Behandlung der Sigmadivertikulitis – aktualisierte Leitlinien
Autor:
Prof. Dr. med. Robert Rosenberg
Klinik für Chirurgie & Viszeralchirurgie
Kantonsspital Baselland
Liestal
E-Mail: robert.rosenberg@ksbl.ch
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Die Sigmadivertikulitis gehört zu den häufigsten viszeralmedizinischen Krankheitsbildern. Die Spitaleinweisungen sind bei zunehmender Prävalenz weltweit ansteigend. Lange ist man davon ausgegangen, dass es sich um eine Alterskrankheit handelt, jedoch zeigen aktuelle Daten, dass die Inzidenz der Erkrankung bei unter 50-Jährigen signifikant zunimmt. Die Behandlung der Sigmadivertikulitis hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Aktuelle Behandlungs-empfehlungen können der S3-Leitlinie entnommen werden, die im letzten Jahr publiziert wurde.1 Das Besondere dieser Leitlinie ist, dass sowohl Gastroenterologen als auch Viszeralchirurgen partizipiert haben und dass europäische und internationale Fachgesellschaften die Leitlinie sehr schnell bestätigt haben.
Keypoints
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Die akute unkomplizierte Divertikulitis ohne Risikofaktoren wird konservativ behandelt. Das kann unter hausärztlicher Überwachung ohne Antibiotikagabe ambulant erfolgen. Eine erfolgreich behandelte unkomplizierte Divertikulitis stellt keine Operationsindikation dar.
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Eine akute Divertikulitis mit Mikroabszess Typ 2a (bis 3cm) sollte stationär und antibiotisch behandelt werden. Nach erfolgreicher Therapie besteht keine zwingende Indikation zur Operation. Dagegen sollten Patienten mit Makroabszess Typ 2b (>3cm) eine perkutane Abszessdrainage erhalten und im entzündungsfreien Intervall operiert werden.
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Die freie Perforation mit Peritonitis Typ 2c stellt eine Indikation zur Notfalloperation dar.
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Bei der chronisch rezidivierenden Form Typ 3b sollte die Operationsindikation nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung in Abhängigkeit des individuellen Beschwerdebilds erfolgen. Die Lebensqualität nach Sigmaresektion ist in Studien signifikant besser als nach langjähriger konservativer Therapie.
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Die Operation erfolgt möglichst minimal invasiv – laparoskopisch oder robotisch.
Kolondivertikel sind erworbene Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa durch muskelschwache Lücken der Kolonwand. Bei der Divertikulitis kommt es zu einem Entzündungsprozess, der von Kolondivertikeln ausgeht und auf die Darmwand übergreift. In 12% der Fälle treten Komplikationen wie Abszess- und/oder Fistelbildung, gedeckte oder offene Perforationen mit Peritonitis, Kolonstenose, divertikulitische Tumoren oder Divertikelblutungen auf. Das Risiko für eine Perforation ist entgegen früherer Lehrmeinung im ersten Entzündungsschub am höchsten. Früher dachte man, dass wiederkehrende Rezidive stärker und gefährlicher verlaufen. Mittlerweile weiss man, dass die Divertikulitis in der Regel keine progressive Erkrankung darstellt.
Für westliche Industrienationen werden folgende Prävalenzen angegeben, wobei aktuell eine stärkere Zunahme in jüngeren Altersgruppen zu beobachten ist: <50 Jahren ca. 13%, 50–70 Jahre ca. 30%, 70–85 Jahre ca. 50% und >85 Jahre ca. 66%.2
Risikofaktoren, die Verlauf und Schwere beeinflussen können, sind eine Ernährung mit hohem Anteil an rotem Fleisch und geringem an Ballaststoffen, ein schlechter Ernährungsstatus mit Adipositas, Alkohol und Nikotin sowie wenig körperliche Aktivität.
Diagnostik
Typische Symptome der Sigmadivertikulitis sind plötzlich auftretende Schmerzen mit Abwehrspannung im linken Unterbauch sowie erhöhte Entzündungsparameter (CRP/Leukozytose), ggf. Fieber. Allein anhand von Klinik und Laborwerten kann jedoch kein Typ der Erkrankung mit hinreichender Sicherheit definiert werden. Entscheidend sind Schnittbildverfahren wie Sonografie und Computertomografie. Da die Krankheitsschwere sehr unterschiedlich sein kann, fordert die Leitlinie die Diagnosesicherung und Klassifikation der Erkrankung. In der Diagnostik spielt das konventionelle Röntgen in Form eines Kolon-Kontrasteinlaufes keine Rolle. Die Koloskopie hat keine Bedeutung in der akuten Entzündung. Aufgrund des Risikoprofils und im Sinne der Vorsorge sollte jedoch 6 Wochen nach Abklingen der Symptome einer Divertikulitis eine vollständige elektive Koloskopie erfolgen.
