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Injektionstherapien bei Diabetes mellitus Typ 2
Leading Opinions
30
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01.11.2018
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<p class="article-intro">Eine initiale Basistherapie oder spätere Therapieintensivierung mit einem GLP-1-Rezeptoragonisten erweist sich aufgrund des niedrigen Hypoglykämierisikos und positiver Begleiteffekte, wie beispielsweise einer Gewichtsabnahme, für viele Patienten als vorteilhaft.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Trotz der enormen Fortschritte in der Diabetesbehandlung scheint die Diabeteskontrolle eine «mission impossible» zu sein, wie Dr. med. Barbara Felix vom Kantonsspital Baselland am Post ADA-/Endocrine- Symposium in Bern sagte. Ein häufiger Grund für die unzureichende HbA<sub>1c</sub>-Kontrolle ist die mangelhafte Therapietreue vieler Patienten. Wie man seit einiger Zeit weiss, wird die Compliance von Patienten mit einem Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) negativ beeinflusst, wenn sie zu Beginn ihrer Insulintherapie eine Hypoglykämie erleiden. Auch in dieser Hinsicht könnten sich die neu zur Verfügung stehenden Injektionstherapien als günstig erweisen.</p> <h2>Basalinsulin oder GLP-1- Rezeptoragonist zur initialen Injektionstherapie?</h2> <p>«In Bezug auf die Therapieeskalation bei DM2 lassen uns die hiesigen Guidelines relativ viel Freiheit. Wir können entweder die Therapie mit oralen Antidiabetika ausbauen oder auch schon frühzeitig mit einer Injektionstherapie mit Basalinsulin oder einem GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) beginnen», so Felix.<sup>1</sup> Bei Patienten mit einem ausgeprägten Insulinmangel, einer Pankreatitis oder einer schweren Niereninsuffizienz ist eine Behandlung mit Basalinsulin indiziert. In den übrigen Fällen könnte eine Behandlung mit GLP-1-RA begonnen werden. Studien haben gezeigt, dass die Behandlung mit einem GLP-1-RA verglichen mit Basalinsulin zu einer mindestens vergleichbaren oder stärkeren Reduktion des HbA<sub>1c</sub> führt.<sup>2, 3</sup> Auch erreichten beispielsweise unter Semaglutid signifikant mehr Patienten den HbA<sub>1c</sub>-Zielwert als unter Basalinsulin.<sup>3</sup> Im Unterschied zur Insulintherapie wurden unter der Behandlung mit dem GLP-1-RA praktisch keine Hypoglykämien beobachtet und das Körpergewicht nahm ab. Ein Nachteil der Behandlung mit GLP-1-RA sind die gastrointestinalen Nebenwirkungen. Andere Faktoren, die ebenfalls mit in die Therapieentscheidung einbezogen werden sollten, sind die kardiovaskuläre Verträglichkeit der Substanzen, das jeweilige Titrationsschemata und die Behandlungskosten. Tabelle 1 zeigt die wichtigsten klinischen Eigenschaften von Basalinsulin und GLP-1-RA. Die Spezialistin wies zudem darauf hin, dass die Behandlung mit GLP-1-RA vor allem initial gut wirkt, aber in aller Regel keine dauerhafte Lösung darstellt. «Es geht also weniger um das Entweder-oder», sagte Felix. «Vielmehr stellt sich die Frage, mit welcher Substanz beginne ich und welche gebe ich als zweite dazu oder starte ich gleich mit einer Kombination aus Basalinsulin und GLP-1-RA?»<br /> Die Wahl des GLP-1-RA ergibt sich aus den Unterschieden im Wirkungsmechanismus. Die kurz wirksamen GLP-1-RA, wie Exenatid (Byetta<sup>®</sup>) und Lixisenatid (Lyxumia <sup>®</sup>), führen primär zu einer verzögerten Magenentleerung und einem langsameren Blutzuckeranstieg und beeinflussen daher vor allem die postprandialen Blutzuckerwerte. Im Unterschied dazu wirken lang wirksame GLP-1-RA, wie Albiglutid, Dulaglutid (Trulicity<sup>®</sup>), Exenatid-LAR (Bydureon<sup>®</sup>) und Liraglutid (Victoza<sup>®</sup>), primär auf die Insulin- und Glukagonproduktion und haben deshalb vor allem einen Einfluss auf den Nüchtern-Blutzucker.