Empagliflozin: die EMMY-Studie
Autoren:
Univ.-Prof. PD Dr. Harald Sourij, MBA
Dr. Norbert J. Tripolt, BSc, MSc
Peter Pferschy, BSc, MSc
Assoz. Prof. PD Dr. Dirk von Lewinski
Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie
und Klinische Abteilung für Kardiologie
Medizinische Universität Graz
E-Mail: ha.sourij@medunigraz.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Nach den positiven Effekten von Empagliflozin bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, Herz- bzw. Niereninsuffizienz untersucht die EMMY-Studie nun die Auswirkungen von Empagliflozin auf die Herzfunktion und Herzinsuffizienzmarker bei Patienten nach aktuem Myokardinfarkt.
Keypoints
-
Die EMMY-Studie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Empagliflozin bei Patient*innen nach akutem Myokardinfarkt.
-
Eine frühzeitige Gabe von Empagliflozin (<72h nach Myokardinfarkt) zeigte eine signifikante Verbesserung funktioneller und struktureller Herzfunktionsparameter.
-
NT-proBNP-Konzentrationen nahmen in einem größeren Ausmaß in der Empagliflozin-Gruppe ab.
-
LVESV und LVEDV waren in der Empagliflozin-Gruppe nach 26 Wochen signifikant kleiner.
Natriumglukose-Cotransporter-2(SGLT2)-Inhibitoren stellen eine etablierte antihperglykämische Substanzklasse mit nachgewiesenem kardiorenalem Nutzen dar.1,2 Nach den positiven Studien in Kollektiven von Menschen mit Typ-2-Diabetes konnten auch Reduktionen der kombinierten Endpunkte wegen Hospitalisation von Herzinsuffizienzen und (kardiovaskulärer) Mortalität bei Menschen mit verschiedenen Arten der Herzinsuffizienz gezeigt werden.3–6 Mehrere mechanistische Erklärungen für die Effekte, darunter positive Wirkungen auf die myokardiale Remodellierung, den Flüssigkeitshaushalt, den myokardialen Stoffwechsel und auf Ionentransporteraktivität, wurden beschrieben.7–10
In den kardiovaskulären Endpunktstudien fiel auf, dass positive Effekte der SGLT2-Hemmer sehr rasch auftraten, sodass die Frage naheliegend war, ob eine Therapie ehebaldigst nach einem kardialen, ischämischen Ereignis zu beginnen sinnvoll ist, da es einen signifikanten Risikofaktor für das Auftreten einer Herzinsuffizienz darstellt. Daher wurde die EMMY-Studie (Effekte von EMpagliflozin auf die Herzfunktion und Biomarker der Herzinsuffizienz bei Patienten mit akutem MYokardinfarkt) konzipiert, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Empagliflozin bei Patient*innen nach einem akuten Myokardinfarkt (AMI) untersuchte. Die Empagliflozin- oder Placebogaben wurden hier kurz nach der Koronarangiografie begonnen.
Methode
Im Rahmen einer akademischen, nationalen, multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie wurden 476 Patient*innen mit AMI, welche die Merkmale einer relevanten Myokardnekrose aufwiesen, im Verhältnis 1:1 zu Empagliflozin (10mg einmal täglich) oder Placebo randomisiert. Das akademische Studienteam war sowohl für die Erstellung des Studienprotokolls,11 die Auswahl der 11 teilnehmenden Studienzentren (Tab.1) als auch die Durchführung der Studie verantwortlich.
Tab. 1: Übersicht der „Principal Investigators“ der teilnehmenden Studienzentren
Die EMMY-Studie wurde von der Forschungseinheit für Interdisziplinäre metabolische Medizin an der Medizinischen Universität Graz geleitet und durchgeführt. Patient*innen zwischen 18 und 90 Jahren mit einem bestätigten relevanten Myokardinfarkt (Kreatinkinase >800U/l), einem hochsensitiven Troponin-T-Level >10-fache des ULN (oberen Referenzbereichs) und einer eGFR >45ml/min/1,73m2 wurden in die Studie eingeschlossen. Nicht an der Studie teilnehmen konnten Patient*innen mit einem Blut-pH <7,32, einem akuten symptomatischen Harnwegs- oder Genitalinfekt, einer bereits bestehenden SGLT2-Therapie und einem anderen Diabetes- mellitus-Typ als T2D. Die hämodynamisch stabilen Patient*innen wurden innerhalb von 72 Stunden nach einer perkutanen Koronarintervention wegen eines akuten Myokardinfarkts in die Studie eingeschlossen. Die erste Einnahme der Studienmedikation erfolgte ebenfalls innerhalb dieses Zeitraums und für die darauffolgenden 26 Wochen. Nach dem Einschluss in die Studie wurden die Patient*innen ersucht, nach 6, 12 und 26 Wochen zu weiteren Studienvisiten an das jeweilige Studienzentrum zu kommen. Abgeschlossen wurde die Studie mit einer Telefonvisite 4 Wochen nach Beendigung der Einnahme der Studienmedikation (Abb. 1).
