung von Kindern beeinflussen, sind das Alter des Kindes, die Qualit&auml;t der Stoffwechseleinstellung, der Blutzuckerausgangswert und die Dynamik des Blutzuckerabfalls. Auch h&auml;ufig aufeinanderfolgende Hypoglyk&auml;mien k&ouml;nnen die F&auml;higkeit zur Wahrnehmung von Unterzuckerungen negativ beeinflussen. Ein Drittel aller Kinder mit Diabetes zeigt eine Hypoglyk&auml;miewahrnehmungsst&ouml;rung und ist somit besonders f&uuml;r das Auftreten von Hypoglyk&auml;mien gef&auml;hrdet. Das Alter der Kinder zum Zeitpunkt von schweren Hypoglyk&auml;mien ist entscheidend f&uuml;r deren kognitive Entwicklung. Kleinkinder mit schweren Hypoglyk&auml;mien zeigen in verschiedenen kognitiven Bereichen Teilleistungsst&ouml;rungen im Vergleich zu Kleinkindern ohne Auftreten von schweren Hypoglyk&auml;mien.</p> <h2>Jugendliches Risikoverhalten</h2> <p>Ein weiterer Aspekt f&uuml;r das Auftreten von Hypoglyk&auml;mien im Kindesalter betrifft das jugendliche Risikoverhalten. &Auml;hnlich der nicht diabetischen Peergroup gehen Jugendliche mit Diabetes ein risikohaftes Verhalten ein. Bei Konsum von Alkohol steigt das Risiko f&uuml;r eine Hypoglyk&auml;mie deutlich an, eine entsprechende Schulung im Umgang mit Insulin bei Alkoholkonsum sollte daher Teil jeder Diabetesschulung im Jugendalter sein.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Zusammenfassend ist festzuhalten, dass akute Komplikationen bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes m&ouml;glichst zu vermeiden sind. Sowohl die schwere metabolische Entgleisung mit diabetischer Ketoazidose wie auch schwere Hypoglyk&auml;mien gehen mit zerebralen Ver&auml;nderungen des kindlichen/jugendlichen Gehirnes einher und beeinflussen deren kognitive Entwicklung. Pr&auml;ventionskampagnen zur Verbesserung der Awareness von diabetesspezifischen Symptomen k&ouml;nnten ein Ansatz zur Reduktion der DKA-Rate in &Ouml;sterreich sein. Hinsichtlich der Vermeidung von akuten Hypoglyk&auml;mien zeigen Verbesserungen der Insulindosierbarkeit, Weiterentwicklung der technischen Diabetestherapie (Beispiel Glukosesensoren und sensorunterst&uuml;tzte Pumpentherapie) und intensive Schulung und Aufkl&auml;rung &uuml;ber Risikosituationen ihre Wirksamkeit.</div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Bj&oslash;rgaas MR et al.: Cerebral effects of severe hypoglycemia in young people with type 1 diabetes. Pediatr Diabetes 2012; 13(1): 100-7 &bull; Fritsch M et al.: Diabetic ketoacidosis at diagnosis in Austrian children: a population-based analysis, 1989-2011. J Pediatr 2013; 163(5): 1484-8. e1 &bull; Glaser N et al.: Effects of hyperglycemia and effects of ketosis on cerebral perfusion, cerebral water distribution, and cerebral metabolism. Diabetes 2012; 61(7): 1831-7 &bull; Karges B et al.: Hospital admission for diabetic ketoacidosis or severe hypoglycemia in 31,330 young patients with type 1 diabetes. Eur J Endocrinol 2015; 173(3): 341-50 &bull; Maahs DM et al.: Contrasting the clinical care and outcomes of 2,622 children with type 1 diabetes less than 6 years of age in the United States T1D Exchange and German/Austrian DPV registries. Diabetologia 2014; 57(8): 1578-85 &bull; Schober E et al.: Diabetic ketoacidosis at diagnosis in Austrian children in 1989-2008: a populationbased analysis. Diabetologia 2010; 53(6): 1057-61</p> </div> </p>
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