<sup>4</sup> Neben den aktuellen Therapieindikationen, DM2 und Adipositas, werden die GLP-1-RA auch im Hinblick auf eine Behandlung bei Typ-1-Diabetes, bei Prädiabetes und NASH/NAFDL untersucht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1805_Weblinks_s26_tab1.jpg" alt="" width="1465" height="582" /></p> <h2>Initial Basalinsulin: und dann?</h2> <p>Bis vor Kurzem heftig diskutiert wurde die Frage, ob als Basalinsulin bevorzugt Insulin Glargin (Toujeo<sup>®</sup>) oder Insulin Degludec (Tresiba<sup>®</sup>) eingesetzt werden soll. Die am ADA-Kongress 2018 präsentierten Ergebnisse der BRIGHT-Studie haben nun gezeigt, dass die beiden Insuline mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben: Die glykämische Kontrolle war vergleichbar und das Hypoglykämierisiko unter beiden Substanzen gering.<sup>5</sup><br /> Der nächste Schritt nach dem Basalinsulin zu einer intensivierten Therapie, sei es durch die Kombination mit einem Bolusinsulin oder mit einem GLP-1-RA, erfolgt oft mit erheblicher Verzögerung. Wie eine retrospektive Studie aus England zeigte, vergingen im Median 4,3 Jahre, bis die initiale Therapie mit Basalinsulin angepasst wurde. Auffallend war zudem, dass die Therapie nur bei knapp einem Drittel der Patienten mit einem HbA<sub>1c</sub> =7,5 % intensiviert wurde.<sup>6</sup><br /> Verschiedene Studien haben die beiden Kombinationen Basis-Bolus-Insulin und Basalinsulin plus GLP-1-RA miteinander verglichen. Eine Metaanalyse dieser Studien zeigte, dass die Kombination Basalinsulin plus GLP-1-RA zu einer stärkeren HbA<sub>1c</sub>-Senkung führt als das Basis-Bolus- Schema.<sup>7</sup> Zudem erlitten die Patienten unter Basalinsulin plus GLP-1-RA deutlich weniger Hypoglykämien und konnten ihr Körpergewicht reduzieren.<sup>7</sup> «Die Umstellung von Patienten, die noch mit einem Basis-Bolus-Schema behandelt werden, ist deshalb in jedem Fall eine Überlegung wert», sagte Felix. Eine kürzlich publizierte Studie zeigte, dass auch die Fixkombination Degludec-Liraglutid (Victoza<sup>®</sup>) zu einer vergleichbaren HbA<sub>1c</sub>-Reduktion führt wie die Basis-Bolus-Therapie, gleichzeitig aber ein deutlich günstigeres Nebenwirkungsprofil aufweist.<sup>8</sup> «Auch in diesem Fall empfiehlt es sich, die positiven Begleiteffekte der neuen Substanzen in die Therapieentscheidung mit einzubeziehen », empfahl die Spezialistin.<br /> Was die Bolusinsuline betrifft, so bestehen zwischen den verfügbaren «rapid-acting » Analoginsulinen und dem humanen Insulin noch immer grosse Wirkungsunterschiede. «Fraglich ist, ob ein noch schnelleres Anfluten und eine raschere Resorption in der Behandlung des DM2 überhaupt nötig sind», sagte die Spezialistin. Während diese Eigenschaften in Studien mit Typ-1-Diabetikern zu einer besseren metabolischen Kontrolle und einer höheren Behandlungszufriedenheit führten, konnte ein solcher Vorteil bei Patienten mit einem DM2 bislang nicht gezeigt werden.<sup>9</sup> Hier fand sich lediglich ein positiver Effekt auf die postprandialen Blutzuckerwerte.<sup>9</sup></p> <h2>Bislang keine Erfolge bei den Immuntherapien zur Behandlung des DM1</h2> <p>Seit Mitte der 1960er-Jahre ist bekannt, dass es sich beim Typ-1-Diabetes (DM1) um eine Autoimmunerkrankung handelt.<sup>10</sup> Das von Eisenbarth basierend auf histopathologischen Untersuchungen entwickelte klassische Modell zur Entstehung des DM1 geht davon aus, dass es bei Personen mit einer (immun)genetischen Prädisposition zu einer Insulitis mit anschliessender Destruktion von Betazellen kommt. Der auslösende Faktor könnte ein Virus oder ein Fremdprotein sein. Wenn 68 % der Betazellen zerstört sind, wird der DM1 manifest.