Abb. 1: Grafische Übersicht über den Studienablauf der EMMY-Studie
Im Rahmen dieser Visiten wurden, wie bereits bei der Baselinevisite, eine venöse Blutabnahme sowie eine echokardiografische Untersuchung, entsprechend den Richtlinien der Europäischen Vereinigung für kardiovaskuläre Bildgebung, durchgeführt. Als primärer Endpunkt wurde die Veränderung des NT-proBNP von der Randomisierung bis zu Woche 26 festgelegt. Sekundäre Outcome-Parameter beinhalteten Änderungen in der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF), der diastolischen Funktion (E/e‘), des linksventrikulären endsystolischen (LVESV) und linksventrikulären enddiastolischen Volumens (LVEDV), im Ketonkörperspiegel und in Sicherheitsparametern.
Ergebnisse
Im Zeitraum von Mai 2017 bis Dezember 2021 wurden 476 Patient*innen (392 Männer) mit einem medianen Alter von 57 (IQR: 52–64) Jahren und einem medianen BMI von 27,6kg/m2 (IQR: 25,1–30,3kg/m2) randomisiert. Bis Studienende haben zwölf Patient*innen (2,5%) ihr Einverständnis zur weiteren Studienteilnahme zurückgezogen und 26 Patient*innen (5,5%) die Einnahme der Studienmedikation vorzeitig beendet (14 Empagliflozin, 12 Placebo). Zu Studienbeginn waren die Baselinecharakteristika der beiden Behandlungsgruppen sehr ähnlich und wiesen keine signifikanten Unterschiede auf.12
Primäre Studienziele
Die mittleren NT-proBNP-Konzentrationen nahmen während der Studie in beiden Behandlungsgruppen ab, jedoch in einem signifikant größeren Ausmaß in der Empagliflozin-Gruppe. Der mittlere 26-Wochen-NT-proBNP-Wert war in der Empagliflozin-Gruppe um 15% (95% CI: –4,4 bis –23,6%) niedriger im Vergleich zu Placebo, nach Adjustierung für NT-proBNP-Konzentration zu Studienbeginn, das Geschlecht und den Diabetesstatus (p=0,026). Die stärkere Reduktion mit Empagliflozin war bereits nach 12 Behandlungswochen erkennbar (p=0,021).
Sekundäre Studienziele
Die Ketonkörperkonzentrationen (Beta-Hydroxybutyrat) waren nach 26 Wochen in der Empagliflozin-Gruppe um 42% (95% CI: 21,8%–63,8%; p<0,0001) höher als in der Placebogruppe. Die Dauer des Krankenhausaufenthalts aufgrund des akuten Herzinfarkts unterschied sich nicht zwischen den Gruppen mit einer medianen Dauer von 6,0 Tagen (IQR: 3–9 Tage) in der Empagliflozin- und 6,0 Tagen (3–9 Tage) in der Placebo-Gruppe (p=0,40).
Praxistipp
Die EMMY-Studie zeigt, wie gut interdisziplinäre akademische Forschung in Österreich funktionieren kann. Diese positiven Erfahrungen könnten als Anregung und Ansporn für ähnliche Projekte in Österreich dienen.Die linksventrikuläre systolische und diastolische Funktion verbesserte sich in beiden Gruppen im Verlauf der Studie. Diese Verbesserung war in der Empagliflozin-Gruppe um absolut 1,5% (95% CI: 0,2%– 2,9%; p=0,029) stärker als in der Placebo-Gruppe. Der Unterschied im Anstieg war bereits nach 6 Wochen signifikant (1,7%; 95% CI: 0,35%–3,05%; p=0,014). E/e‘ veränderte sich ebenfalls während der Studie mit einer signifikant stärkeren Verbesserung in der Empagliflozin-Gruppe nach 26 Wochen und war um 6,8% (95% CI: 1,3%–11,3%; p=0,015) niedriger im Vergleich zu Placebo. Echokardiografische Parameter, die die strukturellen Herzveränderungen widerspiegeln, waren in der Empagliflozin-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe ebenfalls signifikant verbessert: LVESV (–7,5ml; 95% CI: –11,5 bis –3,4ml; p=0,0003) und LVEDV (–9,7ml; 95% CI: –15,7 bis –3,7ml; p=0,0015) waren in der Empagliflozin-Gruppe nach 26 Wochen signifikant kleiner als in der Placebo-Gruppe (Abb. 2).
