
Europäisches Netzwerk für Fortschritte in der Typ-1-Diabetesforschung
Autorin:
Univ.-Prof. Dr. Birgit Rami-Merhar, MBA
Universitätsklinik für Kinder-und Jugendheilkunde
Medizinische Universität Wien
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INNODIA ist seit seiner Gründung im Jahr 2015 als öffentlich-private Partnerschaft ein zentraler Akteur in der Erforschung von Typ-1-Diabetes (T1D). Doch wie geht es weiter mit INNODIA? Dieser Artikel beleuchtet die Visionen und Pläne für die Zukunft.
Keypoints
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INNODIA wird als Netzwerk und Plattform für T1D-Forschung weiter ausgebaut.
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Die Nachhaltigkeit des Projekts hängt von neuen Finanzierungsmodellen und Partnerschaften ab.
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Innovative Ansätze in der klinischen Forschung, wie Biomarker-basierte Studien, stehen im Fokus.
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Patienten werden stärker in die Forschung eingebunden, um praxisnahe Lösungen zu entwickeln.
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Das Masterprotokoll bildet die Grundlage für standardisierte und vergleichbare Studien.
Nach fast einem Jahrzehnt intensiver Arbeit, zahlreichen klinischen Studien und dem Aufbau eines europaweiten Netzwerks von Forschungseinrichtungen steht das Projekt INNODIA (innodia.eu) nun an einem Wendepunkt.Die langfristigen Ziele von INNODIA umfassen bisher:
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Aufbau einer EU-weiten Infrastruktur zur Rekrutierung, detaillierter klinischer Phänotypisierung und Probenentnahme bei einer großen Kohorte neu diagnostizierter T1D-Patienten sowie ihrer Risikoverwandten. Ziel ist die Schaffung einer unvergleichlichen Bioressource für die T1D-Grundlagenforschung.
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Etablierung eines kollaborativen Netzwerks von Grundlagen- und klinischen Forschern, um Wissenslücken im Bereich der B-Zell-Autoimmunität zu schließen und ein besseres Verständnis der Pathogenese von T1D sowie mögliche Heilungsansätze zu entwickeln.
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Entwicklung und Anwendung neuer Methodologien, insbesondere durch die Nutzung von Stärken im Bereich der Bioressourcen und „Omics“-Technologien (wie „genomics“, „transcriptomics“, „proteomics“, „metabolomics“)
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Aufbau einer einzigartigen integrierten Datenbank, die historische Daten mit klinischen und experimentellen Quellen kombiniert. Diese soll bioinformatische Modellierungen und Visualisierungen von Interaktionen zwischen Phänotyp-, Genetik-, Immun- und Stoffwechselwegen ermöglichen.
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Konzeption innovativer klinischer Studiendesigns, die neue validierte Biomarker nutzen, um die Patientenstratifizierung zu verbessern und effektivere Interventionsstudien zu ermöglichen.
Rückblick: Was hat INNODIA erreicht?
INNODIA hat eine einzigartige europäische Infrastruktur geschaffen, die klinische Studien, Biomaterialsammlungen und genetische sowie immunologische Analysen umfasst. Mit über 100 Mitgliedern aus 21 Ländern, darunter akademische Institutionen, industrielle Partner und Patientenorganisationen, konnte INNODIA …
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eine lebende Biobank etablieren, die Biomaterialien und Daten von Patienten und deren Verwandten sammelt.
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neue Biomarker und innovative klinische Studienprotokolle entwickeln, um gezieltere und effizientere Behandlungsansätze zu ermöglichen (Tab. 1).
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ein Netzwerk von Exzellenzzentren konsolidieren, das als Referenzpunkt für die T1D-Forschung in Europa dient.
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ein Masterprotokoll als Grundlage für alle durchgeführten und zukünftigen Projekte entwickeln, das standardisierte Vorgehensweisen und Vergleichbarkeit sicherstellt.
Tab. 1: Bisher durchgeführte Studien im INNODIA-Netzwerk, teilweise noch nicht abgeschlossen (Stand Oktober 2024; es liegen noch keine finalen Studienergebnisse vor)
Der Beginn war die Natural History Study. Hier wurden neu diagnostizierte Personen mit T1D sowie Verwandte ersten Grades ohne T1D („unaffected family members“; UFM) eingeschlossen. Es wurde keine Intervention durchgeführt, aber die Personen mit T1D und die UFM mit positiven Diabetes-Autoantikörpern wurden anhand des Masterprotokolls über 2 bzw. 4 Jahre nachuntersucht. In weiterer Folge wurden placebokontrollierte Medikamentenstudien initiiert.
