
Ein Update zu MODY
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Stulnig
3. Medizinische Abteilung und Karl Landsteiner Institut für Stoffwechselerkrankungen und Nephrologie, Klinik Hietzing, Wien
E-Mail: thomas.stulnig@meduniwien.ac.at
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Unter dem Begriff MODY („maturity onset diabetes in the young“) werden verschiedene monogenetische Formen des Diabetes zusammengefasst. Rezente Untersuchungen zeigen, dass MODY deutlich häufiger ist als gemeinhin angenommen. Er ist auch in Populationen zu finden, bei denen man nicht primär an MODY denken würde. Grund genug für ein Update zu diesen oft übersehenen Diabetesformen.
Keypoints
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MODY ist keine seltene Erkrankung, sodass bei Verdacht eine molekulargenetische Analyse eingeleitet werden sollte.
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Die Therapie erfolgt mutationsspezifisch und oft sind Sulfonylharnstoffe eine Möglichkeit (zumindest zu Beginn).
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GCK-MODY braucht keine antidiabetische Therapie.
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Die Schwangerschaft stellt jedoch vor allem bei GCK-MODY ein Problem dar.
Aus genetischer Sicht kann der Diabetes mellitus in polygenetische und monogenetische Formen eingeteilt werden. Zu den polygenetischen Formen zählen der Typ-1- und der Typ-2-Diabetes. Bei diesen Formen besteht zwar eine gewisse Vererbbarkeit, die jedoch nicht auf ein bestimmtes Gen zurückgeführt werden kann, und die Penetranz ist sehr unterschiedlich. Bei den monogenen Formen wiederum werden syndromale von nichtsyndromalen Formen unterschieden (Abb. 1). Zu Letzteren zählen der neonatale Diabetes und MODY.1 Schätzungen zufolge sind 1–2% der Diabetespatienten von einem MODY betroffen, bei jungen Patienten sogar 2–3%.1
Verdachtsdiagnose von MODY
Ein Verdacht auf MODY ergibt sich bei milden Nüchternglykämien (typischerweise <144mg/dl), positiver Familienanamnese mit Erstmanifestation im jungen Erwachsenenalter, einer Diabetesdauer von mehr als drei Jahren ohne Erfordernis einer Insulintherapie, fehender Ketoazidose, einem messbaren C-Peptid und fehlenden Diabetes-Autoantikörpern.2,3 Im Konsensusreport der American Diabetes Association (ADA) und der European Association for the Study of Diabetes (EASD) für das Management des Typ-1-Diabetes werden die Indikatoren eines monogenen Diabetes bei Patienten <35 Jahren mit Verdacht auf Typ-1-Diabetes, aber negativen Autoantikörpern durch das Vorliegen eines oder mehrerer der folgenden Eigenschaften spezifiziert.4
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HbA1c <7,5% bei Diagnosestellung
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Ein Elternteil mit Diabetes mellitus
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Typische somatische Zeichen einer monogenen Ursache (z.B. Nierenzysten, partielle Lipodystrophie, maternale Taubheit oder schwere Insulinresistenz in Abwesenheit von Adipositas)
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Wahrscheinlichkeit von >5% in einem Voraussagemodell für monogenen Diabetes (über den MODY Calculator)
Beim „Exeter MODY-Probability Calculator“ werden folgende Eigenschaften in die Berechnung miteinbezogen: Alter bei Diagnose, Geschlecht, aktuelle Therapie, Zeit von der Diagnose bis zum Start einer Insulintherapie, BMI, HbA1c, Alter, Elternteil mit Diabetes, Ethnizität und somatische Zeichen wie weiter oben angeführt. Trotz Verwendung solcher Kalkulatoren bleiben große Unsicherheiten hinsichtlich der Diagnose, sodass diese lediglich als Richtschnur für die Zuweisung zur einer molekulargenetischen Untersuchung dienen. Andererseits ist die Diagnose eines MODY von großer Bedeutung, um falsche Therapien oder Übertherapien (z.B. bei GCK-MODY) zu vermeiden und die Patienten hinsichtlich Familienplanung und Schwangerschaft entsprechend beraten zu können. Darüber hinaus kann durch den zumeist autosomal-dominanten Erbgang die Diagnose auch zur Identifikation weiterer betroffener Familienmitglieder führen.