<br /> Die anschliessende Entdeckung der NOD(«non-obese diabetic»)-Maus, als perfektes Tiermodell, hat die Diabetesforschung stimuliert. «Als 1988 bekannt wurde, dass das Auftreten eines Diabetes bei der NOD-Maus mit einer Immuntherapie verhindert werden konnte,<sup>11</sup> war die Begeisterung riesig», sagte Prof. Dr. med. em. Giatgen Spinas. Die erfolgreiche Anwendung verschiedener Immuntherapien bei NOD-Mäusen hat dazu geführt, dass man die Therapien anschliessend auch beim Menschen untersuchte. Das Resultat war ernüchternd: Bis Ende 2016 fielen fünf Studien mit Substanzen, die bei der Primärprävention ansetzten, negativ aus. Das Gleiche gilt für 12 Studien mit Immuntherapien zur Sekundärprävention und weitere 46 Studien zur Tertiärprävention. «Ich glaube, die Euphorie über die Tiermodelle und der Wunsch, Typ-1-Diabetes heilen zu können, haben dazu geführt, dass man vergessen hat, dass Menschen eben doch keine Mäuse sind», sagte der Spezialist. In Bezug auf den DM1 zeige die NOD-Maus zwar sehr viele Ähnlichkeiten mit dem Menschen, es bestünden aber auch substanzielle Unterschiede, die zwar immer bekannt waren, aber offensichtlich vernachlässigt wurden.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 17. Post ADA-/Endocrine-Symposium, 30. August 2018,
Bern
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Swiss recommendations for the medical treatment of type 2 diabetes mellitus. Stand Juni 2017, abrufbar unter: www.sgedssed.ch <strong>2</strong> Heine RJ et al.: Exenatide versus insulin glargine in patients with suboptimally controlled type 2 diabetes: a randomized trial. Ann Intern Med 2005; 143: 559-69 <strong>3</strong> Aroda VR et al.: Efficacy and safety of onceweekly semaglutide versus once-daily insulin glargine as add-on to metformin (with or without sulfonylureas) in insulin-naive patients with type 2 diabetes (SUSTAIN 4): a randomised, open-label, parallel-group, multicentre, multinational, phase 3a trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2017; 5: 355-66 <strong>4</strong> Meier J: GLP-1 receptor agonists for individualized treatment of type 2 diabetes mellitus. Nat Rev Endocrinol 2012; 8: 728-42 <strong>5</strong> Rosenstock J et al.: More similarities than differences testing insulin glargine 300 units/ml versus insulin degludec 100 units/ml in insulin- naive type 2 diabetes: the randomized head-to-head BRIGHT Trial. Diabetes Care 2018; 41: 2147-54 <strong>6</strong> Khunti K et al.: Clinical inertia with regard to intensifying therapy in people with type 2 diabetes treated with basal insulin. Diabetes Obes Metab 2016; 18: 401-9 <strong>7</strong> Eng C et al.: Glucagon- like peptide-1 receptor agonist and basal insulin combination treatment for the management of type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis. Lancet 2014; 384: 2228-34 <strong>8</strong> Billings LK et al.: Efficacy and safety of IDegLira versus basal-bolus insulin therapy in patients with type 2 diabetes uncontrolled on metformin and basal insulin: the DUAL VII randomized clinical trial. Diabetes Care 2018; 41: 1009-16 <strong>9</strong> Rys P et al.: Efficacy and safety comparison of rapid-acting insulin aspart and regular human insulin in the treatment of type 1 and type 2 diabetes mellitus: a systematic review. Diabetes Metab 2011; 37: 190-200 <strong>10</strong> Gepts W: Pathologic anatomy of the pancreas in juvenile diabetes mellitus. Diabetes 1965; 14(10): 619- 33 <strong>11</strong> Shizuru JA et al.: Immunotherapy of the nonobese diabetic mouse: treatment with an antibody to T-helper lymphocytes. Science 1988; 240: 659-62</p>
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