Klassifikation
Tab. 1: Klassifikation der Divertikelkrankheit nach CDD (Classification of Diverticular Disease) (adaptiert nach Leifeld et al., 2022)1
Für die Klassifikation der Sigmadivertikulitis hat sich die «Classification of Diverticular Disease» (CDD) durchgesetzt (Tab. 1). Diese hat zum Ziel, unterschiedliche Verläufe unabhängig von einer Operation und eine Stratifizierung unterschiedlicher Prognosen und Therapieformen bei der Erstdiagnose oder beim Rezidiv zu erfassen. Unterschieden werden:
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akute unkomplizierte Divertikelkrankheit/Divertikulitis (Typ 1a–b) (Abb. 1),
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akute komplizierte Divertikulitis (Typ 2a–c) (Abb. 2 und 3) sowie
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chronische Divertikelkrankheit (rezidivierende oder anhaltende symptomatische Divertikelkrankheit; Typ 3a–c) (Abb. 4).
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Robert Rosenberg
Abb. 1: Akute Sigmadivertikulitis |
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Robert Rosenberg
Abb. 2: Gedeckt perforierte Sigmadivertikulitis mit Mikroabszess |
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Robert Rosenberg
Abb. 3: Gedeckt perforierte Sigmadivertikulitis mit Makroabszess |
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Robert Rosenberg
Abb. 4: Chronisch rezidivierende Sigmadivertikulitis mit Konglomerattumor |
Therapie
Die Behandlung der akuten unkomplizierten Divertikulitis ist eine primär konservative Therapie. Als etabliert gilt, dass unkomplizierte Verlaufsformen eine gute Prognose haben und in der Regel keine Operation nötig ist. Weiterhin können unkomplizierte Krankheitsverläufe (fehlende Zeichen einer schweren Erkrankung, fehlende Risikofaktoren) bei gesicherter Betreuungsqualität sowie bei vorhandener Möglichkeit einer engmaschigen ärztlichen Verlaufsbeobachtung ambulant behandelt werden. Patienten mit komplizierten Formen und Risikopatienten sollen stationär aufgenommen werden.
Unkomplizierte Divertikulitis (Typ 1)
Bei der konservativen Therapie liegt der Fokus auf der Indikation zur Antibiotikatherapie. Während Antibiotika in der Vergangenheit bei jedem Verdacht auf eine akute Divertikelkrankheit grosszügig verabreicht wurden, haben sich die Empfehlungen aufgrund der Ergebnisse von grossen Studien grundlegend geändert. Bei unkomplizierten Typen einer Divertikelkrankheit ohne besondere Risikoindikatoren hat die Therapie mit systemisch wirksamen Antibiotika über mehr als eine Woche keine Vorteile gezeigt. Das heisst, dass bei akuter unkomplizierter Divertikulitis bei Fehlen von Risikoindikatoren unter engmaschiger klinischer Kontrolle auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden kann. Risikofaktoren, bei denen eine Antibiotikatherapie erfolgen sollte, sind in Tabelle 2 beschrieben.
Tab. 2: Risikofaktoren mit Indikation einer Antibiotikatherapie
Nach erfolgreicher konservativer Therapie sollte beim beschwerdefreien Patienten, unabhängig von Vorerkrankungen, keine elektive Sigmaresektion erfolgen. Nach nicht erfolgreicher konservativer Therapie (anhaltende Beschwerden im Sinne einer «smoldering diverticulitis») kann eine elektive Sigmaresektion zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen.
Komplizierte Divertikulitis (Typ 2)
Die akute komplizierte Divertikulitis Typ 2 unterscheidet mit Typ 2a und 2b die gedeckte Perforation mit Mikroabszess (≤3cm) vom Makroabszess (>3cm). Als Typ 2c wird die freie Perforation mit eitriger oder fäkaler Peritonitis bezeichnet. Die akute komplizierte Divertikulitis sollte stationär und mit einer Antibiotikatherapie behandelt werden. Bei mangelhafter Trinkmenge soll parenteral Flüssigkeit substituiert werden. Eine situationsadaptierte Nahrungszufuhr kann erfolgen. Im Gegensatz zum Makroabszess Typ 2b ist der Typ 2a mit Mikroabszess einer interventionellen Abszessdrainage nicht zugänglich. Bei erfolgreicher Therapie ist eine Indikation zur elektiven Operation nicht zwingend gegeben. Zu beachten ist, dass das Rezidivrisiko mit der Abszessgrösse korreliert. Retroperitoneale oder parakolische Abszesse (>3cm) können interventionell drainiert werden. Nach erfolgreicher konservativ bzw. interventionell therapierter Divertikulitis kann eine Operation im entzündungsfreien Intervall nach circa 6 Wochen angeboten werden.