MODY – keine Seltenheit
Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass auch abseits der oben skizzierten typischen Patientenbilder MODY nicht selten ist. Eine rezente Studie untersuchte >72000 Patienten mit Diabetes aus dem Vereinigten Königreich (UK) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) auf das Vorliegen eines MODY (auf 12 Genen) oder eines mitochondrialen Diabetes (m.3243A>G-Mutation, nur in UK-Population) bei Patienten mit einer Erstmanifestation nach dem 40. Lebensjahr.5 Die Prävalenz von MODY in den beiden Populationen lag bei 0,48% (UK) bzw. 0,25% (USA), bei Patienten mit BMI <27 sogar bei 1,1% (UK). Davon entfielen 45% (UK) auf die nicht therapiebedürftigen GCK-MODY-Patienten. Insgesamt erhielten 25% (UK) bzw. 50% (USA) der Patienten mit monogenem Diabetes eine inadäquate Therapie. Diese Daten weisen darauf hin, dass MODY auch bei älteren Patienten eine relevante Differenzialdiagnose darstellt, insbesondere bei Patienten, bei denen ein Typ-2-Diabetes vermutet wird und die schlank sind. Nur die genetische Testung kann hier Klarheit schaffen. Die molekulargenetische Untersuchung, die heute zumeist als Panel mit Next-Generation-Sequencing durchgeführt wird, führt zur Diagnose und weist auf die bestehende MODY-Form hin. Um Missverständnisse zu vermeiden und der steigenden Anzahl von Formen gerecht zu werden, sollten MODY nur noch nach dem mutierten Gen benannt werden, wie z.B. GCK-MODY, HNF1A-MODY, jedoch nicht mehr mit fortlaufenden Nummern (Tab. 1).
Besonderheiten der einzelnen MODY-Formen
80–85% der MODY-Formen gehören zu den häufigen Formen GCK-, HNF1A- und HNF4A-MODY. HNF1A- und HNF4A-MODY sprechen typischerweise gut auf Sulfonylharnstoffe an – ein HNF1A-MODY oft sogar schon auf niedrige Dosen. HNF1B-MODY ist typischerweise von Nierenzysten und Urogenitalveränderungen begleitet und kann zu Niereninsuffizienz und Gicht führen.
Praxistipp
Der Exeter MODY-Probability Calculator kann helfen, die Wahrschein-lichkeit für das Vorliegen eines MODY abzuschätzen (abzurufen unter https://www.diabetesgenes.org/exeter-diabetes-app).Eine besondere Form ist der GCK-MODY, der durch eine mutierten Glukokinase zu einem veränderten Ansprechen der Betazellen und der Leberzellen auf Insulin führt. Dadurch nivelliert sich die Blutglukose auf einem höheren Wert. Im OGTT bleibt der Anstieg im 2-h-Wert typischerweise unter 54mg/dl. Der GCK-MODY zeigt nur selten eine Progredienz, führt kaum zu Spätschäden und macht nur Lebensstilmaßnahmen notwendig.
Ein besonderer Problemfall ist die Schwangerschaft bei GCK-MODY von Mutter oder Kind. Bei GCK-MODY der Mutter und gesundem Kind führen die höheren Glukosespiegel der Mutter zu einer Makrosomie. Wenn sowohl Mutter als auch das Kind die GCK-Mutation tragen, entwickelt sich das Kind normal. Im Falle einer paternalen Übertragung der GCK-Mutation auf das Kind zeigt es ein geringeres Geburtsgewicht.6 Eine klare Strategie hinsichtlich der engmaschigen Kontrolle der fetalen Biometrie gibt es nicht. Bei mütterlichem GCK-MODY und gesundem Kind ist eine Insulintherapie mit hohen Insulindosen notwendig und es besteht ein sehr hohes Hypoglykämierisiko, während der Nutzen bzgl. des Geburtsgewichts des Kindes unklar bleibt.6
Auch bei anderen häufigen MODY-Formen kann die Schwangerschaft eine Herausforderung darstellen, da Sulfonylharnstoffe in der Schwangerschaft nicht und in der Stillzeit nur sehr eingeschränkt angewendet werden können.6
Literatur:
1 Tosur M, Philipson LH: Precision diabetes: lessons learned from maturity-onset diabetes of the young (MODY). J Diabetes Investig 2022; 13(9): 1465-71 2 Badenhoop K: MODY und andere monogenetische Diabetesformen. Diabetologe 2017; 13: 453-63 3 Peixoto-Barbosa R et al.: Update on clinical screening of maturity-onset diabetes of the young (MODY). Diabetol Metab Syndr 2020; 12: 50 4 Holt RIG et al.: The management of type 1 diabetes in adults. A consensus report by the American Diabetes Association (ADA) and the European Association for the Study of Diabetes (EASD). Diabetologia 2021; 64(12): 2609-52 5 Sharp L et al.: MODY in older onset diabetes is common and identification can improve treatment: analysis of >72.000 people. Präsentiert am EASD-Kongress 2023 in Hamburg 6 Crowley MT et al.: Management of pregnancy in women with monogenic diabetes due to mutations in GCK, HNF1A and HNF4A genes. Front Genet 2024; 15: 1362977
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