Abb. 2: Sekundäre Outcomes: (A) Linksventrikuläre Ejektionsfraktion. (B) E/e’. (C) Linksventrikuläres endsystolisches Volumen (D) Linksventrikuläres enddiastolisches Volumen
Adverse Events
Die Anzahl der Serious Adverse Events (SAEs) unterschieden sich nicht zwischen der Empagliflozin- und der Placebo-Gruppe. Es gab insgesamt 72 SAEs mit 63 hospitalisierten Teilnehmer*innen, von denen sieben wegen Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden (drei in der Empagliflozin-Gruppe, vier in der Placebo-Gruppe). Während der Studie traten drei Todesfälle auf, alle in der Empagliflozin-Gruppe. Zwei Teilnehmer starben innerhalb von 5 Tagen nach Aufnahme in die Studie infolge von schweren Herzinfarkten und anschließendem kardiogenem Schock. Ein Teilnehmer starb 149 Tage nach der Randomisierung an einem Lungenkarzinom. Alle drei Todesfälle wurden vom unabhängigen „Adjudication Committee“ vor der Entblindung als nicht mit der Studienmedikation in Zusammenhang stehend betrachtet. Auch andere Sicherheitsendpunkte wie die Anzahl der Genitalinfektionen unterschieden sich nicht signifikant zwischen der Empagliflozin- und der Placebo-Gruppe. Darüber hinaus wurden während des gesamten Follow-ups keine Amputationen, keine Ketoazidose und keine schweren hypoglykämischen Episoden berichtet.
Schlussfolgerung
Bei Patient*innen, die mit einem akuten Herzinfarkt hospitalisiert wurden, führte die frühzeitige Gabe (<72 Stunden) von Empagliflozin nach einem Myokardinfarkt, zusätzlich zu einer Leitlinien-konformen Therapie, zu einer signifikanten Verbesserung funktioneller und struktureller Herzfunktionsparameter. Aktuell laufende Endpunktstudien in vergleichbaren Kollektiven werden den Nutzen einer frühen SGLT2-Hemmer-Therapie nach einem akuten Herzinfarkt abschließend beurteilen. EMMY war ein Beispiel, wie akademische klinische Forschung in Österreich funktionieren kann.
Literatur:
1 Wiviott SD et al.: Dapagliflozin and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. Reply. N Engl J Med 2019; 380(19): 1881-2 2 Zinman B et al.: Empagliflozin, cardiovascular outcomes and mortality in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373(22): 2117-28 3 McMurray JJV et al.: Dapagliflozin in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2019; 381(21): 1995-2008 4 Anker SD et al.: Empagliflozin in heart failure with a preserved ejection fraction. Reply. N Engl J Med 2022; 386(21): e57 5 Packer M et al.: Cardiovascular and renal outcomes with empagliflozin in feart failure. N Engl J Med 2020; 383(15): 1413-24 6 Solomon SD et al.: Dapagliflozin in heart failure with mildly reduced or preserved ejection fraction. N Engl J Med 2022; 387(12): 1089-98 7 Uthman L et al.: Class effects of SGLT2 inhibitors in mouse cardiomyocytes and hearts: inhibition of Na(+)/H(+) exchanger, lowering of cytosolic Na(+) and vasodilation. Diabetologia 2018; 61(3): 722-6 8 Pabel S et al.: Empagliflozin directly improves diastolic function in human heart failure. Eur J Heart Fail 2018; 20(12): 1690-700 9 Mustroph J et al.: Empagliflozin reduces Ca/calmodulin-dependent kinase II activity in isolated ventricular cardiomyocytes. ESC Heart Fail 2018; 5(4): 642-8 10 Mizuno M et al.: Empagliflozin normalizes the size and number of mitochondria and prevents reduction in mitochondrial size after myocardial infarction in diabetic hearts. Physiol Rep 2018; 6(12): e13741 11 Tripolt NJ et al.: Impact of EMpagliflozin on cardiac function and biomarkers of heart failure in patients with acute MYocardial infarction - the EMMY trial. Am Heart J 2020; 221: 39-47 12 von Lewinski D et al.: Empagliflozin in acute myocardial infarction: the EMMY trial. Eur Heart J 2022; 43(41): 4421-32
Das könnte Sie auch interessieren:
Diabetes erhöht das Sturzrisiko deutlich
Eine dänische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl Patienten mit Typ-1- als auch Patienten mit Typ-2-Diabetes öfter stürzen und häufiger Frakturen erleiden als Menschen aus einer ...
Neue Studiendaten zu Typ-2-Diabetes und Lebensstil
Dass gesunde Ernährung und Bewegung das Diabetesrisiko sowie verschiedene Risiken von Patienten mit Diabetes senken, ist seit Langem bekannt. Und das Detailwissen zur Bedeutung von ...
Wie oft wird Diabetes nicht oder spät erkannt?
Im Allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer an Personen mit undiagnostiziertem Typ-2-Diabetes ausgegangen. Ein Teil davon sind von Ärzten „übersehene“ Fälle. Eine von der University ...