Die freie Perforation Typ 2c stellt eine Notfallsituation dar und es soll unmittelbar nach Diagnosestellung operiert werden. Die Dringlichkeit ist gegeben, da die fehlende Fokussanierung bei abdomineller Sepsis mit einer Letalität von 40–85% verbunden ist.3 Anzustreben ist eine Rektosigmoidresektion mit Anastomose mit oder ohne protektives Ileostoma. Als Alternative ist je nach Situation eine Diskontinuitätsresektion nach Hartmann durchzuführen.4
Chronisch rezidivierende Divertikulitis
Im klinischen Alltag relevant ist die chronisch rezidivierende Divertikulitis Typ 3b. Gekennzeichnet ist sie durch wiederkehrende schubweise Entzündungen der Divertikel. Entgegen früherer Meinung sind die Verläufe wiederkehrender Schübe nicht intensiver bzw. gefährlicher. Das Perforationsrisiko gilt beim ersten Schub als am höchsten und nimmt danach ab. Die Abstände der Entzündungsschübe lassen sich nicht voraussagen.5 Die Indikation zur Operation und Fokussanierung wird nicht mehr abhängig von der Zahl durchgemachter Entzündungsschübe gestellt. Wesentlich für die Entscheidung sind vielmehr die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die Entzündungsschübe sowie das Abwägen von Nutzen und Risiko einer Operation. Eine elektive Intervalloperation nur in Abhängigkeit von der Anzahl der vorausgegangenen entzündlichen Schübe gilt als nicht gerechtfertigt.
Kürzlich publizierte Studien haben die signifikant bessere Lebensqualität nach elektiver Sigmaresektion im Vergleich zur konservativen Therapie zeigen können. In einer finnischen Multicenterstudie wurde von 2014–2018 die elektive Sigmaresektion gegen die konservative Therapie bei Patienten mit rezidivierender, komplizierter oder persistierender Divertikulitis untersucht.6 85 Patienten wurden eingeschlossen und nach zwei Jahren reevaluiert. Nach zwei Jahren war der GIQLI-Score für die Lebensqualität bei den operierten Patienten signifikant höher als bei den konservativ behandelten Patienten. 61% der konservativ behandelten Patienten hatten erneute Entzündungsschübe und 20% der konservativ behandelten Patienten wurden innerhalb der zwei Jahre doch noch operiert. Die Autoren schliessen aus den Resultaten, dass die elektive Sigmaresektion effektiv ist, um neue Entzündungsschübe zu verhindern, und die Lebensqualität signifikant verbessert.6 Zum gleichen Ergebnis kam auch eine niederländische Multicenterstudie.7
Das präferierte Operationsverfahren ist heutzutage in geübten Händen die minimal invasive Sigmaresektion, die entweder laparoskopisch oder mit dem Roboter durchgeführt werden kann.8
Literatur:
1 Leifeld L et al.: S3-Leitlinie Divertikelkrankheit/Divertikulitis – Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Z Gastroenterol 2022; 60: 613-88 2 Humes DJ et al.: Changing epidemiology: does it increase our understanding? Dig Dis 2012; 30: 6-11 3 EmmanuelK et al.: Current and future concepts of abdominal sepsis. World J Surg 2005; 29: 3-9 4 Lambrichts DP et al.: Sigmoid resection with primary anastomosis versus the Hartmann‘s procedure for perforated diverticulitis with purulent or fecal peritonitis: a systematic review and meta-analysis. Int J Colorectal Dis 2020; 35: 1371-86 5 Holmer C et al.: Long-term outcome after conservative and surgical treatment of acute sigmoid diverticulitis. Langenbecks Arch Surg 2011; 396: 825-32 6 Santos A et al.: Quality-of-life and recurrence outcomes following laparoscopic elective sigmoid resection vs conservative treatment following diverticulitis: prespecified 2-year analysis of the LASER randomized clinical trial. JAMA Surg 2023; 158: 593-601 7 Lambrichts DPV et al.: Multicentre study of non-surgical management of diverticulitis with abscess formation. Br J Surg 2019; 106: 458-66 8 Giuliani G et al.: Robotic versus conventional laparoscopic technique for the treatment of left-sided colonic diverticular disease: a systematic review with meta-analysis. Int J Colorectal Dis 2022; 37: 101-9
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