Herausforderungen & Perspektiven
Praxistipp
Gesundheitsexperten, die an der Entwicklung von Screeningprogrammen oder klinischen Studien im Bereich T1D interessiert sind, können von INNODIAs umfassendem Netzwerk profitieren. Die Zusammenarbeit mit zertifizierten INPACT-Mitarbeitern bietet einen direkten Zugang zu wertvollem Wissen und Erfahrungen aus der Patientensicht.Mit dem Auslaufen der initialen Finanzierung durch die „Innovative Medicines Initiative“ (IMI-2-EU-Projekt) im Jahr 2024 stellte sich die Frage nach der nachhaltigen Weiterführung des Projekts. Unter der Leitung von Chantal Mathieu (KU Leuven, Belgien) wurde 2022 als nachfolgendes Projekt INNODIA.org gegründet, um auf bestehenden Erfolgen aufzubauen und das Netzwerk weiter auszubauen. Ein zentrales Ziel ist es, die europäischen Mitgliedsländer bei der Implementierung standardisierter T1D-Screeningprogramme zu unterstützen. INNODIA.org ist ebenso ein Netzwerk, das zwischen klinischen Zentren, Grundlagenforschungseinrichtungen, Pharmaunternehmen, Start-ups und auch den Betroffenen selber vermitteln möchte.
INNODIA-Teilnahme in Österreich
Auch Österreich spielt eine wichtige Rolle im INNODIA-Netzwerk. Die Medizinische Universität Graz, vertreten durch Thomas Pieber, ist ein Gründungsmitglied. Die Medizinische Universität Wien ist seit 2020 aktiv beteiligt. In der neuen INNODIA.org-Struktur sind aktuell vier pädiatrische und vier internistische Zentren im Land entweder bereits akkreditiert oder kurz davor, auch aktiv an Studien teilnehmen zu können. Diese Zentren tragen entscheidend dazu bei, die europäischen Bemühungen zur Bekämpfung von T1D zu bestärken und innovative Therapien voranzutreiben. Mit Thomas Pieber und Birgit Rami-Merhar sind auch zwei österreichische Vertreter Mitglieder des INNODIA-Vorstandes.
Neue Projekte & Partnerschaften
Neben laufenden klinischen Studien wie FABULINUS und Ver-A-Long sind weitere Kooperationen mit pharmazeutischen Unternehmen und akademischen Institutionen geplant. Diese Partnerschaften sollen helfen, innovative Therapieansätze schneller zur Marktreife zu bringen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem T1D-Screeningprogramm, das Menschen mit einem erhöhten Risiko frühzeitig identifizieren und sie in Präventionsstudien einbinden soll. In Österreich gibt es bisher kein T1D-Früherkennungsprogramm. Ein solches aufzubauen, erfordert viele Ressourcen. INNODIA.org kann helfen, solch ein Programm aufzubauen, ein Protokoll dazu wurde bereits erstellt und wird aktuell in einigen Zentren in einer Pilotphase getestet.
Patientenzentrierung durch INPACT
Ein wichtiger Bestandteil der Zukunftsstrategie ist die Einbindung von Menschen mit T1D über das INPACT-Programm. Diese zertifizierten Mitarbeiter sollen nicht nur beratend tätig sein, sondern auch aktiv an der Gestaltung von Studien und der Entwicklung patientenzentrierter Lösungen mitwirken.
Literatur:
● Agonist GmbH: The end of INNODIA and beginning of INNODIA.org. https://www.innodia.eu/ , zuletzt aufgerufen am 27.01.2024 ● Dunger DB et al.: INNODIA Master Protocol for the evaluation of investigational medicinal products in children, adolescents and adults with newly diagnosed type 1 diabetes. Trials 2022; 23(1): 414 ● INNODIA iVZW: We strive for a world without Type 1 Diabetes. https://www.innodia.org/ , zuletzt aufgerufen am 27.01.2024 ● Marcovecchio ML et al.: The INNODIA type 1 fdiabetes natural history study: a european cohort of newly diagnosed children, adolescents and adults. Diabetologia 2024; 67(6): 995-1008
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